Montag, 19. Februar 2024

Vormerkung im Grundbuch für insolvenzrechtliche Rückforderung des Erbanteils ?

Sachverhalt: Der Insolvenzschuldner übertrug seinen Erbanteil auf seine Kinder, die diesen sodann ihrer Mutter schenkten. Der Insolvenzverwalter beantragte im Wege der einstweiligen Verfügung eine Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch, die das Landgericht bewilligte. Diese einstweilige Verfügung wurde auf die Berufung des Insolvenzschuldners aufgehoben und der Antrag darauf zurückgewiesen.  

Den vom Landgericht angenommenen Verfügungsanspruch negierte das OLG im Berufungsverfahren. Voraussetzung wäre hier, dass es sich bei dem schuldrechtlichen Anspruch auf Rückgewähr, der durch einstweilige Verfügung (§§ 935 ff ZPO) gesichert werden könnte, um einen potentiellen Massebestandteil iSv. §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 InsO handeln würde. Die Eintragung einer Vormerkung (§§ 883 Abs. 1, 885 BGB) im Grundbuch ließe sich damit nur erreichen, wenn die Rückübertragung eines Grundstücks / dinglichen Rechts Anspruchsgegenstand wäre. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Die Erben seien infolge von § 47 Abs. 1 2. Alt. GBO im Grundbuch als Eigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft eingetragen worden. Ein grundbuchlicher Berichtigungsantrag (§ 22 GBO) beträfe nur die Inhaberschaft des jeweiligen Erbanteils und sei nur Annex zum anfechtungsrechtlichen Rückgewährsanspruch. Der Berichtigungsanspruch sei nicht auf Einräumung eines Rechts iSv. § 883 Abs. 1 S. 1 BGB gerichtet, weshalb er auch nicht durch eine Vormerkung gesichert werde könne. Gesichert werden könnten nur dingliche Rechte. Der über seinen Erbanteil verfügende Miterbe würde selbst dann nicht über ein Grundstücks verfügen, wenn dieses der einzige Nachlassgegenstand wäre.

Eine Vergleichbarkeit mit der vom Insolvenzverwalter benannten Entscheidung des OLG München (Beschluss vom 26,06,2017 - 34 Wx 173/17 -) läge nicht vor. Dort sei es um einen Anspruch (und dessen Sicherung durch Vermerkung) eines Erben aus einem Vorausvermächtnis, den Antrag eines Miterben gegen die weiteren Miterben auf Übereignung des Grundstücks zum Alleineigentum.

Entscheidend ist mithin nicht, ob zum Nachlass auch Grundstücksrechte gehören, sondern für die Wahrung einer dinglichen Sicherung durch Vormerkung, ob es sich um einen schuldrechtlichen oder dinglichen Anspruch handelt.   

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.10.2023 – I-12 U 43/23 -

Donnerstag, 15. Februar 2024

Verspätete Einrede zur Vorleistungspflicht des Verbrauchers (§ 357 Abs. 4 BGB)

Der Kläger erhob gegen die Beklagte Klage auf Rückzahlung des im Voraus entrichteten Kaufpreises für ein Kfz in Höhe von € 59.270,00, nachdem er zuvor wirksam den Widerruf vom Vertragsabschluss erklärt hatte. Im Prozess machte die Beklagte die Vorleistungspflicht des Klägers nach § 357 Abs. 4 BGB (Rücksendung der Ware) geltend. Das Landgericht hatte der Beklagten, da ein Anlass zur Klage vor Rechtshängigkeit (d.h. Zustellung der Klage bei der Beklagten) weggefallen war und  nunmehr der Kläger die Klage zurückgenommen hatte, die Kosten des Rechtsstreits auferlegt (§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO), da die Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben habe. Die Beschwerde der Beklagten wurde vom Kammergericht (KG) zurückgewiesen.

Ein Anlass zur Klage iSv. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bestünde jedenfalls dann, , wenn diese zum Zeitpunkt ihrer Einreichung zulässig und begründet war (BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - I ZB 38/20 -) und ferner der Kläger vernünftigerweise habe davon ausgehen können, er werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommen (BGH, Beschluss vom 22.10.2015 - V ZB 93/13 -).

Der Kläger habe am 29.01.2023 gem. §§ 312c, 312g Abs. 1, 355 Abs. 1, 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) BGB wirksam den Rücktritt erklärt und am 06.03.2023 die Klage auf Rückzahlung bei Gericht eingereicht. Fällig sei der Rückzahlungsanspruch binnen 14 Tagen nach Zugang der Widerrufserklärung geworden, §§ 357 Abs. 1, 355 Abs. 3 S. 2 BGB.

Die Beklagte vertrat die Ansicht, sie habe nach § 357 Abs. 4 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht, da § 357 Abs. 4 BGB eine Vorleistungspflicht des Klägers begründe. Dies halb sei die Klage von Anfang an derzeit unbegründet gewesen, da der Kläger seiner Vorleistungspflicht (so die Rücksendung der Ware) nicht nachgekommen wäre. Das KG bejahte die Vorleistungspflicht des Klägers in Bezug auf die von der Beklagten geltend gemachten Unterlagen (Zulassungsbescheinigung Teil I und Konformitätsbescheinigung), dass sich der Anspruch des § 357 Abs. 4 BGB nicht nur auf das Fahrzeug als solches bezöge, sondern auf die Rückgewähr der ebenfalls zur Hauptleistung des Verkäufers gehörenden Zulassungsbescheinigung (BGH, Urteil vom 15.06.1983 - VIII ZR 131/82 -). Bei dem Leistungsverweigerungsrecht des § 357 Abs. 4 BGB, auf welches sich die Beklagte schriftsätzlich bezogen habe, handele es sich jedoch nicht anders als in dem Fall des § 320 BGB, welches zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung führe, um eine echte Einrede, woraus folge, dass in Ermangelung einer vorgerichtlichen Einrede die Klage im Zeitpunkt ihrer Erhebung noch begründet gewesen sei.

Weiterhin habe die Beklagte auch Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Ebenso wie ein Schuldner, der auf vorgerichtliche Zahlungsaufforderungen sein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB nicht ausübe (BGH, Beschluss vom 22.10.2015 - VIII ZB 3/04 -), könne der Schuldner Klageveranlassung geben, der ein rückwirkendes Leistungsverweigerungsrecht nicht vorprozessual geltend mache. Der Umstand, dass sich der Schuldner in Ermangelung der Vorleistung wirtschaftlich noh nicht als leistungsverpflichtet ansehen müsse, da der Verzug mit der Einredeausübung rückwirkend entfalle, ändere daran nichts. Erst die Einredeerhebung sei das den Rechtsstreit erledigende Ereignis (ähnlich zur Einrede der Verjährung BGH, Urteil vom 27.01.2010 - VIII ZR 58/09 -, und zur Aufrechnungserklärung BGH, Urteil vom 17.07.20003 – IX ZR 268/02 -). Entscheidend sei daher, ob nach dem Verhaltend es Schuldners der Gläubiger mit der Einredeerhebung habe rechnen müssen (BGH, Urteil vom 27.01.2010 aaO.).

Vorliegend habe der Kläger nicht mit der Einredeerhebung rechnen müssen sondern habe zur Überzeugung kommen müssen, dass er ohne Klage nicht zu seinem Recht käme. Die Beklagte habe nämlich nach Eingang des Widerrufs sogleich mit Schreiben vom 01.02.2023 den Widerruf bestätigt und einen Nachweis der Bankverbindung erbeten, „um die Erstattung des Zahlungsbetrages in die Wege zu leiten“. Auf eine Vorleistungspflicht es Klägers habe sie sich nicht berufen. Auf eine anwaltliche Zahlungsaufforderung des Klägers vom 16.02.2023 mit einer Wochenfrist habe sie nicht reagiert und auch diese nicht zum Anlass genommen, auf die Vorleistungspflicht hinzuweisen. Damit habe das Verhalten der Beklagten die Annahme des Klägers begründen können, die Beklagte würde die Rückzahlung des erheblichen Vorauszahlungsbetrages ohne sachliche Gründe hinauszögern, ohne sachliche Einwende zu haben oder vorbringen zu wollen.

Anmerkung: Gleiches gilt auch in dem Fall, dass der Verkäufer nicht zahlt, sondern sich im Prozess nunmehr (wirksam rückwirkend) auf die Vorleistungspflicht des Käufers beruft., Erklärt nunmehr der Käufer die Hauptsache für erledigt, sind dem Verkäufer die Kosten aufzuerlegen, § 91a ZPO.

Kammergericht, Beschluss vom 28.08.2023 - 8 W 34/23 -

Dienstag, 13. Februar 2024

Baugenehmigung: Nutzungsänderung von Eisdiele in Pizzeria

Die Antragsstellerin betrieb in einem Wohn- und Geschäftshaus eine Pizzeria. Doch lag für diese Räume lediglich eine Baugenehmigung für eine Eisdiele aus 1983 vor. Mit Verfügung vom 10.08.2023 (ergangen, nachdem sich Nachbarn über von der Pizzeria ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen beschwerten) untersagte die Antragsgegnerin den weiteren Betrieb der Pizzeria und ordnete Sofortvollzug an. Begründet wurde diese Verfügung mit der ungenehmigten Nutzungsänderung und einer erforderlichen Prüfung im Baugenehmigungsverfahren mit Blick auf den Brandschutz. Die Antragsstellerin, die gegen die Verfügung Widerspruch einlegte, beantragte bei dem Verwaltungsgericht (VG) auch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, der zurückgewiesen wurde. Die Beschwerde gegen die Entscheidung wurde abgewiesen.

Zutreffend sei das VG davon ausgegangen, dass der betrieb einer Pizzeria in als Eisdiele genehmigten Räumen eine Nutzungsänderung iSv. § 2 Abs. 13 NBauO darstelle. Würde die Variationsbreite einer erteilten Baugenehmigung überschritten, sodass sich die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher oder gefahrenabwehrrechtlicher Hinsicht neu stelle, sei von einer Nutzungsänderung auszugehen.

Die Genehmigung für einen Gastronomiebetrieb ereilte Baugenehmigung habe eine Variationsbreite, weshalb nicht jede Veränderung von betrieblichen Abläufen oder der Wechsel des Speiseangebots einer neuen Baugenehmigung. Diese Variationsbreite würde aber dann überschritten, wenn das öffentliche Baurecht an die bauliche Anlage in der neuen Nutzung andere oder weitergehende Anforderungen stelle, also z.B. bereits bestehende Problemlagen – etwa eine Immissionsproblematik – verschärft würde (so z.B. bejaht für eine Änderung von einer Cocktailbar in eine Shisha-Bar, VG Hannover, Beschluss vom 07.08.2023 - 4 B 3754/23 -).

Während der Betrieb einer Eisdiele typischerweise während der Tageszeit stattfände, würde eine Pizzeria gerade in den Abendstunden frequentiert. Damit würden andere Fragen des Immissionsschutzes der Nachbarschaft aufgeworfen. Hinzu käme, dass eine Pizzeria auf einen mit hohen Temperaturen betriebenen Backofen angewiesen seien, und damit fragen des Brandschutzes und der Abluftführung aufwerfen würde. Derartige Fragen würden sich bei dem Betrieb einer Eisdiele nicht in vergleichbarer Weise stellen, weshalb die Variationsbreite einer für eine Eisdiele erteilten Baugenehmigung verlassen würde. Alleine der Umstand, dass auch in einer Eisdiele warme Getränke, Waffeln und andere Backwaren auch angeboten werden könnten, ändere an dem grundsätzlichen Unterschied nichts. Es könne offen bleiben, ob die Gefahrenlage bei einer Pizzeria zwangsläufig höher sei als bei einer Eisdiele. Die erneute baurechtliche Prüfung sei schon durch die Andersartigkeit der aufgeworfenen Fragestellungen ausgelöst, die durch die für eine Eisdiele erteilte Baugenehmigung nicht als bewältigt angesehen werden könnten.

Selbst wenn die gesetzlichen Anforderungen zu Brandschutz, Abluftanlage und Rauchmeldern eingehalten worden sein sollten und damit eine Genehmigungsfähigkeit bestehen sollte, würde dies nicht die formelle Baurechtswidrigkeit, die für sich eine Nutzungsuntersagung rechtfertige, nicht tangieren. Der Ausnahmefall einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit läge hier bereits im Hinblick auf eine aktenkundige Problematik der gegenwärtigen Abluftführung nicht vor.

Anmerkung: Die Baubehörde wurde auf die Nutzungsänderung wohl erst infolge von Beschwerden über Lärmbelästigungen aufmerksam. Die Frage der Lärmbelästigung durch Eisdielen und Pizzerien wurde auch vom OVG thematisiert. Allerdings kann dessen Annahme zu Änderungen des Immissionsschutzes für Nachbarn nicht tragen. Es kann nicht davon ausgegangen werden (und dies wird auch nicht vom OVG benannt), dass die Baugenehmigung für die Eisdiele unter der Auflage erteilt wurde, dass diese nur tagsüber, nicht auch abends geöffnet sein dürfe; je nach Lage in ländlichen oder städtischen Gebieten sind auch viele Eisdielen abends geöffnet. Da die Öffnungszeiten für Eisdielen nur über Ladenschlusszeiten u.ä., die für Pizzerien und Eisdielen gleich sind, läge hier mithin eine Abweichung für die baurechtliche Genehmigungsfähigkeit vom Grundsatz nicht vor, da es nicht darauf ankommen kann, ob die Genehmigungsbehörde von einer abendlichen Schließung (der Eisdiele) ausgeht, nicht erfolgen muss.

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 22.11.2023 - 1 ME 123/23 -

Freitag, 9. Februar 2024

Testamentsvollstreckerzeugnis mit oder ohne Angabe einer Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot ?

Die Erblasserin ordnete in ihrem Testament Testamentsvollstreckung an und berief zur Testamentsvollstreckerin die Beteiligte am Verfahren. Diese nahm das Amt an und beantragte mit notarieller Urkunde die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses u.a. mit dem Inhalt, dass sie von den Beschränkungen des § 181 BGB (Selkbstkontrahierungsverbot) befreit sei. Das Amtsgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB wie in einem Testamentsvollstreckerzeugnis nicht aufzunehmen. Der dagegen eingelegten Beschwerde half das OLG ab, indem es die zur Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses gemäß Antrag der Beteiligten erforderlichen Tatsachen für festgestellt erklärte (§§ 2368 BGB, 354 Abs. 1, 352e Abs. 1 S. 1 u. 2 FamFG).

Das Testamentsvollstreckerzeugnis sei auf Antrag des Testamentsvollstreckers zu erteilen, § 2368 BGB. Beschränkungen desselben in der Veraltung des Nachlasses sowie eine Anordnung des Erblassers, wonach der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten auf den Nachlass beschränkt sein soll, seien in das Testamentsvollstreckerzeugnis aufzunehmen. Weiter Vorgabe zur inhaltlichen Gestaltung des Testamentsvollstreckerzeugnisses enthalte das Gesetz nicht. Allerdings seien im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs alle Abweichungen von der gewöhnlichen Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers anzugeben, soweit sie für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Dritten erheblich wären. Dazu würde nicht nur eine Beschränkung der Regelbefugnis gehören, sondern auch deren Erweiterung. 

In seiner bisherigen Rechtsprechung habe der Senat des zur Entscheidung berufenen OLG bisher (auch bei oben genannten Grundsätzen) eine Aufnahmefähigkeit der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB verneint (z.B. Beschluss vom 15.02.2011 - 15 W 461/10 -). Daran halte er nicht mehr fest. 

Es sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, ob eine entsprechende Aufnahme erfolgen kann. Dabei bestünde allerdings Einigkeit, dass § 181 BGB auf den Testamentsvollstrecker entsprechend anwendbar sei und der Testamentsvollstrecker vom Verbot von Insichgeschäfte (entsprechend § 181 BGB, der Abschluss eines Rechtsgeschäfts für den Vertretenen mit sich selbst) befreit werden könne (BGH, Urteil vom 12.06.1989 - II ZR 246/88 -) vom Erblasser befreit werden könne (BGH, Urteil vom 12.06.1989 - II ZR 246/88 -). 

Bisher sei der Senat davon ausgegangen, das Testamentsvollstreckerzeugnis diene als Ausweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers im Rechtverkehr mit Dritten und könne daher bei Insichgeschäften keine Wirkung entfalten. Dem hätten sich die Oberlandesgerichte Köln, Düsseldorf, München und Saarbrücken angeschlossen. Andere Oberlandesgerichte (Hamburg, Kammergericht [KG]) hätten demgegenüber entschieden, dass die Befreiung in das Testamentsvollstreckerzeugnis aufzunehmen sei. Auch in der Literatur würden unterschiedliche Ansichten vertreten. Viel Zustimmung habe insbesondere die Entscheidung des KG erfahren. 

Auch der Senat würde sich nunmehr der Ansicht des OLG Hamburg und des KG anschließen und übernehme die überzeugenden Begründungen derselben. Es sei insbesondere zutreffend, dass die Frage der Befreiung für den Rechtsverkehr doch bedeutsam sei, da dies dem Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt und Handelsregister diene. Das Testamentsvollstreckerzeugnis trage die Vermutung der Richtigkeit in sich und habe gem. §§ 2368 S. 2, 2365 BGB generell und gem. § 35 Abs. 2 GBO diese auch gerade gegenüber dem Grundbuchamt. Zudem erfasse § 181 BGB nicht nur das Insichgeschäft, sondern auch nach § 181 Alt. 2 BGB den Fall der Doppelvertretung (also hier z.B. bei einem Vertrag die Vertretung des Nachlasses als Testamentsvollstrecker und die Vertretung des Käufers).  Es würde in diesem Fall ein schützenswerter Dritter in der Person des weiteren Vertretenen existieren. Bedeutsam könne die Befreiung auch in den Fällen werden, wenn der Testamentsvollstrecker einen Dritten bevollmächtigt, den er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien will. Auch in diesem Fall habe der Dritte ein schützenswertes Interesse an der Feststellung, ob der Testamentsvollstrecker hierzu befugt ist (so überzeugend KG, Beschluss vom 12.08.2021 - 19 W 82/21 -). 

OLG Hamm, Beschluss vom 23.11.2023 - 15 W 231/23 -

Dienstag, 6. Februar 2024

Rückwärtsrangieren mit Anhänger: Haftungsausgleich im Innenverhältnis des Gespanns

Das Gespann bestehend aus einer bei der Klägerin haftpflichtversicherten Zugmaschine und einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Anhänger rangierte rückwärts, wobei es zur Schädigung eines anderen Fahrzeugs kam. Die Klägerin regulierte den Schaden und verlangte von der Beklagten einen Innenausgleich, den das Amtsgericht mit 50% des regulierten Betrages zusprach. Auf die Berufung der Beklagten wies das Landgericht die Klage ab, die von der Klägerin mit der vom Landgericht zugelassenen Revision weitererfolgte. Der BGH wies die Revision zurück.

Die bei der Klägerin haftpflichtversicherte Zugmaschine (§ 10 Abs. 1 S. 1 StVG) bilde mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Anhänger ein Gespann (§ 19 Abs. 2 S. 1 StVG). Da dieses über die Versicherungen für das Zugfahrzeug und für den Anhänger bei zwei verschiedenen Versicherungen versichert sei, läge eine Mehrfachversicherung (§ 78 Abs. 1 VVG ) vor.

§ 19 Abs. 4 S. 2 StVG verpflichte im Verhältnis der Halter des Zugfahrzeugs und des Anhängers zueinander nur den Halter des Zugfahrzeugs. Allerdings gibt es davon Ausnahmen, worauf der BGH auch hinwies: Habe sich durch den Anhänger eine höhere Gefahr verwirklicht als durch das Zugfahrzeug alleine, hinge die Verpflichtung zum Ausgleich davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem Zugfahrzeug oder dem Anhänger verursacht worden sei (§ 18 Abs. 4 S. 3 StVG). § 19 Abs. 4 S. 4 StVG stelle allerdings klar, dass das Ziehen des Anhängers für sich im Regelfall keine höhere Gefahr verwirkliche (§ 19 Abs. 4 S. 4 StVG).

Die tatrichterliche Beurteilung, dass vorliegend gem. § 18 Abs. 4 S. 2 StVG die Klägerin als Halterin des Zugfahrzeugs alleine verpflichtet ist und keinen Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte als Versicherer des Anhängers habe, sei nicht zu beanstanden.  

Soweit die Revision geltend gemacht habe, bei einem „Ziehen“ iSv. § 19 Abs. 4 S. 4 StVG handele es sich nicht um ein Rückwärtsfahren; der Begriff entspräche der Legaldefinition des § 19 Abs. 1 S. 1 StVG, „…Anhänger, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug (Zugfahrzeug) gezogen zu werden“, folgte dem der BGH nicht. § 19 Abs. 1 StVG erfasse unabhängig von der Fahrtrichtung jede Bewegung des Anhängers, mithin auch ein „Rückwärtsschieben“ durch das Zugfahrzeug. Entscheidend sei lediglich die abstrakte Bestimmung des Anhängers, prinzipiell an ein Fahrzeug angehängt zu werden. Eine Gesetzesänderung bezüglich der Anhängerhaftung aus „oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden“ in „gezogen zu werden“ statt „mitgeführt zu werden“ habe nach der Gesetzesbegründung nur sprachliche Gründe gehabt (BT-Drs. 19/17964, S. 13); eine inhaltliche Änderung sollte damit ausdrücklich nicht verbunden sein. Nach der Gesetzesbegründung habe der Anhänger dem Zugfahrzeug zu- und untergeordnet werden sollen, sollte am Fahrzeug hängen und von diesem abhängen (BT-Drs. 19/17964 S. 17).

Auch würde entgegen der Annahme der Revision sich eine höhere Gefahr des Anhängers nicht dadurch ergeben, dass sich durch den Anhänger im Rückwärtsfahren eine höhere Gefahr desselben verwirklicht habe. Zwar sei das Gespann länger und unübersichtlicher als nur das Zugfahrzeug. Der Regelfall des § 10 Abs. 4 S. 2 StVG solle aber nicht ausnahmsweise durchbrochen werden. Insoweit würde die Gesetzesbegründung als Beispiele anführen, dass „der Anhänger im Einzelfall aufgrund seiner außergewöhnlichen Beschaffenheit (Überlänge, Überbreite, Schwertransporter etc.) eine besondere Gefahr darstellt“ oder einen technischen Defekt aufweise. Es könne damit auch auf sich beruhen, dass es sich bei dem Zugfahrzeug um einen Lkw und dem Anhänger um einen Auflieger gehandelt habe, zumal nicht festgestellt worden sei, dass sich durch den Anhänger eine höhere Gefahr als durch das Zugfahrzeug alleine tatsächlich verwirklicht habe (dies verlange aber § 19 Abs. 4 S. 3 StVG).

Hinweis: Die Entscheidung beruht auf der Gesetzesänderung zu § 78 Abs. 3 VVG und 19 Abs. 4 StVG in der Fassung des Gesetzes zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr vom 10.07.2020 (BGBl. I S. 1653).

BGH, Urteil vom 14.11.2023 - VI ZR 98/23 -

Sonntag, 4. Februar 2024

Vorsicht beim Vorbeifahren an Müllfahrzeugen - Mithaftung

Das Fahrzeug der Klägerin fuhr an einem in der Gegenrichtung auf der aus ihrer Sicht linken Straßenseite stehenden Müllfahrzeug der Beklagten vorbei, welches dort mit laufenden Motor, laufender Trommel/Schüttung und eingeschalteten gelben Rundumleuchten sowie Warnblinkanlage stand. Dabei kollidierte sie mit Müllcontainer, der von einem Mitarbeiter der Beklagten quer über die Straße geschoben wurde. Das Landgericht gab der auf Schadensersatz gerichteten Klage im Verhältnis einer Haftungsquote von 50 : 50 statt. Auf die Berufung der Klägerin änderte das OLG das Urteil dahingehend insoweit ab, als es eine Schadenquote zugunsten der Klägerin von 25% zu Lasten der Klägerin, 75% zu Lastend er Beklagten annahm. Die von der Beklagten eingelegte (vom OLG zugelassene) Revision, mit der diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrte, war insoweit erfolgreich, als das Urteil des OLG aufgehoben und der Rechtsstreit an dieses zurückverwiesen wurde.

Der BGH reklamierte, dass vom OLG in die Abwägung der Verschuldens- und Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 2 StVG einen Verstoß der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs nach §§ 1, 3 Abs. 1 StVO nicht eingestellt hatte.

Grundsätzlich habe die Klägerin einen Anspruch aus § 7 StVG. Die Beschädigung sei „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges iSv. § 7 Abs. 1 StVG erfolgt. Bei Fahrzeugen mit Arbeitsfunktion sei dazu ein Zusammenhang mit der Bestimmung als eine der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine erforderlich. Das Schadensgeschehen müsse durch das Fahrzeug (mit) geprägt werden. Es müsse sich um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, für die nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll.  Maßgeblich käme es darauf an, dass die Schadenursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges stünde. Eine Haftung nach § 7 StVG entfalle bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion entfalle jedenfalls dann, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle mehr spiele und sie nur als Arbeitsmaschine eingesetzt würde oder sich die Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht habe. So läge ein „Betrieb“ auch dann vor, wenn das Fahrzeug, ggf. mit einer speziellen Entladevorrichtung, entladen würde. In diesen Fällen würde der Halter auch für die Gefahr dann haften, die das Kraftfahrzeug in dem in Anspruch genommenen Verkehrsraum für andere Verkehrsteilnehmer darstelle, wobei nicht dies nicht nur für die Gefahr durch das entladende Fahrzeug gelte, sondern auch die Gefahr, die von der Entladevorrichtung und dem Ladegut ausgehe (BGH, Urteil vom 08.12.2015 - VI ZR 139/15 -). Vorliegend handele es sich bei dem Müllwagen zwar um ein Kraftfahrzeug mit Arbeitsfunktion, doch stünde der Unfall in einem haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung des Müllfahrzeuges als eine dem Transport dienende Maschine, wobei zur Erfüllung der Transportfunktion die Mülltonnen zum Fahrzeug zum Entleeren und wieder zurückgebracht werden müssten. Damit läge eine Zurechnung zu den Gefahren nach § 7 StVG vor.

Die Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 2 StVG habe aufgrund aller festgestellten, d.h. zugestandenen oder nach § 286 ZPO erwiesenen Umstände zu erfolgen. In erster Linie sei dabei das Maß der Verursachung entscheidende, ein weiterer Faktor sei das beidseitige Verschulden.

Da das Entleeren und Zurückbringen der Müllcontainer zum Betrieb des Fahrzeugs gehöre, begründe ein unfallursächlicher Verstoß der Beklagten gegen die StVO eine Erhöhung der Betriebsgefahr des Müllfahrzeugs, was bei der Abwägung zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen sei. Die Privilegierung von Fahrzeugen der Müllabfuhr nach § 35 Abs. 6 S. 1 StVO durch Einräumung von Sonderrechten befreie nicht von den übrigen Vorschriften der StVO. Hier sei der Beklagten ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO borzuwerfen, da deren Mitarbeiter einen großen, schweren Müllcontainer quer über die Straße geschoben habe, ohne auf den Verkehr zu achten. Hätte er ihn nicht geschoben sondern gezogen, wäre das klägerische Fahrzeug für ihn erkennbar gewesen. In der gefahrenträchtigen Situation sei es geboten gewesen, den Container zu ziehen, statt ihn zu schieben. Weiterhin läge eine Erhöhung der Betriebsgefahr für das Müllfahrzeug durch dessen Größe und der dadurch bedingten Sichtbeeinträchtigung, die sich auf den Unfall ausgewirkt hätten, vor.

Während insoweit der BGH insoweit den Erwägungen für das Müllfahrzeug folgte, sah es die Erwägungen dazu nicht als zutreffend an, demzufolge der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs kein die Betriebsgefahr des Fahrzeugs erhöhender Verstoß gegen die StVO vorzuwerfen sei.

Bei der Vorbeifahrt an einem im Einsatz befindlichen Müllfahrzeug sei besondere Vorsicht und Rücksichtnahme geboten, um die Müllwerker nicht zu gefährden. Zwar gelte der Vertrauensgrundsatz, dass derjenige, der sich verkehrsgerecht verhalte, auch damit rechnen dürfe, dass andere Verkehrsteilnehmer den Verkehr nicht durch pflichtwidriges Verhalten gefährden, solange die sichtbare Verkehrslage keine andere Beurteilung zulasse. Zu den Ausnahmen vom Vertrauensgrundsatz würden nicht nur rechtzeitig wahrnehmbare Verkehrswidrigkeiten Dritter zählen, sondern auch solche die möglicherweise noch nicht erkennbar seien, mit denen aber ein gewissenhafter Fahrer pflichtgemäß rechnen müsse (BGH, Urteil vom 15.05.1973 - VI ZR 62/72 -).

Da das Hauptaugenmerk des Müllwerkers auf die Arbeit gerichtet sei, diese in möglichst kurzer Zeit auf kurzen Wegen zu verrichten, dürfe der an einem Müllfahrzeug Vorbeifahrende nicht auf ein verkehrsgerechtes Verhalten des Müllwerkers vertrauen. Mit einem unachtsamen Hervortreten und einer Bewegung einige Schritte seitlich neben das Müllfahrzeug müsse er rechnen. Lasse sich ein ausreichender Sicherheitsabstand zum Müllfahrzeug zur Vermeidung von Gefährdungen hinter dem Müllfahrzeug Hervortretender nicht einhalten, so sei die Geschwindigkeit gem. §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 StVO so weit zu drosseln, dass der Vorbeifahrende sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stillstand bringen könne (so bereits für Linienbusse vor Schaffung von § 20 StVO BGH, Urteil vom 10.04.1968 - VI ZR 145/65 -).  Zwar bestünde nicht wie in § 20 StVO für öffentliche Verkehrsmittel und Schulbusse oder wie in § 3 Abs. 2a StVO für Kinder, Hilfsbedürftige und ältere Menschen eine besondere Regelung zu einer Vorbeifahrt an Müllfahrzeugen, doch ergäben sich hier die entsprechenden Anforderungen aus §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 StVO und den Einschränkungen zum Vertrauensgrundsatz.

Hier habe der seitliche Abstand zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem Müllfahrzeug allenfalls rund 50 cm bemessen, weshalb die festgestellte Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs zu hoch gewesen sei, um das Fahrzeug notfalls - insbesondere bei einem plötzlichen Hervortreten eines Müllwerkers, auch bei einem Abstand von unter 5 m zwischen Fahrzeug du Gefahrenpunkt - zum sofortigen Stillstand zu bringen.

Im Rahmen der neuen Entscheidung durch das OLG sei von diesem im Rahmen tatrichterlicher Würdigung eine neue Abwägung nicht nur unter Berücksichtigung des Verkehrsverstoßes der Beklagten, sondern auch der Klägerin vorzunehmen.

Anmerkung: Das Urteil des BGH wird künftig die Leitlinie bei Unfällen entsprechender Art bei Müllfahrzeugen sein. Es fragt sich allerdings, weshalb der Gesetzgeber in §§ 20 und 3 Abs. 2a StVO für bestimmte Fälle Vorschriften schuf, wenn doch – folgt man der Diktion des BGH – ohnehin über §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit der Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes diese Einschränkung besteht; der BGH festigte damit seien Rechtsprechung zur Einschränkung des Vertrauensschutzes in seinem Urteil vom 04.04.2023 - VI ZR 11/21 - (Überqueren der Fahrbahn durch Fußgänger und Annahme, dieser werde an der Mittellinie stehen bleiben). Weitergehend wird man wohl kaum diese Entscheidung auf Müllfahrzeuge beschränken können, da eine ähnliche Situation z.B. im Rahmen von Umzugswagen bei dem Ein- bzw. Ausladen von Möbeln, bei Getränkelieferanten für das Ein- und Ausladen von Getränkekisten bestehen.

BGH, Urteil vom 12.12.2023 - VI ZR 77/23 -

Mittwoch, 31. Januar 2024

Haftung für Schaden am Fahrzeug durch Baumstumpf an E-Ladesäule

Der Kläger behauptete eine Schädigung seines Fahrzeugs bei einem Zusammenstoß mit einem Baumstumpf im Bereich einer Stellfläche neben einer öffentlichen Elektroladesäule, die von der Beklagten zu 1 auf dem öffentlichen Parkplatz betrieben wurde. Die Ladesäule grenzte an eine Fläche auf dem zwischen dem Fußweg und der Fahrbahn gelegenen Grünstreifen an, die als Stellfläche für die öffentliche Ladestation gekennzeichnet und freigegeben war. Am Ende der Stellfläche befand sich eine Straßenlaterne (Betreiberin war die Beklagte zu 2), an deren Fuß sich in Richtung der Ladesäule ein kleiner Baumstumpf befand, der mit Laub bedeckt gewesen sein soll.  

Die Schadensersatzklage des Klägers wurde abgewiesen. Den Beklagten obläge keine Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf den Baumstumpf.

Die Verkehrssicherungspflicht habe derjenige, der für den Bereich der Gefahrenquelle verantwortlich sei. Er habe im Rahmen des Zumutbaren diejenigen Maßnahmen zu treffen, dass sich der Straße in einem Zustand befinde, der ihre bestimmungsgemäße Verwendung so gefahrlos wie möglich zulasse und die Verkehrsteilnehmer gleichwohl vor verbleibenden Gefahren der Straße schütze. Bei öffentlichen Straßen wie bei öffentlichen Parkplätzen richte sich die Sicherungspflicht nicht nur auf die Verkehrseinrichtung als solche, sondern ganz allgemein auf die Abwehr derjenigen Gefahren, die den Verkehrsteilnehmern aus ihrer Benutzung drohen würden. Sie beschränke sich also nicht auf die Parkfläche und deren Zuwege als solche, sondern beziehe auch Zubehör wie Beleuchtungseinrichtungen mit ein. Bei Erkennbarkeit von Gefahren im Parkplatzbereich sind selbst ungünstige Wahrnehmungsbedingungen mit einzukalkulieren, sodann etwa Gegenstände wegen geschlossener Schneedecke usw. nicht erfasst werden können. Gleiches gelte für Laub.

Die Verkehrssicherungspflicht treffe bei öffentlichen Straßen denjenigen, der die Gefahrenlage durch Zulassung öffentlichen Verkehrs geschaffen habe. Hier sei der Träger der Straßenbaulast in der Verantwortung (bei einem Baumstumpf OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 11.08.2022 – 11 U 184/21 -). Dabei verblieb es auch, wen dieser dritten Unternehmen konkret durchzuführende Arbeiten übertrage (OLG Schleswig, Urteil vom 18.06.2015 – 7 U 143/14 -).

Danach seien die Beklagten hinsichtlich des Baumstumpfes nicht verkehrssicherungspflichtig.

Die Beklagte zu 1 stelle Ladesäulen und versorge diese mit Elektrizität. Dadurch erwachse keine originäre Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Vegetation am angrenzenden Parkplatz. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass ihr die Verkehrssicherungspflicht übertragen worden sei oder diese den Baum so abgeschnitten habe, dass der so verbleiben sei, dass er von Laub verdeckt worden sein konnte. Auch hafte die Beklagte zu 2 nicht aus §§ 280 Abs. 1m 241 Abs. 2 iVm § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 1 wegen des Aufstellens und Betreibens der Ladesäule eine Nebenpflicht treffe, die an der Ladesäule angrenzenden öffentlichen Parkplätze und die an diese angrenzende Vegetation derart zu überwachen und zu pflegen, dass die Ladesäule gefahrlos angafhren werden könne.

Die Beklagte zu 2 betreibe die öffentliche Außenbeleuchtung. Sie treffe keine originäre Pflicht zur Pflege und Herrichtung der Flächen um die Straßenbeleuchtung herum. Auch hier habe der Kläger nicht dargelegt, dass ihr eine Verkehrssicherungspflicht übertragen worden wäre.

Ob die Stadt als Trägerin der Wegebaulast eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, könne in dem Verfahren gegen die Beklagten zu 1 und 2 dahinstehen, ebenso ein mögliches Mitverschulden des Klägers.

AG Hamburg-Barmbeck, Urteil vom 04.04.2023 - 816 C 113/22 -