Die Klägerin als gesetzliche
Unfallversicherung machte gegen die Beklagte Aufwendungen im Zusammenhang mit
einem Arbeitsunfall des Zeugen G gem. § 110 Abs. 1 SGB VII geltend. Der Zeuge
war bei dem Beklagten, der Inhaber eines Malerbetriebs war, beschäftigt und
erlitt den Arbeitsunfall, als er in einem Treppenhaus, in dem Treppengeländer
nicht vorhanden waren und auch eine Absturzsicherung fehlte, seitlich von der
vom Podest ausgesehen dritten Stufe von unten auf das Podest stürzte und dabei
verletzte.
Das Landgericht wies die Klage
ab; das Oberlandesgericht hatte die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, da
nach seiner Auffassung die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 SGB VI nicht
gegeben seien. Es ließe sich nicht feststellen, dass der Unfall durch eine
Verletzung einer Unfallverhütungsvorschrift (hier: § 12 Abs. 1 Nr. 2 BGV C 22 „Bauarbeiten“,
wonach Absturzsicherungen bei mehr als 1m Arbeitshöhe an freiliegenden
Treppenläufen und Absätzen vorhanden sein müssten) verursacht wurde, da sich
der Unfall, als der Geschädigte auf der dritten Treppenstufe gewesen sei, in
einer Höhe von ca. 50cm ereignet habe. Auch eine ganzheitliche Betrachtung würde
dies nicht ändern, da dann zwar die Treppe mit einer Absturzsicherung hätte
versehen werden müssen, aber, da diese 1m über dem Treppenpodest hätte aufhören
können, den Unfall auch nicht notwendig hätte vermeiden können.
Der BGH wies die Revision zurück.
Dabei wies der BGH darauf hin,
dass die Haftung für haftungsprivilegierte Schädiger (wie Arbeitgeber) auf
Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt sei. Grobe Fahrlässigkeit setze
einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die
Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Es müsste
dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem einleuchten
müsste. Die objektiv grobe Pflichtverletzung verlange weiterhin auch subjektiv
eine unentschuldbare Pflichtverletzung, die das Maß des § 276 Abs 2 BGB überschreite.
Es sei von daher nicht möglich, diese grobe Fahrlässigkeit mit Verweis alleine
auf Unfallverhütungsvorschriften zu begründen, da auch bei einem Verstoß noch
eine Wertung des Verhaltens des Schädigers geboten sei. Dabei käme es darauf
an, ob sich die Unfallverhütungsvorschrift mit dem Schutz vor tödlichen
gefahren befasse und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt habe. Auch sei
entscheidend, ob der Schädiger nur unzureichende oder gar keine Sicherungsmaßnahmen
ergriffen habe.
Richtig sei die Auffassung des
Berufungsgerichts, dass die Beklagte den Treppensturz nicht durch einen Verstoß
gegen die maßgebliche Unfallverhütungsvorschrift zur Absturzsicherung verursacht
habe. Zwar läge ein objektiver Verstoß insoweit vor, als die Treppe völlig
ungesichert gewesen sei und die Beklagte das Treppengeländer im Zuge der Bauarbeiten
demontierte. Doch wäre dies nicht kausal
geworden, da die konkrete Unfallstelle noch nicht von dem Gebot der
Absturzsicherung umfasst gewesen sei.
Nach den Regelungen des § 12 Abs.
1 Nr. 1 UVV bestimme sich die Notwendigkeit einer Absturzsicherung in Abhängigkeit
von der an der jeweiligen Absturzkante zu messenden Absturzhöhe. Wie damit das Berufungsgericht
richtig erkannte, bestand hier bei der tatsächlichen Absturzhöhe keine Absturzsicherung. Entgegen der Annahme
der Revision sei auch nicht eine Absturzsicherung im gesamten Treppenbereich
notwendig, wenn eine solche an sich vorhanden sein müsste. Das mag nach
Auffassung des BGH sinnvoll sein, damit nicht der Nutzer irgendwann „ins Leere
greift“. Doch ergäbe sich diese Pflicht nicht aus der UVV.
Selbst würde man allerdings die
vollständige Absicherung der Treppe als notwendig ansehen, läge im Falle der
Unterlassung wie hier keine grobe Fahrlässigkeit vor. Denn in diesem Fall könne
für den unteren Bereich (der für sich alleine nicht sicherungspflichtig wäre)
nicht allgemein angenommen werden, dass die Sicherung dem Schutz der Arbeiter
vor tödlichen Gefahren diene und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt
habe. Bei einen Sturz von der dritten Stufe sei nicht mit tödlichen Gefahren zu
rechnen.
BGH, Urteil vom 21.07.2020 -
VI ZR 369/19 -