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Montag, 6. April 2020

Baugenehmigung unter Befreiung von Abstandsflächen wegen fehlender Verletzung des Rücksichtnahmegebots ?


Der Beigeladene beantragte eine Baugenehmigung unter Befreiung von Abstandsflächen zum Grundstück des Antragstellers. Dies wurde von der Antragsgegnerin (Bauamt) gewährt, da nach der topografischen Lage des Grundstücks eine Beeinträchtigung des Grundstücks des Antragsstellers nicht vorläge. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Beschwerde dagegen war erfolgreich.

Als unstreitig konnte der VGH davonausgehen, dass eine nach § 6 HBO bestimmet Abstandsfläche nicht eingehalten sei. Zwar sei eine Abweichung von dieser Norm nach § 63 HBO zulässig, wenn dies unter Berücksichtigung des Zwecks der Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen (und somit auch insbesondere aus § 3 Satz 1 HBO:  keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Leben, Gesundheit) vereinbar sei.

Zwar würden außergewöhnliche bodenrechtliche Umstände zu einer atypischen Situation führen, die ein Abweichen bei einem Bauvorhaben rechtfertigen könnten. Es müsste sich um eine solche Situation handeln, die einen konkreten Einzelfall betrifft  und sich derart von dem gesetzlichen Regelfall unterscheide, dass dies die Nichtberücksichtigung des normativen Standards rechtfertige. Weiterhin müssten aber auch im Rahmen der Ermessensentscheidung der Zweck der Abstandsflächenregelung, die Belange der Grundstücksnachbarn und öffentliche Belange berücksichtigt werden.

Zwar hätte hier die Antragsgegnerin die Verhältnisse vor Ort erwogen, allerdings verkannt, dass alleine eine fehlende (gravierende) Beeinträchtigung des Nachbarn in Ansehung der topographischen Verhältnisse die Unterschreitung von Abstandsflächen nicht rechtfertige.  Das Gebot der Rücksichtnahme erfordere vielmehr weiterhin, dass Gesichtspunkte hinzukommen, die in den besonders zu berücksichtigenden Verhältnisse auf dem Baugrundstück oder den für das Vorhaben sprechenden Gründen lägen. Es sei also erforderlich, dass Umstände neben der fehlenden oder geringen Auswirkung der Verringerung der Abstandsflächen Verhältnisse aus dem Bauvorhaben heraus oder dem Baugrundstück heraus dies erfordern. Lägen solche Gründe, wie hier, nicht vor, bestünde ein Ermessendefizit bei der Entscheidung durch die Antragsgegnerin, das zur Rechtswidrigkeit die Verkürzung der Abstandsflächen führt. Insbesondere sei nicht festgestellt worden, dass dem Beigeladenen eine sinnvolle Ausnutzung seines Grundstücks ohne diese Genehmigung nicht möglich sei.

HessVGH, Beschluss vom 15.11.2019 - 4 B 1276/19 -

Freitag, 17. März 2017

Schweigepflicht und Entbindung durch Insolvenzverwalter

Die vom OLG Zweibrücken zu entscheidende Frage stellt sich leider immer wieder: Da war der zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Steuerberater, der sowohl für die Gesellschaft als auch deren angeklagten Geschäftsführer und faktischen Geschäftsführer tätig war. Die Wirtschaftsstrafkammer des LG Kaiserslautern wollte nun den Steuerberater als Zeugen vernehmen. Die Angeklagten erteilten keine Entbindungserklärung von der den Steuerberater treffenden Schweigepflicht, wohl aber der Insolvenzverwalter. Dir Vorsitzende der Strafkammer vertrat die Auffassung, die Aussagegenehmigung durch den Insolvenzverwalter sei ausreichend und erlegte dem Steuerberater, der sich gleichwohl weigerte eine Aussage zu machen, ein Ordnungsgeld von € 500,00 auf. Gegen den Beschluss legte der Steuerberater Beschwerde ein. Erfolgreich. Das OLG hob den Beschluss auf.

Nach Auffassung des OLG lagen die Voraussetzungen für den Ordnungsgeldbeschluss nach § 70 Abs. 1 stopp nicht vor, da dem Steuerberater nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zur Seite gestanden habe. Eine hinreichende Entbindung von einer Verschwiegenheitspflicht habe nicht vorgelegen. Zu berücksichtigen sei, dass die dem Steuerberater bekannt gewordenen Tatsachen über die GmbH durch das Verhalten ihrer formellen oder faktischen Organe bestimmt wurde und in Bezug auf das Strafverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung deren persönliche Verantwortlichkeit betreffen. Da von der Verschwiegenheitspflicht nur derjenige entbinden kann, zu dessen Gunsten die Schweigepflicht des § 53 StPO begründet wurde, wäre es auch auf die hier verweigerte Entbindung durch die Angeklagten angekommen. Es musste notwendig auch ein Vertrauensverhältnis zu den Organen oder faktischen Organen bestehen, da es sich auch um die mandatierenden natürlichen Personen gehandelt habe. Da für eine Straftat der Täter selbst verantwortlich sei, handele es sich nicht um einen nur vom Insolvenzbeschlag erfasstes vermögenswertes Geheimnis, sondern gleichzeitig um ein Geheimnis des Täters.


OLG Zweibrücken, Beschluss vom 08.12.2016 – 1 Ws 334/16 -