Freitag, 2. November 2018

Unwirksame Abtretung von Schadensersatzansprüchen auf Sachverständigenkosten durch den Geschädigten an den Sachverständigen


Der Beklagte wurde von der Klägerin, einem Inkassounternehmen, auf Zahlung von Sachverständigenkosten in Anspruch genommen. Dem lag ein vom  Beklagten verursachter Verkehrsunfall zugrunde, für den er zu 100% eintrittspflichtig war. Nach dem Verkehrsunfall beauftragte der Geschädigte einen Sachverständigen, der von dem Geschädigten ein Formular für den Gutachtenauftrag unterschreiben ließ, in dem eine Klausel „Abtretung und Zahlungsanweisung“ enthalten war. Danach trat der Geschädigte seinen Anspruch auf Sachverständigenkosten gegen den Schädiger (Beklagten) an den  Sachverständigen ab, der sich vorbehielt, den Anspruch bei erfolgloser (vorgerichtlicher) Geltendmachung gegen den Schädiger bzw. dessen Versicherer vom Beklagten gegen Verzicht auf die Rechte aus der Abtretung zu fordern und ferner vorbehielt, seinerseits den Anspruch zur Weiterverfolgung an eine Verrechnungsstelle abzutreten.

Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung führte zur Abänderung des Urteils und Klageabweisung. Die zugelassene Revision der Klägerin wurde vom BGH zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Landgerichts sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Dem folgte der BGH. Die Klausel zur „Abtretung und Zahlungsanweisung“ sei wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.  An seinen dem eventuell entgegenstehenden Entscheidungen vom 17.10.2017 - VI ZR 527/16 - und 24.10.2017 - VI ZR 504/16 - sowie - VI ZR 514/16 - würde der Senat nicht festhalten.

Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) sei verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er müsse mithin die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen möglichst klar und durchschaubar darstellen und es dürften keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen.  Abzustellen sei dabei auf die Verständnis- und Erkenntnismöglichkeiten eines typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden. Diesen Anforderungen entspräche die Klausel nicht. So sei bereits nicht klar, welche Rechte dem Unfallgeschädigten gegenüber dem Sachverständigen nach der „zur Sicherung“ und „erfüllungshalber“ erfolgten (Erst-) Abtretung an den Sachverständigen zustehen sollen, wenn dieser seinen Honoraranspruch gegen ihn geltend macht.  Zwar sei vorgesehen, dass in diesem Fall der Sachverständige dann auf die Rechte aus der Abtretung gegen den Anspruchsgegner (Zug um Zug gegen Erfüllung) verzichte. Dies sei aber bereits unklar, da dies nicht klar eine Rückabtretung beinhalte und das auch nach dem Klauselwerk nicht von einem durchschnittlichen Unfallgeschädigten so verstanden werden müsse.  Zumal hier der Sachverständige ersichtlich auch eine Weiterabtretung vornehmen wolle, also die abgetretene Forderung gar nicht bei ihm verbliebe.

BGH, Urteil vom 17.07.2018 - VI ZR 274/17 -

Donnerstag, 1. November 2018

Zur formfreien Änderung des notariellen Grundstückskaufvertrages


Der Beklagte kaufte von der klagenden Bauträgerin drei noch zu sanierende Eigentumswohnungen mit notariellem Kaufvertrag vom 04.05.2011 zum Preis von € 309.692,00. In diesem wurde auch die Auflassung erklärt und die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch. Mit Schreiben vom 24.07.2012 verlangte der Beklagte von der Klägerin eine Kaufpreisminderung wegen nach seiner Ansicht nicht notwendiger Dekontaminationsarbeiten in Höhe von € 27.100,76. Die Klägerin  unterzeichnete dies Schreiben mit dem Zusatz „zur Kenntnis genommen und anerkannt“.

Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin Zahlung eines Restkaufpreises von € 26.323,83; der Beklagte beantragte widerklagend Rückzahlung überzahlter € 776,93 sowie die Feststellung, dass der Kaufpreis mit € 282.591,24 vollständig bezahlt sei. Das Landgericht wies die Klage unter Stattgabe der Widerklage ab. gab der Klage teilweise statt und wies die Widerklage ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das OLG der Klage teilweise statt und wies die Widerklage ab. Der Beklagte legte (vom OLG zugelassen) Revision ein.

Kernpunkt der Rechtsauseinandersetzung war die Frage, ob die Vereinbarung über eine Kaufpreisminderung dem Formerfordernis der notariellen Beurkundung des § 311b Abs. 1 BGB unterlag, wovon das OLG ausgegangen war und die hier nicht eingehalten war; insoweit wurde an der bisherigen Rechtsprechung des BGH zunehmend Kritik geübt. Der Formbedürftigkeit unterlägen, so auch der BGH, alle Vereinbarungen, die nach dem Willen der Parteien zu dem schuldrechtlichen Übereignungsgeschäft gehören würden. Daher würde die Norm auch auf einen schon beurkundeten Grundstückskaufvertrag, der nachträglich geändert würde, Anwendung finden. Formfreiheit würde insoweit lediglich dann bestehen, wenn die Abänderung einer bei der Abwicklung des Geschäfts unvorhergesehenen Schwierigkeit dienen würde, ohne die beiderseitigen Verpflichtungen wesentlich zu ändern, weshalb eine nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises an sich formbedürftig sei.

Allerdings könnten Grundstückskaufverträge nach der Auflassung formlos abgeändert werden, da die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung mit der Auflassung erfüllt sei, soweit nicht mit der Abänderung eine neue selbständige Erwerbs- oder Veräußerungspflicht begründet würde.

Der BGH geht in seiner Entscheidung auf die an seiner ständigen Rechtsprechung geübten Kritik ein. Nach dieser Kritik würde insbesondere nicht berücksichtigt, dass der historische Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass die Auflassung in einer gesonderten Urkunde nach Erfüllung der beiderseitigen Pflichten aus dem Kaufvertrag erklärt würde und habe daher alle zwischenzeitlichen Änderungen des Kaufvertrages erfasst. Heute würde regelmäßig die Auflassung zusammen mit in die Kaufvertragsurkunde sowohl aus Gründen der Praktikabilität als auch aus Kostengründen mit aufgenommen. Damit sei die Billigung von formfreien Änderungen mit dem der Norm des § 311b BGB bezweckten „Übereilungsschutz“ nicht vereinbar. Dieser Kritik folgt der BGH ausdrücklich nicht.

Die Formfreiheit der Änderungen nach bindender Auflassung ergebe sich aus § 873 Abs. 2 BGB und stünde dem Sinn und Zweck des § 311b BGB nicht entgegen. Der „Übereilungsschutz“ durch Mitwirkung eines Notars mit rechtskundiger Belehrung und Beratung  sei nicht mehr notwendig, wenn die schuldrechtlichen Erklärungen beurkundet worden seien und die für die erstrebte Rechtsänderung erforderlichen dinglichen Erklärungen (so die Auflassung) erklärt in bindender Form worden seien. Zwar sei mit der bindend gewordenen Auflassung noch keine Erfüllung iSv. § 363 BGB eingetreten, da dies erst mit der Eintragung des Erwerbers als Eigentümer im Grundbuch erfüllt sei. Allerdings sei für die Frage der Formbedürftigkeit nicht auf die Erfüllung abzustellen, sondern darauf, dass die geschuldeten Leistungshandlungen unwiderruflich erbracht worden seien. Mit der bindend gewordenen Auflassung sei ein Automatismus in Gang gesetzt worden, im den Eigentumswechsel zur Eintragung zu bringen.

Um zu verhindern, dass der Verkäufer das Eigentum an seinem Grundstück ohne Erhalt des Kaufpreises verlöre, würde meist eine Treuhandtätigkeit des Notars nach § 24 BnotO vereinbart dahingehend, dass dieser den Eigentumswechsel im Grundbuch erst beantragen dürfe, wenn die Kaufpreiszahlung ihm nachgewiesen würde (oder auf seinem Notaranderkonto auszahlungsreif hinterlegt würde), und er vorher auch dem Käufer keine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Urkunde erteilen dürfe, die die Auflassung enthalte (vgl. auch § 49 Abs. 5 S. 1 BeurkG). Diese Abrede ändere aber nichts daran, dass die Auflassung ohne Vorbehalt und verbindlich erklärt worden sei.

Daher hätten hier die Parteien den Kaufpreis wirksam um € 27.100,76 auf € 282.591,24 ermäßigt.

BGH, Urteil vom 14.09.2018 - V ZR 213/17 -

Dienstag, 30. Oktober 2018

Reisevertrag: Zur Unschädlichkeit verspätet geltend gemachter Schadensersatzansprüche und fehlender Fristsetzung zur Abhilfe


Die Klägerin hatte mit der Beklagten einen Reisevertrag geschlossen. In den Beförderungsbedingungen der Beklagten war ausgeführt, dass der reisende bei nicht vertragsgemäßer Leistung Abhilfe verlangen könne und er daher verpflichtet wäre, alles ihm zumutbare zu tun, um zu einer Behebung der Störung beizutragen und einen evtl. Entstehenden Schaden gering zu halten bzw. zu vermeiden. Beanstandungen seien daher anzuzeigen.

Nach dem Reisevertrag sollte der Rückflug von  Antayla nach Frankfurt am 07.10.2014 um 20.05 erfolgen. Am Abreisetag wurde die Klägerin informiert, dass sich der Rückflug wegen eines technischen Problems auf 22.40 Uhr verschiebe und der neue Zielort Köln sei. Die tatsächliche Ankunftsverspätung in Frankfurt betrug rund 6,5 Stunden. In Ansehung der Ankündigung der Beklagten buchte die Klägerin einen Ersatzflug bei einer anderen Fluggesellschaft für denselben Abend nach Frankfurt. Die Mehrkosten des Fluges in Höhe von € 1.235,00 verlangte sie am 18.03.2015  von der Beklagten als Schadensersatz. Klage und Berufung blieben erfolglos.

Der BGH verurteilte die Beklagte auf die zugelassene Revision antragsgemäß. Die Erwägungen des Landgerichts seien in einem entscheidungserheblichen Punkt verfehlt.

Richtig habe das Landgericht erkannt, dass ein Reisemangel vorgelegen habe. Die Verschiebung der Abflugzeit um rund drei Stunden, die Ankunft an einem anderen Zielflughafen, der notwendige Bustransfer und die Folge des Zeitverlusts, der dazu führe, dass die Klägerin erst in den Morgenstunden des Folgetages zu Hause gewesen wäre, würden den Reisemangel begründen, da dies die Tauglichkeit der Reise zu dem gewöhnlichen Nutzen in ihrer Gesamtheit mindere.

Auch sei die landgerichtliche Entscheidung richtig, dass die Überschreitung der Monatsfrist zur Geltendmachung des Schadens hier unbeachtlich sei, da die Beklagte über diese Ausschlussfrist informierte und die widerlegbare Vermutung gilt, dass bei korrekter Information die Frist eingehalten worden wäre. Zwar habe die Beklagte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf diese Frist hingewiesen; dies genüge aber nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Nr. 8 und Abs. 4 BGB-InfoV. Es hätte ein Hinweis in der Reisebestätigung erfolgen müssen; in einem Prospekt genüge der Hinweis nur dann den Anforderungen, wenn die einschlägige Fundstelle dort auch benannt würde.

Auch sei die Erforderlichkeit der Aufwendungen durch das Landgericht rechtfehlerfrei festgestellt worden.

Entgegen der Annahme des Landgerichts stünde hier aber dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, dass diese entgegen § 651c Abs.  3 Satz 1 BGB die Beklagte nicht unter Fristsetzung zur Abhilfe aufgefordert habe. Diesbezüglich habe es an einem ordnungsgemäßen Hinweis mit dem in § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV ermangelt. Danach habe der Reiseveranstalter den Reisenden in der Reisebestätigung darauf hinzuweisen, dass er einen Mangel anzuzeigen habe und vor einer Kündigung des Reisevertrages grundsätzlich eine angemessene Frist zur Abhilfeleistung zu setzen habe. Dies geschah nicht; nur in den AGB sei pauschal darauf hingewiesen worden. Dies genüge den Anforderungen nicht. Damit könne die Beklagte nicht eine Pflichtverletzung der Beklagten wegen fehlenden Abhilfeverlangens und Fristsetzung geltend machen. Die notwendige Erkenntnismöglichkeit fehle dem Reisenden.

BGH, Urteil vom 03.07.2018 - X ZR 96/17 -

Montag, 29. Oktober 2018

Verlust aus Aktienverkäufen ohne Bescheinigung gem . § 20 EStG und Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeit


Der Kläger veräußerte nahezu wertlose Aktien an seine Sparkasse und machte in seiner Einkommensteuerklärung 2013 dafür Verluste mit € 5.759,78 geltend. Das Finanzamt (FA) berücksichtigte diese Verluste mit der Begründung nicht, der Kläger habe diesbezüglich keine Bescheinigung nach § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG vorgelegt. Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht der Klage statt. Die Revision des beklagten FA wurde zurückgewiesen.

Nach Auffassung des BFH handele es sich hier um steuerlich anzuerkennende Verluste gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 EStG. Danach sei auch ein negativer Gewinn und damit ein Veräußerungsverlust (entsprechend der Regelung in § 20 Abs. 2 Satz zu den Einkünften aus Kapitalvermögen) erfasst.  Die Veräußerung sei die zumindest wirtschaftliche Übertragung des Eigentums auf einen Dritten. Dieser Fall der entgeltlichen Veräußerung läge auch vor, wenn wertlose Anteile zwischen fremden Dritten ohne Gegenleistung übertragen würden (BFH, Urteil vom 06.04.2011 - IX R 61/10 -).  Weitere Tatbestandmerkmale sehe das Gesetz nicht vor. Insbesondere sei danach weder die Höhe der Gegenleistung noch die Höhe anfallender Veräußerungskosten maßgeblich (entgegen BMF-Schreiben in BStBl I 2016, 85 Rz. 59). Mithin läge hier bei der Veräußerung der Aktien zu € 8,00 bzw. € 6,00 abzüglich der Kosten eine steuerlich beachtliche Veräußerung vor.

Das Fahlen einer Bescheinigung der auszahlenden Stelle (hier: Sparkasse) iSv. § 43a Abs. 3 S. 4 EStG stehe der Anwendung des § 29 Abs. 6 Satz 6 EStG auch nicht entgegen. Die Norm des § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG diene der Verhinderung eines doppelten Verlustabzugs. Diese Gefahr sei hier nicht gegeben; die Sparkasse sei nach der veröffentlichten Auffassung der Finanzverwaltung davon ausgegangen, dass der erzielte Verlust steuerlich unbeachtlich sei. Es wäre reiner Formalismus auch in diesem Fall zu verlangen, dass für die Verlustrechnung iSv. § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG erforderlich sei (BFH, Urteil vom 20.10.2016 - VIII R 55/13 -; BFH, Urteil vom 29.08.2017 - VIII R 23/15 -).

Der Einwand des beklagten FA, es läge ein Gestaltungsmissbrauch vor (§ 42 AO), sei auch zurückzuweisen. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO könne das Steuergesetz nicht durch Gestaltungsmissbrauch umgangen werden. Dieser Missbrauch sei anzunehmen, wenn eine unangemessene Gestaltung gewählt würde, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führe. Alleine das Motiv, Steuern zu sparen, würde die Gestaltung aber nicht missbräuchlich machen (BFH, Beschluss vom 29.11.1982 - GrS 1/81 -).  Der Steuerpflichtige dürfe seine Verhältnisse so ordnen, dass möglichst keine oder nur geringe Steuern anfallen (BFH, Urteil vom 19.01.2017 - IV R 10/14 -).  Erst dann, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung nicht zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels gebrauche, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wähle,  auf dem nach dem Willen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreicht werden solle, wäre eine Unangemessenheit nach § 42 AO anzunehmen. Dass sei z.B. der Fall, wenn das Geschäft zu einer wirtschaftlichen Neutralisierung führe und nur steuerliche Vorteile erreicht werden sollen oder die wirtschaftliche Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert würde und sich danach lediglich als eine formale Maßnahme darstelle.

Nach diesen Grundsätzen läge vorliegend kein Missbrauch vor. Der Kläger habe das Ziel verfolgt, sich von nahezu wertlosen Wertpapieren zu trennen, was sinnvoll nur durch Veräußerung möglich gewesen sei. Auch könne der Zeitpunkt der Maßnahme dem Steuerpflichtigen nicht vorgeschrieben werden; es läge in seinem Belieben, wann er Wertpapiere kauft oder verkauft (BFH, Urteil vom 25.08.2009 -), womit der Steuerpflichtige nur von den vom Gesetzgeber vorgegebenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch mache. Ebensowenig könne (wie das FA meinte) vom Steuerpflichtigen verlangt werden, die Wertpapiere in seinem Depot zu behalten, um sie irgendwann evtl. schlicht auszubuchen. Dies würde (unabhängig von der zivill- und steuerrechtlich nicht zu klärenden Problematik) die Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen unzulässig einschränken.

BFH, Urteil vom  12.06.2018 - VIII R 32/16 -

Mittwoch, 24. Oktober 2018

Zur (fehlenden) Begründetheit der fristlosen Kündigung eines Fitnessstudiovertrages

Das Fitnessstudio, welches von einer natürlichen Person unter einer Fantasiebezeichnung geführt wurde, zog in neue Räumlichkeiten in einer Entfernung von ca. 150m. Die Beklagte kündigte daraufhin den Nutzungsvertrag fristlos. Im Rahmen der von der Betreiberin erhobenen Zahlungsklage machte  die beklagte Nutzerin etliche Gründe zur Rechtfertigung der fristlosen Kündigung geltend, mit denen sie allerdings nicht durchdrang, weshalb der Zahlungsklage vollumfänglich stattgegeben wurde. Nachfolgend sollen die Kündigungsgründe und die Erwägungen des Amtsgerichts (AG) dargelegt werden:

a)a Die Verlegung des Fitnessstudios sei kein Kündigungsgrund, da es im Einzelfall darauf ankäme, wohin das Studio verlegt würde und von wo der Nutzer käme (OLG Hamm, Urteil vom 16.12.1991 – 17 U 109/91 -). Hier läge nur eine Entfernung von 150m vor, weshalb er Beklagten ein Festhalten am Vertrag zumutbar gewesen sei.

b) Gerügt wurde das Fehlen von Duschen (die erst einige Monate nach dem Umzug eingebaut wurden). Zwar würde dies grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellen; da die beklagte Nutzerin aber nach eigenem Vortrag in dem alten Studio die Duschen nicht genutzt habe (da ihr dies aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen sei), ließe sich nicht erkennen, weshalb nun im neuen Studio eine Nutzung wieder möglich gewesen sein sollte. Daher läge eine Beeinträchtigung, die ein Festhalten am Vertrag als nicht mehr zumutbar erschienen lasse, nicht vor.

c) Die Umbenennung des Studios stelle keinen Kündigungsgrund dar, da die Identität des Vertragspartners nicht geändert worden sei. Die Namensänderung ließe keinen Rückschluss auf die Qualität oder Trainingsmöglichkeiten zu, noch gar habe die beklagte verdeutlicht, dass es dadurch bedingt zu einer konkreten Trainingsbeeinträchtigung gekommen sie.

d) Die Beklagte war behindert und konnte nach ihren Angaben die Treppe zum neuen Studio nicht nutzen. Es gab allerdings einen behindertengerechten Aufzug im neuen Studio, weshalb die Treppe keinen Kündigungsgrund darstellen könne. Soweit mit der Nutzung des Aufzuges Unannehmlichkeiten wegen eines Anrufs oder eines Klingelns verbunden seien, würde dies auch keine fristlose Kündigung rechtfertigen. Im Hinblick auf die Frage, ob der Aufzug funktioniere, könne dies vorliegend dahinstehen, da jedenfalls die Beklagte vor einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund der Klägerin eine Frist zur Abhilfe hätte setzen müssen oder die Klägerin hätte abmahnen müssen. Vorliegend habe der Aufzug nach dem Vortrag der Parteien zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht funktioniert, weshalb hier die Beklagte der Klägerin eine Abhilfefrist hätte setzen müssen. Eine Fristsetzung sei hier auch nicht entbehrlich gewesen, da weder eine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Klägerin vorgelegen habe noch besondere Gründe die sofortige Kündigung hätten rechtfertigen können.

Die gleichen Erwägungen greifen nach dem Urteil für die Behauptung der Beklagten über Einschränkungen der Trainingsmöglichkeiten und Nichterreichbarkeit von Trainingsgeräten. Grundsätzlich könnte dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen; allerdings sie auch hier zuvor eine angemessene Frist zur Abhilfe zu setzen (§314  Abs. 2 S. 1 BGB), was nicht erfolgte. Da im Übrigen die Beklagte nach ihrem Vortrag nur drei Geräte genutzt hat, wäre hier für die Klägerin durch ein umstellen dieser Geräte Abhilfe zu schaffen gewesen und es sei nicht vorgetragen worden, dass dem die Klägerin nicht auf Ersuchen nachgekommen wäre.

Die Rüge der Beklagten, sie sei zu späte über den bevorstehenden Umzug des Studios informiert worden, trage die fristlose Kündigung auch nicht. Der Vertrag war auf 24 Monate mit Verlängerungsklausel abgeschlossen. Im Hinblick auf die Kündigungsfrist von acht Wochen hätte die Information über den Umzug Anfang 2016 Mitte 2015 erfolgen müssen. Allerdings habe die Beklagte nicht vorgetragen, dass sie bei einer Kenntnis vom Umzug tatsächlich fristgerecht gekündigt hätte.

Zusammenfassend bleibt mithin festzuhalten, dass eine fristlose Kündigung jedenfalls bei bestehenden Mängeln die Setzung einer Abhilfefrist nach § 314 BGB verlangt, soweit nicht erwartet werden kann, das dem nicht nachgekommen wird oder werden kann. Ein Mangel liegt nicht vor, wenn Änderungen im Studiobetrieb keine Auswirkungen auf das konkrete Vertragsverhältnis haben.

AG Plettenberg, Urteil vom 28.09.2018 - 1 C 2/18 -

Montag, 22. Oktober 2018

Totalschaden: Integritätsinteresse durch Reparatur und Voraussetzungen der 130%-Grenze


Der Kläger machte nach einem Verkehrsunfall Schadensersatzansprüche geltend. Sein Fahrzeug erlitt nach den Berechnungen des von ihm beauftragten Sachverständigen einen wirtschaftlichen Totalschaden, da sich die Reparaturkosten auf € 10.129,43, der Wiederbeschaffungswert auf € 7.436,97 beliefen. Der Kläger ließ gleichwohl das Fahrzeug reparieren, Danach hätten die Reparaturkosten nur knapp 30% über dem Wiederbeschaffungswert gelegen. Die Beklagten bestritten allerdings u.a. die sach- und fachgerechte Reparatur. Das Landgericht hatte Beweis erhoben und nach Einvernahme von Zeugen und Einholung eines Gutachtens festgestellt, dass die Reparatur zu einem kleinen Teil nicht gemäß dem Gutachten durchgeführt wurden (nach Angaben des Sachverständigen mit weiteren Kosten von € 148,40 verbunden), und im Übrigen statt eines im, Gutachten vorgesehenen Türaustauschs Spachtel- und Lackierarbeiten an der Tür berechnet wurden. Es hielt daher eine Abrechnung auf Totalschadensbasis für ausgeschlossen und nahm die Abrechnung auf der Basis des Wiederbeschaffungswertes vor.

Das OLG Koblenz wies mit Beschluss vom 25.06.2018 darauf hin, dass es die Zurückweisung der Berufung des Klägers  beabsichtige, mit der dieser weiterhin seinen Anspruch auf Abrechnung auf Reparaturkostenbasis versuchte durchzusetzen. Es verwies darauf, dass nach dem vom Landgericht eingeholten Gutachten die Reparatur nicht fachgerecht und auch nicht vollständig durchgeführt worden sei. So seien im Bereich der Schadenszone Radhauses vorne links und im Bereich des Frontblechs links Arbeiten (Lackierarbeiten) weder sachgerecht noch vollständig vorgenommen worden. Die noch erforderlichen Lackierarbeiten seien mit Kosten in Höhe von € 148,40 verbunden. Auch wenn der Rest-Reparaturaufwand relativ gering sei, würde dies einer für eine Abrechnung auf Basis eines den Wiederbeschaffungswert bis maximal 30% übersteigender Reparaturkosten nicht rechtfertigen können, da im Falle des Verbleibens auch geringer Restarbeiten das Integritätsinteresse des Geschädigten nicht ausreichend dokumentiert würde. Dies alleine würde schon der Forderung des Klägers entgegenstehen.

Hinzu käme der Umstand, dass in der der Klage zugrunde liegenden Reparaturrechnung Arbeiten enthalten seien, die ebenfalls nicht zu einem sach- und fachgerechten Ergebnis geführt hätten. Die Spachtel und Lackierarbeiten an der linken Außentür hätten nicht zu einem vollständig fachgerechten Ergebnis (Mangelfreiheit)  geführt. Der Geschädigte könne aber bei Vorliegen eines wirtschaftlichen Totalschadens nur die bis max. 30% über den Wiederbeschaffungswert liegenden Reparaturkosten verlangen, wenn es sich um die Kosten für eine (hier auch insoweit nicht vorliegende) sach- und fachgerechte Reparatur handele.

Nachdem der Kläger die Berufung nicht zurückgenommen hatte, wies das OLG diese mit Beschluss vom 14.08.2018 unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss zurück.

OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 25.06.2018 - 12 U 3/18 -

Sonntag, 21. Oktober 2018

GmbH: Sitzverlegung nach Auflösung


Für die in 2006 gegründete GmbH, die seit dem 05.10.2016 im Handelsregister des AG Frankfurt am Main eingetragen war, wurde eine am 17.02.2017 beschlossene Auflösung am 13.03.2017 im Handelsregister eingetragen. Mit einer notariell beglaubigten Anmeldung vom 10.04.2017 hat der Liquidator die Änderung des Gesellschaftsvertrages in § 1 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrages (Sitz) mit Hinweis drauf angemeldet, der Sitz sei von Frankfurt am Main nach Berlin verlegt worden. Das zuständige AG Charlottenburg wir sie Anmeldung zurück. Der eingelegten Beschwerde half es nicht ab. 

Das Kammergericht (KG) wies die zulässige Beschwerde zurück.

Zwar würde die für werbende Gesellschaften gedachte Vorschrift des § 69 Abs. 1 GmbHG nach der Auflösung der Gesellschaft entsprechende Anwendung finden. Dies dürfe aber dem Wesen der Liquidation nicht zuwiderlaufen. Zu den insoweit überhaupt anwendbaren Vorschriften würden die Vorschriften über die Änderung des Gesellschaftsvertrages gerade nicht gehören. Soweit sie gleichwohl angewandt würden (RGZ 107, 31, 33; BayObLG, Beschluss vom 12.01.1995 - 3Z BR 314/14 -; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.09.1973 - 20 W 639/73 -), dürfe dies aber nicht dem Wesen der Liquidation zuwiderlaufen.

Zweck der Liquidation sei, das Gesellschaftsvermögen in Geldumzusetzen, um eine Schlussverteilung vornehmen zu können, nach der weitere Maßnahmen nicht mehr erforderlich seien. Nach § 70 GmbHG sollen die laufenden Geschäfte beendet, Forderungen eingetrieben und Verbindlichkeiten ausgeglichen werden. Zum Zwecke der Begleichung von Verbindlichkeiten seien die Gläubiger durch Bekanntmachungen gem. § 65 Abs. 1 GmbH auf die Auflösung aufmerksam zu machen, damit sie ihre Forderungen anmelden könnten.

Daraus ließe sich allerdings nicht ableiten, dass eine Änderung des Gesellschaftsvertrages grundsätzlich dem Wesen der Liquidation widerspräche. Möglich wäre z.B. auch eine Kapitalerhöhung, um alle Gläubiger befriedigen zu können, die Veräußerung der Firma (des namens der Gesellschaft) zur Erlangung weiterer verteilbarer Vermögenswerte mit der Folge einer Firmenänderung oder eine Änderung der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer zur Beschleunigung der Abwicklung.

Da aber eine Schlussverteilung angestrebt würde und dies das Auffinden aller Schuldner und Gläubiger voraussetze, seien Maßnahmen, die zu einer (wenn auch nur zeitweisen) Erschwerung der Erreichbarkeit im Hinblick auf die mit ihr verbundenen Vorteile zu prüfen, was insbesondere für die Sitzverlegung gelte. Dies würde mit einem Wechsel des Regiistergerichts und der Registernummer einhergehen. Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin darauf, dass der statuarische Sitz mit dem tatsächlichen Sitz nicht identisch sein müssten, ändere daran nichts. Denn es bedürfe keines weiteren Grundes, der gegen die Sitzverlegung spräche, sondern eines Grundes, der diese in Ansehung der Liquidation rechtfertige.

Nicht zu klären sei hier, ob für die Verlegung des tatsächlichen Sitzes, die durch (im Handelsregister einzutragende) Änderung der Gesellschaftsanschrift in gleicher Weise der Vorbehalt der Zweckmäßigkeit gelte (was der Senat allerdings bezweifle).

KG, Beschluss vom 24.04.2018 - 22 W 63/17 -