Mittwoch, 13. Dezember 2017

Einziehung von Sachverständigenkosten nach Abtretung derselben

Die Klägerin, ein anerkanntes Inkassounternehmen, machte Forderungen eines Sachverständigen gegen die beklagte Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung geltend. Grundlage war die Erstellung eines Gutachtens durch den Sachverständigen für einen Unfallbeteiligten. Der Sachverständige ließ durch seinen Auftraggeber ein Auftragsformular unterschreiben, in dem zur Sicherung des Honorars des Sachverständigen dieser sich die Schadensersatzansprüche des Auftraggebers auf Erstattung der Sachverständigenkosten abtreten ließ.

Die Beklagte vertrat die Ansicht, die Abtretung  dieser Forderung würde einen Verstoß gegen §§ 1, Abs. 2 Nr. 1, 3 RDG darstellen und daher nichtig sein, § 134 BGB. Dem folgt der BGH nicht.

Der BGH ließ offen, ob es sich bei der Einziehung der abgetretenen Schadensersatzforderung um eine Rechtsdienstleistung handelt, ließ der BGH offen. Jedenfalls würde dies kein eigenständiges Geschäft im Sinne von § 5 RDG darstellen. Unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung zu Mietwagenunternehmen (so z.B. BGH vom 31.01.2012 - VI ZR 143/11 -) sei die Geltendmachung der abgetretenen Forderung auf Erstattung Mietwagenkosten durch das Mietwagenunternehmen dann nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt, wenn nur die Höhe der Mietwagenkosten streitig sei. Für den Sachverständigen könne nichts anderes gelten. Da vorliegend nur die Höhe der Sachverständigenkosten im Streit stand (insbes. also nicht die Haftung), dürfte der Sachverständige seine abgetretenen Honoraransprüche als Schadensersatz bei dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer geltend machen.

Bedenken hatte allerdings der BGH an der weiteren Zession durch den Sachverständigen an das Inkassounternehmen. Die Weiterabtretungsklausel,  nach der der Sachverständige „die vorstehend vereinbarte Forderung inkl. aller Nebenrechte und Surrogate zur Abtretung“ der Klägerin anbiete, enthalte nicht das Angebot auf Übertragung der dem Sachverständigen vom Geschädigten abgetretenen Schadensersatzansprüche. Entscheidend bei der Auslegung einer Formularklausel sei aber der Wortlaut. Ist damit unklar, ob auch die Schadensersatzansprüche mit abgetreten wurden, käme § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung (Zweifel gehen zu Lasten des Verwenders). Damit aber hatte sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt und mithin auch keine notwendigen Feststellungen getroffen, weshalb eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht erfolgte. Unklar blieb, wer Verwender der Klausel ist, ferner, ob die Beteiligten sich über die Auslegung einig waren.


BGH, Urteil vom 24.10.2017 - VI ZR 504/16 -

Sonntag, 3. Dezember 2017

Gewerberaum-Mietrecht: Unwirksamkeit der Schriftformheilungsklausel und treuwidrige Kündigung

Die Klägerin begehrte die Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen.  Beklagte hatte mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin am 08.12.1998 einen Mietvertrag geschlossen (der u.a. vorsah dass die Müllgebühren zu den vom Mieter zu tragenden Betriebskosten gehören) und am 11.10.2006 einen „1. Nachtrag zum Mietvertrag“. In dem Nachtrag wurde eine Indexierung vereinbart. Ferner enthielt der Nachtrag eine Regelung, dass den Parteien bekannt sei, dass „dieser Mietvertrag, der eine Laufzeit von mehr als einem Jahr hat… der Schriftform bedarf.“ Damit im Zusammenhang heißt es: „Sie verpflichten sich deshalb gegenseitig, auf jederzeitiges verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen, und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun. Dies gilt sowohl für den Mietvertrag, als auch sämtliche Nachtrags-, Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen.“

Mit der Klägerin wurde am 16.12.2009 ein 2. Nachtrag geschlossen, nach der die Mietzeit bis zum 31.05.2020 (mit Verlängerungsoption für den beklagten) verlängert wurde. Auch hier wurde eine Klausel in Bezug auf das ausdrücklich benannte Schriftformerfordernis nach § 550 BGB aufgenommen mit der Ergänzung dahingehend, bis zur Vornahme eventuell notwendiger Handlungen und Erklärungen das Mietverhältnis nicht unter Berufung auf die fehlende Schriftform zu kündigen. Mit einem Schreiben vom 15.01.2011 bat die Klägerin den Beklagten um eine Veränderung der Indexklausel, wonach statt 10%-Punkte nunmehr 5%-Punkte für eine Anpassung ausreichend sein sollten und der Beklagte dies mit dem handschriftlichen Zusatz „6% einverstanden“ zurücksandte.

Mit Schreiben vom 20.06.2014 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 31.12.2014. Im Berufungsverfahren legte sie ein Schreiben des Beklagten vom 24.12.2015 vor, mit dem dieser sich gegen die Abrechnung von Müllgebühren wandte mit Hinweis darauf, sich mit dem vormaligen Eigentümer geeinigt zu haben, dass für ihn eine Mülltonne nicht angeschafft würde.

Der BGH sah das Schriftformerfordernis des Vertrages, welches für die vereinbarte Mietzeit bis  2020 erforderlich wäre und der hier vorliegenden ordentlichen Kündigung entgegenstehen würde, als nicht gegeben an.  Er verwies darauf, dass das Schriftformerfordernis bedeute, dass sich alle wesentlichen Vertragsbedingungen  (so insbes. Mietgegenstand, Miethöhe, Mietdauer und Parteien) aus der von beiden Parteien zu unterzeichnenden Urkunde ergeben müsse. Ergibt sich dies nur aus möglichen Anlagen, sei eine zweifelsfreie Verbindung (die nicht notwendig körperlich sein müsse) erforderlich. Dem entsprächen die Bezugnahmen in den zwei Nachträgen und dem ursprünglichen Mietvertrag. Auch die Müllgebühren würden hier der Schriftformklausel nicht entgegenstehen, da der Beklagte ohnehin nur die Kosten zu tragen habe, die (für ihn auch) anfallen. Allerdings sei die Änderung der Indexierung nicht von der Schriftformklausel gedeckt, da hier (auch nicht gedanklich) auf die wesentlichen Grundlagen der vertraglichen Regelungen verwiesen wurde, sondern lediglich diese Klausel angesprochen wurde.

Dies konnte vorliegend nach Auffassung des BGH auch nicht durch die Schriftformklausel geheilt werden. Derartige Schriftformklauseln wären möglich, wenn z.B. in einem Vorvertrag ein langfristiges Mietverhältnis vereinbart worden wäre oder wenn bei nachträglichen Vereinbarungen dafür Sorge getragen werden solle, dass die Schriftform gewahrt wird und dadurch die langfristige Bindung gesichert würde. In diesen Fällen würde es darum gehen, den Vorgaben des Vorvertrages zu entsprechen und einen formwirksamen Vertrag zu schaffen oder um einem konkret befürchteten Formmangel entgegenzuwirken. Vorliegend sei dies aber anders. Hier sollte für jedweden fall des Verstoßes eine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Schriftform bestehen. Im Übrigen aber sei mit Blick auf den Schutzzweck des § 550 BGB die Schriftformheilungsklausel nicht wirksam abdingbar. Denn im Falle ihrer Gültigkeit würde der von ihr vorgesehene Übereilungsschutz ausgehöhlt und die wichtige Warnfunktion letztlich leerlaufen.  

Allerdings wäre dies hier für die Klägerin nicht weiterführend. Denn insoweit nahm der BGH einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) an. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben läge dann vor, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene Vereinbarung, die nur ihrem Vorteil diene, nur wegen der fehlenden Schriftform zum Anlas nähme, sich von einem ihr zwischenzeitlich als lästig angesehenen Mietvertrag zu lösen. Die Neureglung der Indexierung, für der es an der Schriftform fehlt, was sich auf den Mietvertrag insgesamt auswirkt, wäre hier für die Klägerin vorteilhaft gewesen, da die Erhöhung statt erst nach einer Indexänderung von 19%-Punkten schon ab (so die Zustimmung des Beklagten) 6%-Punkten möglich wurde.


BGH, Urteil vom 27.09.2017 - XII ZR 114/16 -

Donnerstag, 30. November 2017

Eigenbedarfskündigung, Anbietpflicht und „fliegender Wohnungswechsel“

Die Tochter der Klägerin bewohnte im Haus der Klägerin  im 4, OG eine 100qm große 4-Zimmer- Wohnung mit ihrem Ehemann. Die Beklagten waren Mieter einer ca. 170qm großen 6-Zimmer-Wohnung im EG und wohnten dort mit ihrer erwachsenen Tochter. Die Klägerin kündigte den Beklagten wegen Eigenbedarfs zur Nutzung durch ihre Tochter und legten dar, dass diese aus gesundheitlichen Gründen auf die Wohnung angewiesen sei. Der Kündigungsgrund wurde von den Beklagten bestritten.

Die Räumungsklage wurde vom Amtsgericht abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen. Im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens der Klägerin vor den BGH räumten die Beklagte und die Hauptsache wurde für erledigt erklärt. Der BGH entschied auf Kostenaufhebung, da der Kündigungsgrund streitig sei.

In der Sache hatte das Landgericht die Räumungsklage nicht deshalb zurückgewiesen, da der Kündigungsgrund nicht bestünde. Vielmehr ist das Landgericht davon ausgegangen, die Klägerin hätte den Beklagten die durch den Umzug der Tochter freiwerdende Wohnung im 4. G anbieten müssen. Dies, so der BGH, sei unzutreffend.

Der BGH verweist darauf, dass eine Anbietpflicht dann nicht bestünde, wenn bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine Wohnung nicht frei wird. Vorliegend wäre die Wohnung der Tochter der Klägerin erst mit deren Umzug in das EG und damit nach Ablauf der Kündigungsfrist frei geworden, weshalb die Klägerin diese Wohnung nicht hätte anbieten müssen. Eine solche Pflicht ließe sich auch nicht aus dem Gebot der Rücksichtnahme herleiten. Es könne entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht ein „fliegender Wohnungswechsel“ vom Vermieter erwartet werden; eine solche Erwartung beruhe auf einer einseitig an den Interessen des Mieters ausgerichteten, den Charakter der Rücksichtnahmepflichten grundlegend verkennenden Bewertung.

Dies würde ungeachtet der weiteren Frage gelten, ob hier nicht die Initiative von dem Mieter hätte ausgehen müssen, da die Wohnung im 4. OG nach Größe, Zuschnitt und Lage nicht ernsthaft als vergleichbar mit jener im EG angesehen werden könne.


BGH, Beschluss vom 19.07.2017 - VIII ZR 284/17 -

Mittwoch, 22. November 2017

Beschaffenheitsvereinbarung einer beauftragten Werkleistung ist durch Auslegung festzustellen

Der Beklagte beauftragte die Klägerin mit Malerarbeiten in einer Produktionshalle. Dort legte die Klägerin eine ca. 20mm² große Probefläche an, nachdem sie diese Fläche zunächst gereinigt und vorbereitet hatte. Die Fläche war dann schneeweiß. Nach Besichtigung erteilte der Beklagte den Auftrag. Als sich während der  Arbeiten Vergilbungen und Flecken zeigten, haben die Parteien einvernehmlich den Vertrag vor Fertigstellung aller Arbeiten aufgehoben. Der Beklagte verweigerte die Abnahme der erbrachten Leistungen wegen der Vergilbungen und begehrte Mangelbeseitigung. Die Schlussrechnung der Klägerin, bei der sie ordnungsgemäß die Abschlagszahlungen des Beklagten berücksichtigte, wurde von ihm nicht gezahlt. Das Landgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen; auf die Berufung gab ihr das OLG dem Grunde nach statt. Auf die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde die Revision vom BGH zugelassen und das Urteil aufgehoben sowie der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.

Der BGH geht in seiner Entscheidung mangels anderweitiger Feststellungen des OLG davon aus, dass sich die Parteien auf den Weiß-Farbton verständigt hätten, den die Probefläche hatte. Es sei nicht über eine mögliche Vergilbung gesprochen worden und der Beklagte habe auch über kein besonderes Wissen bezüglich der Vergilbung von Weißanstrichen verfügt.

Mangelhaft ist ein Werk, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit nicht hat, § 633 Abs. 2 S. 1 BGB. Zur Beschaffenheit würden alle Eigenschaften gehören, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Gegenstand der Beschaffenheit könne auch die Farbe des Anstrichs sein. Die Beschaffenheitsvereinbarung könne ausdrücklich getroffen werden oder durch schlüssiges Verhalten. Ob in diesem Sinn eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden sei, sei durch Auslegung zu ermitteln.

Die Auslegung von Willenserklärungen sei Angelegenheit des Tatrichters. Eine Überprüfung im Revisionsverfahren finde nur zur Prüfung statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, aberkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen. Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehöre der Grundsatz der beiderseitigen interessensgerechten Vertragsauslegung.

Danach halte die Auslegung des OLG revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Ergebnis des OLG, hinsichtlich der Farbstabilität habe es keine (konkludente) Beschaffenheitsvereinbarung gegeben, beruhe auf dem Verstoß gegen den Grundsatz der beiderseits interessensgerechten Vertragsauslegung. Hier sei die berechtigte Erwartung des Bestellers von Bedeutung. Mangels Erörterung eines Vergilbungsrisikos und mangels eigenen Fachwissens und der beträchtlichen Kosten der Malerarbeiten hätte dieser die berechtigte Erwartung hegen dürfen, dass nicht innerhalb eines Zeitraums von weniger als einem Jahr eine nicht unwesentliche Vergilbung auftritt. Da das OLG diesen bedeutsamen Gesichtspunkt nicht hinreichend gewürdigt habe, habe es zum Nachteil des Beklagten entschieden.

Das OLG müsse nunmehr klären, ob und ggf. wie der Beklagte von der Klägerin vor oder bei Vertragsschluss auf das Risiko hingewiesen worden sei und wie sich der Beklagte dazu ggf. geäußert habe.


BGH, Urteil vom 31.08.2017 - VII ZR 5/17 –

Montag, 20. November 2017

Betriebskostenabrechnung und deren formelle Ordnungsgemäßheit gem. § 556 BGB

Im Rahmen einer vom Landgericht zugelassenen Revision musste sich der BGH u.a. mit der Frage der Ordnungsgemäßheit von zwei Betriebskostenabrechnungen auseinandersetzen. Da das klageabweisende Urteil des Landgerichts erhebliche formelle Fehler aufwies, erfolgte eine Aufhebung und Zurückverweisung, wohl der Senat allerdings die Gelegenheit nutzte, dem Landgericht einige Hinweise zu erteilen, wohl erkennend, dass dieses hier fehlerhaft bei der rechtlichen Beurteilung vorgegangen sein könnte:

Die formelle Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung würde sich an den nach § 556 Abs. 3 S. 1 BGB entwickelten Kriterien orientieren, die das Landgericht außer Acht gelassen habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die an eine solche Abrechnung zu stellenden Anforderungen nicht überspannt werden dürften.  

Die ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung stelle sich als eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben dar, ohne dass zu hohe Anforderungen gestellt werden dürften. Entscheidend sei alleine, ob sie dem Mieter die Möglichkeit eröffne, die einzelnen Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil daran gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen. Grundsätzlich seien daher mangels anderweitiger Abreden für ein Mehrfamilienhaus anzugeben:

-          Zusammenstellung der Gesamtkosten
-          Angabe (und erforderlichenfalls Erläuterung) des Verteilungsschlüssels
-          Berechnung des auf den Mieter entfallenden Anteils
-          Abzug von geleisteten Vorauszahlungen

Dem seien die hier streitgegenständlichen Abrechnungen gerecht geworden. Es sei notwendig aber auch ausreichend, dass der Mieter die ihn treffenden Kosten bereits aus der Abrechnung ersehen und überprüfen könne und eine Einsichtnahme in belege nur noch der Kontrolle und Beseitigung von Zweifeln dienen würde.

Die Nachvollziehbarkeit für den Mieter sei hier auch nicht deswegen gestört gewesen, da der Mieter die auf der 3. Seite aufgeführten und ihn treffenden Kostenanteile nur habe nachvollziehen können, wenn er die auf den zwei vorherigen Seiten enthaltenen Angaben gedanklich zusammenführe. Denn der Zusammenhang würde sich auch einen Laien ohne weiteres erschließen: Auf der ersten Seite wären 15 genau bezeichnete Kostenpositionen aufgelistet, auf der zweiten Seite dann diese unter gleicher Bezifferung auf vier verschiedene Umlagearten (Nutzfläche, Einheiten, Techem, Wasser) aufgeschlüsselt worden. Auf der dritten Seite schließlich wären aus den Gliederungspunkten der zweiten Seite die Umlagearten tatsächlich mit den auf den Mieter entfallenden Beträgen benannt. Unschädlich sei, dass die auf den Mieter entfallenden Anteile bei der gewählten Abrechnungsweise  die auf den Mieter entfallenden Kosten nur zusammengefasst nach dem jeweiligen Umlageschlüssel und nicht für alle 15 Kostenpositionen getrennt aufgeführt wären.

Im Übirgen würde sich ein formeller Mangel auch nicht dadurch ergeben, dass bei der Treppenhausreinigung nicht der Umlageschlüssel Wohn- und Nutzfläche sondern Laden bzw. Wohneinheiten verwandt wurde, ebenso wie es unschädlich sei, dass in der Abrechnung 2013 bei wasser- und Kanalkosten zwei unterschiedliche Beträge benannt worden seien, von denen nur der höhere Betrag umgelegt worden sei. Für die entscheidende formelle Ordnungsgemäßheit sei es lediglich erforderlich, dass der Mieter wisse, welcher Abrechnungsmaßstab oder Betrag in Ansatz gebracht wurde; die Richtigkeit der gewählten Bemessungsgrundlage bzw. des ausgewiesenen und zugrunde gelegten Betrages ist keine Frage der formellen Ordnungsgemäßheit, sondern der davon unabhängigen Frage der inhaltlichen Ordnungsgemäßheit (die aber nichts mehr mit der Frist zur Vorlegung der formal ordnungsgemäßen Abrechnung binnen Jahresfrist gemäß § 556 Abs. 3 BGB  zu tun hat).  


BGH, Urteil vom 19.07.2017 - VIII ZR 3/17 -

Kaskoversicherung: Erstattung des Bruttowiederbeschaffungswerts bei Ersatzbeschaffung unabhängig vom Anfall von Umsatzsteuer

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Nach einem Unfallschaden mit Totalschaden des versicherten Fahrzeuges begehrt er von der Beklagten Zahlung von € 9.579,83 (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert und abzüglich Selbstbeteiligung). Tatsächlich hatte der Kläger Wiederbeschaffung Kosten mit netto € 64.500,00 oberhalb der Brutto-Wiederbeschaffungskosten aufgewandt.

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger den mit Umsatzsteuer berechneten Wiederbeschaffungswert zugrunde legen kann, wenn er für die Wiederbeschaffung (wie hier) keine Umsatzsteuer gezahlt hat, obwohl die Wiederbeschaffungskosten insgesamt höher waren als der zugrunde gelegte Bruttowert. Der diesen Erstattungsanspruch auf Bruttobasis negierenden Beklagten Versicherung folgte das Landgericht. Auf die Berufung des Klägers gab das OLG allerdings der Klage statt.

Das OLG sah einen Erstattungsanspruch auf Grund der dem versicherungsvertrag zugrundeliegenden AKB [hier: A.2.6.1.a), e) AKB 2013] als begründet an. Dabei verwies es auf eine eine ähnliche Klausel eines Versicherers (dort § 13 AKB) betreffende Entscheidung des Saarländischen OLG vom 28.01.2009 - 5 U 278/08 -, in der das Saarl. OLG zutreffend darauf hingewiesen habe, dass (wie vorliegend auch) die Klausel mit ausreichender Klarheit zum Ausdruck bringen würde, dass ebenso wie im Schadensrecht der tatsächlich aufgewandte Betrag bis zur Höhe des Bruttowiderbeschaffungswertes ersetzt werde, und zwar unabhängig davon, ob im Kaufpreis eine Regelumsatzsteuert, eine Differenzsteuer oder gar keine Umsatzsteuer enthalten sei. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer würde die Formulierung auf die fiktive Abrechnung beziehen, also den Fall, dass eine Ersatzbeschaffung oder Reparatur nach Vorlage eines Gutachtens doch nicht erfolge. Er käme nicht auf den Gedanken, dass im Falle eines Kaufs von Privat (ohne Anfall der Umsatzsteuer) dies von der Regelung in den AKB erfasst werde.

Ferner, so das OLG, müsse man auch den Fall bedenken, dass der Versicherungsnehmer ein Ersatzfahrzeug exakt zu dem Kaufpreis des ermittelten Wertes für das beschädigte Fahrzeug erwerbe, nur eben ohne Umsatzsteuerausweis sondern, da von Privat, auf Nettobasis. Er würde nicht auf den Gedanken kommen, dass ihm die Kosten nicht in voller Höhe erstattet würden, sondern die nach Gutachten ermittelte Umsatzsteuer fiktiv abgesetzt würde.

Darüber hinaus spräche auch der Zweck einer Kaskoversicherung für die Auslegung zu einen Gleichlauf mit der schadensrechtlichen Regelung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB. Der Versicherungsnehmer erstrebe mit dieser Versicherung regelmäßig nicht nur Schutz vor wirtschaftlich nachteiligen Folgen hinsichtlich des eigenen Fahrzeugschadens, sondern auch Befreiung vom Risiko der Durchsetzung beim Gegner bei unklarer Haftungslage. Er könne der an § 249 Abs. 2 S. 2 BGB angelehnten Klausel nicht entnehmen, dass der Umfang des Anspruchs gegen den Versicherer generell gegenüber dem Anspruch gegen den (alleine haftenden) Schädiger zurückbleibe.


OLG Celle, Urteil vom 06.10.2016 - 8 U 111/16 -

Samstag, 18. November 2017

Auslegung der Kostenregelung in einem gerichtlichen Vergleich

Der Kläger begehrte Maklergebühren wegen Vermittlung von Kaufverträgen über Eigentumswohnungen aus einem Bauvorhaben des Beklagten  und erhob eine Teilstufenklage. Nach Erörterung im Termin vor dem Landgericht schlossen die Parteien einen Vergleich, nach dem der Beklagte € 107.100,00 zur Abgeltung aller wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Bauvorhaben und einer dazu getroffenen Vereinbarung. Die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs, die gegeneinander aufgehoben wurden, sollte der Beklagte tragen. Der Kläger legte seinem Kostenfestsetzungsantrag für die termingebühr einen Wert von € 107.200,00 zugrunde, die Rechtspflegerin setzte sie allerdings nur aus einem Wert von € 10.000,00 fest. Die Beschwerde des Klägers und die zugelassene Rechtsbeschwerde blieben erfolglos.

Der BGH wies darauf hin, dass die Terminsgebühr nicht unter Einbeziehung der vom Vergleich umfassten, bis dahin jedoch nicht rechtshängigen Ansprüchen festzusetzen sei. Richtig sei zwar, dass durch die Erörterung nicht rechtshängiger Ansprüche mit dem Ziel einer Einigung die Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG aus einem Streitwert von € 107.100,00 entstanden sei. Daraus ergäbe sich aber nicht, in welchem Umfang die eine oder andere Partei nach einem Vergleichsschluss diese Kosten zu tragen habe. Entscheidend sei die im Vergleich getroffene Kostenregelung und ihre Auslegung, wobei ein Rückgriff auf § 98 ZPO wegen der Kostenvereinbarung ausscheide.

Vorliegend hätten die Parteien vereinbart, dass die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden sollten, also eine wechselseitige Erstattung nicht stattfinden sollte. Zwar werde die Auffassung vertreten, dass die Terminsgebühr insgesamt zu den Kosten des Rechtsstreits zähle und unabhängig vom Vergleichsabschluss anfalle;  aber es werde auch die Ansicht vertreten, dass die nur durch die Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche in den Vergleich entstehenden Teile der Verfahrens- und Terminsgebühr nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Wert regelmäßig zu den Kosten des Vergleichs gehöre würden.

Der letzteren Ansicht folgt der BGH. Es sei zwischen der Entstehung der Terminsgebühr und ihrer Erstattung aufgrund der Kostenregelung im Vergleich zu unterscheiden. Die Terminsgebühr würde unabhängig vom Vergleichsschluss nur in Höhe der bis zum Beginn der Erörterungen über den Vergleichsabschluss bereits rechtshängigen Ansprüche anfallen. Ohne den Willen der Parteien, eine umfassende vergleichsweise Regelung zu finden, käme es nicht zu einer Erörterung dieser weiteren Ansprüche und würde deswegen auch keine erhöhte Terminsgebühr anfallen.


BGH, Beschluss vom 14.06.2017 - I ZB 1/17 -