Freitag, 9. Februar 2024

Testamentsvollstreckerzeugnis mit oder ohne Angabe einer Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot ?

Die Erblasserin ordnete in ihrem Testament Testamentsvollstreckung an und berief zur Testamentsvollstreckerin die Beteiligte am Verfahren. Diese nahm das Amt an und beantragte mit notarieller Urkunde die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses u.a. mit dem Inhalt, dass sie von den Beschränkungen des § 181 BGB (Selkbstkontrahierungsverbot) befreit sei. Das Amtsgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB wie in einem Testamentsvollstreckerzeugnis nicht aufzunehmen. Der dagegen eingelegten Beschwerde half das OLG ab, indem es die zur Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses gemäß Antrag der Beteiligten erforderlichen Tatsachen für festgestellt erklärte (§§ 2368 BGB, 354 Abs. 1, 352e Abs. 1 S. 1 u. 2 FamFG).

Das Testamentsvollstreckerzeugnis sei auf Antrag des Testamentsvollstreckers zu erteilen, § 2368 BGB. Beschränkungen desselben in der Veraltung des Nachlasses sowie eine Anordnung des Erblassers, wonach der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten auf den Nachlass beschränkt sein soll, seien in das Testamentsvollstreckerzeugnis aufzunehmen. Weiter Vorgabe zur inhaltlichen Gestaltung des Testamentsvollstreckerzeugnisses enthalte das Gesetz nicht. Allerdings seien im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs alle Abweichungen von der gewöhnlichen Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers anzugeben, soweit sie für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Dritten erheblich wären. Dazu würde nicht nur eine Beschränkung der Regelbefugnis gehören, sondern auch deren Erweiterung. 

In seiner bisherigen Rechtsprechung habe der Senat des zur Entscheidung berufenen OLG bisher (auch bei oben genannten Grundsätzen) eine Aufnahmefähigkeit der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB verneint (z.B. Beschluss vom 15.02.2011 - 15 W 461/10 -). Daran halte er nicht mehr fest. 

Es sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, ob eine entsprechende Aufnahme erfolgen kann. Dabei bestünde allerdings Einigkeit, dass § 181 BGB auf den Testamentsvollstrecker entsprechend anwendbar sei und der Testamentsvollstrecker vom Verbot von Insichgeschäfte (entsprechend § 181 BGB, der Abschluss eines Rechtsgeschäfts für den Vertretenen mit sich selbst) befreit werden könne (BGH, Urteil vom 12.06.1989 - II ZR 246/88 -) vom Erblasser befreit werden könne (BGH, Urteil vom 12.06.1989 - II ZR 246/88 -). 

Bisher sei der Senat davon ausgegangen, das Testamentsvollstreckerzeugnis diene als Ausweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers im Rechtverkehr mit Dritten und könne daher bei Insichgeschäften keine Wirkung entfalten. Dem hätten sich die Oberlandesgerichte Köln, Düsseldorf, München und Saarbrücken angeschlossen. Andere Oberlandesgerichte (Hamburg, Kammergericht [KG]) hätten demgegenüber entschieden, dass die Befreiung in das Testamentsvollstreckerzeugnis aufzunehmen sei. Auch in der Literatur würden unterschiedliche Ansichten vertreten. Viel Zustimmung habe insbesondere die Entscheidung des KG erfahren. 

Auch der Senat würde sich nunmehr der Ansicht des OLG Hamburg und des KG anschließen und übernehme die überzeugenden Begründungen derselben. Es sei insbesondere zutreffend, dass die Frage der Befreiung für den Rechtsverkehr doch bedeutsam sei, da dies dem Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt und Handelsregister diene. Das Testamentsvollstreckerzeugnis trage die Vermutung der Richtigkeit in sich und habe gem. §§ 2368 S. 2, 2365 BGB generell und gem. § 35 Abs. 2 GBO diese auch gerade gegenüber dem Grundbuchamt. Zudem erfasse § 181 BGB nicht nur das Insichgeschäft, sondern auch nach § 181 Alt. 2 BGB den Fall der Doppelvertretung (also hier z.B. bei einem Vertrag die Vertretung des Nachlasses als Testamentsvollstrecker und die Vertretung des Käufers).  Es würde in diesem Fall ein schützenswerter Dritter in der Person des weiteren Vertretenen existieren. Bedeutsam könne die Befreiung auch in den Fällen werden, wenn der Testamentsvollstrecker einen Dritten bevollmächtigt, den er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien will. Auch in diesem Fall habe der Dritte ein schützenswertes Interesse an der Feststellung, ob der Testamentsvollstrecker hierzu befugt ist (so überzeugend KG, Beschluss vom 12.08.2021 - 19 W 82/21 -). 

OLG Hamm, Beschluss vom 23.11.2023 - 15 W 231/23 -


Aus den Gründen:

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Die zur Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses gemäß dem Antrag der Beteiligten vom 16. Mai 2023 (UVZ-Nr. N01/2023 des Notars X. in Y.) erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.

Gründe

I

Die Erblasserin errichtete drei privatschriftliche Testamente.

In ihrem Testament vom 14. Februar 2010 setzte sie die Y. Stiftung mit Sitz in E. als Erbin ein und ordnete Testamentsvollstreckung an. Zur Testamentsvollstreckerin zur Abwicklung des Nachlasses berief sie die Beteiligte. Die Erblasserin befreite die Testamentsvollstreckerin „soweit gesetzlich zulässig, von allen Beschränkungen, insbesondere denen des § 181 BGB“.

Mit Einzeltestament vom 17. Oktober 2010 änderte und ergänzte sie das Testament vom 14. Februar 2010.

Am 5. März 2018 errichtete sie unter Aufhebung aller bereits getroffenen letztwilligen Verfügungen ein Einzeltestament, in dem sie die W. GmbH als Erbin benannte und die Beteiligte zur Testamentsvollstreckerin berief. Zur Durchführung ihrer Aufgaben befreite die Erblasserin die Testamentsvollstreckerin „soweit zulässig, von allen gesetzlichen Beschränkungen, insbesondere denen des § 181 BGB“ und ordnete an, dass die Testamentsvollstreckerin in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt ist.

Mit Schreiben vom 12. April 2023 erklärte die Beteiligte gegenüber dem Amtsgericht - Nachlassgericht - Essen die Annahme des Amtes als Testamentsvollstreckerin.

Mit notarieller Urkunde ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 16. Mai 2023 (dessen UVZ-Nr. N01/2023) hat die Beteiligte die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses mit dem Inhalt beantragt, dass der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückgewiesen, weil eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB im Testamentsvollstreckerzeugnis nicht aufzunehmen sei. Die Beteiligte hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Senat hat die Akte Amtsgericht Essen 158 IV 696/23 beigezogen. Er hat die im Testament vom 5. März 2018 eingesetzten Erbin auf das Recht hingewiesen, als Beteiligte zum Verfahren hinzugezogen zu werden und Anträge zu stellen. Die im Testament vom 5. März 2018 eingesetzte Erbin hat erklärt, am Verfahren nicht beteiligt werden zu wollen und keine Anträge zu stellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der Akte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

II

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten hat Erfolg und führt in Abänderung des angegriffenen Beschlusses des Nachlassgerichts zur tenorierten Feststellung (§§ 2368 BGB, 354 Abs. 1, 352e Abs. 1 S. 1, S. 2 FamFG).

Die Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten beantragten Testamentsvollstreckerzeugnisses liegen vor.

Dem Testamentsvollstrecker ist gemäß § 2368 BGB auf Antrag ein Zeugnis über die Ernennung zu erteilen. Gemäß § 354 Abs. 2 FamFG sind Beschränkungen des Testamentsvollstreckers in der Verwaltung des Nachlasses sowie eine Anordnung des Erblassers, wonach der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt sein soll, in das Zeugnis aufzunehmen. Weitere ausdrückliche Vorgaben hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung des Testamentsvollstreckerzeugnisses enthält das Gesetz nicht. Nach allgemeinen Grundsätzen sind im Testamentsvollstreckerzeugnis im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs jedoch alle Abweichungen von der gewöhnlichen Rechtsmacht eines Testamentsvollstreckers anzugeben, soweit sie für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Dritten erheblich sind (vgl. Erman/Simon, BGB, 17. Auflage, § 2368 Rn. 8; Grziwotz in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage, § 2368 Rn. 37). Hierzu zählen nicht nur Beschränkungen der Regelbefugnisse, sondern auch Erweiterungen.

Von diesen Grundsätzen ist das Amtsgericht bei Erlass des angegriffenen Beschlusses im Grundsatz zutreffend ausgegangen. Das Amtsgericht ist zutreffend weiter davon ausgegangen, dass ein Testamentsvollstreckerzeugnis nur erteilt werden kann, wenn es mit dem gestellten Antrag inhaltlich vollständig übereinstimmt (vgl. nur Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Auflage, § 2368 Rn. 6). Es hat den Antrag des Beteiligten zurückgewiesen, weil es - wie der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung - die beantragte Aufnahme der Befreiung des Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB für nicht aufnahmefähig gehalten hat.

Der Senat gibt jedoch seine bisherige Rechtsprechung (Beschluss vom 23. März 2004, Aktenzeichen 15 W 75/04, juris Rn. 15; Beschluss vom 15. Februar 2011, Aktenzeichen 15 W 461/10, juris Rn. 14 a.E.) auf. Sofern der Testamentsvollstrecker von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, ist dies in das Testamentsvollstreckerzeugnis aufzunehmen.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist umstritten, ob eine Befreiung des Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB in ein Testamentsvollstreckerzeugnis aufgenommen werden kann.

Dabei besteht im Ausgangspunkt Einigkeit darüber, dass § 181 BGB auf Insichgeschäfte eines Testamentsvollstreckers grundsätzlich entsprechend anwendbar ist (vgl. BGHZ 108, 21, juris Rn. 16) und dass der Erblasser ihn von den daraus resultierenden Beschränkungen befreien kann (BGHZ a.a.O.). Der Senat hat zur Begründung seiner bisherigen Auffassung ausgeführt, das Testamentsvollstreckerzeugnis diene als Ausweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers im Rechtsverkehr mit Dritten und könne daher bei einem Insichgeschäft keine Wirkung entfalten. Dieser Auffassung haben sich die Oberlandesgerichte Köln (Beschluss v. 21. November 2012, Aktenzeichen 2 Wx 214/12, juris Rn. 15), Düsseldorf (Beschluss v. 14. August 2013, Aktenzeichen 3 Wx 41/13, juris Rnrn. 17 ff, insbes. Rn. 22), München (Beschluss v. 16. November 2017, Aktenzeichen 34 Wx 266/17, juris Rn. 13) und Saarbrücken (Beschluss v. 17. Januar 2023, Aktenzeichen 5 W 98/22, FamRZ 2023, 1328, 1329, zitiert nach juris Rn. 12) angeschlossen. Dagegen haben das Oberlandesgericht Hamburg (Beschluss v. 5. Dezember 2018, Aktenzeichen 2 W 95/18, juris Rnrn. 23-26) und das Kammergericht (Beschluss v. 12. August 2021, 19 W 82/21, juris Rn. 14) entschieden, dass die Befreiung eines Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB in das TVZ aufzunehmen sei.

Auch in der Literatur besteht keine einhellige Auffassung (vgl. die jeweiligen Nachweise in den Entscheidungen des OLG Hamburg und des KG): Viel Zustimmung hat insbesondere die Entscheidung des Kammergerichts erfahren (vgl. z.B. Anmerkung Wendt in ErbR 2022, 326 f.; Anmerkung Litzenburger in Fachdienst Erbrecht 2022, 448191, beck-online; Schaub in: Bauer/Schaub, GBO, 5. Auflage, § 52 Rn. 90, Rn. 23a).

Der Senat schließt sich unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg und des Kammergerichts an und übernimmt die überzeugenden Erwägungen zur Begründung dieser Auffassung aus den beiden zitierten Entscheidungen. Insbesondere ist es zutreffend, dass eine Befreiung des Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB im Rechtsverkehr von Bedeutung sein kann. Auch bei Insichgeschäften ist es mit Außenwirkung von Bedeutung, weil es dem Nachweis der Verfügungsbefugnis gegenüber dem Grundbuchamt und dem Handelsregister dient. Die Vermutung der Richtigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses und seine Nachweisfunktion gemäß §§ 2368 S. 2, 2365 BGB generell und gemäß § 35 Abs. 2 GBO gilt auch und gerade gegenüber dem Grundbuchamt. Zudem erfassen die Beschränkungen des § 181 BGB keineswegs nur den Fall des Insichgeschäfts, sondern auch den der Doppelvertretung nach § 181 Alt. BGB. In diesem Fall existiert ein schützenswerter Dritter in Person des weiteren Vertretenen. Ferner kann die Befreiung von § 181 BGB in Fällen der Vollmachtserteilung durch einen Testamentsvollstrecker Bedeutung erlangen, beispielsweise wenn der Testamentsvollstrecker seinerseits einen Bevollmächtigten von § 181 befreien möchte. Auch in diesen Konstellationen hat - wie das Kammergericht überzeugend ausgeführt hat - der Rechtsverkehr ein schützenswertes Interesse an der Feststellung, ob der Testamentsvollstrecker hierzu befugt ist.

Das Testamentsvollstreckerzeugnis ist daher antragsgemäß zu erteilen. Der gestellte Antrag bezeichnet den Inhalt des Testamentsvollstreckerzeugnisses in Übereinstimmung mit den hierzu getroffenen Anordnungen der Erblasserin aus dem Testament vom 18. März 2018. Dieses gemäß § 2247 Abs. 1 BGB formwirksam errichtete Testament ist wegen des darin erfolgten Widerrufs aller vorangegangenen letztwilligen Verfügungen allein maßgeblich.

Wegen des Erfolgs der Beschwerde sind eine Kostenentscheidung, eine Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren und eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht veranlasst.


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