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Montag, 7. Dezember 2020

Einstweilige Einstellung der Räumungsvollstreckung vor Einlegung der Berufung

Das Amtsgericht hatte der Räumungsklage stattgegeben. Der Beklagte beantragte beim Landgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Berufung und gleichzeitig die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsurteil.

Das Landgericht stellte hier einstweilen die Räumungsvollstreckung ein, allerdings zeitlich beschränkt auf knapp zwei Monate nach Verkündung des Beschlusses. Zur Begründung führte es aus, dass ihr ohne die sich noch beim Amtsgericht befindlichen Sachakten eine Prüfung der Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels der Berufung nicht möglich sei. Deshalb sei die Einstellung zunächst für einen Zeitraum bis zur erwarteten Überlassung der Sachakte und einer angemessenen Zeit für die weitergehende Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels als Voraussetzung für die Prüfung des weitergehenden Einstellungsantrages nach §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO auszusprechen.

Der einstweilige Rechtsschutz nach §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO sei zu gewähren, obwohl bisher der Beklagte keine Berufung eingelegt habe. Diese Normen seien zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes entsprechend im Rahmen eines Verfahrens auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe während dessen Dauer anzuwenden (offen gelassen vom BGH im Beschluss vom 26.09.2018 - VIII ZR 290/18 -).  

Vorliegend sei die Einstellung nicht von einer Sicherheitsleistung durch den Beklagten gem. § 707 Abs. 1 ZPO abhängig zu machen, da der Beklagte in einer den Anforderungen des § 294 ZPO (Glaubhaftmachung) genügenden Form glaubhaft gemacht habe, dass er zu einer Sicherheitsleistung nicht in der Lage sei.

Anmerkung: Die Entscheidung ist in der Sache richtig. Eine Partei, die zur Durchführung eines Verfahrens auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, muss im Falle einer von ihr beabsichtigten Berufung nicht innerhalb der Berufungsfrist Berufung einlegen; ausreichend ist vielmehr der Antrag auf Prozesskostenhilfe innerhalb der Berufungsfrist. Wir die Berufung nach Ablauf der Berufungsfrist bewilligt, kann er Berufung einlegen und erfolgreich Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO beantragen. Wird der Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, verlängert sich diese Frist von zwei Wochen sogar um drei bis vier Tage Bedenkzeit, da erst nach dieser Frist für die Bedenkzeit die Zweiwochenfrist zu laufen beginnt (BGH, Beschluss vom 13.05.2017 - VIII ZB 54/16 -). Besteht mithin die Möglichkeit, Berufung unter der Voraussetzung der Beantragung von Prozesskostenhilfe auch noch erfolgreich nach Ablauf der Berufungsfrist einzulegen, wäre es unverständlich, wenn hier dem potentiellen Berufungsführer die Möglichkeit der Verhinderung der möglichen Vollstreckung aus dem Urteil durch Einstellung derselben verwehrt würde. Dass bei einer Versagung der Prozesskostenhilfe aus Erwägungen, die sich auf die mangelnde Erfolgsaussicht der beabsichtigten Berufung bezieht, keine weitere Einstellung der Vollstreckung gewährt würde liegt auf der Hand, weshalb auch hier die zeitliche Befristung durch das Landgericht gerechtfertigt ist.

LG Berlin, Beschluss vom 29.10.2020 - 67 S 314/20 -