Das Fahrzeug der Klägerin fuhr an einem in der Gegenrichtung auf der aus ihrer Sicht linken Straßenseite stehenden Müllfahrzeug der Beklagten vorbei, welches dort mit laufenden Motor, laufender Trommel/Schüttung und eingeschalteten gelben Rundumleuchten sowie Warnblinkanlage stand. Dabei kollidierte sie mit Müllcontainer, der von einem Mitarbeiter der Beklagten quer über die Straße geschoben wurde. Das Landgericht gab der auf Schadensersatz gerichteten Klage im Verhältnis einer Haftungsquote von 50 : 50 statt. Auf die Berufung der Klägerin änderte das OLG das Urteil dahingehend insoweit ab, als es eine Schadenquote zugunsten der Klägerin von 25% zu Lasten der Klägerin, 75% zu Lastend er Beklagten annahm. Die von der Beklagten eingelegte (vom OLG zugelassene) Revision, mit der diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrte, war insoweit erfolgreich, als das Urteil des OLG aufgehoben und der Rechtsstreit an dieses zurückverwiesen wurde.
Der BGH reklamierte, dass vom OLG in die Abwägung der Verschuldens- und Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 2 StVG einen Verstoß der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs nach §§ 1, 3 Abs. 1 StVO nicht eingestellt hatte.
Grundsätzlich habe die Klägerin einen Anspruch aus § 7 StVG. Die Beschädigung sei „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges iSv. § 7 Abs. 1 StVG erfolgt. Bei Fahrzeugen mit Arbeitsfunktion sei dazu ein Zusammenhang mit der Bestimmung als eine der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine erforderlich. Das Schadensgeschehen müsse durch das Fahrzeug (mit) geprägt werden. Es müsse sich um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, für die nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll. Maßgeblich käme es darauf an, dass die Schadenursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges stünde. Eine Haftung nach § 7 StVG entfalle bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion entfalle jedenfalls dann, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle mehr spiele und sie nur als Arbeitsmaschine eingesetzt würde oder sich die Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht habe. So läge ein „Betrieb“ auch dann vor, wenn das Fahrzeug, ggf. mit einer speziellen Entladevorrichtung, entladen würde. In diesen Fällen würde der Halter auch für die Gefahr dann haften, die das Kraftfahrzeug in dem in Anspruch genommenen Verkehrsraum für andere Verkehrsteilnehmer darstelle, wobei nicht dies nicht nur für die Gefahr durch das entladende Fahrzeug gelte, sondern auch die Gefahr, die von der Entladevorrichtung und dem Ladegut ausgehe (BGH, Urteil vom 08.12.2015 - VI ZR 139/15 -). Vorliegend handele es sich bei dem Müllwagen zwar um ein Kraftfahrzeug mit Arbeitsfunktion, doch stünde der Unfall in einem haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung des Müllfahrzeuges als eine dem Transport dienende Maschine, wobei zur Erfüllung der Transportfunktion die Mülltonnen zum Fahrzeug zum Entleeren und wieder zurückgebracht werden müssten. Damit läge eine Zurechnung zu den Gefahren nach § 7 StVG vor.
Die Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 2 StVG habe aufgrund aller festgestellten, d.h. zugestandenen oder nach § 286 ZPO erwiesenen Umstände zu erfolgen. In erster Linie sei dabei das Maß der Verursachung entscheidende, ein weiterer Faktor sei das beidseitige Verschulden.
Da das Entleeren und Zurückbringen der Müllcontainer zum Betrieb des Fahrzeugs gehöre, begründe ein unfallursächlicher Verstoß der Beklagten gegen die StVO eine Erhöhung der Betriebsgefahr des Müllfahrzeugs, was bei der Abwägung zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen sei. Die Privilegierung von Fahrzeugen der Müllabfuhr nach § 35 Abs. 6 S. 1 StVO durch Einräumung von Sonderrechten befreie nicht von den übrigen Vorschriften der StVO. Hier sei der Beklagten ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO borzuwerfen, da deren Mitarbeiter einen großen, schweren Müllcontainer quer über die Straße geschoben habe, ohne auf den Verkehr zu achten. Hätte er ihn nicht geschoben sondern gezogen, wäre das klägerische Fahrzeug für ihn erkennbar gewesen. In der gefahrenträchtigen Situation sei es geboten gewesen, den Container zu ziehen, statt ihn zu schieben. Weiterhin läge eine Erhöhung der Betriebsgefahr für das Müllfahrzeug durch dessen Größe und der dadurch bedingten Sichtbeeinträchtigung, die sich auf den Unfall ausgewirkt hätten, vor.
Während insoweit der BGH insoweit den Erwägungen für das Müllfahrzeug folgte, sah es die Erwägungen dazu nicht als zutreffend an, demzufolge der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs kein die Betriebsgefahr des Fahrzeugs erhöhender Verstoß gegen die StVO vorzuwerfen sei.
Bei der Vorbeifahrt an einem im Einsatz befindlichen Müllfahrzeug sei besondere Vorsicht und Rücksichtnahme geboten, um die Müllwerker nicht zu gefährden. Zwar gelte der Vertrauensgrundsatz, dass derjenige, der sich verkehrsgerecht verhalte, auch damit rechnen dürfe, dass andere Verkehrsteilnehmer den Verkehr nicht durch pflichtwidriges Verhalten gefährden, solange die sichtbare Verkehrslage keine andere Beurteilung zulasse. Zu den Ausnahmen vom Vertrauensgrundsatz würden nicht nur rechtzeitig wahrnehmbare Verkehrswidrigkeiten Dritter zählen, sondern auch solche die möglicherweise noch nicht erkennbar seien, mit denen aber ein gewissenhafter Fahrer pflichtgemäß rechnen müsse (BGH, Urteil vom 15.05.1973 - VI ZR 62/72 -).
Da das Hauptaugenmerk des Müllwerkers auf die Arbeit gerichtet sei, diese in möglichst kurzer Zeit auf kurzen Wegen zu verrichten, dürfe der an einem Müllfahrzeug Vorbeifahrende nicht auf ein verkehrsgerechtes Verhalten des Müllwerkers vertrauen. Mit einem unachtsamen Hervortreten und einer Bewegung einige Schritte seitlich neben das Müllfahrzeug müsse er rechnen. Lasse sich ein ausreichender Sicherheitsabstand zum Müllfahrzeug zur Vermeidung von Gefährdungen hinter dem Müllfahrzeug Hervortretender nicht einhalten, so sei die Geschwindigkeit gem. §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 StVO so weit zu drosseln, dass der Vorbeifahrende sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stillstand bringen könne (so bereits für Linienbusse vor Schaffung von § 20 StVO BGH, Urteil vom 10.04.1968 - VI ZR 145/65 -). Zwar bestünde nicht wie in § 20 StVO für öffentliche Verkehrsmittel und Schulbusse oder wie in § 3 Abs. 2a StVO für Kinder, Hilfsbedürftige und ältere Menschen eine besondere Regelung zu einer Vorbeifahrt an Müllfahrzeugen, doch ergäben sich hier die entsprechenden Anforderungen aus §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 StVO und den Einschränkungen zum Vertrauensgrundsatz.
Hier habe der seitliche Abstand zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem Müllfahrzeug allenfalls rund 50 cm bemessen, weshalb die festgestellte Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs zu hoch gewesen sei, um das Fahrzeug notfalls - insbesondere bei einem plötzlichen Hervortreten eines Müllwerkers, auch bei einem Abstand von unter 5 m zwischen Fahrzeug du Gefahrenpunkt - zum sofortigen Stillstand zu bringen.
Im Rahmen der neuen Entscheidung durch das OLG sei von diesem im Rahmen tatrichterlicher Würdigung eine neue Abwägung nicht nur unter Berücksichtigung des Verkehrsverstoßes der Beklagten, sondern auch der Klägerin vorzunehmen.
Anmerkung: Das Urteil des BGH wird künftig die Leitlinie bei Unfällen entsprechender Art bei Müllfahrzeugen sein. Es fragt sich allerdings, weshalb der Gesetzgeber in §§ 20 und 3 Abs. 2a StVO für bestimmte Fälle Vorschriften schuf, wenn doch – folgt man der Diktion des BGH – ohnehin über §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit der Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes diese Einschränkung besteht; der BGH festigte damit seien Rechtsprechung zur Einschränkung des Vertrauensschutzes in seinem Urteil vom 04.04.2023 - VI ZR 11/21 - (Überqueren der Fahrbahn durch Fußgänger und Annahme, dieser werde an der Mittellinie stehen bleiben). Weitergehend wird man wohl kaum diese Entscheidung auf Müllfahrzeuge beschränken können, da eine ähnliche Situation z.B. im Rahmen von Umzugswagen bei dem Ein- bzw. Ausladen von Möbeln, bei Getränkelieferanten für das Ein- und Ausladen von Getränkekisten bestehen.
BGH, Urteil vom 12.12.2023 -
VI ZR 77/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird
das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Februar
2023 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Von Rechts
wegen
Tatbestand
Die Klägerin
macht Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend, bei dem eines
ihrer Pflegedienstfahrzeuge beschädigt wurde.
Die Zeugin M.,
Mitarbeiterin der Klägerin, fuhr mit deren Fahrzeug aus der Gegenrichtung
kommend an einem Müllabfuhrfahrzeug des Beklagten zu 2 vorbei, das mit
laufendem Motor, laufender Trommel/Schüttung und eingeschalteten gelben
Rundumleuchten sowie Warnblinkanlage in der Straße stand. Dabei kam es zu einer
Kollision des klägerischen Fahrzeugs mit einem Müllcontainer, den der vormalige
Beklagte zu 1, Angestellter des Beklagten zu 2, hinter dem Müllabfuhrfahrzeug
quer über die Straße schob.
Mit der Klage
hat die Klägerin Erstattung der Fahrzeugreparaturkosten nebst vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten und Zinsen verlangt.
Das Landgericht
hat der Klage gegen den Beklagten zu 2 unter Zugrundelegung einer Haftungsquote
von 50 : 50 teilweise stattgegeben.
Auf die
Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts
teilweise abgeändert und den Beklagten zu 2 unter Zugrundelegung einer
Haftungsquote von 75 : 25 zu weiterem Schadensersatz verurteilt.
Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte zu 2 die
Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Das
Berufungsgericht hat die Haftungsquote von 75 (Beklagter zu 2) zu 25 (Klägerin)
damit begründet, dass der Zeugin M. entgegen der Ansicht des Landgerichts kein
Verkehrsverstoß vorzuwerfen sei. Die Klägerin müsse sich deshalb lediglich die
Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs anrechnen lassen.
Der
Leerungsvorgang von Mülltonnen und hier das Fortschaffen des entleerten
Müllcontainers vom Müllabfuhrfahrzeug gehöre zum Betrieb des
Müllabfuhrfahrzeugs im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG. Der Beklagte zu 1
habe schuldhaft gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, weil er den
Müllcontainer quer über die Straße geschoben habe, ohne auf das nach den
Feststellungen des Sachverständigen erkennbare Fahrzeug der Klägerin zu achten.
Die Privilegierung des § 35 Abs. 6 StVO für Müllabfuhrfahrzeuge
befreie nicht vom allgemeinen Rücksichtnahmegebot des § 1 StVO. Der Zeugin
M. sei kein Verkehrsverstoß anzulasten. Die Beweislast liege insoweit beim
Beklagten zu 2. Zwar sei Müllabfuhrfahrzeugen gegenüber besondere Vorsicht
geboten. Die Annahme anderer Obergerichte, dass an Müllabfuhrfahrzeugen stets
oder zumindest in der Regel mit Schrittgeschwindigkeit und mit einem
Sicherheitsabstand von 2 Metern vorbeizufahren sei, ließe sich aber auf
§ 1 Abs. 2 StVO und § 3 Abs. 1 StVO nicht stützen.
Maßgeblich seien die Umstände des Einzelfalls. Im Hinblick darauf, dass das
Müllabfuhrfahrzeug erkennbar im Einsatz und eine Vorbeifahrt nur mit geringem
Seitenabstand (50 cm) möglich gewesen sei, sei die Zeugin verpflichtet gewesen,
die gefahrene Geschwindigkeit deutlich zu reduzieren. Dies habe sie getan,
indem sie statt der am Unfallort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h
nur 13 km/h gefahren sei. Eine höhere Geschwindigkeit stehe nicht fest. Die
Geschwindigkeit von 13 km/h sei hier ausreichend gering, zumal der
Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt sei, dass der Unfall bei einer
Bremsausgangsgeschwindigkeit von unter 14 km/h räumlich vermeidbar gewesen
wäre. Dafür, dass die Klägerin nicht zu schnell gefahren sei, spreche auch der
Umstand, dass es für den Beklagten zu 1 auf der Hand gelegen habe, dass ein
etwaig vorbeifahrender Verkehrsteilnehmer ihn und den Müllcontainer zunächst
nicht sehen könne. Hätte der Beklagte zu 1 zunächst geschaut oder etwa die
Tonne gezogen statt sie zu schieben, hätte er die Zeugin womöglich rechtzeitig
gesehen. Auch dies sei bei der Frage zu bedenken, ob der Zeugin ein Verstoß
gegen §§ 1, 3 StVO vorzuwerfen sei. Bei aller gebotenen Vorsicht bei der
Vorbeifahrt an einem im Einsatz befindlichen Müllabfuhrfahrzeug müsse nicht mit
jedwedem Fehlverhalten der Müllwerker gerechnet werden. Es sei nicht erwiesen,
dass die Zeugin den Beklagten zu 1 bereits bei Herannahen gesehen habe oder
dass sie damit habe rechnen müssen, dass ohne Weiteres plötzlich ein
Müllcontainer hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervorgeschoben würde, was ein
Absehen vom Passieren oder zumindest die Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit
geboten hätte.
Auf
Beklagtenseite könne zwar zuzubilligen sein, dass Müllwerker im Einsatz die
Sorgfaltspflichten nicht im gleichen Maße einhalten könnten wie andere
Verkehrsteilnehmer, da sie anderenfalls ihre Tätigkeit erheblich langsamer
verrichten würden. Allerdings stelle sich hier das Verschulden deshalb als
erheblich dar, weil der Beklagte zu 1 einen großen, schweren Müllcontainer
hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervorgeschoben habe, ohne auf den Verkehr zu
achten. Dies sei von vornherein erheblich gefahrenträchtig gewesen. Hinzu komme
eine erhöhte Betriebsgefahr aufgrund der Größe des Beklagtenfahrzeugs, die sich
in Form von Sichtbeschränkungen auch ausgewirkt habe. Hinsichtlich des
Klägerfahrzeugs sei von einer leicht erhöhten Betriebsgefahr auszugehen, die
das Gericht mit 25 % ansetze.
II.
Diese
Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung insoweit nicht stand,
als das Berufungsgericht einen in die Abwägung nach § 17 Abs. 2 StVG
einzustellenden Verstoß der Zeugin M. gegen § 1, § 3 Abs. 1
Satz 2 StVO verneint hat.
1. Der
Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2 als Halter des Müllabfuhrfahrzeugs ein
Anspruch aus § 7 StVG zu. Dieser steht selbständig neben einem etwaigen
Anspruch gegen den Beklagten zu 2 als öffentlich-rechtliche Körperschaft aus
Art. 34 GG, § 839 BGB. Auf eine subsidiäre Haftung gemäß § 839
Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich der Beklagte zu 2 im Rahmen seiner
Halterhaftung aus § 7 StVG nicht berufen (BGH, Urteile vom 27. Juni 1968 -
III ZR 63/65, BGHZ 50, 271, 273 f., juris Rn. 8, 10; vom 27. Januar 1977 - III
ZR 173/74, BGHZ 68, 217, 221, juris Rn. 21, 31 (Rn. 31 in BGHZ nicht
abgedruckt); vom 13. Dezember 1990 - III ZR 14/90, BGHZ 113, 164, 165, juris
Rn. 5).
a) Frei
von Rechtsfehlern ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Pkw der
Klägerin "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" im Sinne von § 7
Abs. 1 StVG beschädigt worden ist.
aa) Nach
ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein Schaden bereits dann "bei dem
Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem
Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit
gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug
(mit)geprägt worden ist. Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem
Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren
handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift
schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der
Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die
Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit grundsätzlich maßgeblich darauf
an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen
Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten
Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (vgl. nur Senatsurteil vom 18.
Juli 2023 - VI ZR 16/23, WM 2023, 2062 Rn. 12 mwN).
Bei
Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es erforderlich, dass ein
Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung
und dem Transport dienende Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht.
Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher jedenfalls dann,
wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle
mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird oder
bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr
eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat. Wann haftungsrechtlich nur noch
die Funktion als Arbeitsmaschine infrage steht, lässt sich nur im Einzelfall
unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden. Dabei ist es unter
Schutzzweckgesichtspunkten von Bedeutung, ob der Arbeitseinsatz auf oder in
örtlicher Nähe zu Straßenverkehrsflächen stattfindet (vgl. Senatsurteil vom 18.
Juli 2023 - VI ZR 16/23, WM 2023, 2062 Rn. 13 f. mwN).
Eine Verbindung
mit dem "Betrieb" des Kraftfahrzeuges i.S.v. § 7 Abs. 1
StVG hat der Senat beim stehenden Fahrzeug auch dann bejaht, wenn das
Kraftfahrzeug in innerem Zusammenhang mit seiner Funktion als Verkehrs- und
Transportmittel - gegebenenfalls mit Hilfe einer speziellen Entladevorrichtung
- entladen wird. Der Halter haftet auch in diesen Fällen für die Gefahr, die
das Kraftfahrzeug beim Entladen in dem in Anspruch genommenen Verkehrsraum für
andere Verkehrsteilnehmer darstellt. Hierhin fällt nicht nur die Gefahr durch
das entladende Kraftfahrzeug als solches, sondern auch diejenige, die von den
Entladevorrichtungen und dem Ladegut ausgeht (Senatsurteil vom 8. Dezember 2015
- VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 14 mwN für das Entladen von Heizöl aus einem
Tanklastwagen).
bb) Nach
diesen Grundsätzen ist der Pkw der Klägerin bei dem Betrieb des
Müllabfuhrfahrzeugs des Beklagten zu 2 beschädigt worden. Dieses ist zwar auch
ein Kraftfahrzeug mit Arbeitsfunktion, der Unfall steht aber in einem
haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung des
Müllabfuhrfahrzeugs als eine dem Transport von Müll dienende Maschine. Zur
Erfüllung der Transportfunktion sind Mülltonnen zum Müllabfuhrfahrzeug zu
bringen, dort zu entleeren und wieder zurückzustellen. Die Gefahr, die in diesem
Zusammenhang von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere
Verkehrsteilnehmer ausgeht, ist damit dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs
zuzurechnen.
b) Die
vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung gemäß § 17 Abs. 2 StVG ist
nicht frei von Rechtsfehlern.
Die
Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 17 Abs. 2
StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur
darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände
vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige
Erwägungen zugrunde gelegt hat. Die Abwägung ist aufgrund aller festgestellten,
d. h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände
des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben. In
erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die
Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; ein Faktor bei der
Abwägung ist dabei das beiderseitige Verschulden (st. Rspr., vgl. nur
Senatsurteil vom 17. Januar 2023 - VI ZR 203/22, NJW 2023, 1361 Rn. 29 mwN).
aa)
Rechtlich nicht zu beanstanden sind allerdings die Erwägungen, mit denen das
Berufungsgericht das unfallursächliche und schuldhafte Verhalten des Beklagten
zu 1 in die Abwägung eingestellt hat. Da das Entleeren und Zurückbringen des
Müllcontainers zum Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs gehört (s. oben a),
begründet ein unfallursächlicher Verstoß des Beklagten zu 1 gegen die StVO bei
dieser Tätigkeit eine Erhöhung der Betriebsgefahr, die im Rahmen der Abwägung
gemäß § 17 Abs. 2 StVG zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen
ist. Wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, befreit die beschränkte
Privilegierung von Fahrzeugen der Müllabfuhr durch die Einräumung von
Sonderrechten in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO nicht von der
Einhaltung der übrigen Vorschriften der StVO (OLG Karlsruhe, r+s 2018, 671 Rn.
16; Rogler in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl.,
§ 35 StVO, Stand 24.10.2023, Rn. 124). Dem Beklagten zu 1 ist ein
schuldhafter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vorzuwerfen, weil er nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts hinter dem Müllabfuhrfahrzeug des
Beklagten zu 2 einen großen, schweren Müllcontainer quer über die Straße schob,
ohne auf den Verkehr und das Fahrzeug der Klägerin zu achten, welches für ihn -
hätte er den Müllcontainer nicht vor sich hergeschoben - erkennbar gewesen
wäre. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist in diesem Zusammenhang auch
die Beurteilung des Berufungsgerichts, es habe für den Beklagten zu 1 auf der
Hand gelegen, dass er und der Müllcontainer hinter dem großen
Müllabfuhrfahrzeug für vorbeifahrende Verkehrsteilnehmer zunächst nicht zu
sehen waren, und es sei in dieser Situation besonders gefahrenträchtig gewesen,
den Müllcontainer zu schieben statt ihn zu ziehen. Denn so konnte der Beklagte
zu 1 das herannahende Fahrzeug erst spät wahrnehmen.
Rechtsfehlerfrei
hat das Berufungsgericht eine Erhöhung der Betriebsgefahr schließlich mit der
Größe des Müllabfuhrfahrzeugs und der dadurch bedingten Sichtbeschränkung
begründet, die sich auf den Unfall ausgewirkt hat.
bb)
Hingegen tragen die getroffenen Feststellungen nicht die Beurteilung des
Berufungsgerichts, der Zeugin M. sei kein (die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der
Klägerin erhöhender) Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung vorzuwerfen.
(1) Wie
das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend gesehen hat, ist von
Verkehrsteilnehmern, die an im Einsatz befindlichen Müllabfuhrfahrzeugen
vorbeifahren, gemäß § 1 StVO besondere Vorsicht und Rücksichtnahme zu
fordern, um Müllwerker nicht zu gefährden. Zwar kann nach dem im Straßenverkehr
geltenden Vertrauensgrundsatz ein Verkehrsteilnehmer, der sich verkehrsgemäß
verhält, damit rechnen, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer den Verkehr nicht
durch pflichtwidriges Verhalten gefährdet. Das gilt aber nur, solange die
sichtbare Verkehrslage zu keiner anderen Beurteilung Anlass gibt (vgl.
Senatsurteil vom 4. April 2023 - VI ZR 11/21, NJW 2023, 2108 Rn. 11 mwN). Zu
den Ausnahmen vom Vertrauensgrundsatz zählen nicht nur solche
Verkehrswidrigkeiten, die der Verkehrsteilnehmer rechtzeitig wahrnimmt oder
hätte wahrnehmen können, sondern auch solche, die möglicherweise noch nicht
erkennbar sind, mit denen ein gewissenhafter Fahrer aber pflichtgemäß rechnen
muss (vgl. Senatsurteile vom 15. Mai 1973 - VI ZR 62/72, VersR 1973, 765, 766,
juris Rn. 13; vom 4. Oktober 1966 - VI ZR 23/65, VersR 1966, 1157, juris Rn.
11; BGH, Beschluss vom 27. Mai 1959 - 4 StR 49/59, BGHSt 13, 169, 173, juris
Rn. 12).
(2) Das
Hauptaugenmerk der mit dem Holen, Entleeren und Zurückbringen von
Müllcontainern befassten Müllwerker ist auf ihre Arbeit gerichtet, die sie
überwiegend auf der Straße und effizient, das heißt in möglichst kurzer Zeit
und auf möglichst kurzen Wegen, zu erledigen haben. Wer an einem
Müllabfuhrfahrzeug vorbeifährt, das erkennbar im Einsatz ist, darf daher nicht
uneingeschränkt auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der Müllwerker vertrauen.
Er muss typischerweise damit rechnen, dass Müllwerker plötzlich vor oder hinter
dem Müllabfuhrfahrzeug hervortreten und unachtsam einige Schritte weiter in den
Verkehrsraum seitlich des Müllabfuhrfahrzeugs tun, bevor sie sich über den
Verkehr vergewissern. Auf diese typischerweise mit dem Einsatz von
Müllabfuhrfahrzeugen verbundenen Gefahren hat der vorbeifahrende
Verkehrsteilnehmer sein Fahrverhalten einzurichten. Lässt sich ein
ausreichender Seitenabstand zum Müllabfuhrfahrzeug, durch den die Gefährdung
eines plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden
Müllwerkers vermieden werden kann, nicht einhalten, so ist die Geschwindigkeit
gemäß § 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO so weit zu drosseln, dass
der Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen bringen kann
(vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1988, 866, 867 und OLG Karlsruhe, r+s 2018, 671 Rn. 24
mwN: in der Regel Schrittgeschwindigkeit; ebenso LG Münster, ZfSch 2002, 422,
423, juris Rn. 20; Freymann in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., § 35
StVO Rn. 713; für die Vorbeifahrt an einem Linienbus schon vor Schaffung des
heutigen § 20 StVO vgl. auch: Senatsurteil vom 21. Februar 1967 - VI ZR
145/65, VersR 1967, 582, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 10. April 1968 - 4 StR
62/68, NJW 1968, 1532 f., juris Rn. 5; Beschluss vom 27. Mai 1959 - 4 StR
49/59, BGHSt 13, 169, 175, juris Rn. 15 f.).
Der Senat
verkennt dabei nicht, dass der Verordnungsgeber anders als etwa für die
Vorbeifahrt an öffentlichen Verkehrsmitteln und Schulbussen in § 20 StVO
oder für das Verhalten gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen
in § 3 Abs. 2a StVO keine speziellen Regelungen für die Vorbeifahrt
an Müllabfuhrfahrzeugen getroffen hat. Die diesbezüglichen Anforderungen
ergeben sich aber aus § 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO und den
oben angeführten Einschränkungen des Vertrauensgrundsatzes. Es ist die typischerweise
zu erwartende besondere Gefährdung von Personen (hier: Müllwerkern), die es
rechtfertigt, besondere Vorsicht in der genannten Art und Weise zu verlangen.
(3) Den
dargelegten Anforderungen genügte die vom Berufungsgericht festgestellte
Fahrweise der Zeugin M. nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
kam es zur Kollision des Fahrzeugs der Klägerin mit dem Müllcontainer im
hinteren Bereich des erkennbar im Einsatz befindlichen Müllabfuhrfahrzeugs,
also gerade dort, wo Müllwerker Mülltonnen entleeren und wieder fortschaffen.
Der seitliche Abstand zwischen dem Fahrzeug der Klägerin und dem
Müllabfuhrfahrzeug betrug allenfalls rund 50 cm. In dieser Situation war die
festgestellte Ausgangsgeschwindigkeit von mindestens 13 km/h zu hoch, als dass
die Zeugin M. das Fahrzeug notfalls - das heißt insbesondere vor einem
plötzlich hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerker - sofort zum
Stehen hätte bringen können. Daran ändert die Feststellung des
Berufungsgerichts nichts, dass der Unfall für die Zeugin bei einer
Bremsausgangsgeschwindigkeit von unter 14 km/h räumlich vermeidbar gewesen
wäre. Aus dem insoweit vom Berufungsgericht konkret in Bezug genommenen
Sachverständigengutachten ergibt sich lediglich, dass bei dieser
Geschwindigkeit die Kollision ausgehend von einem Gefahrerkennungspunkt ca.
fünf Meter vor dem späteren Kollisionsort bei der genannten
Bremsausgangsgeschwindigkeit räumlich vermeidbar gewesen wäre. Die Zeugin hatte
aber so angepasst zu fahren, dass sie auch bei Erkennen einer Gefahr in weniger
als fünf Metern Entfernung das Fahrzeug rechtzeitig hätte zum Stehen bringen
können. Abgesehen davon käme ein schuldhafter Verstoß gegen § 1 StVO auch
in Betracht, wenn die Zeugin M. bei einer Geschwindigkeit von unter 14 km/h,
obwohl ihr das möglich gewesen wäre, nicht rechtzeitig reagiert hätte.
(4) An
dem Vorliegen eines Verkehrsverstoßes seitens der Zeugin M. ändert entgegen der
Ansicht des Berufungsgerichts der Umstand nichts, dass auch dem Beklagten zu 1
ein Verkehrsverstoß vorzuwerfen ist. Der Verstoß der Zeugin M. wird gerade
dadurch begründet, dass sie mit einem verkehrswidrigen Verhalten von
Müllwerkern zu rechnen und ihre Geschwindigkeit darauf einzustellen hatte. Zwar
trifft es zu, dass der Beklagte zu 1 dadurch, dass er den Müllcontainer schob
statt ihn zu ziehen, die Gefährlichkeit der Situation insoweit erhöhte, als er
herannahende Fahrzeuge erst später wahrnehmen konnte. Grundsätzlich richtig ist
auch die Ansicht des Berufungsgerichts, dass es der Vertrauensgrundsatz nicht
gebietet, mit jedwedem Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer zu rechnen. Mit
einem plötzlich hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerker, der
einen Müllcontainer jedenfalls hinter sich herzieht, war aber auch im
Streitfall zu rechnen. Bereits diese Typik hätte die Zeugin M. veranlassen
müssen, ihre Geschwindigkeit so weit zu drosseln, dass sie ihr Fahrzeug
notfalls sofort zum Stehen bringen konnte. Der unfallursächliche und
schuldhafte Verstoß gegen dieses Gebot wird nicht dadurch in Frage gestellt,
dass es im konkreten Fall nicht der Müllwerker, sondern der von diesem
geschobene Müllcontainer war, der vor das Fahrzeug der Klägerin geriet. Auch
davor soll § 1 StVO schützen. Zudem kann sich auf den Vertrauensgrundsatz
grundsätzlich nicht berufen, wer sich selbst über die Verkehrsregeln
hinwegsetzt (vgl. Senatsurteile vom 4. April 2023 - VI ZR 11/21, NJW 2023, 2108
Rn. 11; vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02, NJW 2003, 1929, 1931, juris Rn. 17;
BGH, Urteil vom 10. April 1968 - 4 StR 62/68, NJW 1968, 1532, 1533, juris Rn.
10). Vor diesem Hintergrund schließt die Schwere des Verstoßes des Beklagten zu
1 gegen § 1 Abs. 2 StVO das Vorliegen des Verkehrsverstoßes der
Zeugin M. an sich nicht aus, sondern ist nur ein im Rahmen der Abwägung gemäß
§ 17 Abs. 2 StVG zu berücksichtigender Gesichtspunkt.
III.
Die Sache ist
nicht im Sinne von § 563 Abs. 3 ZPO zur Endentscheidung reif, da die
Abwägung gemäß § 17 Abs. 2 StVG - nunmehr unter Zugrundelegung eines
Verkehrsverstoßes nicht nur des Beklagten zu 1, sondern auch der Zeugin M. -
der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts unterliegt.
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