Die Beteiligte 1 des Verfahrens übertrug an den minderjährigen Beteiligten zu 2, der durch seine Mutter vertreten wurde, unentgeltlich ihre Miteigentumsanteile an einer Eigentumswohnung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). In der Gemeinschaftsordnung (GO) vom 24.01.1975 der WEG, auf die im Grundbuch Bezug genommen wurde, hieß es in deren § 11: „Die Rechtsnachfolger einer Gemeinschaft haften neben diesem als Gesamtschuldner für rückständige Lasten und Kosten (…) sowie für andere Forderungen aller Art der Gemeinschaft.“ Die Auflassung wurde in der notariellen Übertragungsurkunde vom 20.09.2021 erklärt. Die gerichtlich bestellte Ergänzungspflegerin genehmigte alle in der Urkunde abgegebenen Erklärungen. Der Notar beantragte danach gemäß § 15 GBO den Vollzug im Grundbuch. In einer Zwischenverfügung monierte das Grundbuchamt das Fehlen der familiengerichtlichen Genehmigung für den Übertragungsvertrag gem. § 1822 Nr. 10 BGB (a.F., heute § 1854 Nr. 4 BGB) vor dem Hintergrund, der minderjährige Beteiligte 2 müsse nach § 11 GO mit dem Vollzug der Urkunde fremde Verbindlichkeiten übernehmen. Gegen diese Zwischenverfügung legte der Notar für die Beteiligten Beschwerde ein mit der Begründung, die Rechtsfolge aus § 11 GO stelle sich nicht als Gegenleistung des Beteiligten 2 dar, sondern sei lediglich eine automatische Folge des Eigentumserwerbs. Das Grundbuchamt half der Beschwerde nicht ab. Die Beschwerde wurde vom OLG als Beschwerdegericht zurückgewiesen.
In seiner Begründung führte das OLG aus, nach § 20 GBO dürfe die Eigentumsumschreibung nur erfolgen, wenn die Auflassung (§§ 873, 925 BGB) nachgewiesen sei. Im Falle einer notwendigen gerichtlichen Genehmigung der Auflassung sei auch diese in grundbuchmäßiger Form nachzuweisen. Hier unterfalle die Auflassung § 1915 BGB iVm. § 1822 Nr. 10 BGB a.F. (heute: § 1854 Nr. 4 BGB). Der Minderjährige übernehme auch dann eine fremde Verbindlichkeit, wenn er gemeinsam mit einem Dritten die gesamtschuldnerische Haftung für die Verbindlichkeit übernehme, auch wenn im Innenverhältnis zwischen ihm und dem Dritten der Dritte die Verbindlichkeit alleine zu tragen habe (BGH, Urteil vom 27.10.1982 - V ZR 177/81 -). Mit der Vorschrift des § 1822 Nr. 10 BGB a.F. (heute § 1854 Nr. 4 BGB) solle verhindert werden, dass wegen der Möglichkeit eines Rückgriffsanspruchs eine Schuld als vermeintlich risikolos übernommen werde. Es bestünde die Gefahr einer Verharmlosung des Rechtsgeschäfts, da ein erfolgreicher Regress aus der Innenhaftung des Dritten nicht gesichert sei.
Mit dem dinglichen Rechtserwerb (Eigentumsübergang durch im Grundbuch gewahret Auflassung) hafte der Beteiligte 2 als Sonderrechtsnachfolger gem. § 11 GO auch für vor dem Eigentumserwerb begründete Lasten, Kosten und Forderungen aller Art infolge der Verdinglichung der GO gem. § 10 Abs. 2 WEG a.F. (heute: § 10 Abs. 1 WEG; vgl. auch Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 3. Aufl.2021, § 10 Rn. 34) neben der Veräußerin (Beteiligte 1). Auch wenn es nach dem jetzt geltenden Wohnungseigentumsgesetz für eine Haftung von Sonderrechtsnachfolgern für Geldschulden, wie sie hier in § 11 GO normiert wurde, nach § 7 Abs. 3 S. 3 WEG n.F. einer ausdrücklichen Eintragung im Grundbuch bedürfe (die nicht vorliegt), greife dies hier nach § 48 Abs. 3 S. 3 WEG n.F. nicht, da dies nur bei einer Sonderrechtsnachfolge nach dem 31.12.2025 gelte.
Es käme auch nicht darauf an, ob die Heranziehung des Beteiligten 2 wahrscheinlich sei oder ob die Durchsetzung von Ausgleichansprüchen aus § 426 BGB (Ausgleich zwischen Gesamtschuldnern) gegen die Beteiligte zu 1 möglich erscheine. Im Interesse des Minderjährigen sei ein abstrakter Maßstab anzulegen (OLG München, Beschluss vom 22.08.2012 - 34 Wx 200/12 -).
OLG Nürnberg, Beschluss vom
30.05.2022 - 15 W 1386/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts ‒ Grundbuchamt ‒ Nürnberg vom 05.05.2022, Az. KM-1181-23, wird zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 110.662 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligte
zu 1 ist als Eigentümerin des mit dem Sondereigentum an einer Wohnung
verbundenen Miteigentumsanteils im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Nürnberg
von K. eingetragen, der im Band . auf Blatt . geführt wird. Wegen des
"Gegenstandes und Inhalts des Sondereigentums" wird dort auf die
Bewilligung vom 24.01.1975 Bezug genommen. Mit dieser wurde die Eintragung der
Gemeinschaftsordnung als Inhalt des Sondereigentums bewilligt, die unter
§ 11 das Folgende vorsieht: "Die Rechtsnachfolger einer Gemeinschaft
haften neben diesem als Gesamtschuldner für rückständige Lasten und Kosten (…)
sowie für andere Forderungen aller Art der Gemeinschaft."
Mit notariellem
Überlassungsvertrag vom 20.09.2021 übertrug die Beteiligte zu 1 den genannten
Miteigentumsanteil unentgeltlich auf den minderjährigen Beteiligten zu 2, für
den dessen Mutter als vollmachtslose Vertreterin handelte. Die Beteiligten
bewilligten den Eigentumsübergang und beantragten die Eintragung der
Rechtsänderung in das Grundbuch. Am 14.03.2022 genehmigte die gerichtlich
bestellte Ergänzungspflegerin alle in der Urkunde abgegebenen Erklärungen. In
der Folge beantragte der Urkundsnotar "gemäß § 15 GBO" den
Vollzug im Grundbuch.
Mit
Zwischenverfügung vom 05.05.2022 monierte das Amtsgericht – Grundbuchamt –
Nürnberg, dass es an einer familiengerichtlichen Genehmigung des
Überlassungsvertrags vom 20.09.2021 fehle. Diese sei gemäß § 1822
Nr. 10 BGB erforderlich, weil der Beteiligte zu 2 als Folge der Regelung
in § 11 der Gemeinschaftsordnung mit dem Vollzug der Auflassung fremde
Verbindlichkeiten übernehme.
Dagegen wandte
sich der Urkundsnotar mit Schreiben vom 09.05.2022 und legte "namens der
Beteiligten" Beschwerde ein. Er vertritt die Auffassung, dass die
Rechtsfolge aus der Gemeinschaftsordnung keine Gegenleistung des Erwerbers für
die Übertragung der Immobilie darstelle, sondern lediglich automatische Folge
des Eigentumserwerbs sei. Dem Umstand, dass es sich um ein nicht lediglich
rechtlich vorteilhaftes Rechtsgeschäft handele, sei bereits durch die Mitwirkung
eines Ergänzungspflegers genüge getan.
Am 16.05.2022
entschied das Grundbuchamt, der Beschwerde nicht abzuhelfen. Dass es sich um
einen unentgeltlichen Erwerb handele, sei nicht beanstandet worden. Das
Genehmigungserfordernis ergebe sich vielmehr aus § 1822 Nr. 10 BGB,
weil durch die vereinbarte Haftung von Sonderrechtsnachfolgern der durch
Rechtsgeschäft erwerbende Beteiligte zu 2 kumulativ neben der bisherigen
Eigentümerin als Gesamtschuldner hafte. Damit bestehe eine persönliche Haftung
des Erwerbers für alle in der Vergangenheit fällig gewordenen Zahlungen
gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft.
II.
Die Beschwerde
ist zulässig (§§ 71 ff. GBO, § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
FamFG, § 15 Abs. 2 GBO), aber nicht begründet. Das Grundbuchamt hat
mit der angefochtenen Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 Satz 1
GBO zu Recht und mit zutreffender Begründung eine familiengerichtliche
Genehmigung verlangt.
Die beantragte
Eigentumsumschreibung darf gemäß § 20 GBO nur erfolgen, wenn die
Auflassung (§§ 873, 925 BGB) nachgewiesen ist. Bedarf die Auflassung zu
ihrer Wirksamkeit einer gerichtlichen Genehmigung, ist diese ebenfalls – in
grundbuchmäßiger Form – nachzuweisen (KG, Beschluss vom 15.07.2010 – 1 W 312/10
–, juris Rn. 1; Demharter, GBO, 32. Aufl., § 20 Rn. 41).
Die Auflassung
unterfällt im vorliegenden Fall § 1915 BGB in Verbindung mit § 1822
Nr. 10 BGB. Die Übernahme einer fremden Verbindlichkeit liegt auch vor,
wenn der Minderjährige gemeinsam mit einem Dritten die gesamtschuldnerische
Haftung für eine Verbindlichkeit übernimmt, die im Innenverhältnis der Dritte
zu tragen hat und die deshalb ihm wirtschaftlich zuzuordnen ist (BGH, Urteil
vom 27.10.1982 – V ZR 177/81 –, juris Rn. 18). § 1822 Nr. 10 BGB soll
verhindern, dass eine Schuld nur wegen der Möglichkeit des Rückgriffsanspruchs
als vermeintlich risikolos übernommen wird. So besteht die Gefahr der
Verharmlosung des entsprechenden Rechtsgeschäfts in der Hoffnung, dass der
Schuldner die Verbindlichkeit erfüllt oder dass jedenfalls erfolgreich bei ihm
Regress genommen werden kann (Schöpflin in BeckOGK, BGB, Stand 3/2022,
§ 1822 Rn. 90).
So liegt der
Fall hier. Mit dem dinglichen Rechtserwerb tritt der Beteiligte zu 2 in die
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein (BGH, Beschluss vom 09.07.1980 – V ZB
16/79 –, juris Rn. 12) und haftet damit infolge der Verdinglichung der
Gemeinschaftsordnung (vgl. § 10 Abs. 2 WEG in der bis 30.06.2007
geltenden Fassung) gemäß dessen § 11 als Sonderrechtsnachfolger auch für
die vor seinem Eigentumserwerb begründeten "Lasten und Kosten (…) sowie
für andere Forderungen aller Art der Gemeinschaft" neben der Veräußererin,
die im Verhältnis zum Beteiligten zu 2 als Erstschuldnerin allein verpflichtet
ist. § 7 Abs. 3 Satz 2 WEG steht dem gemäß § 48 Abs. 3
Satz 3 WEG bislang nicht entgegen.
Ob die
Heranziehung zur Haftung wahrscheinlich ist oder ob die Durchsetzung von
Ausgleichsansprüchen aus § 426 BGB möglich erscheint, darauf kommt es
nicht an (BGH, Urteil vom 08.05.1973 – IV ZR 8/72 –, juris Rn. 27). Es gilt
vielmehr im Interesse des Mündels bzw. Minderjährigen ein abstrakter Maßstab
(OLG München, Beschluss vom 22.08.2012 – 34 Wx 200/12 –, juris Rn. 15).
III.
Eine
Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Kostenfolge angesichts
der Beschwerdezurückweisung aus dem Gesetz ergibt (§ 22 Abs. 1,
§ 25 Abs. 1, § 3 GNotKG, KV Nr. 14510 GNotKG – vgl. auch:
OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.09.2018 – 12 Wx 40/17 –, juris
6).
Die Festsetzung
des Wertes des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 46 GNotKG.
Die
Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2
GBO) liegen nicht vor.
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