Dienstag, 6. Februar 2018

Kfz-Sachverständigengutachten zur Feststellung der Reparaturkosten nach Verkehrsunfall: Zur Darlegungslast und Schätzung der (erforderlichen) Kosten

Der Sachverständige hatte sein Honorar nach der Höhe der von ihm ermittelten Reparaturkosten von € 16.788,60 und Wertminderung von € 6.000,00 mit € 1.733,75 zuzüglich Auslagen in Form von Schreibgebühren von € 3,46/Seite geltend gemacht.

Die Bemessung des Honorars nach der Höhe des ermittelten Schadens sieht der BGH grundsätzlich als zulässig an. Der geschädigte habe allerdings gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten darzulegen, wobei die Erteilung einer Rechnung bei Zahlung durch den Geschädigten eine Indizwirkung entfalten würde. Dies im Hinblick auf den zu beachtenden Umstand, dass der Geschädigten häufig nur eingeschränkte Erkenntnismöglichkeiten zur Angemessenheit solcher Rechnungen hat. Dies schlage sich in dem tatsächlich gezahlten Betrag nieder.

Fehle aber die Zahlung der Rechnung, komme ihr auch keine Indizwirkung zu und reiche für die Erforderlichkeit der Kosten ein einfaches Bestreiten der Beklagtenseite. 

Vorliegend hätte, so der BGH, das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten berücksichtigen müssen, demzufolge sich der tatsächliche Reparaturschaden nur auf € 2.664,60, die Wertminderung nur auf € 2.000,00 belaufe. Da die richtige Ermittlung der Schadenshöhe vom Sachverständigen als Erfolg  geschuldet würde und er dafür hafte, würde bei dem nach der Schadenshöhe berechneten Honorar die Fehlerhaftigkeit entscheidend ins Gewicht fallen. Die vom Sachverständigen ermittelte Schadenshöhe könne nur dann Bemessungsgrundlage sein, wenn sie richtig wäre.  Das Berufungsgericht hätte mithin erst die richtige Schadenshöhe ermitteln müssen.

Auch die Bewertung der vom Sachverständigen geltend gemachten Nebenkosten durch das Berufungsgericht sei verfehlt gewesen. Fehlerhaft habe das Berufungsgericht auf eine BVSK-Honorarbefragung 2011 abgestellt, da diese für die abschließend vorzunehmende Schätzung im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht geeignet sei, die zu erwartenden Ansätze bei den anfallenden Nebenkosten verlässlich abzubilden. Zwar sei dem Tatrichter keine bestimmte Berechnungsmethode vorzuschreiben und § 287 ZPO gebe die Art der Schätzmethode nicht vor. Die Schadenshöhe dürfe aber nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unrichtiger Erwägungen festgesetzt werden, noch dürften wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer Acht gelassen werden. Der Tatrichter dürfe bei zentralen Fragen auch nicht auf nach Sachlage unerlässlich fachliche Erkenntnisse verzichten. Listen und Tabellen dürften verwandt werden und der Tatrichter sei in ihrer Verwendung auch frei; bestehen aber berechtigte Zweifel des Gerichts an diesen, müsse er gegebenenfalls auf deren Heranziehung verzichten. Dies sei nicht beachtet worden: Die BVSK-Honorarbefragung sei auf der Grundlage unklarer Vorgaben zu den Nebenkosten durchgeführt worden. Aus den Erläuterungen zu ihr ergäbe sich, dass sogenannte Nebenkosten zu keinem Zeitpunkt definiert worden seien.  Auch müsse davon ausgegangen werden, dass Gewinnanteile mit enthalten seien, was unzulässig sei. Der Tatrichter könne bei Sachverständigen aller Fachrichtungen auch auf das JVEG zurückgreifen (so bereits Senatsurteil vom 26. April 2016 - VI ZR 50/15 -).


BGH, Urteil vom 24.10.2017 - VI ZR 61/17 -

Freitag, 2. Februar 2018

Änderungen WEG und BGB zur Barrierefreiheit und E-Mobilität im Gesetzentwurf des Bundesrats

Der Bundesrat hat unter dem 10.01.2018  einen Gesetzentwurf zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und des BGB im Hinblick auf Barrierefreiheit und Elektromobilität eingebracht (Drucks. 19/401).  Wohnungseigentumsgemeinschaften und Vermieter sollten sich hier vorbereiten, da dieses Gesetz wohl weiteren Zündstoff für Wohnungseigentümer und das Verhältnis von Mieter zu Vermieter bietet.

So soll § 22 WEG dahingehend geändert werden, dass eine Zustimmung für bauliche Veränderungen 

- die für eine behindertengerechte Nutzung des Sonder- oder Gemeinschaftseigentums erforderlich ist

-          die für die Installation einer Ladeeinrichtung für ein elektrisch betriebenes Fahrzeug iSv. § 2 des Elektromobilitätsgesetzes erforderlich ist

nicht benötigt wird, wenn ein berechtigtes Interesse besteht und die Eigenart der Wohnanlage dadurch nicht geändert wird. Allerdings lässt sich hier dem Gesetzesentwurf nicht entnehmen, wer in diesem Fall die Kosten zu tragen hat. Da es sich nach dem Wortlaut um eine zustimmungsfreie Maßnahme desjenigen handelt, der ein berechtigtes Interesse hat, die Regelung auch für das Sondereigentum gilt, muss davon ausgegangen werden, dass insoweit die Kosten von diesem zu tragen sind.

Allerdings ist auch vorgesehen, dass die Maßnahme erzwungen wird durch Beschluss. Hier bedarf es keiner Einstimmigkeit (mehr), sondern es reicht eine ¾-Mehrehit der stimmberechtigten Wohnungseigentümer und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile.

Im Hinblick auf die Ladestationen soll ein § 554d BGB im Mietrecht eingefügt werden, wonach der Mieter entsprechend §554a BGB die Zustimmung zur Errichtung einer solchen verlangen kann. § 554a BGB setzt ein berechtigtes Interesse voraus, welches dann angenommen werden darf, wenn er ein E-Mobil hat oder anschaffen will.  Allerdings kann der Vermieter hier ggf. gem. § 554a Abs. 2 BGB eine Sicherheit verlangen. Dem Vermieter stehen also einige Möglichkeiten offen, die Verwirklichung des Anspruchs des Mieters diesem  zu erschweren.

BR 19/401


Donnerstag, 1. Februar 2018

Befangenheit: Unzureichende Dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters

Am 07.03.2017 lehnte die Antragstellerin in einem Verfahren auf Herausgabe ihrer minderjährigen Tochter die erkennende Richterin am AG Wiesbaden nach Überlassung eines Protokolls über eine mündliche Anhörung wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dies begründete sie damit, dass im Termin vom 28.02.2017 die abgelehnte Richterin keine am Verfahrensgegenstand orientierte Anhörung der Antragstellerin vorgenommen habe, ferner von der Antragstellerin getätigte Aussagen nicht in Protokoll aufgenommen worden seien, vielmehr eine Protokollierung von Vorgängen stattgefunden habe, die so nicht stattgefunden hätten und das Amtsgericht einen auf den 31.01.2017 datierenden, bereits am 02.02.2017 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz des Antragsgegners erst nach dem Anhörungstermin zur Versendung an ihren Bevollmächtigten abgesandt sei. Diese Gründe wurden von der Antragstellerin im Einzelnen spezifiziert. Die abgelehnte Richterin gab sodann eine Dienstliche Stellungnahme am 10.04.2017 ab, in der sei ausführte:

„Ich fühle mich in der Sach nicht befangen.
Die Behauptung der Kindesmutter, ich stünde ihrem Anliegen nicht unvoreingenommen gegenüber, weise ich zurück und verweise im Übrigen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2017.
Falls ich zur weiteren Aufklärung beitragen kann, stehe ich gerne zur Verfügung.“

Das Familiengericht wies den Befangenheitsantrag mit Beschluss vom 13.04.2017 zurück.   Ob der Antragstellerin zuvor rechtliches Gehör zur Dienstlichen Stellungnahme gewährt wurde, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Die Antragstellerin legte gegen die Zurückweisung sofortige Beschwerde ein. Ohne Durchführung eines Abhilfeverfahrens legte das Familiengericht dem OLG die Beschwerde zur Entscheidung vor. Dieser forderte die abgelehnte Richterin am 19.05.2017 zur Ergänzung der Dienstlichen Stellungnahme aufgefordert, was diese mit Vermerk vom 30.05.2017 ablehnte; ferner teilte das Familiengericht mit, eine Abhilfeprüfung würde seitens des Familiengerichts nicht stattfinden.

Das OLG verweist darauf, dass auch bei dem Familiengericht eine Abhilfeprüfung erfolgen müsse.§ 6 Abs. 2 FamFG würde insoweit auch auf § 572 Abs. 1 ZPO verweisen, demzufolge ein Abhilfeverfahren vorgeschrieben sei, bevor die Beschwerde vorgelegt würde. Allerdings nahm das OLG Abstand von einem solchen Verfahren, da der Befangenheitsantrag im Ergebnis offensichtlich begründet sei. Dies ergäbe sich aus dem Tatsachenvortrag der Antragstellerin bzw.. ließe sich zwanglos aus der Akte erschließen. Ein Besorgnis der Befangenheit läge vor, wenn ein Grund bestünde, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen, § 42 Abs. 2 ZPO. Dabei käme es nicht auf die innere Einstellung des Richters an, sondern auf die Betrachtung der Situation vom Standpunkt der ablehnenden, jedoch besonnen agierenden Beteiligten, der danach vernünftiger Weise zu der Schlussfolgerung gelangen könne, eine Unparteilichkeit ihm gegenüber sei nicht mehr gewährleistet.

Nach §§ 6 Abs. 1 FamFG, 44 Abs. 3 ZPO habe sich der abgelehnte Richter über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern. Dies diene der Richtigkeitsfeststellung der für die Ablehnung herangezogenen Tatsachen (vgl. § 42 Abs. 2 S. 2 ZPO: Zeugnis des abgelehnten Richters).

Vorliegend habe sich die abgelehnte Richterin zu den Darlegungen der Antragstellerin in ihrer Dienstlichen Erklärung nur unzureichend geäußert. Deren Einstellung, sich nicht befangen zu wühlen, sei unschädlich aber auch irrelevant. Insgesamt habe sie nie nur eine Wertung vorgenommen, sich zu den Tatsachen nicht geäußert. Die Angaben würden daher zur Klärung des Wahrheitsgehalts der Darlegungen der Antragstellerin nicht weiterhelfen. Auch ihr Verweis auf das Protokoll sei nicht weiterführend, da die Antragstellerin gerade geltend macht, dass dieses nur verkürzt abgefasst sei. Zu der Frage, ob die Antragstellerin zu den Voraussetzungen der §§ 1632 BGB, 49ff FamFG angehört wurde, würden sich dies weder aus dem  Protokoll noch der Dienstlichen Erklärung ergeben. Auch z der Behauptung, sie, die Antragstellerin, habe keine Zustimmung zur auswärtigen Unterbringung der Minderjährigen erteilt, wie protokolliert, habe sich die Richterin nicht erklärt. Vielmehr habe die Richterin eine Ergänzung ihrer Dienstlichen Erklärung abgelehnt.

Damit aber sei dem Senat des OLG eine Prüfung des Wahrheitsgehalts der Angaben der Antragstellerin nicht möglich.  Die Ablehnung der Ergänzung der Dienstlichen Erklärung sei aber für sich geeignet, das Misstrauen eines besonnen agierenden Beteiligten zu rechtfertigen. Die Abgabe einer an § 44 Abs. 3 ZPO orientierten Dienstlichen Erklärung sei eine Dienstpflicht des Richters. Unzulängliche oder unsachliche Stellungnahmen iSv. § 44 Abs. 3 ZPO könnten von daher selbst die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (Zöller, ZPO, § 42 Rn. 24 mwN.).  Das OLG bewerte daher die Verletzung der Abgabe derselben nach Bitte/Aufforderung durch den Senat, den maßgeblichen Geschehensablauf zu skizziere, als so nachhaltig, dass auch der besonnen agierende Beteiligte die Besorgnis hegen müsse, die Richterin würde auch sonst nicht ihre, ihrer Unparteilichkeit dienenden und sich aus dem Gesetz ergebenden Dienstpflichten gehörig erledigen.


OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.06.2017 - 4 WF 193/17 -

Mittwoch, 31. Januar 2018

Mietrecht: Zum Umfang duldungspflichtiger Modernisierungsmaßnahmen

Die Beklagten mieteten ein älteres Reihenhaus, deren Eigentümerin jetzt die Klägerin (eine Entwicklungsgesellschaft)  wurde.  Sie beabsichtigte umfangreiche bauliche Maßnahmen, so u.a. eine Wärmedämmung an Fassade, Dach und Bodenplatte, Austausch von Fenstern und Türen, Einbau leistungsfähiger Elektrostränge im Bereich des Schornsteins, Verlegung von Leitungen unter Putz, Veränderung des Zuschnitts der Wohnräume und des Bads, Ersetzung der vorhandenen Heizung durch eine Gasetagenheizung, Ausbau sanitärer Einrichtungen und Einbau einer neuen Badewanne und Dusche, Neuverfliesung des Bodens Herstellung von Anschlüssen für Waschmaschine bzw. Spülmaschine, Errichtung eines Wintergratens mit Durchbruch zur (neuen) Wohnküche, Entfernung der Drempelwände und Ausbau des Spitzbodens über dem Dachgeschoss, Herstellung einer Terrasse, . Durch die Umbaumaßnahmen sollte sich die Kaltmiete von bisher € 463,62 auf € 2.149,99 erhöhen. Für die Maßnahmen waren zwei Wochen vorgesehen.  Die Beklagten verweigerten dies und die Klägerin klagte auf Duldung einschließlich des Abrisses einer Veranda an der Gartenseite des Hauses und Entfernung einer von den Beklagten 1992 eingebauten Gasetagenheizung.

Klage und Berufung gegen das klageabweisende Urteil blieben erfolglos. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zum BGH. Sie wurde zurückgewiesen.

Auf die im Mietvertrag enthaltene Klausel, nach der solche „Ausbesserungen und baulichen Veränderungen, die zwar nicht notwendig, aber doch zweckmäßig sind, ohne Zustimmung des Mieters vorgenommenen werden“ dürften, hat das Berufungsgericht die Unklarheitenregelung des § 5 AGBG (heute: § § 305c Abs. 2 BGB) dahingehend angewandt, dass im Umkehrschluss nur zumutbare Maßnahmen erfolgen dürften, die für den Mieter also unwesentliche Beeinträchtigungen abfordern. Auch habe das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass der Mietvertrag abschließend regele, dass eine Modernisierung ohne freiwilliges Einverständnis des Mieters nicht möglich sei. Dem folgt der BGH nicht.  Es stützt sich, wie bereits das Amtsgericht, auf die maßgeblichen Vorschriften der §§ 555a Abs. 1 und 555d Abs. 1 BGB.

Die Klägerin habe zwar in ihrem Gesamtkonzept nach § 555a Abs. 1 BGB zu duldende Instandsetzungsmaßnahmen, allerdings nicht zu erkennen gegeben, dass sie deren Duldung losgelöst vom Gesamtkonzept, bei dem die einzelnen Gewerke aufeinander abgestimmt wären, berlange.

Darüber hinaus handele es sich nicht um Modernisierungsmaßnahmen nach § 555b BGB, die der Mieter zu dulden habe.

Die Modernisierungsmaßnahme zeichne sich dadurch aus, dass die einerseits über die blosse Erhaltung des bisherigen Zustandes hinausgehe, andererseits aber die Mietsache nicht so verändere, dass etwas Neues entstehe. Es handele sich um eine  „Verbesserung der Mietsache“. Die hier auf 9 ½ Seiten beschriebenen „Modernisierungsmaßnahmen“ seien so weitreichend, dass ihre Durchführung den Charakter der Mietsache grundlegend verändern würden. Diese beträfen auch den Grundriss (Ausbau Spitzboden, Wintergarten, Zuschnitt Wohnräume und Bad, Abriss einer Veranda). Dies sei keine bloße Verbesserung der Mietsache im Sinne einer nachhaltigen Erhöhung des Wohnwerts (§ 555b Nr.  4 BGB) und auch keine dauerhafte Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse (§ 555b Nr. 5 BGB).


BGH, Beschluss vom 21.11.2017 - VIII ZR 28/17 -

Dienstag, 30. Januar 2018

Vermieterpfandrecht an Fahrzeugen bei Insolvenz des Mieters

Die Gemeinschuldnerin hatte auf dem Betriebsgrundstück regelmäßig ihre Fahrzeuge abgestellt.  Der beklagte Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin hatte u.a. diese Fahrzeuge verwertet. Die Klägerin machte die Erlöse aus den Verwertungen im Zusammenhang mit Mietschulden vor dem Hintergrund des Vermieterpfandrechts geltend.

Zutreffend sei, so der BGH, dass ein bestehendes Vermieterpfandrecht in der Insolvenz des Mieters zur abgesonderten Befriedigung aus den Pfandgegenständen führe, § 50 Abs. 1 InsO. Bei einer Verwertung durch den Insolvenzverwalter nach § 166 Abs. 1 InsO habe er dem Gläubiger aus den Erlös abzüglich Feststellungs- und Verwertungskosten zu befriedigen, § 170 Abs. 1 InsO.  Die Klägerin sei auch Inhaberin eines Vermieterpfandrechts an den eingebrachten Sachen der Gemeinschuldnerin, § 562 Abs. 1 BGB. Zu diesen dem Vermieterpfandrecht unterfallenden Gegenständen würden auch Fahrzeuge gehören, die regelmäßig auf dem Grundstück abgestellt würden.  Eingebracht seien nämlich alle Sachen, die willentlich und wissentlich in die Mieträume oder auf das Mietgrundstück verbracht würden. Läge nur ein vorübergehender Verbleib vor, sei zu unterscheiden, ob der vorübergehende Verbleib der bestimmungsgemäßen Nutzung der Mietsache entspricht oder nicht. Bei Fahrzeugen sei dies der Fall, denn die regelmäßige vorübergehende Einstellung gehöre zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der Mietsache; die LKW und Anhänger seien auch nachts jeweils auf dem Betriebsgrundstück bestimmungsgemäß abgestellt gewesen.

Allerdings habe das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, wo sich Fahrzeuge und Anhänger im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung befunden hätten. Diese Feststellung sei aber erforderlich. Denn nach § 562a Satz 1 BGB erlösche das Vermieterpfandrecht mit der Entfernung der Sachen vom Grundstück, es sei denn, dies erfolge ohne Wissen oder unter Widerspruch des Vermieters. Nach § 562a Satz 2 BGB könne aber der Vermieter dann nicht widersprechen, wenn die Entfernung den gewöhnlichen Lebensverhältnissen entspräche oder die zurückbleibenden Sachen zur Sicherung des Vermieters offenbar ausreichen würden. Wären die Fahrzeuge zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung tatsächlich (so für Kundenbesuche) vom Grundstück entfernt gewesen, könnte der Vermieter nicht widersprechen, entsprächen derartige Ausfahrten den gewöhnlichen Lebensverhältnissen.  Entgegen einer in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Annahme reiche die vorübergehend geplante Wegschaffung der Sachen für das Erlöschen des Vermieterpfandrechts aus. Dies ergebe sich schon aus dem maßgeblichen Wortlaut des § 562a BGB. Das Wort „Entfernung“ sei ohne (auch zeitliche) Einschränkung gebraucht.

Damit war das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen. Dort müsse nunmehr (neben der Feststellung zur Forderung) geprüft werden, ob sich im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung Fahrzeuge und Anhänger auf dem Betriebsgrundstück befanden.


BGH, Urteil vom 06.12.2017 - XII ZR 95/16 -

Zur Anrechenbarkeit von Prämien auf den Mindestlohn

Der Kläger, der bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt war,  erhielt ein bestimmtes Grundgehalt sowie verschiedene Prämien: Eine „Immerda-Prämie“ für durchgehende Arbeitsfähigkeit, eine Prämie für Ordnung und Sauberkeit im Hinblick auf die Sauberkeit des benutzten Fahrzeuges und eine Leergutprämie bei korrekten Umgang mit vom Kunden zurückgegebenen Leergut. Im Rahmen der Revision beider Parteien gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Zunächst wandte sich der Kläger war nur noch die Frage im Streit, ob der Kläger in den Monaten Januar und März bis September 2915 den gesetzlichen Mindestlohn erhielt.

Nach § 1 MiLoG hat der Arbeitnehmer für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde einen Anspruch auf den Mindestlohn, der hier im streitigen Zeitraum € 8,50/Stunde betrug. Das BAG verweist darauf, dass dieser Mindestlohn neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch treten würde und bei Unterschreiten des Mindestlohns § 3 MiLoG zu einem Differenzanspruch führen würde. Das Landesarbeitsgericht habe im Tatbestand des Berufungsurteils bindend den jeweiligen Mindestlohn in den einzelnen Monaten nach Maßgabe des Gesetzes festgestellt (§ 559 ZPO). Dieser Mindestlohn sei aber in den streitbefangenen Monaten durch Zahlung der Beklagten erfüllt,  362 Abs. 1 BGB.

Die Erfüllung trete ein, wenn die vom Arbeitgeber im Monat gezahlte Bruttovergütung den betrag erreiche, der sich aus der Multiplikation der geleisteten Arbeitsstunden mit dem Mindestlohnsatz (hier: € 8,50) ergäbe. Dies sei der Fall, rechnet man die von der beklagten an den Kläger gezahlten Prämien mit ein. Die Einrechnung sei rechtmäßig, da die gewährten Prämien mindestlohnwirksam seien. § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG setze den Mindestlohn  „je Zeitstunde“ fest. Der Anspruch würde nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder mit den Arbeiten verbundenen Umständen oder erfolgen abhängig gemacht. Damit aber seien alle Entgeltzahlungen, die vom Arbeitgeber im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbracht würden, mindestlohnwirksam, soweit diese Zahlungen nicht ohne Rücksicht auf eine Arbeitsleistung oder auf Grund einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung erbracht würden. Die gezahlten Prämien würden aber als Grundlage die Arbeitsleistung haben, weshalb sie bei der Bemessung mit einzubeziehen seien.


BAG, Urteil vom 08.11.2017 - 5 AZR 692/16 -

Freitag, 26. Januar 2018

Fitnessstudio: Zur Wirksamkeit des Nutzungsvertrages ohne Aushändigung eines Exemplars an den Nutzer

Am 28.11.2014 schlossen die Parteien einen Fitnessstudiovertrag, demzufolge der Beklagte im Studio des Klägers gegen Zahlung eines wöchentlichen Nutzungsentgelts  von zunächst € 11,57 (erstes Vertragsjahr), dann € 13,56 und einer jährlichen Servicepauschale von € 19,90 trainieren konnte; der Beklagte hatte dem Lastschriftverfahren zur Abbuchung durch den Kläger zugestimmt.. Die Vertragslaufzeit war mit 12 Monaten mit jeweiliger Verlängerung um 12 Monate vereinbart, sollte nicht vor 3 Monate vor Ablauf gekündigt werden.

Mit Schreiben vom 29.09.2015 kündigte der Beklagte. Mit seiner Klage machte der Kläger das Nutzungsentgelt für den Zeitraum 04.01.  bis 30.11.2016 mit € 643,14 sowie die Servicepauschale von € 19,90 und weiterhin Rücklastgebühren von € 8,00, entstanden durch Rückrufe des beklagten von Lastschriften geltend.

Im Verfahren berief sich der Beklagte darauf, die Kündigungsfrist sei nicht wirksam vereinbart.  Ihm sei ein nutzungsvertrag nicht überlassen worden.

Das Amtsgericht gab der Klage vollumfänglich statt. Der Einwand des Beklagten sei nicht erheblich. Selbst wenn, vom Kläger bestritten, der beklagte kein Vertragsexemplar erhalten haben sollte, wäre es doch zu einer wirksamen Vereinbarung mit dem Inhalt des vom Kläger vorgelegten Vertragsexemplars gekommen. Die Aushändigung des Vertrages sei nicht Wirksamkeitsvoraussetzung. Die schriftliche Fixierung diene lediglich dazu, den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung nachzuvollziehen und im Streitfall zu beweisen. Da die Kündigungsfrist von drei Monaten zum 30.11.2015 nicht eingehalten sei, schulde der beklagte das Nutzungsentgelt bis zum 30.11.2016. Der Umstand, dass er nach Ausspruch der Kündigung das Studio nicht mehr in Anspruch genommen habe, würde den Entgeltanspruch nicht tangieren; der Kläger erbringe seine geschuldete Leistung durch Ermöglichung der Nutzung.  Auch würde die Servicepauschale für das Nutzungsjahr 2015/16 geschuldet. Die Bankrücklastkosten könne der Kläger aufgrund des Widerspruchs des Beklagten gegen den Einzug ebenfalls verlangen, da der Einzug vertragsgemäß erfolgte.

Die Entscheidung ist rechtskräftig. Berufung wurde nicht eingelegt.


AG Lemgo, Urteil vom 29.11.2017 - 19 C 341/17 -