Die Eheleute hatten sich nach über 50-jähriger Ehe eineVollmacht erteilt. Die Klägerin ist deren Tochter. Nach dem Tod der Mutter war sie Miterbin derselben und machte gegen ihren Vater klageweise einen auf §§ 662, 666 BGB gestützten Auskunftsanspruch geltend. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht (LG) wies die Klägerin darauf hin, dass es gedenke, ihre Berufung als offenbar unbegründet zurückzuweisen, § 522 ZPO.
Ein Auftragsverhältnis ist ein Vertragsverhältnis. Dies zugrundelegend wies das OLG darauf hin, dass die Klägerin ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen ihren Eltern nicht bestritten habe. Es nahm nunmehr die Abgrenzung zwischen einem (rechtsgeschäftlichen) Auftragsverhältnis und einem reinen Gefälligkeitsverhältnis vor, da lediglich im Rahmen des Auftrages nach § 662 BGB eine Auskunftsanspruch des Auftraggebers (hier der Ehefrau und in deren Rechtsnachfolge der Klägerin) bestehen würde. Entscheidend sei für die Abgrenzung der Rechtsbindungswille. Dieser sei im Einzelfall nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände und der Verkehrssitte zu ermitteln (BGH, Urteil vom 22.06.1956 - I ZR 198/54 -). Abzustellen sei dabei darauf, ob der Leistungsempfänger aus dem Handeln des Leistenden unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste, mithin darauf, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden dargestellt habe.
Ein Rechtsbindungswille könnet sich bei erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung (die hier in Ansehung der Vermögensverhältnisse zweifelhaft erscheine) ergeben. Bedeutung könne dagegen gewinnen, dass mit notarieller Urkunde vom 27.06.1958 eine Vereinbarung der Gütertrennung getroffen wurde, und zum Zeitpunkt der Generalvollmacht nebst Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung die Ehe bereits über 50 Jahre bestanden habe. Ferner sei von Bedeutung, dass weder vorgetragen noch ersichtlich sei, das die Erblasserin zwischen Vollmachtserteilung und ihrem Tod jemals wegen mit der Vollmacht getätigter Geschäfte Auskunft und Rechenschaft vom Beklagten verlangt hätte. In diesem Fall könne ein Abrechnungsverlangen durch Erben gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen (OLG Hamm, Urteil vom 18.10.2018 - 10 U 91/17 -).
In einem Beschluss des OLG Koblenz vom 10.06.2020 - 12 U 7/20 - sei ein Gefälligkeitsverhältnis negiert worden, wenn eine Vertrauensperson ohne verwandtschaftlichem Verhältnis EC-Karte nebst PIN übergeben würden und damit diese Vertrauensperson über erhebliche Vermögenswerte (Bankguthaben von mehr als € 50.000,00) verfügen könne. Dies läge vorliegend anders. Gerade bei Eheleuten könne die Annahme eines Vertragsverhältnisses und damit die Annahme des § 666 BGB unangemessen erscheinen (BGH, Urteil vom 05.07.2000 - XUU ZR 26/98 -; OLG Köln Urteil vom 19.09.2012 - 16 U 196/11 -; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.03.2006 - 4 U 10/05 -).
Zudem käme auch eine konkludente Freistellung von Auskunftspflichten nach § 666 BGB in Betracht, da § 666 BGB dispositiv sei.
Mit Beschluss vom 08.02.2023 wies das OLG die Berufung zurück.
OLG Celle, Beschluss vom 13.01.2023
- 6 U 89/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der
Klägerin gegen das am 6. Oktober 2022 verkündete Teilurteil des Einzelrichters
der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden ohne mündliche Verhandlung durch
Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu
diesem Beschluss bis zum 6. Februar 2023 schriftsätzlich Stellung zu nehmen.
Bis zum 6.
Februar 2023 können die Parteien zum Streitwert für das Berufungsverfahren
Stellung nehmen.
Gründe
Der Senat hält
die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für gegeben. Insbesondere
hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Ausführungen des
Landgerichts im angefochtenen Urteil begegnen keinen durchgreifenden Bedenken.
1. Die
Klägerin ist nach dem Tod ihrer Mutter (Erblasserin) neben dem Beklagten, ihrem
Vater, und dem am Rechtsstreit nicht beteiligten Bruder, Miterbin. Unter
Miterben besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Auskunft. Die Klägerin hat als
Rechtsnachfolgerin der Erblasserin eigene Ansprüche auf Auskunft gegenüber
Banken etwa im Hinblick auf Schließfächer, Depots und Konten, sowie eigene
Ansprüche auf Einsichtnahme in das Handelsregister sowie in die zum
Handelsregister eingereichten Dokumente; von den Eintragungen und den
eingereichten Dokumenten kann sie Ausdrucke bzw. Abschriften verlangen (vgl. i.
E. § 9 HGB).
Im Einzelfall
kann zwar ein Anspruch auf Auskunft nach § 242 BGB bestehen (s. aber auch
BGH, NJW 1980, 2463, zit. nach juris), einen solchen allerdings macht die
Klägerin ausdrücklich nicht geltend. Sie beschränkt sich auf Ansprüche nach
§§ 662, 666 BGB.
a) Nach
dem Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 6. Januar 2023 dürfte die auf die
§§ 662, 666 BGB gestützte Klage unschlüssig (geworden) sein.
Die von der
Klägerin in Bezug genommene und als Anlage K2 vorgelegte Vollmacht datiert vom
22. Dezember 2008. In dem genannten Schriftsatz führt die Klägerin unter
Bezugnahme auf einen ärztlichen Bericht vom 16. April 2008 aus, dass es der
Erblasserin „gänzlich unmöglich“ gewesen sei, „ihre geschäftlichen
Angelegenheiten in eigener Person zu erledigen“. Die Alzheimererkrankung sei
der Anlass für die Unterzeichnung der Generalvollmacht vom 22. Dezember 2008
gewesen. Damit soll offenbar zum Ausdruck gebracht werden, dass die Erblasserin
sich im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB zu dieser Zeit in einem die freie
Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der
Geistestätigkeit befunden habe. Dann liegt allerdings auch mangels
Geschäftsfähigkeit der Erblasserin kein wirksamer Vertrag im Sinne von
§ 662 BGB vor.
b) Geht
man unter Außerachtlassung dieser Bedenken von der Geschäftsfähigkeit der
Erblasserin aus, ist damit nicht die Frage geklärt, ob ein Vertragsverhältnis vorlag.
Ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen der Erblasserin und
ihrem Ehemann, dem Beklagten, nimmt die Klägerin ausweislich des Schriftsatzes
vom 6. Januar 2023 nicht in Abrede.
Die Abgrenzung
zwischen einem Auftragsverhältnis und einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis
erfolgt mittels des Kriteriums des „Rechtsbindungswillens“. Dieser ist „im
konkreten Einzelfall nach Treu und Glauben unter Rücksicht auf die Umstände und
die Verkehrssitte“ zu beurteilen (vgl. BGHZ 21, 102 ff.). „Ob ein Rechtsbindungswille
vorhanden ist, ist nicht nach dem nicht in Erscheinung getretenen inneren
Willen des Leistenden zu beurteilen, sondern danach, ob der Leistungsempfänger
aus dem Handeln des Leistenden unter den gegebenen Umständen nach Treu und
Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen
musste. Es kommt also darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln
des Leistenden darstellt“ (ebenda).
Für einen
Rechtsbindungswillen kann sprechen, dass eine Angelegenheit erhebliche
wirtschaftliche Bedeutung hat, was vorliegend in Anbetracht der
Vermögensverhältnisse zweifelhaft erscheint. Besondere Bedeutung kommt dem
Umstand zu, dass ausweislich der notariellen Urkunde zur Vereinbarung der
Gütertrennung vom 27. Juni 1958 (Anlage K1) bei Erteilung der „Generalvollmacht
nebst Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung“ die Ehe
zwischen der Erblasserin und dem Beklagten bereits seit mehr als 50 Jahren
bestand. Bedeutung kommt vorliegend daneben dem Umstand zu, dass weder
vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Erblasserin in der Zeit zwischen
Vollmachterteilung und ihrem Tod jemals wegen mit der Vollmacht getätigter
Geschäfte Auskunft und Rechenschaft vom Beklagten verlangt hätte; ein
nachträgliches Auskunfts- bzw. Abrechnungsverlangen durch den Erben kann in
einem solchen Fall gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, verstoßen (vgl. OLG
Hamm, 10 U 91/17).
So muss es
schon fraglich erscheinen, ob es zutreffend ist, wenn die Klägerin im
Schriftsatz vom 6. Januar 2023 die Auffassung vertritt, dass bei Erledigung von
Geldgeschäften für einen Familienangehörigen im Regelfall von einem Auftrag mit
rechtlichen Verpflichtungen auszugehen sei. Für den konkreten Einzelfall ist
damit aber ohnehin nichts gewonnen. Eine Auseinandersetzung mit dem konkreten
Sachverhalt und darauf möglicherweise anzuwendender Rechtsprechung lässt auch
die Berufung vermissen.
Nach OLG
Koblenz, 12 U 7/20, kann vom Vorliegen eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses
nicht ausgegangen werden, wenn eine Erblasserin einer Vertrauensperson, die in
keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu ihr steht, EC-Karte nebst PIN
übergibt und die von der Vertrauensperson hierdurch erlangte Verfügungsbefugnis
ganz erhebliche Vermögenswerte der Erblasserin (mehr als 50.000 €
Kontoguthaben) umfasst. Aus den genannten Gründen liegt der vorliegende Fall
aber anders. Gerade bei Eheleuten kann die Annahme eines Vertragsverhältnisses
und damit die Anwendung von § 666 BGB unangemessen erscheinen (vgl. BGH,
XII ZR 26/98 zu § 667 BGB; gegen einen Rechtsbindungswillen OLG
Düsseldorf, 4 U 102/05 für die Partner einer Lebensgemeinschaft; OLG Köln, 16 U
196/11: kein Auftragsvertrag, wenn Vollmachtnehmer dasjenige Kind ist, das sich
um die Mutter und Vollmachtgeberin gekümmert hat).
Zu keinem
anderen Ergebnis kommt man, wenn man mit ähnlicher Argumentation annimmt, es
liege ein Fall einer konkludenten Freistellung von Auskunftspflichten vor;
§ 666 BGB ist dispositiv.
c) Die
Klägerin missachtet ferner, dass eine auf § 666 BGB gestützte
Auskunftsverpflichtung von vornherein beschränkt ist auf das
Auftragsverhältnis. Ihr undifferenzierter Antrag lässt diese Beschränkung nicht
erkennen. Sie hätte vortragen müssen, dass der Beklagte unter Verwendung der
Vollmacht (bestimmte) Rechtsgeschäfte getätigt hat. Daran fehlt es aber. Es
genügt nicht vorzutragen oder sogar nur anzudeuten, dass bestimmte Sachen aus
dem Haushalt ihrer Eltern (die zumindest im Miteigentum der Erblasserin
gestanden haben müssten), nicht mehr vorhanden sind.
d) Die
Klägerin lässt weiter außer Acht, dass bereits in erster Instanz vom Beklagten
mehrfach Auskunft erteilt worden ist. Von daher war es geboten, spätestens mit
der Berufungsbegründung den erstinstanzlichen Antrag anzupassen, wobei hier
vernachlässigt werden soll, dass auch aus anderem Grund, nämlich im Hinblick
auf die gebotene Bestimmtheit, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO,
erhebliche Bedenken bestehen, etwa soweit von „wertvollen Schmuckstücken“ oder
„wertvollen Gemälden“ die Rede ist.
In besonderer
Weise unverständlich ist etwa die Wiederholung des Antrags hinsichtlich der
Auskunft über die Verwendung eines Guthabens der Erblasserin bei der Postbank.
Unstreitig ist unter Verwendung der erteilten Vollmacht vom Beklagten das Konto
im Jahr 2012 aufgelöst worden (die Behauptung des Beklagten, er habe von der
Vollmacht keinen Gebrauch gemacht, dürfte schon deswegen unrichtig sein). Die
Klägerin hat aber selbst eingeräumt, dass der Vortrag des Beklagten
(Schriftsatz vom 6. Juli 2022) zutrifft, wonach ihr im Jahr 2014 das Guthaben überwiesen
worden ist (Schreiben der Klägerin, Anlage zum Protokoll vom 15. September
2022). Die Erfüllung, § 362 BGB, ist mithin unstreitig.
2. Der
Senat gibt den Parteien Gelegenheit, zum Streitwert des Berufungsverfahrens
Stellung zu nehmen.
Maßgeblich ist
insoweit das – nach § 3 ZPO zu schätzende – Interesse der Klägerin an der
gewünschten Auskunft. Der Senat beabsichtigt, den Wert weit unterhalb des
Wertes anzusetzen, den das Landgericht für die erste Instanz angesetzt hat
(vorläufige Festsetzung auf 40.000 € gemäß Beschluss vom 12. April 2022), wobei
insoweit die während des Rechtsstreits erster Instanz erfolgten Auskünfte
unberücksichtigt bleiben mussten, also nicht zu einer Reduzierung des
Streitwerts für die Instanz führen konnten (§ 40 GKG).
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