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Freitag, 11. Dezember 2020

Zahlung von Verwarnungsgeld durch Arbeitgeber ist grundsätzlich eine zu versteuernde Einnahme

 

Die Klägerin betrieb eine Paketzustelldienst. Deren angestellte Fahrer hatten die Aufgabe, Pakete bei den Kunden abzuholen oder den Kunden Pakete zuzustellen. Regelmäßig hielten die Fahrer in der Nähe der Kunden (um den Vorgang zu beschleunigen). Soweit die Klägerin keine Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO zum Halten im Halteverbot pp. erhielt, nahm es die Klägerin hin, dass die Fahrer die Fahrzeuge gleichwohl im Halteverbot pp. abstellten und dann Verwarnungsgelder angefordert wurden. Diese wurden direkt von der Klägerin als Halterin angefordert und auch von dieser gezahlt, auch dann, wenn sie nur aufgefordert wurde, entweder einen Zeugenfragebogen auszufüllen oder das Verwarnungsgeld zu zahlen.  Anderweitige Verwarnungs- und Bußgelder (so für Geschwindigkeitsverstöße ihrer Fahrer) zahlte die Klägerin nicht.

Der Beklagte (das Finanzamt [FA]) war der Ansicht, es handele sich bei diesen von der Klägerin gezahlten Verwarnungsgeldern um lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn und berief sich auf die Entscheidung des BFH vom 14.11.2013 zur Zahlung von Bußgeldern für die Überschreitung von Lenk- und Ruhezeiten. Die Klägerin meldete daher in ihrer Lohnsteuer-Anmeldung für April 2014 für Lohnsteuer in Bezug auf die benannten Verwarnungsgelder in Höhe von € 1.925,96 sowie die darauf beruhende Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag pauschaliert nach § 38a EstG an und legte dagegen auch Einspruch ein. Der Einspruch wurde zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Revision des FA führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Finanzgericht.

Der BFH führte aus, bei der pauschalierten Steuer handele es sich um eine von der Steuer ´des Arbeitnehmers abgeleitete Steuer. Es müsste sich mithin um eine in Geldwert bestehende Einnahme iSv. § 19 EstG handeln. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit würden neben dem Lohn auch andere Bezüge gehören, die dem Arbeitnehmer (AN)  gewährt würden, unabhängig davon, ob der AN darauf einen Rechtsanspruch habe. Ein Bezug zum Dienstverhältnis läge vor, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt würde, da der AN Arbeitnehmer des Arbeitgebers (AG) sei und nur deshalb die Zuwendung als Gegenleistung für die Dienste des AN gezahlt würden. Auch der Erlass von Forderungen, die dem AG gegen den AN zustünden könne Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 S. 2 EstG sein. 

Zutreffend sei danach das FG zunächst davon ausgegangen, dass den AN nicht schon deshalb Arbeitslohn zugeflossen sei, da der AG (die Klägerin) die Verwarnungsgelder iSv. § 56 OWiG gezahlt habe. Die Verwarnungsgelder seien jeweils bei der Klägerin als Halterin der Fahrzeuge wegen Parkverstößen ihrer AN geltend gemacht worden. Daher habe die Klägerin eine eigene Verbindlichkeit erfüllt. Betroffener im Sinne des OWiG sei ungeachtet eines Tatbeitrages auch der Halter des Fahrzeuges (BVerfGE 80, 109). Sei der Halter nach Belehrung über sein Weigerungsrecht mit der Verwarnung einverstanden und zahlt er, würde die Verwarnung wirksam, ohne dass damit die Voraussetzungen sachlich-rechtlicher Art bzw. eines Bußgeldtatbestandes festgestellt würden. Nach der Zahlung sei ein Rechtsmittelausgeschlossen. 

Dies unterscheide sich von den Sachverhalten, die den Entscheidungen in BFHE 208, 104 und BFHE 243, 520 zugrunde gelegen hätten, da dort zugrunde lag, dass die jeweilige Klägerin die Zahlung von Verwarnungsgeldern bzw. Bußgeldern erfolgte, die gegen die jeweiligen Fahrer erhoben wurden.

Allerdings ließe sich, anders als das FG meine, daraus noch nicht ableiten, dass den AN der Klägerin hier kein geldwerter Vorteil zugeflossen sei. Ein geldwerter Vorteilwürde auch dann dem AN zufließen, wenn der AG zu erkennen gebe, dass er keinen Rückgriff nehmen würde und sich der AN damit einverstanden erkläre. Ein vom FG negierter Rückgriffsanspruch des AG könne nicht festgestellt werden.

Die Erwägung des FG, ein vertraglicher Regressanspruch liege nicht vor, da eine Zusage des AG, eine dem AN bei der Arbeitsdurchführung erfolgte Geldstrafe/-buße zu übernehmen einen Verstoß gegen die guten Sitten darstelle (§ 138 BGB) und daher eine Vereinbarung nicht zur Disposition des AG stünde, trage nicht, da es darum hier nicht gehen würde. Die Klägerin habe zudem selbst geltend gemacht, ihre Fahrer angewiesen zu haben, in Gebieten, für die eine Ausnahmegenehmigung nicht hätte erlangt werden können, sich an die Verkehrsregeln zu halten. Damit könne auch nicht konkludent eine (Neben-) Pflichtverletzung der AN ausgeschlossen werden. In Ansehung der von der Klägerin vorgetragenen Weisung hätte das FG auch nicht einen gesetzlichen Anspruch der Klägerin aus Geschäftsführung ohne Auftrag verneinen können (§§ 683 S. 1, 670 BGB) und die Übernahme sei im ausschließlich eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin erfolgt.

Es sei daher nunmehr vom FG nach der Zurückverweisung zu prüfen, ob und wenn ja in welcher Höhe der Klägerin wegen der unstreitig durch ihre Fahrer begangenen Parkverstöße ein (vertraglicher oder gesetzlicher) Regressanspruch gegen den jeweiligen Verursacher zustünde. Stelle es einen realisierbaren (also einredefreien und fälligen) Ersatzanspruch gegen den jeweiligen Fahrer fest, wäre die Frage des Zeitpunktes des Erlasses (§ 397 BGB) zu klären, d.h. dem Zeitpunkt des jeweiligen Zuflusses des geldwerten Vorteils bei dem AN

Klarstellend wies der BFH darauf hin, dass im Falle eines Erlasses eines realisierbaren Anspruchs das Vorliegen von Arbeitslohn nicht mit der Erwägung verneint werden könne, die Zahlung sei im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin erfolgt. Ein rechtswidriges Tun des AN stelle sich nicht als beachtliche Grundlage einer solchen betriebsfunktionalen Zielsetzung dar (Aufgabe der Rechtsprechung in BFHE 208, 104), auch wenn es sich bei den Parkverstößen wie hier regelmäßig um solche im absoluten Bagatellbereich handele.

BFH, Urteil vom 13.08.2020 - VI R 1/17 -

Mittwoch, 25. September 2019

Lohnsteuer (Sachbezug): Backwaren ohne Belag und Heißgetränke vom Arbeitgeber


Die Klägerin stellte ihren Mitarbeitern Backwaren (Laugenbrötchen, Käsebrötchen, Käse-Kürbis-Brötchen, Rosinen- und Schokobrötchen pp. und Kroamstuten) ohne Belag sowie Heißgetränke in der Kantine zur kostenlosen ganztägigen Bedienung durch die Mitarbeiter zur Verfügung. Vormittags gab es eine halbe Stunde bezahlte Pause; in dieser Zeit sollten die Mitarbeiter ins Gespräch kommen, Kontakte pflegen und stellenübergreifende Problemlösungen finden; während dieser pausen waren häufig auch Führungskräfte und der Vorstand der Klägerin anwesend.

Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung sah das beklagte Finanzamt (FA) in der unentgeltlichen Überlassung der Backwaren und Getränke Sachbezugswerte, die zu versteuern seien. Die Klägerin beantragte daraufhin die Pauschalierung der Lohnsteuer gem. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG, vertrat allerdings entgegen dem FA die Ansicht, es handele sich hier nicht um ein Frühstück. Das DA forderte für den Prüfzeitraum Lohnsteuer und Nebenabgaben (Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern) nach. Der Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid wurde zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage zum Finanzgericht war erfolgreich. Die vom FA eingelegte Revision wurde vom BFH zurückgewiesen.

Als richtig sah der BFH vom Grundsatz die Auffassung des FA an, dass der Arbeitgeber gem. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25% erheben kann, soweit arbeitstäglich Mahlzeiten im Betrieb an Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt abgibt, wenn diese Mahlzeiten nicht als Lohnbestandteile vereinbart wurden. Die Steuer sei eine vom Arbeitnehmer abgeleitete Steuer, die dem Grund nach durch eine Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstünde, was notwendig für eine Pauschalierung durch den Arbeitgeber voraussetze, dass für den Arbeitnehmer eine geldwerte Einnahme iSv. § 19 EStG vorliege. Zu diesen geldwerten Einnahmen würden auch (unabhängig von einem Rechtsanspruch) einmalige Bezüge und Sachbezüge gehören, wobei nach § 8 Abs. 2 S. 1 EStG zu den Sachbezügen auch „Kost“ gehöre. Diese Bezüge müssten durch das individuelle Dienstverhältnis begründet sein, was bereits dann der Fall sei, wenn  sie dem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen würden. Diese Grundsätze kämen auch dann zum Tragen, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Speisen und Getränke unentgeltlich oder verbilligt zur Verfügung stellen würde, wobei es nicht darauf ankäme, dass Verpflegungsaufwendungen grundsätzlich den für die Einkünfteermittlung unbeachtlichen Bereich der Lebensführung betreffen würden.

Nach diesen Grundsätzen würde vorliegend eine Versteuerung und damit auch eine Lohnsteuerpauschalierung nicht in Betracht kommen. Es würde sich hier bereits dem Grunde nach nicht um Arbeitslohn handeln. Auch wenn die Überlassung einen Vorteil für die Arbeitnehmer darstelle, handele es sich nicht um eine Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft. Dagegen würde bereits sprechen, dass die Backwaren und Heißgetränke zum sofortigen Verzehr im Betrieb bereitgestellt worden seien, allen Arbeitnehmern ohne Unterschied gewährt worden seien und zudem der Verzehr in der Regel nicht während echter Pausen (also außerhalb der Arbeitszeit) stattfinde, sondern während der bezahlten Arbeitszeit, wobei die Arbeitnehmer beim Verzehr in der Kantine zusammen kämen und sich über berufliche Angelegenheiten untereinander sowie mit der „Führungsetage“ austauschen sollten. Damit sei die Überlassung von Backwaren und Heißgetränken mit Aufwendungen des Arbeitgebers zur Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und zur Schaffung günstiger betrieblicher Arbeitsbedingungen vergleichbar, denen keine Entlohnungsfunktion zukomme (so z.B. BFH, Urteil vom 17.07.1959 - VI 107/57 U -  zur Abgabe von kostenfreien Getränken an Mitarbeiter als nicht steuerbare Aufmerksamkeiten). Damit läge vorliegend der Sachverhalt auch anders als im Fall der Entscheidung vom 04.08.1994 - VI R T 91/92 -, in der es (was weiterhin gelte) um die zehnmal im Jahr stattfindende Bewirtung von ausgewählten Mitarbeitern in einer Gaststätte gegangen sei.

Entscheidend sei auch, dass es sich bei den zur Verfügung gestellten Backwaren und Heißgetränken nicht um eine Mahlzeit (z.B. ein Frühstück, Mittag- oder Abendessen)) gehandelt habe (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 SvEV), die grundsätzlich Arbeitslohn darstellen würden. Nach der zugrunde zu legenden Verkehrsanschauung müssten für die Annahme eines (auch einfachen) Frühstücks jedenfalls noch Aufstrich oder Belag hinzukommen, wobei die Art des Brötchens ohne Belang sei. Auch die Ansicht des FA zur veränderten Essgewohnheiten, Kaffee „to go“ und ein unterwegs verzehrtes unbelegtes Brötchen als Frühstück anzusehen, sei verfehlt; es handele sich um eine Lebensmittel, die erst durch Kombination mit weiteren Lebensmitteln (wie Butter, Aufschnitt, Käse, Marmelade) zu einem Frühstück würden.

BFH, Urteil vom 03.07.2019 - VI R 36/17 -