Donnerstag, 3. November 2016

Stille Gesellschaft mit Minderjährigen und zur steuerlich beachtlichen Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages

Die „& Still“ wird zu verschiedenen Zwecken eingesetzt, sei es, um sich außerhalb der eigentlichen Gesellschaft Finanzierungsmittel zu besorgen, sei es, um Steuern zu sparen. Vorliegend war (wohl) Hintergrund der Gründung der stillen Gesellschaft das Bestreben, Einkünfte auf Dritte (die minderjährigen Gesellschafter) zu verlagern und damit Steuern zu sparen.


Der Kläger ist Einzelunternehmer. Mit gleichlautenden Verträgen begründete er mit seinen damals zwei minderjährigen Kindern stille Gesellschaften. Die Haftung der stillen Gesellschafter (der Kinder) gegenüber Dritten war ausgeschlossen und im Innenverhältnis auf die Höhe der Beteiligung beschränkt, wobei der Kläger die Einlage seiner Kinder durch Schenkung derselben an diese (im Rahmen des steuerlichen Freibetrages für Schenkungen an Kinder) erbrachte.  Beide Verträge enthielten ein strafbewehrtes Wettbewerbsverbot, demzufolge den stillen Gesellschaftern untersagt wurde, sich während der Dauer des Gesellschaftsverhältnisses an einem Unternehmen zu beteiligen oder ein Konkurrenzunternehmen zu gründen oder zu erwerben. Die Gewinnbeteiligung wurde mit jeweils 12,5% vereinbart.

In den Streitjahren 2003 bis 2005 erzielte der Kläger gewerbliche Einnahmen. Das Finanzamt erkannte in Folge einer Betriebsprüfung die als Betriebsausgaben gebuchten Gewinnanteile der stillen Gesellschafter nicht an und berücksichtigte sie als Privatentnahmen des Klägers. Der gegen die Entscheidung des Finanzamtes erhobenen Klage gab das Finanzgericht statt. Die Berufung des Finanzamtes führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung.

Der BFH wies darauf hin, dass es bei der steuerlich relevanten Vereinbarung von Familienangehörigen  auf die Ernsthaftigkeit und die Gewähr ihrer tatsächlichen Durchführung für die Dauer der Gültigkeit der Vereinbarung ankäme. Ein Beweiszeichen für die Ernsthaftigkeit wäre, dass keine Zweifel an der zivilrechtlichen Gültigkeit der Vereinbarung  aufkommen können. Die Nichtbeachtung bestimmter Formvorschriften würde hingegen ein Indiz für die fehlende Ernsthaftigkeit sein.

Vorliegend sei bedeutsam, dass eine Vereinbarung eines Elternteils mit seinen beschränkt geschäftsfähigen Kindern (§ 106 BGB) nach §§ 107, 108 Abs. 1 BGB der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedürfen. Das gesetzliche Sorgerecht der Eltern nach § 1629 Abs. 1 S. 1 BGB schließt Geschäfte aus, für die auch ein Vormund keine Vertretungsmacht hat, insbesondere Insichgeschäfte, §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB. In diesen Fällen ist die Einwilligung durch seinen vom Gericht zu bestellenden Ergänzungspfleger erforderlich, §   1909 Abs. 1 S. 1 BGB.

Allerdings gilt die benannte Regelung nur für den Fall, dass der Minderjährige aus dem Rechtsgeschäft nicht lediglich rechtliche Vorteile herleiten kann. Ob dies der Fall ist müsse unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 107 BGB festgestellt werden. Die Norm diene in erster Linie dem Schutz des Vermögens des Minderjährigen. Da wirtschaftliche Folgen aber schwer fassbar sein könnten, würde die Norm an das formale Kriterium des rechtlichen Nachteils anknüpfen, da dies in der Regel die Vermögensgefährdung indiziere.

Vorliegend wären insoweit jedenfalls die erheblichen rechtlichen Verpflichtungen der Minderjährigen zu berücksichtigen, die sich aus dem Verbot weiterer Beteiligungen und des Erwerbs von Konkurrenzgesellschaften bzw. deren Gründung ergäben. Mit diesen Wettbewerbsbeschränkungen würden die Minderjährigen erheblich in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt.

Da die Verträge damit an der formalen Voraussetzung der Einwilligung eines vom Gericht zu bestellenden Ergänzungspflegers leiden würden, wären sie schwebend unwirksam. Eine nachträgliche Genehmigung durch die zwischenzeitlich volljährigen Kinder für den Streitzeitraum nicht bewirken können, da die Genehmigung insoweit jedenfalls steuerlich nicht rückwirkend  zur Heilung des formalen Mangels führen könne.


BFH, Urteil vom 12.05.2016 – IV R 27/13 -

Mittwoch, 2. November 2016

§ 11 RVG: Prüfung der Kostenrechnung des eigenen Anwalts durch das Streitgericht

LG Köln
Wenn der Mandant ganz oder teilweise in einem Rechtsstreit unterliegt oder das Mandat vorzeitig gekündigt wird, ist er regelmäßig gehalten, die Kosten seines eigenen Anwalts zu tragen. Wie aber kann er feststellen, ob die Abrechnung ordnungsgemäß ist ?


In einem Verfahren vor dem LKG Köln  3 O 552/09 wurde die Antragstellerin von den Antragsgegnern anwaltlich vertreten. Zum Zeitpunkt der Mandatskündigung im Januar 2013 durch die Antragstellerin hatte diese an die Antragsgegner bereits eine Verfahrens- und Terminsgebühr aus einem Streitwert von € 13.600 gezahlt. Im August 2014 stellten die Antragsgegner der Antragstellerin weitere gebühren in Rechnung, und zwar nunmehr berechnet aus einem Streitwert von € 30.000,00, wobei sie zur Begründung ausführten, dass sie angesichts der immensen Verletzungen der Antragstellerin davon ausgehen würden, dass der Wert von € 13.600,00 zu niedrig angesetzt sei.

Die Antragstellerin legte die Rechnung im verfahren 5 O 552/09 vor und beantragte die Feststellung, dass nicht aus einem Wert von € 30.000,00 abgerechnet werden könne. Der Rechtspfleger lehnte dies mit Hinweis darauf ab, dass § 11 RVG lediglich der vereinfachten Festsetzung der Anwaltsgebühren gegen den eigenen Mandanten diene und nicht dazu, „irgendwelche Ansichten des Mandanten an sich beschlussmäßig festzustellen“. Auf die Beschwerde der Antragstellerin, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hatte, änderte das OLG den Beschluss ab und gab ihm statt.

Das OLG wies darauf hin, dass § 11 RVG auch den Weg öffne, den Vergütungsanspruch des Anwalts bzw. seine Honorarrechnung in einer schnellen und kostengünstigen Weise prüfen zu lassen. Dabei sei der Antrag darauf zu richten, dass dem Anwalt die von ihm berechnete Vergütung ganz oder teilweise nicht zustünde. Dies sei vorliegend erfolgt. Da das Landgericht im übrigen mit Urteil vom 31.03.2015 zwischenzeitlich den Streitwert endgültig auf € 13.600,00 festgesetzt hätte, sei dies auch hier bindend und könnten die Antragsgegner nicht weitergehende Gebühren aus einem Wert von € 30.000,00 begehren.


OLG Köln, Beschluss vom 15.06.2015 – 17 W 330/14 -

Maklerprovision bei Ausübung eines Vorkaufsrechts

Die Klägerin war für den Bruder des Beklagten mit der Vermittlung eines Kaufinteressenten für seinen hälftigen Erbteil am Nachlass seiner Mutter  beauftragt. Infolge der Vermittlung kam es zum Abschluss eines Erbteilkaufvertrages. Der Beklagte machte gegenüber dem Käufer und seinem Bruder von seinem Vorkaufsrecht (§ 2034 BGB) Gebrauch. Die daraufhin von der Klägerin geforderte Maklerprovision zahlte er nicht. Ihre Klage war in allen Instanzen erfolglos.


Der BGH wies darauf hin, dass eine Verpflichtung des Vorkaufsberechtigten zur Zahlung einer Maklerprovision nur begründet werden könnte, wenn sich die Pflicht zur Zahlung der Provision direkt aus dem Kaufvertrag und nicht lediglich aus einem gesonderten Maklervertrag ergäbe. Dies deshalb, da der Vorkaufsberechtigte lediglich nach Maßgabe des Vertrages übernimmt, in dem er eintritt, § 464 Abs. 2 BGB. Diesem Erfordernis entsprach vorliegend der Erbteilkaufvertrag.

Allerdings hatte das Berufungsgericht angenommen, dass sich die Regelung zur Maklerprovision nicht im üblichen Rahmen gehalten habe und von daher den Beklagten nicht verpflichten könne. Dem folgt der BGH. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 465 BGB, mittels der der Kauf von der Nichtausübung eines Vorkaufsrechts abhängig gemacht werden soll, gegenüber dem Vorkaufsberechtigten unwirksam ist, ist nach Darlegung des BGH auch kein Raum für die Anwendung des § 464 Abs. 2 BGB im Falle einer unüblich hohen Maklerprovision. Eine Verpflichtung zur Provisionszahlung könne nach § 464 Abs. 2 BGB nur angenommen werden, wenn der Verkäufer ein eigenes Interesse an der Provisionszahlung des Käufers habe und sich die getroffene Provisionsvereinbarung im üblichen Rahmen hält.

Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist durch Auslegung zu ermitteln. Vorliegend hatte das Berufungsgericht auf die übliche regionale Provisionshöhe abgestellt, die bei 6% zzgl. Mehrwertsteuer läge und hier mit über 10% bei weitem überschritten wurde (€ 29.750,00 bei einem Kaufpreis von € 260.000,00) angesehen. Die dagegen von der Revision eingewandten Umstände waren nicht geeignet, eine andere Sicht zu belegen. Soweit von der Revision geltend gemacht wurde, die Klägerin habe Grundrisspläne vom Haus organisiert und eine Mieterliste erstellt, gehöre dies zu den typischen Aufgaben eines Maklers; diese typischen Aufgaben ließen sich nicht mit den Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach § 10 Abs. 3 Nr. 1 MaBV gleichstellen bzw. darauf reduzieren.

Der BGH folgte auch dem Berufungsgericht in der Auffassung, dass eine Herabsetzung der überhöhten Maklerprovision entsprechend § 655 BGB ausgeschlossen sei. § 655 BGB beträfe Dienstverträge und sei erst vom Reichstag aufgenommen worden, wobei zuvor eine alle Maklerverträge betreffende Regelung beabsichtigt gewesen sei. Damit aber habe der Gesetzgeber durch die bewusste Beschränkung der Regelung deren Ausnahmecharakter betont mit der Folge, dass sich eine entsprechende Anwendung auf andere Maklerverträge verbietet. Im übrigen käme auch eine Herabsetzung nach den üblichen Regeln bei Verstoß gegen ein preisrechtliches Verbotsgesetz nicht in Betracht, da die Ausnahmeregelung des § 134 Halbsatz 2 BGB vorliegend nicht greife. Die Preisvorschriften sollen nur vor der Vereinbarung überhöhter Vergütungen schützen; vorliegend aber gehöre die Vereinbarung einer ungewöhnlich hohen Maklerprovision aber wesensmäßig nicht zum Kaufvertrag weshalb die Ausnahmeregelung des § 134 Halbsatz 2 BGB bei Anwendung vorliegend in ihr Gegenteil verkehrt würde.


BGH, Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 5/15 -

Dienstag, 1. November 2016

WEG: Vollstreckung gegen ehemaligen Verwalter wegen Erstellung Jahresabschluss und Wirtschaftsplan

Die Wohnungseigentümer (Gläubiger) erwirkten gegen ihren ehemaligen Verwalter (Schuldner), dessen Tätigkeit erst Ende 20914 endete,  ein vollstreckbares Anerkenntnisurteil vom November 2014, demzufolge der Verwalter verpflichtet wurde die Jahresabrechnungen für 2011, 2012 und 2013 sowie den Wirtschaftsplan für 2014 zu erstellen.  Nachdem der Verwalter seiner Verpflichtung aus dem Urteil nicht nachkam, beantragten die Gläubiger im Rahmen der Zwangsvollstreckung die Ermächtigung, die Verpflichtung aus dem Urteil durch eine von ihnen zu beauftragende Hausverwaltung vornehmen zu lassen, § 887 Abs. 1 ZPO. Dem gab das Amtsgericht statt. Auf die Beschwerde des Schuldners hob das Beschwerdegericht die Entscheidung auf und wies den Antrag zurück. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgten die Gläubiger ihren Antrag weiter. Die Rechtsbeschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH wies darauf hin, dass die Verurteilung zur Erstellung der Jahresabrechnungen als Verurteilung zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung gem. § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO anzusehen sei mit der Folge, dass die Vollstreckung durch Androhung von Zwangsmitteln und deren Vollzug zu bewirken sei. Ein Titel habe eine nicht vertretbare Handlung zum Inhalt, wenn der zu vollstreckende Anspruch zu einer Handlung verpflichte, die nicht von einem Dritten vorgenommen werden kann, sondern vom ausschließlich Willen des Schuldners abhänge, nicht aber in der Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO). Selbst wenn Teile der Handlung von Dritten vorgenommen werden könnten wäre von einer nicht vertretbaren Handlung auszugehen.

Zwar würde die Frage, ob die Erstellung der Jahresabrechnungen eine vertretbare oder nicht vertretbare Handlung darstelle, in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Der Ansicht, die sie als nicht vertretbare Handlung ansieht, sei zuzustimmen. Anders als der Wirtschaftsplan beinhalten die Jahresabrechnung und die Rechnungslegung des Verwalters die Verpflichtung des Verwalters, über seine mit Einnahmen und Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen. Er hat gem. § 259 Abs. 1 BGB Rechnung zu legen durch eine geordnete Zusammenstellung von Einnahmen und Ausgaben; erfolgt dies nicht ordnungsgemäß, kann der Gläubiger verlangen, dass er eidesstattlich versichert, dass er die Aufstellung nach besten Wissen so vollständig abgegeben hat, als er dazu imstande war, § 259 Abs. 2 BGB. Da damit die Jahresabrechnung ebenso wie die Rechnungslegung die ggfls. durch Eid zu bekräftigende (konkludente) Erklärung enthält, die Angaben nach besten Wissen und Gewissen getätigt zu haben, kann dies nur vom Schuldner (Verwalter) selbst vorgenommen werden und stellt sich dies als nicht vertretbare Handlung dar.

Die Vollstreckung bezüglich der Erstellung des Wirtschaftsplanes scheitert dann, wenn zum Zeitpunkt der Vollstreckungsmaßnahme das Kalenderjahr, für welches die Erstellung erfolgen soll, bereits abgelaufen ist, wie es hier der Fall ist.


BGH, Urteil vom 23.06.2016 – I ZB 5/16 -

Subsidiäre Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft

Die Klägerin ist Sondereigentümerin einer Wohnung  in einer Wohnungseigentumsanlage. An der Fassade der Anlage wurden Arbeiten im Auftrag der WEG durchgeführt, bei denen es zu Schäden in der Wohnung der Klägerin kam. Zur Beseitigung dieser Schäden begehrt die Klägerin von den beklagten Wohnungseigentümern Erstattung ihrer Aufwendungen. Diese negieren einen Anspruch und verwiesen die Klägerin an den Werkunternehmer, dem im Rechtsstreit der Streit verkündet wurde. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.

Das Landgericht vertritt die Auffassung, dass es dem einzelnen Wohnungseigentümer in Ansehung der schuldrechtlichen Sonderverbindung zwischen den Wohnungseigentümern verwehrt sein kann, diese in Anspruch zu nehmen, wenn ein Dritter (hier der Streitverkündete) in Anspruch genommen werden könne. Insoweit verweist das Landgericht auf eine entsprechende Entscheidung des BGH zur Frage, ob bei einer bestehenden Gebäudehaftpflichtversicherung der geschädigte Wohnungseigentümer bei einem versicherten Schaden nicht verpflichtet wäre, anstelle der Gemeinschaft den Versicherer direkt in Anspruch zu nehmen (was bejaht wurde; BGH. Urteil vom 10.06.2006 – V ZR 62/06 -). Bei Inanspruchnahme der Gemeinschaft würde das Verhältnis der Mitglieder belastet; es bestünde auch für den Kläger kein besonderes Interesse, statt des Streitverkündeten die Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen, zumal er im Falle einer entsprechenden Verurteilung den auf ihn entfallenden Betrag gemessen am Miteigentumsanteil selbst zu tragen hätte. Gegen den Streitverkündeten hätte die Klägerin auch nicht nur deliktische sondern auch vertragliche Ansprüche, da sich der Vertrag der Eigentümergemeinschaft mit dem Werkunternehmer als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (den Wohnungseigentümern) darstelle.

Anmerkung: Der Entscheidung ist vom Grundsatz her zuzustimmen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Inanspruchnahme der Gemeinschaft lediglich dazu führen kann, dass dann diese gegen den Werkunternehmer selbst vorgeht um den Anspruch zu generieren. Allerdings wird man Ausnahmen einräumen müssen, so insbesondere dann, wenn z.B. bei Tätigkeit verschiedener Gewerke sich nicht mehr feststellen lässt, welcher Handwerker den Schaden verursachte oder mitverursachte aber feststeht, dass der Schaden bei Arbeiten für die Gemeinschaft entstand, ferner dann, wenn davon auszugehen ist, dass der Werkunternehmer nicht in der Lage sein wird, Schadensersatz zu leisten. In diesen Fällen wäre es nämlich umgekehrt treuwidrig von dem geschädigten Miteigentümer zu verlangen, dass er zunächst Werkunternehmer verklagt, wenn am Schluss ohnehin die Kosten von der Gemeinschaft zu tragen sind.


LG Stuttgart, Urteil vom 01.06.2016 – 10 S 2/16 WEG -

Sonntag, 30. Oktober 2016

Kautionsfreigabeanspruch und verjährte Betriebskostenabrechnungen

Der Rechtsstreit um die Abrechnung der Kaution wird häufig nicht nur um die Frage geführt, wann der Vermieter die Kaution abzurechnen hat, sondern auch darum, ob er bestimmte Forderungen verrechnen kann. Dem kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn es sich bei der Forderung des Vermieters um eine bereits ältere Forderung aus einer Betriebskostenabrechnung handelt.

Der Kläger hatte vom Beklagten im Zeitraum 2002 bis Mai 2009 eine Wohnung angemietet. Er erbrachte eine Mietsicherheit (Kaution) in Form eines Kautionssparbuchs, welches er an den Beklagten abgetreten hatte. Die Betriebskostenabrechnungen für 2006 bis 2009, die stets im Folgejahr erstellt und dem Kläger überlassen wurden, endeten jeweils mit der Aufforderung von Nachzahlungen, die der Beklagte zu erbringen hatte, aber nicht leistete.

Mit seiner im Dezember 2012 erhobenen und im Februar 2013 zugestellten Klage begehrte der Kläger die Pfandfreigabe des Kautionskontos. In Ansehung der den Kautionsbetrag übersteigenden Betriebskostenabrechnungen berief sich der Beklagte auf eine fehlende Verpflichtung und erhob seinerseits Widerklage. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger wegen der Betriebskosten 2009 antragsgemäß verurteilt, im übrigen die Widerklage wegen Verjährung abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die zugelassene Revision hob der BGH die landgerichtliche Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.

Der BGH wies darauf hin, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass über die Kaution sechs Monate nach Mietende abgerechnet werden müsse. Der Mieter habe frühestens mit Ende des Mietverhältnisses und Ablauf einer angemessenen Prüfungspflicht einen Anspruch auf Freigabe der Mietsicherheit. Dieser Anspruch würde aber erst dann fällig, wenn das Sicherungsbedürfnis entfalle, d.-h. zu dem Zeitpunkt, zu dem dem Vermieter keine Ansprüche mehr gegen den Mieter zustehen, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen könnte.

Vorliegend ging das Landgericht davon aus, dass die verjährten Forderungen aus den Betriebskostenabrechnungen dem Freigabeanspruch entgegenstehen würden. Diese Forderungen sind nach § 216 Abs. 3 BGB als wiederkehrende Leistungen einzuordnen. Es ginge dabei aber nicht  - wie das Landgericht meinte -  um ein Zurückbehaltungsrecht, welches dem Freigabeanspruch entgegen gehalten werden könne, sondern um die Frage, ob dieser Anspruch mangels durch das Pfandrecht gesicherter Forderungen zu diesem Zeitpunkt erst entstanden und damit fällig geworden sei. Nach § 216 Abs. 1 BGB hindere die Verjährung einer Forderung nicht die Befriedigung aus dem dafür bestellten Pfandrecht. Allerdings sei § 216 Abs. 1 BGB nicht auf den Fall des § 216 Abs. 3 BGB anwendbar und greife von daher auch nicht für die Betriebskostenabrechnungen. Soweit dies in der Literatur anders gesehen würde, betrifft dies den hier nicht vorliegenden Fall, dass bei einer Kündigung wegen Zahlungsrückstands die verjährten Forderungen  aus Betriebskostenabrechnungen mit berücksichtigt würden. Damit darf sich der Beklagte wegen der verjährten Forderungen aus den Betriebskostenabrechnungen nicht mehr aus der Sicherheit befriedigen.

Ob hier die Freigabe zu gewähren ist, hänge mithin von der vom Landgericht aus seiner Rechtsposition heraus nicht geklärten Frage ab, ob der Kläger während des Rechtsstreits die offene Forderung aus der Betriebskostenabrechnung 2009 zwischenzeitlich gezahlt habe.


BGH, Urteil vom 20.07.2016 – VIII ZR 263/14 -

Sonntag, 23. Oktober 2016

Belehrungspflicht und –umfang des Anwalts bei einem Vergleich

Der Kläger, der in dem Beklagten anwaltlich vertreten wurde, wurde in dem vorangegangenen Rechtsstreit auf Zahlung von € 60.000,00 wegen Restzahlung von einer Vermittlungsagentur für Leiharbeitnehmer verklagt. In der mündlichen Verhandlung wies das Gericht darauf hin, dass der jetzige Kläger für seine Behauptung darlegungs- und beweisblastet sei, nach der ein zeitliches Limit für den Arbeitseinsatz vereinbart gewesen sein soll. Es schlug einen Vergleich auf hälftiger Basis vor. Welchen die Vermittlungsagentur angenommen hätte. Nach Beratung durch seinen jetzt von ihm verklagten Anwalt lehnte der Kläger den Vergleich ab. Den erforderlichen Beweis konnte er nicht erbringen und wurde schließlich zur Zahlung von € 59.283,03 verurteilt; die Berufung wurde zurückgewiesen.

Nunmehr verlangt der Kläger von seinem damaligen Anwalt Schadensersatz mit der Begründung, dieser hätte ihn nicht zum Abschluss des Vergleichs geraten. Das Landgericht wies die Klage ab; das Oberlandesgericht  hat der Klage auf Zahlung der Differenz zwischen dem vorgeschlagenen Vergleichsbetrag und dem Urteilsbetrag entsprochen. Auf die Berufung des Beklagten wurde das landgerichtliche Urteil (Klageabweisung) wieder hergestellt.

Die Beweislast für einen Schadensersatzanspruch gegen den früheren Anwalt trägt der ehemalige Mandat. Im Hinblick darauf, dass der Beweis negativer Tatsachen schwierig ist, kommt dem ehemaligen Mandanten eine Beweiserleichterung insoweit zugute, als der Anwalt in dem Prozess substantiiert bestreiten und darlegen müsse, wie im Einzelnen beraten oder aufgeklärt worden sei. Dem Mandanten obliege es dann, den Nachweis der Unrichtigkeit zu erbringen.

Vorliegend habe das Oberlandesgericht die Anforderungen an ein substantiiertes Vorbringen überspannt. Der Anwalt sei verpflichtet, die Interessen des Mandanten umfassend und in allen Richtungen wahrzunehmen. Damit der Mandant eigenständig über einen Vergleich entscheiden könne, müsse er ihm die Vor- und Nachteile erläutern; davon wird er auch bei einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag nicht entbunden. Er hat von einem Vergleich abzuraten, wenn dieser für seinen Mandanten eine unangemessene Benachteiligung darstellt und im insbesondere begründete Aussichten für ein günstigeres Ergebnis bestünden. In einem solchen Fall greife die Vermutung, dass der Mandant dem Rat des Anwalts gefolgt wäre.

Vorliegend wurde von dem beklagten Anwalt vorgetragen, bereits im ersten Termin dem Mandanten zu einem Vergleich geraten zu haben, den dieser abgelehnt habe. Im zweiten Termin, in dem der Vergleichsvorschlag auf hälftiger Basis mit dem Hinweis des Gerichts zur Darlegungs- und Beweislast erfolgte, habe er ihm neuerlich dringend angeraten, den Vergleich anzunehmen, da durch den Mandanten Gewährleistungsansprüche o.ä, nicht geltend gemacht werden könnten und die Beweisaufnahme aber Unsicherheiten beinhalte. Der Mandant habe nicht gewollt; er sei der Annahme gewesen, dass er den Beweis schon erbringen werde und im übrigen wolle er pokern „alles oder nichts).

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe nur pauschal ausgeführt, aufgrund seiner Erfahrungen zum Vergleich geraten zu haben, sei danach nicht haltbar. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts habe es keiner Ausführungen des Anwalts zur Beweislast des Klägers bedurft, da dies der Richter bereits getan habe. Damit hätte dem Kläger klar sein müssen, dass es auf einen bestimmten Umstand ankommt, für den er die Beweislast trägt. Nachvollziehbar sei auch entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger dem Rat nicht folgte, da er auf einen ihn günstigen Ausgang der Beweisaufnahme vertraut habe. Damit war es der Kläger, der es auf einen streitigen Fortgang des Verfahrens anlegte, nicht der Beklagte.

Vor diesem Hintergrund genügte der Vortrag des Beklagten der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast.


BGH, Urteil vom 14.07.2016 – IX ZR 291/14 -