Am 07.03.2017 lehnte die
Antragstellerin in einem Verfahren auf Herausgabe ihrer minderjährigen Tochter
die erkennende Richterin am AG Wiesbaden nach Überlassung eines Protokolls über
eine mündliche Anhörung wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dies begründete
sie damit, dass im Termin vom 28.02.2017 die abgelehnte Richterin keine am
Verfahrensgegenstand orientierte Anhörung der Antragstellerin vorgenommen habe,
ferner von der Antragstellerin getätigte Aussagen nicht in Protokoll
aufgenommen worden seien, vielmehr eine Protokollierung von Vorgängen stattgefunden
habe, die so nicht stattgefunden hätten und das Amtsgericht einen auf den
31.01.2017 datierenden, bereits am 02.02.2017 beim Amtsgericht eingegangenen
Schriftsatz des Antragsgegners erst nach dem Anhörungstermin zur Versendung an
ihren Bevollmächtigten abgesandt sei. Diese Gründe wurden von der Antragstellerin
im Einzelnen spezifiziert. Die abgelehnte Richterin gab sodann eine Dienstliche
Stellungnahme am 10.04.2017 ab, in der sei ausführte:
„Ich fühle mich in der Sach nicht
befangen.
Die Behauptung der Kindesmutter,
ich stünde ihrem Anliegen nicht unvoreingenommen gegenüber, weise ich zurück
und verweise im Übrigen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
28.02.2017.
Falls ich zur weiteren Aufklärung
beitragen kann, stehe ich gerne zur Verfügung.“
Das Familiengericht wies den Befangenheitsantrag
mit Beschluss vom 13.04.2017 zurück. Ob der Antragstellerin zuvor rechtliches Gehör
zur Dienstlichen Stellungnahme gewährt wurde, lässt sich der Entscheidung nicht
entnehmen. Die Antragstellerin legte gegen die Zurückweisung sofortige
Beschwerde ein. Ohne Durchführung eines Abhilfeverfahrens legte das
Familiengericht dem OLG die Beschwerde zur Entscheidung vor. Dieser forderte
die abgelehnte Richterin am 19.05.2017 zur Ergänzung der Dienstlichen
Stellungnahme aufgefordert, was diese mit Vermerk vom 30.05.2017 ablehnte;
ferner teilte das Familiengericht mit, eine Abhilfeprüfung würde seitens des
Familiengerichts nicht stattfinden.
Das OLG verweist darauf, dass
auch bei dem Familiengericht eine Abhilfeprüfung erfolgen müsse.§ 6 Abs. 2
FamFG würde insoweit auch auf § 572 Abs. 1 ZPO verweisen, demzufolge ein
Abhilfeverfahren vorgeschrieben sei, bevor die Beschwerde vorgelegt würde.
Allerdings nahm das OLG Abstand von einem solchen Verfahren, da der
Befangenheitsantrag im Ergebnis offensichtlich begründet sei. Dies ergäbe sich aus
dem Tatsachenvortrag der Antragstellerin bzw.. ließe sich zwanglos aus der Akte
erschließen. Ein Besorgnis der Befangenheit läge vor, wenn ein Grund bestünde,
der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu
rechtfertigen, § 42 Abs. 2 ZPO. Dabei käme es nicht auf die innere Einstellung
des Richters an, sondern auf die Betrachtung der Situation vom Standpunkt der
ablehnenden, jedoch besonnen agierenden Beteiligten, der danach vernünftiger
Weise zu der Schlussfolgerung gelangen könne, eine Unparteilichkeit ihm
gegenüber sei nicht mehr gewährleistet.
Nach §§ 6 Abs. 1 FamFG, 44 Abs. 3
ZPO habe sich der abgelehnte Richter über den Ablehnungsgrund dienstlich zu
äußern. Dies diene der Richtigkeitsfeststellung der für die Ablehnung
herangezogenen Tatsachen (vgl. § 42 Abs. 2 S. 2 ZPO: Zeugnis des abgelehnten
Richters).
Vorliegend habe sich die
abgelehnte Richterin zu den Darlegungen der Antragstellerin in ihrer
Dienstlichen Erklärung nur unzureichend geäußert. Deren Einstellung, sich nicht
befangen zu wühlen, sei unschädlich aber auch irrelevant. Insgesamt habe sie
nie nur eine Wertung vorgenommen, sich zu den Tatsachen nicht geäußert. Die
Angaben würden daher zur Klärung des Wahrheitsgehalts der Darlegungen der Antragstellerin
nicht weiterhelfen. Auch ihr Verweis auf das Protokoll sei nicht weiterführend,
da die Antragstellerin gerade geltend macht, dass dieses nur verkürzt abgefasst
sei. Zu der Frage, ob die Antragstellerin zu den Voraussetzungen der §§ 1632
BGB, 49ff FamFG angehört wurde, würden sich dies weder aus dem Protokoll noch der Dienstlichen Erklärung
ergeben. Auch z der Behauptung, sie, die Antragstellerin, habe keine Zustimmung
zur auswärtigen Unterbringung der Minderjährigen erteilt, wie protokolliert, habe
sich die Richterin nicht erklärt. Vielmehr habe die Richterin eine Ergänzung
ihrer Dienstlichen Erklärung abgelehnt.
Damit aber sei dem Senat des OLG
eine Prüfung des Wahrheitsgehalts der Angaben der Antragstellerin nicht
möglich. Die Ablehnung der Ergänzung der
Dienstlichen Erklärung sei aber für sich geeignet, das Misstrauen eines
besonnen agierenden Beteiligten zu rechtfertigen. Die Abgabe einer an § 44 Abs.
3 ZPO orientierten Dienstlichen Erklärung sei eine Dienstpflicht des Richters.
Unzulängliche oder unsachliche Stellungnahmen iSv. § 44 Abs. 3 ZPO könnten von
daher selbst die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (Zöller, ZPO, § 42
Rn. 24 mwN.). Das OLG bewerte daher die Verletzung
der Abgabe derselben nach Bitte/Aufforderung durch den Senat, den maßgeblichen
Geschehensablauf zu skizziere, als so nachhaltig, dass auch der besonnen
agierende Beteiligte die Besorgnis hegen müsse, die Richterin würde auch sonst
nicht ihre, ihrer Unparteilichkeit dienenden und sich aus dem
Gesetz ergebenden Dienstpflichten gehörig erledigen.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.06.2017 - 4 WF 193/17
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