Freitag, 21. Juli 2023

Hausnotruf - Abgrenzung „haushaltsnahe Dienstleistung“ iSv. § 35a Abs. 1 S. 1 Alt. 2 EStG

Die klagende Rentnerin nahm im Streitjahr Leistungen einer Gesellschaft für ein Hausnotrufsystem in Anspruch; sie hatte ein Standardpaket mit Gerätebereitstellung und 24 Stunden Servicezentrale für € 288,00/Jahr gebucht. Nicht gebucht hatte sie u.a. den Sofort-Helfer-Einsatz an ihrer Wohnanschrift sowie die Pflege- und Grundversorgung. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung begehrte die Klägerin in Ansehung der gezahlten € 288,00 eine Steuermäßigung gem. . § 35a Abs. 1 S. 1 Alt. 2 EStG, die versagt wurde. Ebenso wurde der Einspruch der Klägerin vom Finanzamt (FA) zurückgewiesen. Die dagegen vor dem Finanzgericht erhobene Klage war erfolgreich, dich wurde dessen Urteil auf die Revision des FA aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Begriff „haushaltsnahe Dienstleistung“ sei im Gesetz nicht näher bestimmt, doch müsse, so der BFH, nach seiner ständigen Rechtsprechung eine hinreichende Näher zur Haushaltsführung vorliegen bzw. die Dienstleistung damit im Zusammenhang stehen. Es würde sich um hauswirtschaftliche Verrichtungen handeln, die gewöhnlich von Haushaltsmitgliedern oder entsprechend Beschäftigten erbracht und in regelmäßigen Abständen anfallen würden. Nach dem räumlich-funktionalen Haushaltsbegriff könne danach auch die Inanspruchnahme von Diensten jenseits der Grundstücksgrenze auf fremden Grund (z.B. Schneebeseitigung auf dem Bürgersteig) als haushaltsnahe Dienstleistung begünstigt sein.

Nicht begünstigt seien Leistungen die zwar für den Haushalt aber außerhalb des Haushalts erbracht würden. Zur Abgrenzung sei nicht erheblich, wo der Leistungserfolgt eintrete, ebensowenig könne auf den Leistungsort abgestellt werden.

Danach scheide hier eine Steuerermäßigung aus. Zwar läge den Aufwendungen eine haushaltsnahe Dienstleistung zugrunde. Das Hautnotrufsystem würde sicherstellen, dass die Klägerin, hält sie sich in ihrem Haushalt auf, im Bedarfsfall Hilfe rufen könne. Typischerweise würde eine solche Rufbereitschaft ansonsten von Haushaltsangehörigen ausgeübt. Allerdings wurde die Dienstleistung nicht im Haushalt der Klägerin erbracht.

Die Klägerin zahle nicht nur für die Bereitstellung der Technik, sondern im Wesentlichen für die Bereitstellung des Personals, welches die eingehenden Alarme bearbeite und Bezugspersonen verständige. Die Leistungen würden nicht in der Wohnung und damit nicht im Haushalt erbracht und es würde auch bei dem reinen Hausnotrufsystem (wie hier gebucht) keine Direkthilfe (Sofort-Helfer-Einsatz) erbracht, sondern ggf. als eigenständiger Leistung Dritter vermittelt.  Da die Leistung nicht im Bereich des Haushalts erfolgt sei (anders als in dem Sachverhalt zu dem Urteil des BFH vom 03.09.2015 - VI R 18/14 -, in dem im Bereich Betreutes Wohnen beschäftigte Pfleger einen Piepser bei sich gehabt hätten, der den Notfall sofort an sie weitergeleitet habe und die auch Notfall-Soforthilfe geschuldet hätten), käme die Steuerermäßigung nicht in Betracht.

BFH, Urteil vom 15.02.2023 - VI R 7/21 -

Mittwoch, 19. Juli 2023

Zum Nachweis der Haftung für einen Hund (Stellung eines Tierhalters/-aufsehers)

Die Klägerin machte geltend, der Schäferhund des Beklagten sei zunächst neben dem geleasten fahrenden Wagen der Klägerin gelaufen, dann an diesem hochgesprungen und habe dabei Dellen und Lackschäden verursacht. Der Beklagte bestritt die Aktivlegitimation und seine Tiehalter- und Tieraufsehereigenschaft / Haftung. Nach Beweisaufnahme wies das Amtsgericht die Klage ab.

Das Amtsgericht ließ letztlich trotz einer gewissen Annahme für eine Aktivlegitimation der Klägerin nach den Leasingbedingungen dahinstehen, ob die Klägerin zur Geltendmachung des Schadens legitimiert war, da jedenfalls die Klage sachlich unbegründet sei. Weder sei nach Vernehmung von Fahrerin und Beifahrerin des Fahrzeugs, der Tochter des Beklagten und Anhörung des zum Termin geladenen Sachverständigen (bei Besichtigung des Fahrzeugs während des Termins) der Beweis geführt worden, dass ein Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten bestünde, noch, dass der Schaden von einem Hund verursacht worden sei.

Die Tochter des Beklagten habe bestätigt, dass der Beklaget nicht Halter des Hundes gewesen sei, weshalb eine Haftung nach § 833 S. 1 BGB ausscheide. Für die Annahme einer Tierhaltereigenschaft sei eine Zuordnung des Tieres zur Lebens- oder Wirtschaftssphäre des Halters erforderlich, zu der insbesondere die Bestimmungsmacht über das Tier, die Nutzung und Kostentragung aus eigenem Interesse, das Verlustrisiko, die Übernahme von Versicherungsprämien etc. gehöre. Übereinstimmung hätten der Beklagte und die Zeugin angegeben, dass nicht nur der Hund im Eigentum der Zeugin stand, sondern auch unter ihrer Aufsicht und in ihrem Einflussbereich. Die Zeugin habe mit eigenem Hausstand auf dem Hof des Beklagten gewohnt und wäre daher auch in der Lage gewesen, die Versorgung und Aufsicht über den Hund wahrzunehmen. Aus dem Umstand, dass der Hund über die Haftpflichtversicherung des Beklagten versichert gewesen sei, folge auch nicht, dass der Beklagte die Aufsicht über den Hund übernommen habe und demgemäß Tieraufseher gem. § 834 BGB gewesen sei. Die Beweisaufnahme habe klar ergeben, „dass der Beklagte nichts mit dem Hund zu schaffen hatte“ wenn nicht die Zeugin längere Zeit (wie zur fraglichen Zeit nicht) abwesend war und Hund auf dem Hof verbleiben sei. 

Zudem sei nach dem Unfallrekonstruktionsgutachten zweifelhaft geblieben, dass die Kratzspuren und Eindellungen auf einen Kontakt mit dem Schäferhund zurückzuführen seien. Ein Verhaltend es Hundes ließe sich nach dem Gutachten nicht mit dem Schadensbild in Übereinstimmung bringen. 

AG Wolfach, Urteil vom 11.07.2023 - 1 C 33/23 -

Sonntag, 16. Juli 2023

Erfüllungseinwand trotz Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung ?

Problemkreise: Zahlung des Haftpflichtversicherers für beklagten Schädiger an Gläubiger  „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz dem Grunde und der Höhe nach sowie mit dem Vorbehalt der Verrechnung bzw. Rückforderung“; erfolgte die Zahlung mit Erfüllungswirkung ? Negative Feststellungsklage zum Rückforderungsvorbehalt: Begründetheit der Klage gegen den Versicherungsnehmer und Zulässigkeit der Klage gegen den Versicherungsnehmer (sogen. doppelrelevante Tatsache).

Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenversicherung, machte Regressansprüche gegen den Beklagten Schuldner aufgrund eines Schadens ihres Versicherten gemäß § 116 SGB X geltend. Im Berufungsverfahren war nur noch der vom Landgericht abgewiesene Klageantrag zu 2.  Streitgegenständlich, mit dem die Klägerin festgestellt wissen wollte, dass ein Rückforderungsanspruch des Beklagten im Hinblick auf eine von dessen Haftpflichtversicherung geleistete Zahlung auf den geltend gemachten Schaden nicht bestünde. Hintergrund war, dass der Haftpflichtversicherer im Rahmen der erfolgten Zahlung erklärte, dass die Zahlung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz dem Grunde und der Höhe nach sowie mit dem Vorbehalt der Verrechnung bzw. Rückforderung“ erfolge. Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin hin änderte das Oberlandesgericht (OLG) dahingehend ab, dass die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen würde, dass der Klageantrag zu 2. Unzulässig sei.

1. Zunächst musste sich das OLG damit auseinandersetzen, dass die Zahlung wie auch der Rückforderungsvorbehalt nicht vom Beklagten erfolgten, sondern von dessen Haftpflichtversicherer.

Zwar bestünde zwischen dem Beklagten und der Klägerin ein Rechtsverhältnis, da der Beklagte Schuldner der Schadensersatzforderung des Versicherten der Klägerin sei und diese Forderung im Hinblick auf die von der Klägerin erbrachten Leistungen auf die Klägerin gem. § 116 SGB X übergegangen sei. Sollet der Beklagte die Forderung zurückverlangen, würde auch bei der Klägerin ein Vermögensschaden in dieser Höhe eintreten.

Allerdings fehle es der Klägerin hier an einem Feststellungsinteresse gegenüber dem Beklagten, welches bei der negativen Feststellungsklage (wie hier) erfordere, dass sich der Beklagte der entsprechenden (Rück-) Forderung berühmen würde (diese also für sich beanspruche).  Fehle es daran sei die negative Feststellungsklage unzulässig. Vorliegend aber habe die Klägerin selbst nicht geltend gemacht, dass der Beklagte sich der Forderung berühmen würde, vielmehr vorgetragen, dass sie befürchte, dessen Haftpflichtversicherung könne die Zahlung zurückfordern.

2. Nur dann, wenn die Zahlung keine Erfüllung bewirke, käme ein rechtlich anerkanntes Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO an der begehrten Feststellung der Nichtberechtigung zur Rückforderung in Betracht, da damit klargestellt würde, ob der von ihr geltend gemachte Anspruch durch Erfüllung erloschen sei.

Der erklärte Vorbehalt würde hier der Erfüllungswirkung nicht entgegenstehen. Zu unterscheiden sei:

Wolle der Schuldner lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) entgegentreten und die Wirkung des § 814 BGB (keine Rückforderung bei Zahlung in Kenntnis der Nichtschuld) ausschließen und sich mithin die Möglichkeit der Rückforderung nach § 812 BGB offenhalten, so würde dies der Erfüllung nicht entgegenstehen (BGH, Urteil vom 24.11.2006 - LwZR 6/06 -); der Gläubiger habe nur einen Anspruch auf Erfüllung, nicht auf ein Anerkenntnis des Bestehens der Forderung. 

Leiste der Schuldner in der Weise unter Vorbehalt, dass den Leistungsempfänger in einem späteren Rückforderungsrechtsstreit auch die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs treffen solle, läge keine Erfüllung vor. Dies ist vor allem anzunehmen, wenn der Schuldner während eines Rechtsstreits zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahle und den Prozess gleichwohl fortsetzt, ferner dann, wenn er vorgerichtlich leistet, dies aber nur zur Abwendung eines empfindlichen Übels oder unter der Voraussetzung leiste, dass die Forderung zu Recht bestünde (BGH aaO).  In diesen Fällen bestünde ein rechtliches Interesse an der negativen Feststellungsklage (OLG Saarbrücken, Urteil vom 19.08.2003 - 3 U 109/03 -).

Der erklärte Vorbehalt sei nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Im Zweifel sei davon auszugehen, dass ein erfüllungsgeeigneter Vorbehalt gewollt sei, da dieser den Gläubiger auch zur Annahme der Leistung zwinge (Erman BGB, 16. Aufl. § 362 Rn. 13 mwN.).

Das Schreiben der Haftpflichtversicherung des Beklagten führe zum Ergebnis, dass dieses der ersten Fallgruppe unterfalle. Mit der Formulierung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ würde klargestellt, dass die Zahlung kein Anerkenntnis, auf welches die beklagte auch keinen Anspruch habe, darstelle. Gleiches gelte für die Formulierung „dem Grunde und der Höhe nach“. Ersichtlich habe der Haftpflichtversicherer die Anerkenntniswirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie den Rückforderungsausschluss gem. § 814 BGB vermeiden wollen, was zulässig sei. Es könne aus der Formulierung nicht geschlossen werden, dass die Beweislast für den Bestand der Forderung der Klägerin aufgebürdet bleiben sollte. Ausgeschlossen würden im Falle einer Rückforderung nur die Einwendungen des Anerkenntnisses und das Wissen des fehlenden Rechtsgrundes, während die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf den mangelnden Bestand der Forderung bei dem Schuldner verbliebe. Damit würde es vorliegend am Feststellungsinteresse der Klägerin ermangeln.

3. Weiterhin setzte sich das OLG damit auseinander, ob ein Feststellungsinteresse dann anzunehmen wäre, wenn man entgegen dem obigen Ergebnis eine Erfüllungswirkung verneinen und deshalb ein Feststellungsinteresse insoweit bejahen würde. Auch in diesem Fall würde ein Feststellungsinteresse der Beklagten hier nicht bestehen können, da der Beklagte für einen Rückforderungsanspruch nicht aktivlegitimiert wäre und deshalb ein Feststellungsurteil nicht geeignet sei, eine Rechtsunsicherheit und Gefahr der Rückforderung zu beseitigen.

Der Rückforderungsanspruch würde entgegen der von der Klägerin vertretenen Rechtsansicht nicht dem Beklagten, sondern dessen Haftpflichtversicherer zustehen, der die Zahlung aufgrund des Versicherungsverhältnisses mit dem Beklagten an die Klägerin erbracht habe. Es handele sich vorliegend nicht um die Leistung des Beklagten mittels der Haftpflichtversicherung als Dritter (wie in den Anweisungsfällen), sondern um die Zahlung der Haftpflichtversicherung an den Gläubiger des Versicherungsnehmers als Dritte gem. § 267 BGB. In dieser Konstellation stünde der Haftpflichtversicherung als leistende Dritte der Kondiktionsanspruch zu. Leiste der Haftpflichtversicherer die Entschädigung an den Gläubiger seines Versicherungsnehmers, um dessen Verpflichtung zu erfüllen, könne er seine Leistung auch bei dem Gläubiger kondizieren, wenn diesem in Wahrheit kein Anspruch zustünde (BGH, Urteil vom 28.11.1990 - XII ZR 130/89 -; BGH, Urteil vom 29.02.2000 - VI ZR 47/99 -).

Es sei davon auszugehen, dass - wie regelmäßig - der Beklagte als Versicherungsnehmer den Versicherungsfall seiner Haftpflichtversicherung gemeldet hab, damit diese etwaige berechtigte Ansprüche des Verletzten aufgrund Versicherungsvertrages für ihn erfüllt (Anm.: Nach den Versicherungsbedingungen obliegt regelmäßig dem Haftpflichtversicherer die  Erfüllung berechtigter bzw. die Abwehr nichtberechtigter Forderungen auf eigene Kosten). In der Schadensanzeige läge keine Anweisung, nicht einmal im weitesten Sinne eine Weisung, die dem Versicherungsnehmer auch nicht zustünde und an die auch der Versicherer nicht zu befolgen bräuchte. Der Versicherer prüfe neben dem Deckungsverhältnis (also Anspruch des Versicherungsnehmers aus einem Versicherungsvertrag gegen ihn) auch die Berechtigung des gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachten Anspruch. Erst bei positiver Feststellung eines Anspruchs des Gläubigers erfolge Zahlung auf die Schuld des Versicherungsnehmers (BGH, Urteil vom 28.11.1990 - XII ZR 130/89 -).

Gläubiger eines Rückforderungsanspruchs, dessen Nichtbestehen die Klägerin festgestellt wissen will, wäre mithin die Haftpflichtversicherung und nicht der Beklagte. Damit sei die Klage gegen den Beklagten (auch) unbegründet.

4. Bei der Frage der Anspruchsinhaberschaft handele es sich um eine sog. doppelrelevante Tatsache, dessen Fehlen sowohl die Zulässigkeit in Form des Feststellungsinteresses als auch die Begründetheit der Feststellungsklage betreffe. Die doppelrelevante Tatsache müsse schlüssig vorgetragen werden, mithin das Vorbringen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sein, die gewünschte Rechtsfolge herbeizuführen. Der Vortrag der Klägerin, der Beklagte sei aufgrund der Zahlung seines Haftpflichtversicherers Inhaber eines etwaigen Rückforderungsanspruchs und deshalb ein Feststellungsinteresse am Nichtbestehen eines Rückforderungsanspruch bestünde, sei aber unschlüssig. Die doppelrelevante Tatsache sei aber nicht nur zur Begründetheit sondern auch zur Zulässigkeit relevant.

Das Feststellungsinteresse fehle, da das angestrebte Urteil nicht geeignet sei, die Gefahr einer Rückforderung und die Unsicherheit der Rechtsposition der Klägerin zu beseitigen, da der Beklagte nicht Inhaber eines etwaigen Rückforderungsanspruchs sei (s.o. 2.). Mit einem Urteil könne nur festgestellt werden, dass nicht der Beklagte zur Rückforderung berechtigt sei, was aber keine Auswirkungen auf das Verhältnis der Klägerin zu der Haftpflichtversicherung habe, da die Rechtskraft des Urteils nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits (inter pares) wirke. Da damit mit der begehrten Feststellung die Rechtsunsicherheit nicht beseitigt werden könne, fehle es an dem Feststellungsinteresse und damit zur Zulässigkeit der Feststellungsklage.

OLG Frankfurt, Urteil vom 24.02.2023 - 4 U 155/22 -

Dienstag, 11. Juli 2023

(Fehlende) Signatur auf Schriftsatz und Verjährung

Der Kläger machte Schadensersatzansprüche geltend mit der Begründung, der Beklagte habe seiner Verkehrssicherungspflicht nicht genügt und deshalb habe er sich verletzt. Das Amtsgericht wies die Klage wegen Verjährung ab.  Dagegen wandte sich der Kläger erfolglos mit seiner Berufung.

Die Verjährung eines eventuellen Schadensersatzanspruchs des Klägers trat mit Ablauf des 31.12.2021 ein. Die Klage wurde am 25.12.2021 durch elektronische Übermittlung lediglich der ersten Seite der Klageschrift und der Anlagen zur Klageschrift durch an anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers bei dem zuständigen Amtsgericht eingereicht worden. Mit dem 27.12.2021 wurde der Kläger zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert. Unter dem 26.01.2022 wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgefordert seine ersichtlich unvollständige Klage zu vervollständigen, was er dann auch unter Überlassung der kompletten Klageschrift tat. Der Beklagte erhob u.a. die Einrede der Verjährung. Mit Verweis auf die eingetretene Verjährung wurde die Klage abgewiesen. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung. Mit Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 wies das Landgericht darauf hin, dass es beabsichtige seine Berufung zurückzuweisen. Nachdem der Kläger darauf innerhalb gesetzter Frist nicht reagierte, wies das Landgericht seine Berufung mit Beschluss vom 03.07.2023 unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 zurück.

Vom Grundsatz her war die Verjährung bei Einreichung einer Klage am 25.12.2021 noch nicht eingetreten, da Verjährungsablauf der 31.12.2021 war. Streitig war im Hinblick auf den Eintritt der Verjährung, ob die unvollständige Klage geeignet war, den Eintritt der Verjährung zu hemmen, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Vorliegend entsprach aber die Klageschrift, so wie sie eingereicht wurde, nicht den prozessualen Anforderungen, was erst nach dem Hinweis durch das Amtsgericht im Januar geheilt wurde.

Das Landgericht wies in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht darauf hin, dass ein elektronisches Dokument wie die Klageschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der den Schriftsatz verantwortenden Person versehen sein müsse oder aber von der verantwortenden Person (einfach) signiert sein müsse und ferner auf einem sicheren Übermittlungsweg (wie dem „besonderen elektronischen Anwaltspostfach“ (beA) eingereicht werden müsse, § 130a Abs. 3, Abs. 4 ZPO. Die Klageschrift, wie sie am 25.12.2021 auf einem sicheren Übermittlungsweg als elektronisches Dokument eingereicht wurde, war nicht qualifiziert signiert. Sie wurde nur mit einer Seite (der erste Seite) eingereicht, die auch nicht unterschrieben war.  Die einfache Signatur hätte hier bei der elektronischen Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg ausgereicht, wäre aber auch erforderlich gewesen, § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO.

Eine Ausnahme von dem Erfordernis der einfachen Signatur habe hier auch nicht vorgelegen. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hinwies, er sei, wie aus seinem Briefkopf auf der übermittelten Seite der Klageschrift ersichtlich sei, als Einzelanwalt tätig, rechtfertige dies nicht die Annahme einer Ausnahme. Der BGH habe zwischenzeitlich mit Beschluss vom 07.09.2022 - XII ZB 215/22 - entschieden, dass die einfache Signatur (z.B. durch maschinenschriftlichen Namenszug oder eingescannter Unterschrift) ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte Signatur die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung  ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringe, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Fehle es daran, sei das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht worden.  Auch wenn der Briefkopf darauf deute, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Kanzlei als Einzelanwalt betreibe, schließe dies nicht aus, dass ein angestellter Rechtsanwalt tätig sei, ohne auf dem Briefbogen benannt zu sein; auch könnten freiberufliche Rechtsanwälte in der Kanzlei tätig sein. Entsprechend habe zudem auch bereits zuvor das BAG das BAG am 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 - entschieden.

Das Fehlen des Namens am Ende des Dokuments (hier der ersten Seite) könne auch nicht durch einen eingangs des Dokuments benannten Namen des Rechtsanwalts ersetzt werden, da dennoch die Möglichkeit bestünde, dass der Schriftsatz von einer anderen Person (namentlich nichtanwaltlichen Personal oder einem externen Rechtsanwalt, der in anwaltlicher Vertretung tätig würde) stamme. Das könne ohne Beweisaufnahme nicht geklärt werden, die allerdings diesbezüglich ausgeschlossen sei.

Auch gehe die Annahme des Klägers fehl. Das Amtsgericht hätte ihn bereits im Zusammenhang mit der Übermittlung der Kostenrechnung  für den Gerichtskostenvorschuss auf die fehlende Wirksamkeit der Klageerhebung hinweisen müssen. Die Bearbeitung des Klageverfahrens erfolge gem. § 12 Abs. 1 S. 1 GKG erst nach Zahlung der angeforderten Gerichtskosten. Die Akte sei der Abteilungsrichterin des Amtsgerichts erst nach Eingang des Vorschusses am 25.01.2022 vorgelegt worden.

Anmerkung: Rechtsanwälte sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Schriftsätze (und dies gilt auch für bestimmende Schriftsätze wie die Klageschrift) als elektronische Dokument den Gerichten auf einem sicheren Übermittlungsweg zuzuleiten (§ 130a ZPO). Diese müssen signiert werden (regelmäßig am Ende des Dokuments eine Namensangabe des verantwortenden Rechtsanwalts) oder mit einer qualifizierten Signatur des verantwortenden Rechtsanwalts versehen sein.

LG Kassel, Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 - 1 S 177/22

Sonntag, 9. Juli 2023

„Fahrt ins Blaue“ und Minderung des Reisepreises

Die Klägerin machte Minderungsansprüche wegen mangelhafter Reisleistungen geltend. Sie buchte für 11 Personen eine als „Fahrt ins Blaue“ beworbene Busreise mit Hotelübernachtung für den Zeitraum 13. bis 15.03.2020. Zu Beginn der Reise wurde den Teilnehmern ein Reiseprogramm ausgehändigt, welches neben zwei Hotelübernachtungen in Hamburg, einer Führung im Speicherstadtmuseum und einer großen Hafenrundfahrt auch den Besuch des Musicals „Cirque du Soleil Paramour“ mit einer Veranstaltungsdauer von 2,5 Stunden vorsah. Am Nachmittag des Anreisetages wurde dann den Teilnehmern mitgeteilt, dass der Besuch des Musicals infolge Corona-Auswirkungen nicht stattfinde könne und statt dessen eine dreistündige Stadtrundfahrt durch Hamburg mit einer Reiseführerin stattfände.  Die Klägerin forderte eine Minderung von € 65 pro Teilnehmer (€ 715,00). Das Amtsgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin sprach das Landgericht der Klägerin € 320,00 zu. Die zugelassene Revision der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der Klägerin habe für die „Fahrt ins Blaue“ mangels näherer Angabe ein leistungsbestimmungsrecht für die Auswahl und Gestaltung zugestanden. Grundlage dafür sei nicht § 243 Abs. 1 BGB. Dies hätte eine Gattungsschuld vorausgesetzt. Eine solche läge nur vor, wenn die als gattungsmäßig in Betracht kommenden Leistungen durch gemeinsame Merkmale gekennzeichnet seien und sich dadurch von Gegenständen anderer Art abheben würden.  Bei einer „Fahrt ins Blaue“ fehle es an gattungsbestimmenden Markmalen, die die Aussonderung eines Leistungsgegenstandes mittlerer Art und Güte erlauben würden. Indem sich die Beklagte als Reiseleitung vorbehalten habe, die Reiseleistungen erst nach Abschluss des Reisevertrages festzulegen, habe sie sich ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB ausbedungen, dass sie mangels anderweitiger Vereinbarungen nach billigen Ermessen habe ausüben dürfen. Ein solches Recht könne auch bei Pauschalreiseverträgen vereinbart werden (BGH, Urteil vom 10.12.2014 - X ZR 24/13 - zu Abflugzeiten; etwas anderes gelte auch nicht für Reiseziele und Programmpunkte).

Die Leistungsbestimmung erfolge nach § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen teil (hier: Reisenden). Dies sei eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die unwiderruflich sei (BGH, Urteil vom 24.01.2022 - IX ZR 228/00 -). Vorliegend habe die Beklagte ihr Bestimmungsrecht nicht erst (konkludent) mit der tatsächlichen Leistungserbringung ausgeübt, sondern bereits mit der Aushändigung des Reiseprogramms bei Antritt der Busreise. Dort sei unter der Überschrift „Ihr persönliches Reiseprogramm“ der Besuch des Musicals als Höhepunkt der reise benannt. Anhaltspunkte dafür, dass das Reiseprogramm nur vorläufigen Charakter haben soll und einzelne Programmpunkte oder gar der Reisehöhepunkt austauschbar sein sollten, gebe es nicht. Bei verständiger Würdigung aus Empfängersicht habe die Mitteilung des Reiseprogramms als Festlegung des zuvor noch unbestimmten Inhalts der gebuchten „Fahrt ins Blaue“ aufgefasst werden dürfen.

Zu Recht habe das Landgericht im Berufungsverfahren den Ausfall des Programmpunktes Musical als minderungsberechtigten Reisemangel angesehen. Insoweit läge kein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit iSv. § 275 BGB vor.  Würde bei einer Pauschalreise eine nach dem Vertrag geschuldete Leistung aus Gründen, die nicht allein in der Person des Leistenden läge, ganz oder teilweise nicht erbracht, handele es sich grundsätzlich um einen Reisemangel (BGH, Urteil vom 20.03.1986 - VII ZR 187/85 -). Dabei sei ohne Belang, ob dem Reiseveranstalter ein Verschulden träfe oder ob die Erbringung aus Umständen nach Vertragsabschluss unmöglich geworden sei.

Die Stadtrundfahrt böte auch für den Musicalbesuch keine gleichwertige und gleichartige Ersatzleistung. 

Die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB würden nicht greifen. Das Pauschalreiserecht enthalte umfassende Regelungen über die Folgen von Störungen der erbrachten Leistung. Wie insbesondere § 651h Abs. 3 BGB zeige würden auch Störungen berücksichtigt, die auf außergewöhnliche, nicht vorhersehbare Umstände zurückzuführen seien. Eine ergänzende Heranziehung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage scheide daher aus.

Der Minderungsbetrag sei auch korrekt berechnet worden (wird ausgeführt).

BGH, Urteil vom 14.02.2023 - X ZR 18/22 -

Mittwoch, 5. Juli 2023

Schneefanggitter und sonstige Sicherungen vor Dachlawinen in schneearmen Orten (hier: Essen)

Wann sind Schneefanggitter an Dächern oder sonstige Sicherungsmaßnahmen gegen die Gefahr einer Schneeabgangs (Dachlawine) erforderlich ? Mit dieser Frage musste sich das OLG Hamm in Bezug auf eine Dachlawine in Essen (Nordrhein-Westfalen) auseinandersetzen.

Das Landgericht hatte den Schadensersatzanspruch des Klägers abgelehnt, mit dem dieser einen Schaden an seinem Pkw geltend machte, der durch eine Schneelawine, die vom Dach des Hauses der Beklagten stammte, beschädigt wurde. Er vertrat (auch im Berufungsverfahren) die Rechtsauffassung, die Beklagten hätten Schneefanggitter anbringen müssen.  Auch das Berufungsgericht folget ihm nicht und wies ihn mit dem hier besprochenen Beschluss darauf hin, dass es beabsichtige die Berufung mangels Erfolgsaussichten derselben im beschlussweg zurückwiesen zu wollen (§ 522 ZP). Dies geschah dann mit Beschluss vom 14.03.2023.

Der Kläger vertrag die Ansicht, in Ansehung des unberechenbaren Wetters durch den Klimawandel bestünde die Verpflichtung zum Anbringen von Schneefanggittern. Zu Recht habe das Landgericht darauf abgestellt, dass Essen zu den schneearmen Gegenden Deutschlands zähle, in denen nicht regelmäßig mit Dachlawinen zu rechnen sei und daher die Anbringung von Schneefanggittern „eher unüblich“ sei. Zwar könnte der klägerseits benannten Klimawandel vermehrt lokal zu extremen Wettergeschehen führen, doch haben der der Kläger weder dargelegt noch sei ersichtlich, dass der Klimawandel gerade in Essen zu einer signifikanten Zunahme von Schneefällen geführt hätte, dass deswegen nunmehr auch in Essen regelmäßig mit in den Wintermonaten wiederholt mit Dachlawinen zu rechnen sei. Auch sei vom Kläger nicht dargelegt worden, dass gerade in Bezug auf das Haus der Beklagten die Beschaffenheit des Daches oder Lage eine erhöhte Gefahr für Dachlawinen bestünde.

Das OLG hatte damit zur Frage der Anbringung von Schneefanggittern zur Vermeidung des Abgangs von Dachlawinen primär auf die Region abgestellt und darauf, ob mit solchen in Ansehung des üblichen Schneeaufkommens zu rechnen sei; vereinzelte mögliche „Wetterkapriolen“, die es im Hinblick auf den Klimawandel gibt, sah das OLG erkennbar nicht als ausreichend an, eine Gefährdungslage anzunehmen, die das Anbringen von Schneefanggittern gebietet.

Da das Dach des Hauses der Beklagten und aller Dächer im Ruhrgebiet mit Schnee bedeckt war, stellte der Kläger weiter darauf ab, hätte der Kläger zu seiner Auffassung, die Beklagten hätte einen Dritten mit der Räumung beauftragen müssen (eine Räumung durch die Beklagten selbst sei für diese zu gefährlich), darlegen müssen, dass die Beauftragung eines Dritten mit einer zeitnahen Räumung möglich gewesen wäre. Eines Beweisantrags der Beklagten für die Unmöglichkeit hätte es nicht bedurft. Zudem sei den Beklagten in Ansehung des notwendigen Aufbaus eines Gerüsts bzw. dem Einsatz eines Hubsteigers der Einsatz eines Dritten nicht zumutbar gewesen (OLG Hamm,  Beschluss vom 14.08.2012 - I-9 U 119/12 -). Nur wenn die Beklagten eine besonders hohe Gefahr für einen Schneeabgang festgestellt rechtzeitig vor dem Unfall festgestellt hätten (was hier nicht ersichtlich sei), wäre eine solche Maßnahme geboten gewesen. Allgemeine Warnhinweise auf wetter.de, andere Städte betreffenden Publikationen u.a. in den Ruhr-Nachrichten würden nicht ausreichen. Hier stellte das OLG mithin auf die konkreten, für die Beklagten feststellbaren Umstände an ihrem Haus und den Zeitfaktor ab.

Letztlich könne sich der Kläger auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass keine Absperrung erfolgt sei und auch keine Warnhinweise aufgestellt worden seien. Die Absperrung habe nur für das Haus erfolgen können; der beschädigte Pkw stand aber auf der öffentlichen Straße. Hier aber habe auch keine Verpflichtung zur Aufstellung von Warnhinweisen bestanden. Entsprechende Vorsorgemaßnahmen durch Warnhinweise seien im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht nur geboten, wenn die Gefahrenquelle trotz Anwendung der von Verkehrsteilnehmern zu erwartenden eigenen Sorgfalt nicht rechtzeitig erkannt werden könnten (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012 aaO.). Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs hätte bei der gebotenen Sorgfalt selbst die Neigung des Daches und dessen Schneebedecktheit und damit die latente Gefahr einen Dachlawinenabgangs feststellen können; bei derartigen Wetterverhältnissen, wie sie herrschten, müsse grundsätzlich jeder mit der Möglichkeit rechnen, dass von den Dächern Schnee oder Eis herabstürzen könne (OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2012 aaO. mwN.).

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 01.02.2023 - 11 U 67/22 -

Montag, 3. Juli 2023

Haftpflicht: Mitversicherung des volljährigen Kindes mit Berufsausbildung

Der Kläger begehrte von der Beklagten Deckungsschutz in Form der Freistellung zu einem Schadensfall. Bei der Beklagten handelte es sich um die Haftpflichtversicherung der Mutter des Klägers, der bereits volljährig war und eine abgeschlossene Berufsausbildung hatte. Das Landgericht wies seine Klage ab. Auf seine Berufung erließ das OLG einen Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO und wies darauf hin, dass beabsichtigt sei, seine Berufung zurückzuweisen, woraufhin er das Rechtsmittel zurücknahm.

Nach den Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) waren auch volljährige Kinder mit abgeschlossener Berufsausbildung mit in der Haftpflichtversicherung des Versicherungsnehmers (hier der Mutter des Klägers) mitversichert, wenn sie „in häuslicher Gemeinschaft“ mit dem Versicherungsnehmer leben.

In den Entscheidungsgründen wies das OLG darauf hin, dass vom Kläger nicht ausreichend dargelegt worden sei, dass er noch in den Versicherungsschutz der Haftpflichtversicherung seiner Mutter eingeschlossen gewesen sei. Nach den Versicherungsbedingungen sei nach den einschlägigen AHB für die Einbeziehung von volljährigen Kindern mit abgeschlossener Berufsausbildung Voraussetzung, dass sie mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben würden, sie auch dieselbe Meldeadresse wie der Versicherungsnehmer hätten.

Das bestehen derselben Meldeanschrift begründe aber nicht bereits die Annahme der häuslichen Gemeinschaft, wovon der Kläger ausging, der eine entsprechende Meldebescheinigung vorgelegt habe, aber weiteres zu den häuslichen Verhältnissen nicht mitteilte.  Die häusliche Gemeinschaft bestünde bei einem nicht ganz vorübergehenden Verhältnis der Wohngemeinschaft, das vor allem in einer einheitlichen Wirtschaftsführung zum Ausdruck käme; als Indizien benannte das OLG die zumindest teilweise gemeinsame Nutzung von Hausrat und Räumen, die Gewährung von Kost und Logis, die Dauer des gemeinsamen Wohnens und das Befinden persönlicher Gegenstände in der Wohnung.

Damit schloss sich das OLG den Urteilen des BGH vom 12.11.1985 - VI ZR 234/84 - und des Brandenburgischen OLG vom 18.08.2016 - 12 U 134/15 - an.  Der BGH hatte die Problematik der "häuslichen Gemeinschaft" in einem Fall des § 67 Abs. 2 VVG (heute: § 86 Abs. 2 VVG) getroffen, in dem er klären musste, ob die Person, gegen die sich der auf den Versicherer übergehende Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers richtet, mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebt, da die häusliche Gemeinschaft den Regress des Versicherers hindert. Der BGH wandte die vom OLG in der besprochenen Entscheidung benannten Merkmale an, um die Kriterien für eine solche festzustellen. Im Hinblick auf das Familienprivileg im Rahmen des Entschädigungsanspruchs des Sozialversicherers nach § 116 SGB X, welches die Geltendmachung des Anspruchs durch den Sozialversicherer hindert, setzte sich das Brandenburgische OLG auch mit der häuslichen Gemeinschaft als Kriterium des Familienprivilegs im obigen Sinne auseinander.

Da es an einer substantiierten Darlegung des Klägers zu der „häuslichen Gemeinschaft“ ermangelte, sah auch das OLG die Klage als nicht begründet an.  

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 04.04.2023 - 4 U 2595/22 -