Freitag, 12. Januar 2024

Streichung der Dankes- und Wunschformel im Arbeitszeugnis nach berechtigten Zeugnisberichtigungsverlangen

Muss bzw. wann muss der Arbeitgeber in einem Arbeitszeugnis eine Dankes- und Wunschformel aufnehmen, mit der er z.B. sein Bedauern zum Ausscheiden des Arbeitsnehmers zum Ausdruck bringt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht ?  Diese Frage stellen sich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer immer wieder. Grundsätzlich bedarf es einer solchen oder ähnlichen Formulierung nicht. Entsprechendes lässt sich nämlich weder aus § 109 Abs. 1 S. 3 GewO ableiten, noch ergibt sich eine derartige Verpflichtung aus dem in § 241 Abs. 2 BGB verankerten Rücksichtnahmegebot (so BAG, Urteil vom 25.01.2022 - 9 AZR 146/21 -). War damit alles geklärt ? Nein.

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber am Schluss der von ihm erstellten 1. Fassung des Arbeitszeugnisses eine entsprechende Formel aufgenommen, indem es dort hieß „Wir danken für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für Ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.“ In der Folge forderte die Arbeitnehmerin eine Korrektur der Bewertung ihres Arbeits- und Sozialverhaltens. Es erfolgte eine Korrektur (Arbeitszeugnis 2. Fassung), die aber die Arbeitnehmerin nicht zufriedenstellte und veranlasste, eine weitere Korrektur vorzunehmen, demzufolge die Formulierung „Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität…“ heißen u.a. sollte „Frau D. hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unseren Erwartungen in jeder Hinsicht optimal entsprochen…“. In der sodann erfolgten e. Fassung des Arbeitszeugnisses endete dieses mit dem Satz „Frau D. verlässt unser Unternehmen aus eigenem Wunsch.“ und wurde die Dankes- und Wunschformel nicht mehr verwandt. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Ergänzung des Arbeitszeugnisses um die in der 1. und 2. Fassung enthaltenen Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung der beklagten Arbeitgeberin wurde zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen, da die Verweigerung gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot verstoße. Das BAG vertrat die Rechtsansicht, die Beklagte sei gem. § 612a BGB (Maßregelungsverbot) verpflichtet, der Klägerin die beantragte Schlussformel aufzunehmen.

Grundsätzlich habe der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel (BAG, Urteil vom 25.01.2022 - 9 AZR 146/21 -). Die Regelungen zum Inhalt eines qualifizierten Arbeitszeugnisses in § 109 Abs. 1 S. 2 und 3 GewO seien abschließend. Allerdings würde sich die Abweichung in der Endfassung (3. Fassung) des Arbeitszeugnisses als Maßregelung iSv. § 612a BGB infolge der Abweichung von den vorherigen Fassungen als Maßregelung darstellen.

§ 612a BGB bestimme, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen dürfe, da dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübe (BAG, Urteil vom 16.02.1989 - 2 AZR 347/88 -). Verletzte der Arbeitgeber das Maßregelungsverbot, könne der Arbeitnehmer die Beseitigung der dadurch bedingte Benachteiligung durch den Arbeitgeber verlangen, wobei der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so zustellen habe, wie er ohne diese Maßregelung stünde (BAG, Urteil vom 15.09.2009 - 9 AZR 685/08 -). Zwar sei die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit des Arbeitgebers bei der Auslegung des § 612a BGB zu berücksichtigen, doch würde dieses ihm kein Rehct geben, eine berechtigte Remonstration des Arbeitnehmers zum Anlass zu nehmen, das Arbeitszeugnis zu dessen Nachteil zu ändern. § 612a BGB stelle einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit dar, die nicht durch die Grundrechte auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) in diesem Fall nicht geschützt sei. Der Anwendungsbereich des § 612a BGB sei auch nicht auf ein laufendes Arbeitsverhältnis beschränkt, sondern zeige auch ähnlich wie das Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB nachvertragliche Wirkungen.

Die Voraussetzungen des § 612a BGB lägen hier vor. Nachdem die Klägerin in zulässiger Weise eine Berichtigung des Arbeitszeugnisses verfolgt habe läge im Fortfall der zuvor verwandten Dankes- und Wunschformel eine Maßregelung. Genüge das qualifizierte Arbeitszeugnis nicht den Anforderungen des § 109 GewO, könne der Arbeitnehmer eine Berichtigung verlangen (BAG, Urteil vom 27.04.2021 - 9 AZR 262/20 -). So sei es vorliegend gewesen, indem mit „Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität…“ hinter der letztlich von der Beklagten verwandten Schlussbewertung „Frau D. hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt…“ zurückblieb, da nach der ursprünglichen Formulierung der verständige Leser habe entnehmen müssen, die Arbeitend er Klägerin seien nichts stets „zur vollsten Zufriedenheit“ der Beklagten erfolgt.

Mit der Änderung der Schlussformel in der dritten Fassung habe die Beklagte der Klägerin einen Nachteil zugefügt. Ein Nachteil läge vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleide, sich seine Situation also nach der Maßnahme durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu der Situation vorher verschlechtert habe. § 612a BGB schütze den Arbeitnehmer nicht nur vor dem Entzug von Vorteilen, auf die er einen Anspruch habe, sondern auch vor Nachteilen im Bereich von freiwilligen Leistungen (hier der Dankes- und Wunschformel) im Zusammenhang mit dem von ihm zustehenden Rechten. Die Situation der Klägerin habe sich mithin objektiv unabhängig davon verschlechtert, dass sie ursprünglich keinen Anspruch auf die Dankes- und Wunschformel hatte. Ein Zeugnis würde durch solche Schlüsselsätze aufgewertet.

Voraussetzung für einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB setze voraus, dass das Weglassen der Formel und der Änderungswunsch der Klägerin ursächlich miteinander verknüpft seien, also die zulässige Rechtsausübung der Klägerin der tragende Beweggrund für das Weglassen der Formel sei (BAG, Urteil vom 18.10.2017 - 10 AZR 330/16 -). Nicht ausreichend sei, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme biete (BAG, Urteil vom 20.05.2021 - 2 AZR 560/21 -). Bei einem Motivbündel auf Arbeitgeberseite käme es auf das maßgebliche Motiv an (BAG, Urteil vom 18.11.2021 - 2 AZR 229/21 -).  Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für die Kausalität trage der Arbeitnehmer. Er habe einen Sachverhalt vorzutragen, der auf eine Kausalität hindeute. Zu einem solchen Vortrag müsse sich der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen erklären.

Hier habe die Klägerin erklärt, ihr zweimaliger Änderungswunsch habe die Beklagte zum Weglassen der Dankes- und Wunschformel veranlasst. Daraus habe das Landesarbeitsgericht rechtfehlerfrei einen kausalen Zusammenhang gefolgert. Ein dagegensprechender Vortrag sei von der Beklagten nicht erfolgt. Sie könne nicht damit gehört werden, nach der 1. und 2. Fassung von Umständen gehört zu haben, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen würden.

Damit käme es nicht darauf an, ob die Klägerin bereits unter dem - alleinigen - Gesichtspunkt der Selbstbindung der Beklagten in den ersten zwei Fassungen einen Anspruch auf die begehrte Formulierung habe. Grundsätzlich sei allerdings der Arbeitgeber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses gebunden. Von seinen Wissenserklärungen zur Leistung des Arbeitnehmers dürfe er nur abweichen, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt würden, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 21.06.2005 - 9 AZR 352/04 -). In gleicher Weise könne der Arbeitgeber an eine ursprünglich erteilte Schlussformel in Form der Dankes- und Wunschformel für die Zukunft gebunden sein (im Urteil vom 11.12.2012 – 9 AZR 227/11 – hatte das BAG eine Erweiterung der verwandten Formel „Für die Zukunft alles Gute“ abgelehnt, da die Formel auf den Ausdruck der jeweiligen Empfindung beruht und nicht zu einer  anderweitigen Verpflichtung führe).

Ob eine Streichung der Formel bereits wegen einer Selbstbindung des Arbeitgebers in Zeugnis, dessen Änderung der Arbeitnehmer begehrt, unzulässig ist, bleibt offen.

Anmerkung: Der Arbeitgeber sollte sich bei Abfassung eines Zeugnisses im Klaren über die Konsequenzen, insbesondere zur Abänderung durch ihn zum Nachteil des Arbeitnehmers sein. Nimmt er eine Dankes- und Wunschformel auf, zu der er nicht verpflichtet ist, sollet er bedenken, dass er diese nicht aus Verärgerung über sonstige Änderungswünsche des Arbeitnehmers einfach streichen kann.

BAG, Urteil vom 06.06.2023 - 9 AZR 272/22 -

Dienstag, 9. Januar 2024

Beweis für den Zugang eines Einwurf-Einschreibens

Immer wieder stellt sich die Frage, wie ein Schreiben einem Dritten zugestellt werden kann, dass der Zugang bei Bestreiten des Erhalts nachgewiesen werden kann. Im vorliegend vom Rechtstreit vor dem LAG Nürnberg wurde eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (Beklagter) ausgesprochen worden. Vertraglich war eine vierteljährliche Kündigungsfrist zum Quartalsende vereinbart gewesen. Mit einem Einwurf-Einschreiben vom 28.09.2021, welches nach dem Zustellungsnachweis der Deutschen Post AG am 30.09.2023 in den Briefkasten der Klägerin geworfen worden sein soll, kündigte der Beklagte zum 31.12.2023. Die Klägerin wandte sich mit der Klage gegen die Kündigung insoweit, als sie die Feststellung begehrte, dass durch die Kündigung das Arbeitsverhältnis erst zum 31.03.2022 aufgelöst worden sei. Das Arbeitsgericht wies die Klage unter Bezugnahme auf ein Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 18.01.2022 – 1 Sa 159/21 mit der Begründung ab, dass bei Übersendung eines Einwurf-Einschreibens und Vorlage des Einlieferungsbelegs sowie unter Reproduktion des ordnungsgemäß unterzeichneten Auslieferungsbelegs ein Nachweis des ersten Anscheins für den Zugang des Schriftstücks beim Empfänger spreche.  Zwar seien fehlerhafte Zustellungen naturgesetzlich nicht auszuschließen, aber nach der Erfahrung so unwahrscheinlich, dass ein Anscheinsbeweis gerechtfertigt sei. Da das Schreiben von einem Bediensteten der Deutschen Post AG eingeworfen worden sei, sei auch davon auszugehen, dass es zu einer Tageszeit eingeworfen wurde, zu der nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs mit einer Entnahme am gleichen Tag aus dem Briefkasten zu rechnen sei.  Das LAG wies die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil zurück, ließ aber die Revision zu, die derzeit bei dem BAG zu 2 AZR 213/23 anhängig ist (Termin dort: 20.06.2024).

Das LAG folgte der Annahme des Arbeitsgerichts, dass durch die Vorlage der genannten Belge der Beweis des ersten Anscheins für den rechtzeitigen Zugang des Schreibens bei der Klägerin spreche (und verwies dabei u.a. auf die Urteil des BGH vom 27.09.2016 - II ZR 299/15 - und des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 12.03.2019 - 2 Sa 130/18 -. Der erste Anschein spreche auch dafür, dass die Zustellung zu den üblichen Postzustellzeiten erfolgte, da die Zustellung durch einen Mitarbeiter der Deutschen Post AG und nicht durch einen anderen Versanddienstleister oder -boten erfolgt sei; es könne davon ausgegangen werden,  dass der Mitarbeiter die Zustellungen im Rahmen seiner zugewiesenen Arbeitszeiten vornehme; nach der allgemeinen Verkehrsanschauung sei damit zu rechnen, dass bei Hausbriefkästen eine Leerung unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten erfolge (BAG, Urteil vom 22.03.2012 - 2 AZR 224/11 -). Damit würde der Klägerin obliegen, einen Sachverhalt aufzuzeigen, demzufolge das Kündigungsschreiben außerhalb der gewöhnlichen Postzustellzeiten in ihren Briefkasten gelangt sei. Anhaltspunkte für einen späteren Zugang lägen nicht vor, weshalb nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB der Zugang am 30.09.2021 anzunehmen sei und die vertraglich vereinbaret Kündigungsfrist mithin eingehalten worden sei.

Anmerkung: Vorliegend ging es nicht um die Frage, ob das Kündigungsschreiben überhaupt zugegangen ist, sondern ob das vom Mitarbeiter der Deutschen Post AG angegebene Datum stimmte bzw. der Einwurf tatsächlich in den Briefkasten der Klägerin erfolgte. Zweifelhaft halte ich die Annahme eines Beweises des ersten Anscheins. Der Unterzeichner erlebt häufig fehlerhafte Zustellungen, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. So finden sich immer wieder (mindestens einmal in zwei Wochen) Schreiben im Kanzleibriefkasten, die nicht nur an eine Dritten adressiert sind, der im gleichen Haus tätig ist, sondern auch gänzlich andere Anschriften benennen. Privat wird in meinen Briefkasten ständig, im rechnerischen Schnitt 1,5 mal die Woche, die Post einer anderen Mitbewohnerin geworfen, wie auch meine Post bei ihr eingeworfen wird, was dazu führt, dass wir insoweit jeweils mit einer Verzögerung von mindestens einen Tag die Post empfangen (bei Eingabe auf Google „Fehlzustellungen der Post“ kann man sehr viele Beschwerden, die sogar Ortsgemeinden zum Tätigwerden veranlassten, finden). Auch was die Richtigkeit von Angaben der Mitarbeiter der Deutschen Post AG anbelangt, kann nicht nur im Hinblick auf die Fehleinwürfe nicht gefolgt werden. So hatte ich den letzten Monaten zwei Zustellungen im Büro, bei denen vermerkt war, dass niemand angetroffen worden sei und deshalb der Einwurf in den Briefkasten erfolge – obwohl das Büro von Montag bis Freitag ab spätestens sieben Uhr bis nach 18.00 Uhr besetzt ist und diese Zustellungen zwischen Montag und Freitag erfolgten. Beschwerden bei der Post der der Bundesnetzagentur als zuständig Aufsichtsbehörde bewirken, wie ich feststellte, nichts. Gleichwohl rate ich dringend an, bei festgestellten Fehlzustellungen (Sie bekommen ihre Post vom Nachbarn, bei dem der Einwurf erfolgte, oder Sie erhalten die Post Dritter pp.) dies sowohl gegenüber der Post als auch der Bundesnetzagentur zu monieren. Kommt es häufig bei Ihnen zu Fehlzustellungen, können sie damit möglicherweise den Anscheinsbeweis, der hier vom LAG angenommen wird, entkräften, unabhängig davon, dass ich der Annahme bin, dass der Anscheinsbeweis im Hinblick auf die Zunahme der Fehlleitungen nicht mehr greifen kann.

LAG Nürnberg, Urteil vom 15.06.2023 - 5 Sa 1/23 -

Sonntag, 7. Januar 2024

Die fakultative bzw. obligatorische Pflicht einer GbR zur Eintragung im Gesellschaftsregister

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (ModPeG) zum 01.01.2024 besteht nun auch für die GbR die Möglichkeit zur Eintragung im Gesellschaftsregister in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat (die nachfolgenden Angaben zu gesetzlichen Regelungen sind die ab 01.01.2024 geltenden neuen Regelungen nach dem ModPeG). Eingetragene Gesellschaften müssen den Zusatz “eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ bzw. „eGbR“ zum Namen hinzufügen, § 707a Abs. 2 S. 1 BGB. Mit ihrer Eintragung entstehen weitere Anmeldepflichten, so z.B. bei einem Gesellschafterwechsel oder einer Sitzverlegung, § 707 Abs. 3 BGB). Eine Löschung der Gesellschaft im Gesellschaftsregister ist nur bei einer Auflösung oder Vollbeendigung der Gesellschaft möglich, § 707a Abs. 4 BGB.

Grundsätzlich ist die Eintragung im Gesellschaftsregister fakultativ. Obligatorisch ist sie allerdings in dem Fall, dass die Gesellschaft im Grundbuch eingetragen werden soll, § 47 Abs. 2 GBO. Für eine bestehende Grundbesitz-GbR besteht erst zu dem Zeitpunkt die Pflicht zur Wahrung im Gesellschaftsregister, wenn eine Eintragung im Grundbuch erfolgen soll, Art. 229 § 21 EGBGB (kann (anderer Ansicht: Servatius, Gesellschaft bürgerlichen Rechts: GbR, § 713 Rn. 14).

Auch im Falle einer Veräußerung des Grundbesitzes soll bei einer am 01.01.2024 schon bestehenden GbR die Registrierung im Gesellschaftsregister vom Grundbuchamt gefordert werden, damit sie dann als Eigentümer gelöscht werden kann. Auch wenn die Sollvorschrift als Mussvorschrift anzusehen ist, deren Nichtbeachtung allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Eintragung führt (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rdn. 53 f), erscheint diese Anforderung als unnötig komplizierend: Handelt es sich bei der GbR um eine Liquidationsgesellschaft, würde die GbR sowohl im Grundbuch als auch im Gesellschaftsregister gelöscht.

Allerdings soll eine Änderung des Namens der bereits zum 01.01.2024 bestehenden GbR oder die Annahme eines solchen ohne Voreintragung im Gesellschaftsregister im Grundbuch eingetragen werden (BT-Drs. 19/27635 S. 216 f).

Eine Änderung des Gesellschafterbestandes (z.B. durch Erbschaft) vollzieht sich formlos und wird ohne Eintragung im Grundbuch wirksam. Nach der bisherigen Rechtslage wäre das Grundbuch zu berichtigen und der neue Gesellschafterbestand einzutragen. Dies wird nunmehr ausgeschlossen, Art. 229 § 21 Abs. 2 S. 1 EGBGB. Nach § 82 GBO, auf den Art. 229 § 21 Abs. 2 S. 2 EGBGB verweist, ist das Grundbuchamt im Falle der Änderung des Gesellschafterbestandes gehalten, von der GbR zu verlangen, die zur Berichtigung notwendigen Unterlagen zu beschaffen, was im Hinblick auf § 47 Abs. 2 GBO bedeutet, dass die GbR eine Voreintragung im Gesellschaftsregister vornimmt. Damit soll die Eintragung auch von zum 01.01.2024 grundbesitzhaltenden Gesellschaften aus Anlass von Gesellschafterwechseln (aus welchen Gründen dieser auch immer erfolgte) durchgesetzt werden (zweifelnd Schroetter, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach Inkrafttreten des MoPeG in ZfIR 2024, 1, 3).

Für den Fall der nachträglichen Voreintragung einer bereits zum 01.01.2024 bestehenden Gesellschaft stellt Art. 229 § 21 Abs. 3 EGBGB klar, dass deren Berücksichtigung keine Berichtigung des Grundbuches darstellt. Die Eintragung bedarf der Bewilligung der Gesellschafter, die vor dem 01.01.2024 im Grundbuch eingetragen waren, sowie der Zustimmung der eGbR, Art, 229 § 21 Abs. 3 S. 2 EGBGB.

Da die GbR auch ohne eine Eintragung im Gesellschaftsregister materiellrechtlich existiert, die Registrierung nur deklaratorisch erfolgt, dürfte sich eine zwingende Zurückweisung eines Eintragungsantrages bei dem Grundbuchamt ohne vorherige Monierung in einer Zwischenverfügung gem. § 18 Abs. 1 S. 1 GBO verbieten, sollte keine Voreintragung im Gesellschaftsregister vorliegen.


Mittwoch, 3. Januar 2024

Das „Balkonkraftwerk“ im Mietrecht

Die Mieter wollten auf dem zur Wohnung gehörenden Balkon eine Solaranlage aufstellen. Da der Vermieter die Genehmigung versagte, sahen sie sich zur Klage gezwungen. Das Amtsgericht (AG) differenzierte zwischen Fällen, bei denen der Vermieter die Zustimmung versagen kann und solchen, bei denen sie - wenn auch unter bestimmten Auflagen - erteilt werden muss.

Der mitvermietete Balkon würde dem Mieter zur freien Verfügung stehen, solange durch den gebrauch nicht Rechte des Vermieters oder anderer Mieter beeinträchtigt würden. Allerdings bestimme vorliegend § 10 des Mietvertrages, dass sämtliche Um- und Einbauten, Veränderungen jeder Art, insbesondere Installationen der Zustimmung des Vermieters bedürfen würden. Die Solaranlage (ein sogen. „Balkonkraftwerk“) würde - so das AG - stelle eine bauliche Anlage dar, wobei es nicht darauf ankäme, ob diese mir dem Objekt fest verbunden würde. Die von der Vermieterin versagte Genehmigung sei allerdings (wenn auch möglicher Auflage) zwingend zu erteilen. Zwar habe der Mieter keinen Anspruch auf Gestattung baulicher Veränderungen mit dem Ziel der Modernisierung; die Erteilung stehe im Ermessen des Vermieters, der dieses nicht willkürlich ausüben dürfe.

Der Willkürlichkeit der Versagung könnte Art. 14 GG entgegenstehen, wonach der Vermieter nach Belieben mit seinem Eigentum verfahren dürfe und von daher auch entscheiden könne, dass es bei dem zum Mietbeginn bestehenden Zustand verbleibe, was auch für das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes gelte. Für den Kläger sprächen die Gesichtspunkte, dass Solarstrom (wenn auch überschaubar) Kosten sparen würde, Erzeugung fossiler Brennstoffe mindere und damit das Balkonkraftwerl dem Gemeinwohl diene. Vorliegend sie dem Antrag auch eine Substanzbeeinträchtigung der Mietsache ausgeschlossen. Unerheblich sei die klägerische Erwägung zu einem umweltbewussten Leben der Bewohner ihres Quartiers, da sich dies nicht objektiv überprüfen lasse.

Vor diesem Hintergrund einer Interessensabwägung sei das Ermessen der Vermieterin unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbräuchlichkeit eingeschränkt: Die Vermieterin habe der Aufstellung und Nutzung einer Solaranlage in Bodenhöhe des Balkons zustimmen, könne aber zuvor Zahlung einer angemessenen Sicherheit für den Rückbau fordern.

Weitergehend könne nach derzeitiger Rechtslage aber nicht die Erteilung einer Genehmigung für eine Solaranlage mit an der Außenseite des Balkons angebrachten Solarmodulen verlangt werden, da dadurch schon (unabhängig von der Frage des rückstandsfreien Rückbaus) das äußere Erscheinungsbild des Mietobjekts gravierend beeinträchtigt würde.

AG Köln, Urteil vom 26.09.2023 - 222 C 150/23 -

Mittwoch, 20. Dezember 2023

Problem der Voreintragung bei Erbengemeinschaft für Aufteilung nach WEG

Die Erblasser waren zu je gleichen Teilen Eigentümer eines bebauten Grundstücks. Deren zwei Erben (zu je ½) erklärten sie zu notariellen Protokoll die Aufteilung des Grundbesitzes in Wohnungs- bzw. Teileigentum, dass der Auseinandersetzung des Vermögens der Erbengemeinschaft bzw. zur Erfüllung der testamentarisch angeordneten Auflage zur Begründung von Wohnungseigentum dienen sollte, wobei das so gebildete Sondereigentum 1 und 2 jeweils je einem Erben zugeordnet wurde. Sie beantragten beim Grundbuchamt den Vollzug der Teilungserklärung und die Eintragung der Erbauseinandersetzung sowie die Übergabe. Das Grundbuchamt lehnte den Vollzug der Teilungserklärung mit Zwischenverfügung gem. § 18 Abs. 1 GBO ab, da es einer Voreintragung der Erben als Eigentümer bedürfe. Dagegen erhoben die Erben unter Verweis auf § 40 GBO Beschwerde. Das Amtsgericht - Grundbuchamt - half der Beschwerde nicht ab.

Die Beschwerde wurde vom Beschwerdegericht (OLG) zurückgewiesen; es ging, wie das Grundbuchamt, davon aus, dass es einer Voreintragung der Erben als Eigentümer nach § 39 Abs. 1 GBO bedürfe.

Entscheidungserheblich war, ob für die Bildung des Wohnungseigentums die Erben zunächst als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden mussten. § 40 Abs. 1 GBO sieht eine Ausnahme von dieser Verpflichtung für Erben vor. Dieser Ausnahmefall wurde vorliegend vom OLG verneint.

§ 39 Abs. 1 GBO sei nach § 40 GBO nicht anzuwenden, wenn die Übertragung oder die Aufhebung eines Rechts eingetragen werden soll, wenn die Person, deren Recht durch eine Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten sei. In diesem Fall würde nach § 40 Abs. 1 GBO auf die Nachvollziehbarkeit der Kontinuität des Rechtsinhaberschaft im Grundbuch verzichtet; dem Erben sollen Kosten für seine vorherige Eintragung erspart werden und dem Grundbuchamt die Arbeit erleichtert werden, indem sachlich unnötige Eintragungen, an denen keiner der involvierten Personen ein Interesse habe, erspart würden, ferner die Übersichtlichkeit des Grundbuchs durch den Verzicht auf sofortgegenstandslos werdende Eintragungen verbessert werden. Allerdings sei § 40 Abs. 1 als Ausnahmeregelung des § 39 Abs. 1 GBO eng auszulegen, was allerdings grundsätzlich seine Anwendung auf rechtsähnliche Sachverhalte nicht ausschlösse (OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.09.2013 - 15 W 1799/13 -). Die Voreintragung des Erben könne nur bei Eintragung der Übertragung oder Aufhebung des Rechts, nicht aber bei sonstigen Eintragungen unterbleiben.

Die Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum nach § 3 oder § 8 WEG stelle keine Übertragung dar, sondern eine Inhaltsänderung, weshalb die Voreintragung erforderlich sei. Die Begründung des Wohnungseigentums, wonach das Grundstück in Miteigentumsanteile aufgeteilt würde und mit jedem Miteigentumsanteil das Sondereigentum an Wohnungen oder nicht zu Wohnzwecken bestimmten Räumen verbunden würde, bedürfe einer Erklärung des (zum Zeitpunkt des Vollzugs der Teilung auch im Grundbuch) eingetragenen Alleineigentümers. Dies bewirke die Teilung des Vollrechts und enthalte daher eine dingliche Verfügung über ein Recht an einem Grundstück. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) entstehe erst mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher und die Teilungserklärung sei bis zu diesem Zeitpunkt frei widerruflich (KG, Beschluss vom 08.12.2015 - 1 W 518/15 -).

Vorliegend würde durch die Teilung des im Eigentum der Erbengemeinschaft stehenden Grundstücks mit nachfolgender Übertragung des Wohnungseigentums auf die Erben in Vollzug der Aufhebung der Erbengemeinschaft bei dem in § 39 Abs. 1 GBO zum Ausdruck gebrachten Grundsatz der Grundbuchklarheit verbleiben; auf die Nachvollziehbarkeit der Kontinuität der Rechtsinhaberschaft im Grundbuch könne nicht verzichtet werden. Die für § 40 Abs. 1 GBO erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen seien nicht gegeben, da die Teilung des Grundstücks und Bildung von Wohnungseigentum eine Rechtsveränderung darstelle und keine Aufhebung des Eigentums; das (Allein-) Eigentum würde nicht aufgehoben, sondern in eine andere Eigentumsform umgewandelt.

Ob die teilweise vertretene Ansicht zutreffend sei, einer Voreintragung bedürfe es nicht, wenn die Übertragung gleichzeitig mit einer Inhaltsänderung erfolge, könne offen bleiben. Diese Konstellation läge nicht vor, da der Antrag nach § 8 WEG erst im Grundbuch vollzogen werden müsse und damit die Anlegung der Wohnungsgrundbücher konstitutiv für das Entstehen des Wohnungseigentums sei. Hier sei aber beabsichtigt, die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gerade dadurch vorzunehmen, dass das jeweilige Wohnungseigentum auf die Erben 1 und 2 übertragen würde. Es fehle an der Gleichzeitig der Eigentumsbegründung in der Person der jeweiligen Erben mit der Teilung im Grundbuch. Ohne Belang sei, dass die Anträge nach § 16 GBO verbunden seien.

§ 40 Abs. 1 GBO könne vorliegend auch nicht entsprechend angewandt werden, da es an einer hinreichenden Ähnlichkeit mit den gesetzlich geregelten Fällen ermangele. Der Vorgang sei auch nicht vergleichbar auf den Fall der Eigentumsumschreibung auf einen der Erben unter gleichzeitiger Eitragung einer der Finanzierung dienenden Grundschuld (dazu OLG Hamm, Beschluss vom 25.11.2022 - I-15 W 114/22 -).

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.07.2023 - 14 W 41/23 -

Sonntag, 17. Dezember 2023

Registeranmeldung durch künftigen Geschäftsführer

Die GmbH bestellte zum 01.05.2023 einen neuen gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer. Mit danach errichteter notarieller Urkunde vom 11.04.2023 meldeten der verbleibende gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer und der neue Geschäftsführer das Ausscheiden eines bisherigen gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführers und die Bestellung des neuen (ebenfalls gesamtvertretungsberechtigten) Geschäftsführers, jeweils zum 01.05.2023 an; weisungsgemäß sandte der Notar die Anmeldung erst am 04.05.3023 an das Registergericht. Dies lehnte den Antrag. Die dagegen eingelegte Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abhalf, war erfolgreich.

Das Amtsgericht hatte darauf abgestellt, dass der neue Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Angabe der Erklärung vor dem Notar noch nicht anmeldeberechtigt gewesen sei, da er erst zum 01.05.2023 berufen worden sei; nicht entscheidend sei der Zeitpunkt des Eingangs bei dem Registergericht. Das OLG als Beschwerdegericht nahm allerdings eine Befugnis des neuen Geschäftsführers zur Anmeldung nach § 39 GmbHG an.

Das Amtsgericht habe sich auf Rechtsprechung und Literatur zu Fällen bezogen, in denen der neue Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Vornahme der notariell beglaubigten Anmeldung noch nicht bestellt worden sei oder erst zu einem späteren Zeitpunkt noch ein sich auf die Geschäftsführung oder Vertretung auswirkender Gesellschafterbeschluss gefasst worden sei. Ein derartiger Sachverhalt läge nicht vor. Insbesondere sei der neue Geschäftsführer nicht erst nach der Anmeldung durch einen Gesellschafterbeschluss bestellt worden; lediglich sollte die Wirksamkeit der erfolgten Bestellung zu einem späteren Zeitpunkt eintreten. Den Abforderungen einer Anmeldeberechtigung genüge aber bereits eine aufschiebend bedingte Bestellung (LG Chemnitz, Beschluss vom 05.02.2008 - 2 HTK 56/08 -).

Auch der Verweis des Registergerichts auf den Beschluss des OLG Brandenburg vom 05.06.2012 – 7 Wx 13/12 – (in dem ausgeführt wurde, dass eine zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehende Befugnis, die nachfolgend entfällt, weiterhin zu einer Anmeldung berechtige) trage dessen Entscheidung nicht, da es hier darum nicht gegangen sei. Da die Eintragung keinen rechtsbegründenden Charakter habe, gelte der Grundsatz, dass der neu bestellte und noch nicht eingetragene Geschäftsführer ebenfalls anmeldeberechtigt sei.

Es sei daher ausreichend, dass der Notar die Anmeldung unmittelbar nach Eintritt der aufschiebend bedingten Bestellung (hier mithin kurz nach dem 01.05.2023) einreicht.

Anmerkung: Der Sachverhalt zur Gesamtvertretung der Geschäftsführer ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss des AG Arnsberg vom 23.05.2023 - HRB 8425 -. Wäre einer der verbliebene Geschäftsführer einzelvertretungsberechtigt gewesen, hätte sich die Frage der Vertretungsbefugnis für das Registergericht nicht gestellt. So aber stellte sich die Frage, ob der neu berufene Geschäftsführer bereits im April 2023 die Anmeldung (mit) vornehmen durfte.

OLG Hamm, Beschluss vom 15.06.2023 - 27 W 42/23 -

Freitag, 15. Dezember 2023

Ergänzungspflegschaft für minderjähriges Kind zur Abänderung des Unterhaltstitels ?

Die Beteiligten sind die nichtverheirateten Eltern des 15-jährigen N., die gemeinsam sorgeberechtigt sind. Der Vater, der sich in vollstreckbar verpflichtet hatte, 105% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersgruppe zu zahlen, hatte inzwischen wesentliche Teile der Betreuung, die zunächst bei der Mutter lagen, übernommen (wobei streitig war, ob ein symmetrisches Wechselmodell gelebt wurde), was zu einer Herabsetzung des Unterhalts auf den Mindestunterhalt führte. Vom Vater wurde gegen die Tochter ein unterhaltsabänderungsverfahren anhängig gemacht. Nach Anhörung hat das Amtsgericht im Wege einer einstweiligen Anordnung eine Ergänzungspflegschaft für die Tochter zur Vertretung im Unterhaltsverfahren eingerichtet. Auf die Beschwerde der Mutter wurde dieser Beschluss vom Oberlandesgericht aufgehoben.

Vom Grundsatz gelte das gemeinsame Sorgerecht gem. § 1626 Abs: 1 Nr. 1 BGB. Allerdings sei der Vater in Ansehung des von ihm eingeleiteten Unterhaltsabänderungsverfahren gegen seine Tochter gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2m, 181 BGB nicht mehr vertretungsberechtigt. Die Eltern seien nach § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB insoweit von der Vertretung ausgeschlossen, als ein Betreuer gem. § 1824 BGB von der Vertretung des betreuten ausgeschlossen sei. Nach § 1824 Abs. 2 BGB bliebe aber § 181 BGB unberührt. Danach könne ein Vertreter mit sich selbst im eigenen Namen kein Rechtsgeschäft vornehmen. Auch wenn im Prozessrecht § 181 BGB nicht direkt anwendbar sei, gelte doch, dass niemand in einem Prozess auf beiden Seiten Partei sein könne (BGH, Beschluss vom 11.12.1995 - II ZR 220/94 -). Dies wäre aber vorliegend der Fall, wenn der auf Abänderung des Unterhaltstitels gegen seine Tochter vorgehende Vater gleichzeitig diese zusammen mit ihrer Mutter vertreten würde.

Der dadurch bedingte Ausschluss des Vaters von der Vertretungsmacht bedinge aber nicht eine Ergänzungspflegschaft, da noch die Vertretungsmöglichkeit durch die Mutter alleine verblieben wäre. Die früher vertretene Auffassung, das bei einer gemeinsamen elterlichen Sorge und einem rechtlichem Ausschluss des Vaters von der Vertretung die Mutter nicht alleine vertreten könne und ein Ergänzungspfleger bestellt werden müsse, sei mit der Entscheidung des BGH im Beschluss vom 24.03.2021 - XII ZB 364/19 - aufgegeben worden. Die Mutter sie in diesen Fällen nur dann auch von der Vertretung ausgeschlossen, wenn in ihrer Person ein eigenes Vertretungshindernis bestünde.  Da die Eltern nicht miteinander verheiratet seien, läge ein solcher Fall nicht vor; §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1823 Abs. 1 Nr. 1, 3 BGB seien nicht anwendbar.

Auch sei es nicht veranlasst der Mutter gem. § 1629 Abs. 2 S. 3 iVm. § 1789 Abs. 2 S. 3, 4 BGB die elterliche Sorge zu entziehen, da zwischen ihrem Interesse und jenem des Kindes kein erheblicher Unterschied läge, vielmehr sogar eine vehemente Verteidigung des Unterhaltstitels durch die Mutter zu erwarten sei.

Damit käme es auf die streitige Frage nicht an, ob die Mutter nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB alleine vertretungsberechtigt sei, da sie die Obhut über das Kind ausübe, oder eine Alleinvertretung von Mutter (und Vater) ein symmetrisches Wechselmodell leben würden und keiner der Eltern die Obhut gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB ausübe.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 12.10.2023 - 12 UF 81/23 -