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Sonntag, 3. Dezember 2017

Gewerberaum-Mietrecht: Unwirksamkeit der Schriftformheilungsklausel und treuwidrige Kündigung

Die Klägerin begehrte die Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen.  Beklagte hatte mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin am 08.12.1998 einen Mietvertrag geschlossen (der u.a. vorsah dass die Müllgebühren zu den vom Mieter zu tragenden Betriebskosten gehören) und am 11.10.2006 einen „1. Nachtrag zum Mietvertrag“. In dem Nachtrag wurde eine Indexierung vereinbart. Ferner enthielt der Nachtrag eine Regelung, dass den Parteien bekannt sei, dass „dieser Mietvertrag, der eine Laufzeit von mehr als einem Jahr hat… der Schriftform bedarf.“ Damit im Zusammenhang heißt es: „Sie verpflichten sich deshalb gegenseitig, auf jederzeitiges verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen, und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun. Dies gilt sowohl für den Mietvertrag, als auch sämtliche Nachtrags-, Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen.“

Mit der Klägerin wurde am 16.12.2009 ein 2. Nachtrag geschlossen, nach der die Mietzeit bis zum 31.05.2020 (mit Verlängerungsoption für den beklagten) verlängert wurde. Auch hier wurde eine Klausel in Bezug auf das ausdrücklich benannte Schriftformerfordernis nach § 550 BGB aufgenommen mit der Ergänzung dahingehend, bis zur Vornahme eventuell notwendiger Handlungen und Erklärungen das Mietverhältnis nicht unter Berufung auf die fehlende Schriftform zu kündigen. Mit einem Schreiben vom 15.01.2011 bat die Klägerin den Beklagten um eine Veränderung der Indexklausel, wonach statt 10%-Punkte nunmehr 5%-Punkte für eine Anpassung ausreichend sein sollten und der Beklagte dies mit dem handschriftlichen Zusatz „6% einverstanden“ zurücksandte.

Mit Schreiben vom 20.06.2014 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 31.12.2014. Im Berufungsverfahren legte sie ein Schreiben des Beklagten vom 24.12.2015 vor, mit dem dieser sich gegen die Abrechnung von Müllgebühren wandte mit Hinweis darauf, sich mit dem vormaligen Eigentümer geeinigt zu haben, dass für ihn eine Mülltonne nicht angeschafft würde.

Der BGH sah das Schriftformerfordernis des Vertrages, welches für die vereinbarte Mietzeit bis  2020 erforderlich wäre und der hier vorliegenden ordentlichen Kündigung entgegenstehen würde, als nicht gegeben an.  Er verwies darauf, dass das Schriftformerfordernis bedeute, dass sich alle wesentlichen Vertragsbedingungen  (so insbes. Mietgegenstand, Miethöhe, Mietdauer und Parteien) aus der von beiden Parteien zu unterzeichnenden Urkunde ergeben müsse. Ergibt sich dies nur aus möglichen Anlagen, sei eine zweifelsfreie Verbindung (die nicht notwendig körperlich sein müsse) erforderlich. Dem entsprächen die Bezugnahmen in den zwei Nachträgen und dem ursprünglichen Mietvertrag. Auch die Müllgebühren würden hier der Schriftformklausel nicht entgegenstehen, da der Beklagte ohnehin nur die Kosten zu tragen habe, die (für ihn auch) anfallen. Allerdings sei die Änderung der Indexierung nicht von der Schriftformklausel gedeckt, da hier (auch nicht gedanklich) auf die wesentlichen Grundlagen der vertraglichen Regelungen verwiesen wurde, sondern lediglich diese Klausel angesprochen wurde.

Dies konnte vorliegend nach Auffassung des BGH auch nicht durch die Schriftformklausel geheilt werden. Derartige Schriftformklauseln wären möglich, wenn z.B. in einem Vorvertrag ein langfristiges Mietverhältnis vereinbart worden wäre oder wenn bei nachträglichen Vereinbarungen dafür Sorge getragen werden solle, dass die Schriftform gewahrt wird und dadurch die langfristige Bindung gesichert würde. In diesen Fällen würde es darum gehen, den Vorgaben des Vorvertrages zu entsprechen und einen formwirksamen Vertrag zu schaffen oder um einem konkret befürchteten Formmangel entgegenzuwirken. Vorliegend sei dies aber anders. Hier sollte für jedweden fall des Verstoßes eine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Schriftform bestehen. Im Übrigen aber sei mit Blick auf den Schutzzweck des § 550 BGB die Schriftformheilungsklausel nicht wirksam abdingbar. Denn im Falle ihrer Gültigkeit würde der von ihr vorgesehene Übereilungsschutz ausgehöhlt und die wichtige Warnfunktion letztlich leerlaufen.  

Allerdings wäre dies hier für die Klägerin nicht weiterführend. Denn insoweit nahm der BGH einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) an. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben läge dann vor, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene Vereinbarung, die nur ihrem Vorteil diene, nur wegen der fehlenden Schriftform zum Anlas nähme, sich von einem ihr zwischenzeitlich als lästig angesehenen Mietvertrag zu lösen. Die Neureglung der Indexierung, für der es an der Schriftform fehlt, was sich auf den Mietvertrag insgesamt auswirkt, wäre hier für die Klägerin vorteilhaft gewesen, da die Erhöhung statt erst nach einer Indexänderung von 19%-Punkten schon ab (so die Zustimmung des Beklagten) 6%-Punkten möglich wurde.


BGH, Urteil vom 27.09.2017 - XII ZR 114/16 -