Dienstag, 11. Juli 2023

(Fehlende) Signatur auf Schriftsatz und Verjährung

Der Kläger machte Schadensersatzansprüche geltend mit der Begründung, der Beklagte habe seiner Verkehrssicherungspflicht nicht genügt und deshalb habe er sich verletzt. Das Amtsgericht wies die Klage wegen Verjährung ab.  Dagegen wandte sich der Kläger erfolglos mit seiner Berufung.

Die Verjährung eines eventuellen Schadensersatzanspruchs des Klägers trat mit Ablauf des 31.12.2021 ein. Die Klage wurde am 25.12.2021 durch elektronische Übermittlung lediglich der ersten Seite der Klageschrift und der Anlagen zur Klageschrift durch an anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers bei dem zuständigen Amtsgericht eingereicht worden. Mit dem 27.12.2021 wurde der Kläger zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert. Unter dem 26.01.2022 wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgefordert seine ersichtlich unvollständige Klage zu vervollständigen, was er dann auch unter Überlassung der kompletten Klageschrift tat. Der Beklagte erhob u.a. die Einrede der Verjährung. Mit Verweis auf die eingetretene Verjährung wurde die Klage abgewiesen. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung. Mit Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 wies das Landgericht darauf hin, dass es beabsichtige seine Berufung zurückzuweisen. Nachdem der Kläger darauf innerhalb gesetzter Frist nicht reagierte, wies das Landgericht seine Berufung mit Beschluss vom 03.07.2023 unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 zurück.

Vom Grundsatz her war die Verjährung bei Einreichung einer Klage am 25.12.2021 noch nicht eingetreten, da Verjährungsablauf der 31.12.2021 war. Streitig war im Hinblick auf den Eintritt der Verjährung, ob die unvollständige Klage geeignet war, den Eintritt der Verjährung zu hemmen, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Vorliegend entsprach aber die Klageschrift, so wie sie eingereicht wurde, nicht den prozessualen Anforderungen, was erst nach dem Hinweis durch das Amtsgericht im Januar geheilt wurde.

Das Landgericht wies in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht darauf hin, dass ein elektronisches Dokument wie die Klageschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der den Schriftsatz verantwortenden Person versehen sein müsse oder aber von der verantwortenden Person (einfach) signiert sein müsse und ferner auf einem sicheren Übermittlungsweg (wie dem „besonderen elektronischen Anwaltspostfach“ (beA) eingereicht werden müsse, § 130a Abs. 3, Abs. 4 ZPO. Die Klageschrift, wie sie am 25.12.2021 auf einem sicheren Übermittlungsweg als elektronisches Dokument eingereicht wurde, war nicht qualifiziert signiert. Sie wurde nur mit einer Seite (der erste Seite) eingereicht, die auch nicht unterschrieben war.  Die einfache Signatur hätte hier bei der elektronischen Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg ausgereicht, wäre aber auch erforderlich gewesen, § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO.

Eine Ausnahme von dem Erfordernis der einfachen Signatur habe hier auch nicht vorgelegen. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hinwies, er sei, wie aus seinem Briefkopf auf der übermittelten Seite der Klageschrift ersichtlich sei, als Einzelanwalt tätig, rechtfertige dies nicht die Annahme einer Ausnahme. Der BGH habe zwischenzeitlich mit Beschluss vom 07.09.2022 - XII ZB 215/22 - entschieden, dass die einfache Signatur (z.B. durch maschinenschriftlichen Namenszug oder eingescannter Unterschrift) ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte Signatur die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung  ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringe, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Fehle es daran, sei das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht worden.  Auch wenn der Briefkopf darauf deute, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Kanzlei als Einzelanwalt betreibe, schließe dies nicht aus, dass ein angestellter Rechtsanwalt tätig sei, ohne auf dem Briefbogen benannt zu sein; auch könnten freiberufliche Rechtsanwälte in der Kanzlei tätig sein. Entsprechend habe zudem auch bereits zuvor das BAG das BAG am 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 - entschieden.

Das Fehlen des Namens am Ende des Dokuments (hier der ersten Seite) könne auch nicht durch einen eingangs des Dokuments benannten Namen des Rechtsanwalts ersetzt werden, da dennoch die Möglichkeit bestünde, dass der Schriftsatz von einer anderen Person (namentlich nichtanwaltlichen Personal oder einem externen Rechtsanwalt, der in anwaltlicher Vertretung tätig würde) stamme. Das könne ohne Beweisaufnahme nicht geklärt werden, die allerdings diesbezüglich ausgeschlossen sei.

Auch gehe die Annahme des Klägers fehl. Das Amtsgericht hätte ihn bereits im Zusammenhang mit der Übermittlung der Kostenrechnung  für den Gerichtskostenvorschuss auf die fehlende Wirksamkeit der Klageerhebung hinweisen müssen. Die Bearbeitung des Klageverfahrens erfolge gem. § 12 Abs. 1 S. 1 GKG erst nach Zahlung der angeforderten Gerichtskosten. Die Akte sei der Abteilungsrichterin des Amtsgerichts erst nach Eingang des Vorschusses am 25.01.2022 vorgelegt worden.

Anmerkung: Rechtsanwälte sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Schriftsätze (und dies gilt auch für bestimmende Schriftsätze wie die Klageschrift) als elektronische Dokument den Gerichten auf einem sicheren Übermittlungsweg zuzuleiten (§ 130a ZPO). Diese müssen signiert werden (regelmäßig am Ende des Dokuments eine Namensangabe des verantwortenden Rechtsanwalts) oder mit einer qualifizierten Signatur des verantwortenden Rechtsanwalts versehen sein.

LG Kassel, Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 - 1 S 177/22

Sonntag, 9. Juli 2023

„Fahrt ins Blaue“ und Minderung des Reisepreises

Die Klägerin machte Minderungsansprüche wegen mangelhafter Reisleistungen geltend. Sie buchte für 11 Personen eine als „Fahrt ins Blaue“ beworbene Busreise mit Hotelübernachtung für den Zeitraum 13. bis 15.03.2020. Zu Beginn der Reise wurde den Teilnehmern ein Reiseprogramm ausgehändigt, welches neben zwei Hotelübernachtungen in Hamburg, einer Führung im Speicherstadtmuseum und einer großen Hafenrundfahrt auch den Besuch des Musicals „Cirque du Soleil Paramour“ mit einer Veranstaltungsdauer von 2,5 Stunden vorsah. Am Nachmittag des Anreisetages wurde dann den Teilnehmern mitgeteilt, dass der Besuch des Musicals infolge Corona-Auswirkungen nicht stattfinde könne und statt dessen eine dreistündige Stadtrundfahrt durch Hamburg mit einer Reiseführerin stattfände.  Die Klägerin forderte eine Minderung von € 65 pro Teilnehmer (€ 715,00). Das Amtsgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin sprach das Landgericht der Klägerin € 320,00 zu. Die zugelassene Revision der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der Klägerin habe für die „Fahrt ins Blaue“ mangels näherer Angabe ein leistungsbestimmungsrecht für die Auswahl und Gestaltung zugestanden. Grundlage dafür sei nicht § 243 Abs. 1 BGB. Dies hätte eine Gattungsschuld vorausgesetzt. Eine solche läge nur vor, wenn die als gattungsmäßig in Betracht kommenden Leistungen durch gemeinsame Merkmale gekennzeichnet seien und sich dadurch von Gegenständen anderer Art abheben würden.  Bei einer „Fahrt ins Blaue“ fehle es an gattungsbestimmenden Markmalen, die die Aussonderung eines Leistungsgegenstandes mittlerer Art und Güte erlauben würden. Indem sich die Beklagte als Reiseleitung vorbehalten habe, die Reiseleistungen erst nach Abschluss des Reisevertrages festzulegen, habe sie sich ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB ausbedungen, dass sie mangels anderweitiger Vereinbarungen nach billigen Ermessen habe ausüben dürfen. Ein solches Recht könne auch bei Pauschalreiseverträgen vereinbart werden (BGH, Urteil vom 10.12.2014 - X ZR 24/13 - zu Abflugzeiten; etwas anderes gelte auch nicht für Reiseziele und Programmpunkte).

Die Leistungsbestimmung erfolge nach § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen teil (hier: Reisenden). Dies sei eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die unwiderruflich sei (BGH, Urteil vom 24.01.2022 - IX ZR 228/00 -). Vorliegend habe die Beklagte ihr Bestimmungsrecht nicht erst (konkludent) mit der tatsächlichen Leistungserbringung ausgeübt, sondern bereits mit der Aushändigung des Reiseprogramms bei Antritt der Busreise. Dort sei unter der Überschrift „Ihr persönliches Reiseprogramm“ der Besuch des Musicals als Höhepunkt der reise benannt. Anhaltspunkte dafür, dass das Reiseprogramm nur vorläufigen Charakter haben soll und einzelne Programmpunkte oder gar der Reisehöhepunkt austauschbar sein sollten, gebe es nicht. Bei verständiger Würdigung aus Empfängersicht habe die Mitteilung des Reiseprogramms als Festlegung des zuvor noch unbestimmten Inhalts der gebuchten „Fahrt ins Blaue“ aufgefasst werden dürfen.

Zu Recht habe das Landgericht im Berufungsverfahren den Ausfall des Programmpunktes Musical als minderungsberechtigten Reisemangel angesehen. Insoweit läge kein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit iSv. § 275 BGB vor.  Würde bei einer Pauschalreise eine nach dem Vertrag geschuldete Leistung aus Gründen, die nicht allein in der Person des Leistenden läge, ganz oder teilweise nicht erbracht, handele es sich grundsätzlich um einen Reisemangel (BGH, Urteil vom 20.03.1986 - VII ZR 187/85 -). Dabei sei ohne Belang, ob dem Reiseveranstalter ein Verschulden träfe oder ob die Erbringung aus Umständen nach Vertragsabschluss unmöglich geworden sei.

Die Stadtrundfahrt böte auch für den Musicalbesuch keine gleichwertige und gleichartige Ersatzleistung. 

Die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB würden nicht greifen. Das Pauschalreiserecht enthalte umfassende Regelungen über die Folgen von Störungen der erbrachten Leistung. Wie insbesondere § 651h Abs. 3 BGB zeige würden auch Störungen berücksichtigt, die auf außergewöhnliche, nicht vorhersehbare Umstände zurückzuführen seien. Eine ergänzende Heranziehung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage scheide daher aus.

Der Minderungsbetrag sei auch korrekt berechnet worden (wird ausgeführt).

BGH, Urteil vom 14.02.2023 - X ZR 18/22 -

Mittwoch, 5. Juli 2023

Schneefanggitter und sonstige Sicherungen vor Dachlawinen in schneearmen Orten (hier: Essen)

Wann sind Schneefanggitter an Dächern oder sonstige Sicherungsmaßnahmen gegen die Gefahr einer Schneeabgangs (Dachlawine) erforderlich ? Mit dieser Frage musste sich das OLG Hamm in Bezug auf eine Dachlawine in Essen (Nordrhein-Westfalen) auseinandersetzen.

Das Landgericht hatte den Schadensersatzanspruch des Klägers abgelehnt, mit dem dieser einen Schaden an seinem Pkw geltend machte, der durch eine Schneelawine, die vom Dach des Hauses der Beklagten stammte, beschädigt wurde. Er vertrat (auch im Berufungsverfahren) die Rechtsauffassung, die Beklagten hätten Schneefanggitter anbringen müssen.  Auch das Berufungsgericht folget ihm nicht und wies ihn mit dem hier besprochenen Beschluss darauf hin, dass es beabsichtige die Berufung mangels Erfolgsaussichten derselben im beschlussweg zurückwiesen zu wollen (§ 522 ZP). Dies geschah dann mit Beschluss vom 14.03.2023.

Der Kläger vertrag die Ansicht, in Ansehung des unberechenbaren Wetters durch den Klimawandel bestünde die Verpflichtung zum Anbringen von Schneefanggittern. Zu Recht habe das Landgericht darauf abgestellt, dass Essen zu den schneearmen Gegenden Deutschlands zähle, in denen nicht regelmäßig mit Dachlawinen zu rechnen sei und daher die Anbringung von Schneefanggittern „eher unüblich“ sei. Zwar könnte der klägerseits benannten Klimawandel vermehrt lokal zu extremen Wettergeschehen führen, doch haben der der Kläger weder dargelegt noch sei ersichtlich, dass der Klimawandel gerade in Essen zu einer signifikanten Zunahme von Schneefällen geführt hätte, dass deswegen nunmehr auch in Essen regelmäßig mit in den Wintermonaten wiederholt mit Dachlawinen zu rechnen sei. Auch sei vom Kläger nicht dargelegt worden, dass gerade in Bezug auf das Haus der Beklagten die Beschaffenheit des Daches oder Lage eine erhöhte Gefahr für Dachlawinen bestünde.

Das OLG hatte damit zur Frage der Anbringung von Schneefanggittern zur Vermeidung des Abgangs von Dachlawinen primär auf die Region abgestellt und darauf, ob mit solchen in Ansehung des üblichen Schneeaufkommens zu rechnen sei; vereinzelte mögliche „Wetterkapriolen“, die es im Hinblick auf den Klimawandel gibt, sah das OLG erkennbar nicht als ausreichend an, eine Gefährdungslage anzunehmen, die das Anbringen von Schneefanggittern gebietet.

Da das Dach des Hauses der Beklagten und aller Dächer im Ruhrgebiet mit Schnee bedeckt war, stellte der Kläger weiter darauf ab, hätte der Kläger zu seiner Auffassung, die Beklagten hätte einen Dritten mit der Räumung beauftragen müssen (eine Räumung durch die Beklagten selbst sei für diese zu gefährlich), darlegen müssen, dass die Beauftragung eines Dritten mit einer zeitnahen Räumung möglich gewesen wäre. Eines Beweisantrags der Beklagten für die Unmöglichkeit hätte es nicht bedurft. Zudem sei den Beklagten in Ansehung des notwendigen Aufbaus eines Gerüsts bzw. dem Einsatz eines Hubsteigers der Einsatz eines Dritten nicht zumutbar gewesen (OLG Hamm,  Beschluss vom 14.08.2012 - I-9 U 119/12 -). Nur wenn die Beklagten eine besonders hohe Gefahr für einen Schneeabgang festgestellt rechtzeitig vor dem Unfall festgestellt hätten (was hier nicht ersichtlich sei), wäre eine solche Maßnahme geboten gewesen. Allgemeine Warnhinweise auf wetter.de, andere Städte betreffenden Publikationen u.a. in den Ruhr-Nachrichten würden nicht ausreichen. Hier stellte das OLG mithin auf die konkreten, für die Beklagten feststellbaren Umstände an ihrem Haus und den Zeitfaktor ab.

Letztlich könne sich der Kläger auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass keine Absperrung erfolgt sei und auch keine Warnhinweise aufgestellt worden seien. Die Absperrung habe nur für das Haus erfolgen können; der beschädigte Pkw stand aber auf der öffentlichen Straße. Hier aber habe auch keine Verpflichtung zur Aufstellung von Warnhinweisen bestanden. Entsprechende Vorsorgemaßnahmen durch Warnhinweise seien im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht nur geboten, wenn die Gefahrenquelle trotz Anwendung der von Verkehrsteilnehmern zu erwartenden eigenen Sorgfalt nicht rechtzeitig erkannt werden könnten (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012 aaO.). Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs hätte bei der gebotenen Sorgfalt selbst die Neigung des Daches und dessen Schneebedecktheit und damit die latente Gefahr einen Dachlawinenabgangs feststellen können; bei derartigen Wetterverhältnissen, wie sie herrschten, müsse grundsätzlich jeder mit der Möglichkeit rechnen, dass von den Dächern Schnee oder Eis herabstürzen könne (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012 aaO. mwN.).

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 01.02.2023 - 11 U 67/22 -

Montag, 3. Juli 2023

Haftpflicht: Mitversicherung des volljährigen Kindes mit Berufsausbildung

Der Kläger begehrte von der Beklagten Deckungsschutz in Form der Freistellung zu einem Schadensfall. Bei der Beklagten handelte es sich um die Haftpflichtversicherung der Mutter des Klägers, der bereits volljährig war und eine abgeschlossene Berufsausbildung hatte. Das Landgericht wies seine Klage ab. Auf seine Berufung erließ das OLG einen Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO und wies darauf hin, dass beabsichtigt sei, seine Berufung zurückzuweisen, woraufhin er das Rechtsmittel zurücknahm.

Nach den Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) waren auch volljährige Kinder mit abgeschlossener Berufsausbildung mit in der Haftpflichtversicherung des Versicherungsnehmers (hier der Mutter des Klägers) mitversichert, wenn sie „in häuslicher Gemeinschaft“ mit dem Versicherungsnehmer leben.

In den Entscheidungsgründen wies das OLG darauf hin, dass vom Kläger nicht ausreichend dargelegt worden sei, dass er noch in den Versicherungsschutz der Haftpflichtversicherung seiner Mutter eingeschlossen gewesen sei. Nach den Versicherungsbedingungen sei nach den einschlägigen AHB für die Einbeziehung von volljährigen Kindern mit abgeschlossener Berufsausbildung Voraussetzung, dass sie mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben würden, sie auch dieselbe Meldeadresse wie der Versicherungsnehmer hätten.

Das bestehen derselben Meldeanschrift begründe aber nicht bereits die Annahme der häuslichen Gemeinschaft, wovon der Kläger ausging, der eine entsprechende Meldebescheinigung vorgelegt habe, aber weiteres zu den häuslichen Verhältnissen nicht mitteilte.  Die häusliche Gemeinschaft bestünde bei einem nicht ganz vorübergehenden Verhältnis der Wohngemeinschaft, das vor allem in einer einheitlichen Wirtschaftsführung zum Ausdruck käme; als Indizien benannte das OLG die zumindest teilweise gemeinsame Nutzung von Hausrat und Räumen, die Gewährung von Kost und Logis, die Dauer des gemeinsamen Wohnens und das Befinden persönlicher Gegenstände in der Wohnung.

Damit schloss sich das OLG den Urteilen des BGH vom 12.11.1985 - VI ZR 234/84 - und des Brandenburgischen OLG vom 18.08.2016 - 12 U 134/15 - an.  Der BGH hatte die Problematik der "häuslichen Gemeinschaft" in einem Fall des § 67 Abs. 2 VVG (heute: § 86 Abs. 2 VVG) getroffen, in dem er klären musste, ob die Person, gegen die sich der auf den Versicherer übergehende Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers richtet, mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebt, da die häusliche Gemeinschaft den Regress des Versicherers hindert. Der BGH wandte die vom OLG in der besprochenen Entscheidung benannten Merkmale an, um die Kriterien für eine solche festzustellen. Im Hinblick auf das Familienprivileg im Rahmen des Entschädigungsanspruchs des Sozialversicherers nach § 116 SGB X, welches die Geltendmachung des Anspruchs durch den Sozialversicherer hindert, setzte sich das Brandenburgische OLG auch mit der häuslichen Gemeinschaft als Kriterium des Familienprivilegs im obigen Sinne auseinander.

Da es an einer substantiierten Darlegung des Klägers zu der „häuslichen Gemeinschaft“ ermangelte, sah auch das OLG die Klage als nicht begründet an.  

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 04.04.2023 - 4 U 2595/22 -

Freitag, 30. Juni 2023

Grundpfandrechtserstreckung bei interner Miteigentumsanteilsübertragung in WEG

Die Beteiligten Wohnungseigentümer einigten sich, dass das für die Beteiligte 2 eingetragene (und frei von Belastungen in Abt. III befindliche) Sondereigentum Gemeinschaftseigentum wird und der Miteigentumsanteil der Beteiligten zu 2. auf den Grundbuchblättern von weiteren Beteiligten anteilsmäßig übertragen wird. Das Grundbuchamt erließ eine Zwischenverfügung, mit der es in Bezug auf die begünstigten Grundbuchblätter eine Nachverpfändung der in diesen Grundbuchblättern eingetragenen Grundbuchrechte forderte, ferner die jeweiligen betroffenen Eigentümer aufforderte, sich auch in Ansehung der neuen Miteigentumsanteile in Ansehung der Belastungen in Abt. III deren Grundbücher (Grundschulden) sich auch insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen müssten. Zudem forderte es Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Nachgereicht wurden von den Beteiligten die Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Im Übrigen kamen sie den Anforderungen in der Zwischenverfügung nicht nach. Das Grundbuchamt wies daraufhin die Eintragungsanträge (sowie den Antrag auf Schließung des Teileigentumsgrundbuchblattes der Beteiligten zu 2.) zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde war erfolgreich. Weder sei eine Nachverpfändung notwendig noch eine Vollstreckungsunterwerfung.

Zur Problematik: Das in Abteilung III mit einer Grundschuld belastete Sondereigentum kann vom Gläubiger regelmäßig z.B. durch einen Zwangsversteigerungsantrag in Anspruch genommen werden. Doch bezieht sich die Grundschuld nur auf das Sondereigentum, wie es zum Zeitpunkt dessen Eintragung bestand. Werden dem Sondereigentum nach Wahrung der Grundschuld Miteigentumsanteile zugeschlagen, würden die Rechte des Grundschuldgläubigers tangiert, wenn sich die Grundschuld nach Übertragung von anderen Miteigentumsanteilen nicht mehr auf alle Miteigentumsanteile erstrecken würde; in diesem Fall würden im Falle einer Zwangsversteigerung nicht alle Miteigentumsanteile versteigert werden können. Dies zugrundelegend hatte das Grundbuchamt die Nachverpfändung der hinzukommenden Miteigentumsanteile und die Vollstreckungsunterwerfung gefordert.

Grundsätzlich hielt das OLG fest, dass die interne Übertragung von Miteigentumsanteilen ohne gleichzeitige Übertragung von Sondereigentum als zulässig angesehen würde, allerdings streitig sei, ob sich Belastungen des Wohnungseigentums, dem die Miteigentumsanteile zugefügt würden, auch auf die hinzugefügten Miteigentumsanteile beziehen würden (so z.B. LG Wiesbaden, Beschluss vom 08.01.2004 - 4 T 652/03 -), oder aber diesbezüglich eine Nachverpfändung erforderlich sei (BayObLG, Beschluss vom 26.09.1958 - 2 Z 104/58 -).

Das OLG verwies in seinem Beschluss auf einen Beschluss des BGH vom 18.06.1976 - V ZR 156/76 -. Der BGH sähe in der Änderung der mit einem bestimmten Sondereigentumsanteil verbundenen Miteigentumsquote eine Inhaltsänderung iSv. § 877 BGB. Damit würden sich die auf den bisherigen Miteigentumsanteilen lastenden Grundpfandrechte kraft Gesetzes auch auf den inhaltlich geänderten Miteigentumsanteil erstrecken. Da dies für den Grundpfandrechtsgläubiger rechtlich vorteilhaft sei, bedürfe es nicht seiner Zustimmung.

OLG Hamm, Beschluss vom 29.11.2022 - 15 W 271/22 -

Mittwoch, 28. Juni 2023

Ausschlusstatbestand Erkrankung bei Versicherungsbeginn in der Tieroperations- und -krankenversicherung

Die Kläger hatten bei der Beklagten eine Tieroperations- und Tierkrankenversicherung für ihren Hund am 01.04.2021 abgeschlossen. In den vereinbarten Versicherungsbedingungen (AVB-TO/TKV) wurde in Ziffer 3.2. darauf hingewiesen, dass grundsätzlich nur gesunde Tiere versichert werden könnten. Zusätzlich wurde in Z. 2.1 geregelt, dass für Hunde mit Anzeichen oder Symptomen einer rassespezifischen Erkrankung eine Versicherung ausgeschlossen sei.

Die Kläger machten ihre Aufwendungen für Operationen im Juli und August 2021 geltend und trugen vor, diese seien infolge einer hochgradig schmerzhaften Patellaluxation Grad 3 erforderlich gewesen. Mit der Begründung, bei der Patellaluxation handele es sich um eine der häufigsten Knieerkrankungen bei Hunden und diese rühre von einer angeborenen Veranlagung her.  Das Amtsgericht hat durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis erhoben und die Klage abgewiesen.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei die Ursache für die operierten Patellaluxationen angeboren ist und somit der Ausschlussgrund der Z. 3.2 der AVB-TO/TKV der Beklagten, die unstreitig Vertragsbestandteil geworden seien, vorläge. Sämtliche Anzeichen würde dafür sprechen, dass es sich nicht um eine traumatische Schädigung handele, sondern um eine angeborene: So sei eine traumatische Luxation in der Regel nur einseitig, hier aber sei die Luxation zweiseitig, die zudem auch fast zeitgleich und im ersten Lebensjahr aufgetreten wären, was bei der angeborenen Erkrankung typisch sei; eine im OP-Bericht benannte Knorpelläsion ließe sich nicht feststellen.

Das Amtsgericht ging von einer Beweislast der Kläger aus, die unter Bestreiten einer angeborenen Erkrankung ein traumatisches Geschehen behaupteten (insoweit wurde mit dem Beweisbeschluss auch der Kostenvorschuss von den Klägern eingefordert).

Amtsgericht Schwabach, Urteil vom 26.06.2023 - 4 C 766/22 -

Samstag, 24. Juni 2023

COVID-19-bedingte fristlose Kündigung des Fitnessstudio-Vertrages durch Nutzer

Der BGH musste sich hier erstmals mit der Frage auseinandersetzen, ob die Coronapandemie den Nutzer das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung gibt, Corona also ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein kann, oder ob der Nutzer erst zum Ende der vertraglich vereinbarten Vertragslaufzeit kündigen kann. Dieses Recht hat der BGH sowohl in Ansehung der hoheitlichen Schließungsanordnungen, von hoheitlich angeordneten Nutzungsbeschränkungen für Sauna und Duschen, als auch der Möglichkeit der Ansteckung verneint.

Zum Sachverhalt: Der Nutzungsvertrag wurde am 06.12.2019 mit einer Laufzeit von 100 Wochen, beginnend 11.12.2019, geschlossen. Im ersten Lockdown vom 17.03.2020 bis Mitte Mai 2020 war das Studio geschlossen, zog aber die beklagte Betreiberin das Nutzungsentgelt weiterhin ein; sie einigte sich mit der klagenden Nutzerin darauf, dass dieser Zeitraum nach dem Lockdown dann kostenfrei sei. In einer Vereinbarung vom 31.05.2020 wurde eine Ruhezeit von zehn Wochen, um die sich der Vertrag nach dessen regulärer Laufzeit verlängern sollte (also bis zum 25.01.2022), festgehalten. Bei Wiedereröffnung des Studios nach dem 1. Lockdown gab es hoheitlich angeordnete Nutzungseinschränkungen (so für Duschen und Sauna). Vom 30.10.2020 bis 31.05.2021 musste das Studio infolge des 2. Lockdowns wieder schließen.  Am 25.11.2020 kündigte die Klägerin zum 30.11.2020, dem die Beklagte widersprach. Die Klägerin erhob Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass durch ihre Kündigung das Nutzungsverhältnis zum 30.11.2020, hilfsweise zum 16.11.2021, hilfs-hilfsweise zum 25.01.2022 endete. Das Amtsgereicht gab der Klage im Hinblick auf das Vertragsende 25.01.2022 statt. Die Berufung beider Parteien wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision beantragte die Klägerin erfolglos weiterhin die Feststellung des Vertragsendes zum 30.11.2020.

Der BGH sh keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung vor dem Zeitpunkt der vertraglich vereinbarten und auf den 25.01.2022 verlängerten Laufzeit zum 25.01.2022.

Es handele sich bei dem Nutzungsverhältnis um ein Dauerschuldverhältnis (BGH, Urteil vom 04.05.2016 - XII ZR 62/15 -). Unabhängig von der rechtlichen Einordnung als Miet-, Dienst- oder typengemischter Vertrag würde die außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnis voraussetzen, dass es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden könne, bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist zuzuwarten (§§ 626 Abs. 1, 543 Abs. 1, 314 Abs. 1 BGB). Dies könne allgemein nur angenommen werden, wenn die die Kündigung rechtfertigenden Umstände in der Sphäre des Kündigungsgegners lägen.

Für das Mietrecht habe der BGH bereits entscheiden, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie regelmäßig weder in die Sphäre des Mieters noch des Vermieters fallen würden. Dies gelte auch für Fitnessstudioverträge. Keine der Vertragsparteien sei für die umfassenden Maßnahmen und staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der Pandemie verantwortlich. Damit kämen Betriebsschließungen und -beschränkungen nur in Ausnahmefällen zur Begründung der außerordentlichen Kündigung in Betracht (Bacher, Die Coronapandemie und allgemeinen Regeln über Leistungsstörungen, in MDR 2020, 514, 519).

Konkret verwies der BGH darauf, dass der Klägerin durch die Schließung keine wirtschaftlichen Belastungen entstünden, da sie während dieser Zeit von einer Zahlungspflicht befreit sei und evtl. erfolgte Zahlungen zurückfordern könne (bereits entschieden im Urteil des BGH vom 04.05.2022 - XII ZR 64/21 -). Sowohl der Betreiber des Studios als auch der Nutzer würden während dieser zeit leistungsfrei. Damit würde ein Festhalten am Vertrag zumutbar sein.

Auch dem Argument der Klägerin, sie sei an einem für sie sinnlos gewordenen Vertrag gebunden und eine Umorientierung zu anderen sportlichen Aktivitäten und Freizeitbeschäftigungen würde blockiert, schloss sich der BGH nicht an. Zwar läge der Zweck eines Fitnessstudiovertrages in der regelmäßigen sportlichen Betätigung, weshalb gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung sei. Dieser sei mit einer pandemiebedingten Schließung nicht mehr erreichbar und bei dem 2. Lockdown auch dessen Dauer nicht voraussehbar gewesen. Allerdings hätte die Klägerin auf andere Fitnessstudios nicht ausweichen können. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit der (für die Schließungszeit entgeltlos gestellte Vertrag) andere sportliche Betätigungen zur Erreichung eines Fitnessziels entgegenstehen würde.

Richtig sei zwar, dass das Verlangen der Beklagten, die Schließungszeit an ein vorgesehenes Vertragsende anzuhängen (und damit die Vertragslaufzeit um die Zeit der Schließung zu verlängern), rechtlich nicht geschuldet würde und mit dem Verlangen die beklagte eine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt habe. Die Verletzung vertraglicher Pflichten würde aber bei einem Dauerschuldverhältnis nur eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn sie derart schwerwiegend sei, dass dadurch das Vertrauensverhältnis in einem Maß beeinträchtigt wird, dass dem Kündigendem ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar sei.  Ein solcher Fall könne hier nicht angenommen werden, da die instanzgerichtliche Rechtsprechung in der Zeit des 2. Lockdown verbreitet die Annahme vertrat, dass gemäß § 313 Abs. 1 BGB der Vertrag dahingehend angepasst werden könne, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit der Schließung verlängert. Das Zueigenmachen dieser Rechtsansicht stelle keine schwerwiegende Vertragsverletzung dar. Dass der BGH mit Urteil vom 04.05.2022 - XII ZR 64/21 - diese Rechtsprechung zur Vertragsanpassung verwarf, würde nicht nachträglich in dem Verlangen eine schwerwiegende Vertragsverletzung begründen.

Aus Rechtsgründen sei auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht mögliche Hygiene- und Abstandsregeln nicht für eine außerordentliche Kündigung als ausreichend ansah. Durch die Einhaltung derartiger regeln sei die Klägerin nicht so schwer belastet, dass ihr ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar gewesen wäre. Auch wenn Duschen pandemiebedingt nicht nutzbar gewesen sein sollten, würde dies keine Kündigung rechtfertigen; in diesem Fall käme allenfalls ein angemessener Interessensausgleich durch Anpassung des Vertrages gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht (z.B. Herabsetzung des Entgelts), was eine außerordentliche Kündigung ausschließt.

Ebenso könne sich die Klägerin nicht auf ein Ansteckungsrisiko berufen. Die Gefahr einer Infizierung mit dem Corona-Virus habe im November 2020 zum allgemeinen Lebensrisiko gehört. Die Klägerin habe auch davon ausgehen können, dass eine Wiedereröffnung des Fitnessstudios erst erlaubt wird, wenn das Infektionsrisiko, ggf.- durch entsprechende Hygienemaßnahmen, auf ein vertretbares Maß reduziert ist. Entschlösse sich die Klägerin dann aus Angst vor einer Infektion gleichwohl, das Studio nicht zu nutzen, würde die ihr Verwendungsrisiko betreffen.

BGH, Urteil vom 19.04.2023 - XII ZR 24/22 -