Samstag, 15. Februar 2014

Umsatzsteuer: Aufteilungsmassstab bei gemischter Immobiliennutzung

Der BFH hat bei gemischter Gebäudenutzung (Wohn- und Geschäftshaus) und Option zur Umsatzsteuer nach Vorlage einer notwendigen Vorfrage beim EuGH entschieden, dass sowohl eine einnahmenbezogene als auch eine flächenbezogene Umlegung der Umsatzsteuer zulässig ist

Soweit eine Zurechnung von Aufwand auf einen bestimmten Bereich in Betracht kommt, richtet sich die Frage der Geltendmachung von Vorsteuer danach, ob es sich um den umsatzsteuerpflichtigen Bereich oder den nicht dem Vorsteuerabzug zuzurechnenden Bereich (z.B. Wohnbereich) handelt. Werden aber Gebäudeteile von einem Aufwand betroffen, die nicht eindeutig einem dieser Bereiche zugeordnet werden können, herrschte Streit, ob hier generell die Vorsteuer nur im Verhältnis zu den jeweiligen Einkünften aufgeteilt werden darf, oder ob auch das Flächenmaß der jeweiligen zu Grunde gelegt werden kann. Der BFH hat nach der Vorentscheidung des EuGH festgehalten, dass beide Maßstäbe vom Steuerpflichtigen verwandt werden können. Damit kann der Steuerpflichtige zum einen entscheiden, was für ihn günstiger und/oder einfacher ist. Bei der einnahmen- und damit umsatzbezogenen Angabe könnte er möglicherweise ständig sich ändernde Parameter zu beachten haben, was grundsätzlich bei der flächenmäßigen Berechnung entfällt.

BFH, Urteil vom 22.08.2013 - V R 19/09 -


Freitag, 14. Februar 2014

Überlange Verfahrensdauer und doch kein Schadensersatz ?

Überlange Verfahrensdauer wurde häufig bemängelt. Und ab und an kam es auch zu Klagen; sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof mussten sich schon damit beschäftigen. . Der Gesetzgeber wurde tätig und hat in gesunder Bürokratisierung mit den §§ 155 S. 2 FGO, 198ff GVG mit Wirkung vom 03.11.2011 eine Möglichkeit der Rüge geschaffen, nach der dann die Partei später (auch immateriellen) Schadensersatz verlangen kann. 

Bundesfinanzhof in München (Bild: Wikipedia)
Der Bundesfinanzhof (BFH) will das zwar anerkennen, hat aber mit Urteil vom 20.11.2013 – X K 2/12 - die Klage eines Steuerpflichtigen abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob eine Verzögerung vorlag. Denn jedenfalls habe er keinen Schaden gehabt, da er obsiegte. Dies auf Grund einer Änderung der Rechtsprechung (nach der das Finanzamt im Revisionszug seinen Anspruch anerkannte). Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die Rechtsprechungsänderung bei früherer Vorlage seines Falles auch bereits erfolgt wäre; da dies aber spekulativ sei, stehe ihm ein Anspruch nicht zu.


Das wird m.E. weder dem Sinn des Gesetzes noch der Rechtslage gerecht. Lag eine Verzögerung vor, Ein Nachteil, der die Entschädigung begründet, wird bei überlanger Verfahrensdauer vermutet, § 198 Abs. 2 GVG. Die Vermutung wird nicht dadurch widerlegt, dass es spekulativ wäre darüber nachzudenken, ob die Rechtsprechungsänderung schon früher, nämlich bei Vorlage seines Verfahrens, erfolgt wäre. Die gesetzliche Vermutung kann nur wiederlegt werden, wenn fest steht, dass es nicht früher zu einer Rechtsprechungsänderung gekommen wäre. 

BFH, Urteil vom 20.11.2013 - X K 2/12 -

Samstag, 8. Februar 2014

Einkommensteuer: Kein anschaffungsnaher Aufwand bei Schadensersatzzahlung des Verkäufers einer Immobilie

Der Käufer einer Immobilie stellte nach Erwerb Mängel fest, für die der Verkäufer einzustehen hatte. Er wandte zur Beseitigung € 13.211,00 auf und einigte sich mit dem Verkäufer auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von € 10.000,00. Das Finanzamt nahm wegen Überschreitens der 15%-Grenze bezogen  auf die € 13.211,00 einen anschaffungsnahen Aufwand an, versagte den sofortigen Abzug als Werbungskosten und erhöhte die AfA auf den Kaufpreis entsprechend. Während das Finanzgericht dem folgte, stimmte der Bundesfinanzhof (BFH) der Rechtsansicht des  Steuerzahlers zu. Der nachträglich festgestellte Mangel und die darauf erfolgte Zahlung des Verkäufers stelle sich nicht als Minderung des Anschaffungspreises dar, auch wenn dieser eventuell bei vorheriger Kenntnis entsprechend geringer ausgefallen wäre. Dann aber blieben nur noch die € 3.211,00, die nicht die 15%-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG erreichen.  

BFH, Urteil vom 20.08.2013 - IX R 5/13 -

Samstag, 1. Februar 2014

Fitnessstudio-Vertragsrecht: Depression als Krankheit und Nachweispflicht des Nutzers

Immer wieder wird eine Krankheit als Kündigungsgrund für eine außerordentliche Kündigung eines Fitnessstudiovertrages benannt. Vorliegend behauptete die Nutzerin, sie habe eine Depression nach dem Tod ihres Vaters, sei zu nichts mehr in der Lage gewesen und habe es von daher verabsäumt, die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung zu nutzen. Nach Vertragsverlängerung hat sie dann fristlos gekündigt.

Das Amtsgericht ging in seiner Ausgangsentscheidung zutreffend davon aus, dass der Kündigungsgrund vom Nutzer, der sich darauf beruft, zu beweisen ist. Und hat hierzu Beweis erhoben. Als Stichtag wurde aber im Beweisbeschluss fehlerhaft das Jahr 2009 genannt, obwohl es um das Jahr 2010 ging. Der beauftragte psychiatrische Sachverständige hat die Depression für 2009 bestätigt und ausgeführt, es sei der Nutzerin von daher nicht möglich gewesen, klar zu handeln. Die Klägerin (Fitnessstudio) hat eingewandt, wenn dies tatsächlich schon 2009 bestand, hätte damals die Nutzerin nicht einmal den Vertrag abschließen können, was aber erfolgte. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Es handele sich um ein offensichtliches Versehen, wenn der Sachverständige das Jahr 2009 benannt.

Dem folgte das Landgericht nicht. Es beauftragte einen anderen mesizinischen Sachverständigen, der zu dem Ergebnis gelangte, dass er weder für 2010 noch für den fraglichen Zeitraum eine derartige Depression belegen könne, die hier die Unfähigkeit der Nutzerin zur ordentlichen Kündigung bestätigen würde. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Nutzerin die Zeit über gearbeitet habe, was bei einer entsprechend schweren Depression, wie sie im Erstgutachten benannt wurde, nicht möglich sei. Darauf gestützt gab das Landgericht der Berufung statt. In dem Urteil hat sich das Landgericht umfänglich mit der einschlägigen höchsrichterlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt.

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.01.2014 - 2-16 S 165/12 -


Mittwoch, 29. Januar 2014

Mietrecht: Anstrich als Schadensersatzanspruch

Petra Bork - pixelio.de
Unabhängig von der Frage ob eine (wirksame) Vereinbarung über Schönheitsrenovierungen getroffen wurde, kann der Mieter die Wohnung nicht unbedingt so überlassen, wie er sie insbesondere in Bezug auf die farbliche Anlegung der Tapeten hergerichtet hat. Hat er die Wohnung mit einer „neutralen Dekoration“  übernommen, muss der Vermieter bei Rückgabe nicht eine ausgefallene Farbwahl akzeptieren. Zwar hat der Mieter Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache nicht zu vertreten, wenn sie auf einem vertragsgemäßen Gebrauch beruhen. Auch gehört die Farbdisposition zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung (BGH vom 21.09.2011 – VIII ZR 47/11 -). Allerdings verstößt der Mieter nach Ansicht des BGH gegen seine Pflicht zur Rücksichtsnahme nach §§ 241 Abs. 2, 242 BGB, wenn er die in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Vertragsende in einem Zustand zurückgibt, der von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert wird. Die Kosten der Beseitigung stellen sich dann nach §§ 535, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 242 BGB als Schaden des Vermieters dar, die dieser bei dem Mieter geltend machen kann. Der Dekorationszustand, wenn er geändert wird, muss danach zur Vermeidung eines Schadensersatzanspruchs des Vermieters dem Geschmack eines größeren Interessentenkreises entsprechen und somit einer alsbaldigen Weitervermietung nicht entgegenstehen. 

BGH, Urteil vom 06.11.2013 - VIII ZR 416/12 -

Montag, 27. Januar 2014

Übernahme von Bußgeldern durch Arbeitgeber führt in der Regel zu Arbeitslohn

(Bild: Andreas Hermsdorf - pixelio.de)
Der BFH hatte sich in seinem Urteil vom 14.11.2013 – VI R 36/12 - mit der Übernahme von Bußgeldern durch einen Spediteur auseinanderzusetzen, die gegen Fahrer von ihm wegen Verstoßes gegen Lenk- und Ruhezeiten verhängt wurden. Er entschied, dass es sich dabei nicht um Aufwand des Spediteurs handelt, sondern um steuerpflichtigen Arbeitslohn des betroffenen Mitarbeiters.  Der Arbeitslohncharakter  würde nur dann entfallen, wenn sich die Zahlung durch den Spediteur als Arbeitgeber objektiv als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen ergäbe. Dies ist der Fall, wenn ganz überwiegend eigenbetriebliche Interessen des Arbeitgebers bestünden, was bei einem rechtswidrigen Tun nicht der Fall sei.  In seinem Urteil vom 07.07.2004 – VI R 29/00 – hatte der Senat entschieden, die Übernahme von Verwarnungsgeld eines Pakettransportunternehmens wegen Haltens im Halteverbot stelle sich nicht als Arbeitslohn dar.


In seiner Entscheidung 2004 führte der BFH zur Begründung an, die gegenüber den Kunden übernommene Verpflichtung einer fristgerechten Lieferung, insbesondere aber die der (damaligen) Deutschen Bundespost als Konkurrenzunternehmen eingeräumten günstigeren Rahmenbedingungen und Sonderrechte (vgl. auch § 35 Abs. 7 StVO) berührten die Klägerin unmittelbar in ihrem unternehmerischen Kernbereich. Eine entsprechende Ausnahmesituation ist aber für Lenk- und Ruhezeiten nicht gegeben. 

BFH, Urteil vom 14.11.2013 - VI R 36/12 -

Dienstag, 21. Januar 2014

Ein Kommentar: Internet, Automatismus und die Halbheiten im Rechtswesen


Es wurde das automatisierte Mahnverfahren eingeführt. Diejenigen, die (wie z.B. Rechtsanwälte) ständig im Mahnwesen tätig sind, können Mahnbescheide nur noch per Internet über EGVP beantragen, ebenso wie den Vollstreckungsbescheid. So weit, so gut. Doch problematisch wird es, wenn der Schuldner gegen den Mahnbescheid Widerspruch einlegt und dann auf Antrag des Gläubigers (resp. seines anwaltlichen Vertreters) die Abgabe zur Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt wird. Damit ist formal das Mahnverfahren beendet. Entscheidet sich jetzt der Schuldner anders, z.B. da er einen Hinweis des Gerichts erhält, seine Rechtsverteidigung sei nicht erfolgversprechend, und nimmt nunmehr seinen Widerspruch zurück, ist im ursprünglichen Mahnverfahren der Vollstreckungsbescheid zu beantragen. Allerdings nicht mehr bei dem Mahngericht, sondern nunmehr bei dem für das streitige Verfahren zuständigen Gericht. Hier aber kann der Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheides nicht mehr über das automatisierte Mahnverfahren mittels EGVP beantragt werden. Verlangt wird regelmäßig, dass der alte Durchschlagbogen manuell ausgefüllt und eingereicht wird.

Auch hier hat die Justiz versagt, da sie bei Einführung des automatisierten Mahnverfahrens und bis heute nicht die Praxistauglichkeit gerade in Bezug auf den nicht seltenen Fall berücksichtigt, dass ein Widerspruch später (bei Anhängigkeit vor dem Streitgericht) zurückgenommen wird. Antiquiert muss nun mühevoll wieder das alte Formular (so nicht vorsorglich bereits vorhanden) beschafft und bearbeitet werden. Es wäre zu hoffen gewesen, dass die Justiz in den letzten Jahren gelernt hätte und dieses Manke beseitigt hätte. Aber offenbar hat sich das Problem bisher noch nicht zu den Verantwortlichen durchgesprochen, die ihre Entscheidungen wohl am grünen Tisch und ohne Bewusstsein der Realität treffen.