Montag, 22. Oktober 2018

Totalschaden: Integritätsinteresse durch Reparatur und Voraussetzungen der 130%-Grenze


Der Kläger machte nach einem Verkehrsunfall Schadensersatzansprüche geltend. Sein Fahrzeug erlitt nach den Berechnungen des von ihm beauftragten Sachverständigen einen wirtschaftlichen Totalschaden, da sich die Reparaturkosten auf € 10.129,43, der Wiederbeschaffungswert auf € 7.436,97 beliefen. Der Kläger ließ gleichwohl das Fahrzeug reparieren, Danach hätten die Reparaturkosten nur knapp 30% über dem Wiederbeschaffungswert gelegen. Die Beklagten bestritten allerdings u.a. die sach- und fachgerechte Reparatur. Das Landgericht hatte Beweis erhoben und nach Einvernahme von Zeugen und Einholung eines Gutachtens festgestellt, dass die Reparatur zu einem kleinen Teil nicht gemäß dem Gutachten durchgeführt wurden (nach Angaben des Sachverständigen mit weiteren Kosten von € 148,40 verbunden), und im Übrigen statt eines im, Gutachten vorgesehenen Türaustauschs Spachtel- und Lackierarbeiten an der Tür berechnet wurden. Es hielt daher eine Abrechnung auf Totalschadensbasis für ausgeschlossen und nahm die Abrechnung auf der Basis des Wiederbeschaffungswertes vor.

Das OLG Koblenz wies mit Beschluss vom 25.06.2018 darauf hin, dass es die Zurückweisung der Berufung des Klägers  beabsichtige, mit der dieser weiterhin seinen Anspruch auf Abrechnung auf Reparaturkostenbasis versuchte durchzusetzen. Es verwies darauf, dass nach dem vom Landgericht eingeholten Gutachten die Reparatur nicht fachgerecht und auch nicht vollständig durchgeführt worden sei. So seien im Bereich der Schadenszone Radhauses vorne links und im Bereich des Frontblechs links Arbeiten (Lackierarbeiten) weder sachgerecht noch vollständig vorgenommen worden. Die noch erforderlichen Lackierarbeiten seien mit Kosten in Höhe von € 148,40 verbunden. Auch wenn der Rest-Reparaturaufwand relativ gering sei, würde dies einer für eine Abrechnung auf Basis eines den Wiederbeschaffungswert bis maximal 30% übersteigender Reparaturkosten nicht rechtfertigen können, da im Falle des Verbleibens auch geringer Restarbeiten das Integritätsinteresse des Geschädigten nicht ausreichend dokumentiert würde. Dies alleine würde schon der Forderung des Klägers entgegenstehen.

Hinzu käme der Umstand, dass in der der Klage zugrunde liegenden Reparaturrechnung Arbeiten enthalten seien, die ebenfalls nicht zu einem sach- und fachgerechten Ergebnis geführt hätten. Die Spachtel und Lackierarbeiten an der linken Außentür hätten nicht zu einem vollständig fachgerechten Ergebnis (Mangelfreiheit)  geführt. Der Geschädigte könne aber bei Vorliegen eines wirtschaftlichen Totalschadens nur die bis max. 30% über den Wiederbeschaffungswert liegenden Reparaturkosten verlangen, wenn es sich um die Kosten für eine (hier auch insoweit nicht vorliegende) sach- und fachgerechte Reparatur handele.

Nachdem der Kläger die Berufung nicht zurückgenommen hatte, wies das OLG diese mit Beschluss vom 14.08.2018 unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss zurück.

OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 25.06.2018 - 12 U 3/18 -


Aus den Gründen:


Hinweis:


Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beru­ fungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Das Landgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung lediglich in Höhe von 942,99 € stattgegeben.
Mit dem Landgericht ist der Senat der Überzeugung, dass der Kläger den streitgegenständ­ lichen Verkehrsunfall auf „Totalschadensbasis" abrechnen muss.
Gemäß dem von dem Kläger vorgelegten Gutachten des Sachverständigen A. vom 08.01.2015 betrugen die voraussichtlichen Reparaturkosten 10.129,43 (netto). Den Wiederbe­ schaffungswert hat der Sachverständige A. auf 7.436,97 (netto) beziffert. Danach betru­ gen die voraussichtlichen Reparaturkosten 136% des Wiederbeschaffungswertes.
Liegen die voraussichtlichen Reparaturkosten mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungs­ wert, ist die Instandsetzung in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig. Lässt der Gesc_hädigte sein Fahrzeug dennoch reparieren, so können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszu­gleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil und in einen von dem Geschädigten selbst zu tragen­ den wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgeteilt werden. In einem solchen Fall kann der Geschä­digte vielmehr grundsätzlich nur Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwandes (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) verlangen (BGHZ 115, 375; BGH in zfs 2007, 686; BGH in NJW 2012, 52). 
Eine Ausnahme kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann in Betracht, wenn es dem Geschädigten entgegen der Einschätzung des vorgerichtlichen Sachverständigen gelungen ist, eine fachgerechte und den Vorgaben des Sachverständigen entsprechende Repara­ tur durchzuführen, deren Kosten die 130%-Grenze nicht übersteigt. Dem Geschädigten ist es in diesem Fall nicht verwehrt, die konkret angefallenen Reparaturkosten abzurechnen (BGH in
NJW 2011, 669).

Nach der Überzeugung des Senats kann vorliegend bereits nicht von der Durchführung einer voll­ ständigen und fachgerechte·n Reparatur gemäß den Vorgaben des Sachverständigen A. .  ausgegangen  werden.

Aus den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. B. in dessen Gutachten vom 14.09.2016 ergibt sich, dass die Reparatur nicht fachgerecht und auch nicht vollständig durchgeführt worden ist. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass im Bereich der Schadenszone Radhaus vorne links und im Bereich des Front­blechs links Arbeiten (Lackierarbeiten) weder sachgemäß noch vollständig ausgeführt worden seien. Die erforderlichen Lackierarbeiten könnten nach entsprechenden Vorbereitungsmaßnah­men innerhalb einer Arbeitssstunde ausgeführt werden, was einschließlich erforderlicher Lack-­ materialien einen Aufwand von 148,40 € (brutto) erfordern würde.


Der Annahme einer nicht fach-und sachgerechten „Gesamtreparatur'' steht nicht entgegen, dass der verbleibende Reparaturaufwand als verhältnismäßig gering angesehen werden kann (148,40 €). Im Falle des Verbleibens auch geringer Restarbeiten ist das Integritätsinteresse von dem Geschädigten nicht ausreichend dokumentiert worden. Bereits aus diesem Gesichtspunkt ist dem Kläger eine Abrechnung der Reparaturkosten verwehrt. 

Das Landgericht hat auch zutreffend ausgeführt, dass in der der Klage zugrunde liegenden Rech­ nung der Firma Kfz-XXX Arbeiten enthalten sind, die ebenfalls nicht zu einem sach- und fachgerechten Ergebnis geführt haben. So steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die von dem Zeugen D.  vogenommenen Spachtel-  und Lackierarbeiten bezüglich  der linken Tür nicht zu einem vollständig fachgerechten Ergebnis (Mangelfreiheit) geführt haben. Wie be­ reits oben festgestellt, ist der Geschädigte in der hier vorliegenden Ausnahmekonstellation aber nur berechtigt, die Kosten der sach- und fachgerechten Reparatur in Rechnung zu stellen. Die linke Tür ist nicht fachgerecht repariert worden. An diesem Ergebnis ändert sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nichts dadurch, dass der dann von dem Zeugen D. zusätzlich vorgenommene Türaustausch schließlich zu einem fachgerechten Ergebnis geführt hat. Die Kosten des Türaustauschs werden von dem Kläger gerade nicht geltend gemacht. 

Weiter war zu beachten, dass es dem Zeugen D. in  der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2017 nicht möglich war anzugeben, welchen Preis er für die nach seinen Angaben aus dem Internet bezogene Tür bezahlt hat. Es könnte sich somit durchaus so verhalten, dass die Austauschkosten die geltend gemachten Reparaturkosten erheblich unterschritten haben. Auch dies steht wiederum einer Abrechnung auf Reparaturkostenbasis entgegen.

Der ersatzfähige Schaden des Klägers stellt sich damit wie folgt dar: Der Wiederbeschaffungs­ aufwand beträgt 4.915,96 € (netto). Die Wiederbeschaffungsdauer hat der Sachverstsändige H. in seinem Gutachten mit 10 bis 12 Tagen angenommen. Bei einem Nutzungsausfall pro Tag in Höhe von 58,00 € ergibt sich ein weiterer Schaden des Klägers in Höhe von 696,00 €. Das ergibt einen ersatzfähigen Gesamtschaden in Höhe von 5.611,96 €. Abzüglich der von der Beklagten bereits geleisteten Zahlungen in einer Gesamthöhe von 4.668,97 verblieb somit ein ersatzfähiger Schaden in Höhe von 942,99 €. Dieser Betrag ist dem Kläger von dem Landge­richt zuerkannt worden

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gedcht aus Kostengründen die Rücknah­ me der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgL Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 27.07.2018.






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