Die Klägerin betrieb eine
Paketzustelldienst. Deren angestellte Fahrer hatten die Aufgabe, Pakete bei den
Kunden abzuholen oder den Kunden Pakete zuzustellen. Regelmäßig hielten die
Fahrer in der Nähe der Kunden (um den Vorgang zu beschleunigen). Soweit die
Klägerin keine Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO zum Halten im Halteverbot pp.
erhielt, nahm es die Klägerin hin, dass die Fahrer die Fahrzeuge gleichwohl im
Halteverbot pp. abstellten und dann Verwarnungsgelder angefordert wurden. Diese
wurden direkt von der Klägerin als Halterin angefordert und auch von dieser
gezahlt, auch dann, wenn sie nur aufgefordert wurde, entweder einen
Zeugenfragebogen auszufüllen oder das Verwarnungsgeld zu zahlen. Anderweitige Verwarnungs- und Bußgelder (so
für Geschwindigkeitsverstöße ihrer Fahrer) zahlte die Klägerin nicht.
Der Beklagte (das Finanzamt [FA])
war der Ansicht, es handele sich bei diesen von der Klägerin gezahlten
Verwarnungsgeldern um lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn und berief sich auf die
Entscheidung des BFH vom 14.11.2013 zur Zahlung von Bußgeldern für die
Überschreitung von Lenk- und Ruhezeiten. Die Klägerin meldete daher in ihrer
Lohnsteuer-Anmeldung für April 2014 für Lohnsteuer in Bezug auf die benannten
Verwarnungsgelder in Höhe von € 1.925,96 sowie die darauf beruhende
Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag pauschaliert nach § 38a EstG an und
legte dagegen auch Einspruch ein. Der Einspruch wurde zurückgewiesen. Das
Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Revision des FA führte zur
Aufhebung und Zurückverweisung an das Finanzgericht.
Der BFH führte aus, bei der
pauschalierten Steuer handele es sich um eine von der Steuer ´des Arbeitnehmers
abgeleitete Steuer. Es müsste sich mithin um eine in Geldwert bestehende
Einnahme iSv. § 19 EstG handeln. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit würden neben dem Lohn auch andere Bezüge gehören, die dem Arbeitnehmer
(AN) gewährt würden, unabhängig davon,
ob der AN darauf einen Rechtsanspruch habe. Ein Bezug zum Dienstverhältnis läge
vor, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt würde, da der AN Arbeitnehmer des
Arbeitgebers (AG) sei und nur deshalb die Zuwendung als Gegenleistung für die
Dienste des AN gezahlt würden. Auch der Erlass von Forderungen, die dem AG
gegen den AN zustünden könne Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 S. 2 EstG sein.
Zutreffend sei danach das FG
zunächst davon ausgegangen, dass den AN nicht schon deshalb Arbeitslohn
zugeflossen sei, da der AG (die Klägerin) die Verwarnungsgelder iSv. § 56 OWiG
gezahlt habe. Die Verwarnungsgelder seien jeweils bei der Klägerin als Halterin
der Fahrzeuge wegen Parkverstößen ihrer AN geltend gemacht worden. Daher habe
die Klägerin eine eigene Verbindlichkeit erfüllt. Betroffener im Sinne des OWiG
sei ungeachtet eines Tatbeitrages auch der Halter des Fahrzeuges (BVerfGE 80,
109). Sei der Halter nach Belehrung über sein Weigerungsrecht mit der
Verwarnung einverstanden und zahlt er, würde die Verwarnung wirksam, ohne dass
damit die Voraussetzungen sachlich-rechtlicher Art bzw. eines
Bußgeldtatbestandes festgestellt würden. Nach der Zahlung sei ein
Rechtsmittelausgeschlossen.
Dies unterscheide sich von den
Sachverhalten, die den Entscheidungen in BFHE 208, 104 und BFHE 243, 520
zugrunde gelegen hätten, da dort zugrunde lag, dass die jeweilige Klägerin die
Zahlung von Verwarnungsgeldern bzw. Bußgeldern erfolgte, die gegen die
jeweiligen Fahrer erhoben wurden.
Allerdings ließe sich, anders als
das FG meine, daraus noch nicht ableiten, dass den AN der Klägerin hier kein
geldwerter Vorteil zugeflossen sei. Ein geldwerter Vorteilwürde auch dann dem
AN zufließen, wenn der AG zu erkennen gebe, dass er keinen Rückgriff nehmen
würde und sich der AN damit einverstanden erkläre. Ein vom FG negierter
Rückgriffsanspruch des AG könne nicht festgestellt werden.
Die Erwägung des FG, ein
vertraglicher Regressanspruch liege nicht vor, da eine Zusage des AG, eine dem
AN bei der Arbeitsdurchführung erfolgte Geldstrafe/-buße zu übernehmen einen
Verstoß gegen die guten Sitten darstelle (§ 138 BGB) und daher eine
Vereinbarung nicht zur Disposition des AG stünde, trage nicht, da es darum hier
nicht gehen würde. Die Klägerin habe zudem selbst geltend gemacht, ihre Fahrer
angewiesen zu haben, in Gebieten, für die eine Ausnahmegenehmigung nicht hätte
erlangt werden können, sich an die Verkehrsregeln zu halten. Damit könne auch
nicht konkludent eine (Neben-) Pflichtverletzung der AN ausgeschlossen werden.
In Ansehung der von der Klägerin vorgetragenen Weisung hätte das FG auch nicht
einen gesetzlichen Anspruch der Klägerin aus Geschäftsführung ohne Auftrag
verneinen können (§§ 683 S. 1, 670 BGB) und die Übernahme sei im ausschließlich
eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin erfolgt.
Es sei daher nunmehr vom FG nach
der Zurückverweisung zu prüfen, ob und wenn ja in welcher Höhe der Klägerin wegen
der unstreitig durch ihre Fahrer begangenen Parkverstöße ein (vertraglicher
oder gesetzlicher) Regressanspruch gegen den jeweiligen Verursacher zustünde.
Stelle es einen realisierbaren (also einredefreien und fälligen) Ersatzanspruch
gegen den jeweiligen Fahrer fest, wäre die Frage des Zeitpunktes des Erlasses
(§ 397 BGB) zu klären, d.h. dem Zeitpunkt des jeweiligen Zuflusses des
geldwerten Vorteils bei dem AN
Klarstellend wies der BFH darauf
hin, dass im Falle eines Erlasses eines realisierbaren Anspruchs das Vorliegen
von Arbeitslohn nicht mit der Erwägung verneint werden könne, die Zahlung sei
im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin erfolgt. Ein
rechtswidriges Tun des AN stelle sich nicht als beachtliche Grundlage einer
solchen betriebsfunktionalen Zielsetzung dar (Aufgabe der Rechtsprechung in
BFHE 208, 104), auch wenn es sich bei den Parkverstößen wie hier regelmäßig um
solche im absoluten Bagatellbereich handele.
BFH, Urteil vom 13.08.2020
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