Sonntag, 25. Oktober 2020

Kaskoversichert bei Schaden durch Überfahren einer Fahrbahnschwelle ?

 

Der Kläger überfuhr mit seinem bei der Beklagten kaskoversicherten Fahrzeug nach seinen Angaben eine Fahrbahnschwelle mit einer unterhalb der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit liegenden Geschwindigkeit regulär unterhalb der erlaubten Geschwindigkeit gefahrenen, die er infolge von Schnee und Dunkelheit nicht gesehen habe. Es entstand ein Totalschaden an seinem Fahrzeug. Seine Klage gegen den Kaskoversicherer wurde abgewiesen, da der Schadensfall keinen Versicherungsschutz begründe.

Versichert seien durch einen Unfall verursachte Schäden. Dafür sei eine Einwirkung von außen notwendig. Die mechanische Gewalt auf das Fahrzeug dürfe also nicht durch ein Teil des Fahrzeugs selbst verursacht sein. Vorliegend sei von einem Betriebsschaden und damit einem nicht versicherten Schadensfall auszugehen. Er entstünde durch eine normale Abnutzung, durch Material oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder Teilen davon.

Das Überfahren der Fahrbahnschwelle stelle sich als ein Betriebsschaden dar. Es habe sich ein Risiko ausgewirkt, dem das Fahrzeug üblicherweise im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt sei. Ein Pkw, wie jener des Klägers sei bei dem gewöhnlichen Fahrbetrieb dem Risiko ausgesetzt, durch das Überfahren von absichtlich angebrachten Fahrbahnerhöhungen in Form von Fahrbahnschwellen einen Schaden zu erleiden. Diese Schäden würden nicht einem plötzlichen Ereignis von außen entspringen. Bei angepasster Geschwindigkeit würde es auch zu keinem Schaden kommen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer würde daher bei einer Schädigung des Fahrzeugs infolge Überfahrens einer Fahrbahnschwelle dies nicht als Unfall, sondern als Betriebsschaden ansehen.

OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2020 - 7 U 57/20 -

Freitag, 23. Oktober 2020

Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers auch nach Insolvenzeröffnung bei der GmbH ?

 

Das OLG musste die Frage klären, ob der Geschäftsführer einer GmbH noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot unterliegt.

Grundsätzlich würde das sich analog § 88 Abs. 1 S. 1 AktG aus der Organstellung des Geschäftsführers der GmbH folgende Wettbewerbsverbot nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft erlöschen, sondern erst mit der Beendigung seiner Organstellung.

Die Insolvenzeröffnung beendet die Organstellung noch nicht. Im Hinblick auf deren Fortbestand würde daher auch das Wettbewerbsverbot weiter gelten. Insbesondere sei die Annahme fehlerhaft, aus § 80 Abs. 1 InsO folge, dass nur der Insolvenzverwalter für die Gesellschaft tätig werden dürfe. Zwar mögen die Möglichkeiten des Geschäftsführers ab Insolvenzeröffnung (stark) eingeschränkt sein, sie würden aber nicht in Gänze entfallen. Im Übrigen betreffe auch § 80 Abs. 1 InsO nicht die Rechtsstellung des Geschäftsführers bzw. des Gesellschafstorgans, sondern diejenige der Gesellschaft. Das Innenverhältnis der Gesellschaft zu ihren Organen sie nicht Gegenstand des § 80 Abs. 1 InsO. Da sich die Norm an natürliche und juristische Personen oder (teil-) rechtsfähige Personenvereinigungen wende, könne es nur um das Außenverhältnis gehen. Von daher würden die organschaftlichen Pflichten des Geschäftsführers auch durch § 80 Abs. 1 InsO nicht berührt.

Weiterhin sie zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus auch im Anwendungsbereich des § 80 Abs. 1 InsO (auch am Insolvenzverwalter vorbei) Verträge abschließen könne.  Denn die Überleitung der Verfügungsmacht auf den Insolvenzverwalter bewirke nur, dass ein durch den Schuldner bzw. dessen Organ abgeschlossenes Geschäft keinen Anspruch des Dritten gegen die Masse begründen kann. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es höchstpersönliche Rechtspositionen auch einer juristischen Person wie der GmbH gäbe, die nicht durch den Verwalter, sondern weiter in den Zuständigkeitsbereich des Organs fallen würden (BVerfG, Beschluss vom 22.03.2013 - 1 BvR 791/12 -).

OLG Rostock, Beschluss vom 02.06.2020 - 4 W 4/20 -

Sonntag, 18. Oktober 2020

Ablehnung aller Handelsrichter eines Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit

Es kommt sicher nicht häufig vor, dass alle Richter eines Gerichts abgelehnt wurden. Hier betraf es die Handelsrichter eines Landgerichts. Dieses hatte eine Kammer für Handelssachen (KfH), bei der die Klägerin Klage auf Zahlung von € 238.128,70 einreichte. Der Vorsitzende Richter der Kammer zeigte an, dass der Geschäftsführer der Klägerin Handelsrichter beim Landgericht sei. Die Beklagte lehnte den Vorsitzenden (erfolgreich) wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit einem weiteren  Antrag lehnte die Beklagte die (nicht namentlich benannten) der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Stellevertretende Vorsitzende der Kammer wies darauf hin, dass das Landgericht beschlussunfähig sei, da sämtliche Handelsrichter der einzigen Kammer für Handelssachen abgelehnt worden seien und eine Entscheidung über den Befangenheitsantrag unter Beteiligung von Handelsrichtern erfolgen müsse (also vorliegend nicht eine andere Kammer für Handelssachen geschäftsplanmäßig die Entscheidung treffen kann). Im Hinblick darauf regte die Beklagte an, dass gegebenenfalls (also bei erfolgreicher Ablehnung) auch über das zuständige Gericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO entschieden werde.

Das OLG entscheid, dass es nach § 45 Abs. 3 ZPO zuständig sei. Zwar sei über einen Befangenheitsantrag durch das Gericht zu entscheiden, dem der abgelehnte Richter angehöre. Wenn allerdings wie hier bei Ablehnung aller Handelsrichter nur der Vorsitzende (vorliegend gem. Geschäftsverteilungsplan der Stellvertretende Vorsitzend er der Kammer) ohne Handelsrichter entscheiden müsse und nicht, wie erforderlich, durch den ganzen Spruchkörper entschieden werden kann, sei das nächsthöhere Gericht (hier das OLG) zur Entscheidung berufen. Ebenfalls sei in diesem Fall das OLG nach § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung berufen, die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorzunehmen.

Das Ablehnungsgesuch sah das OLG als begründet an. Dem stünde nicht entgegen, dass die abgelehnten Richter nicht namentlich benannt worden seien. Nach § 44 Abs. 1 ZPO reiche deren zweifelsfreie Bestimmbarkeit aus, was dann der Fall sei, wenn wie hier  sämtliche Richter eines Spruchkörpers bei identischem Ablehnungsgrund abgelehnt würden (BVerwG, Beschluss vom 29.01.2014 – 7 C 13/13 -).

In der Sache hielt das OLG den Befangenheitsantrag gegen alle Handelsrichter der Kammer nach § 42 Abs. 1 und 2 ZPO für begründet. Es sei eine fehlende Unparteilichkeit der Handelsrichter aus Sicht des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung und Würdigung aller Umstände berechtigter Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters bestünde. Da es sich bei dem Geschäftsführer der Klägerin um einen der Kammer zugehörigen Handelsrichter handele, führe dies dazu, dass eine persönliche Beziehung bestünde, die bei einer besonnenen und vernünftigen Prozesspartei zu berechtigten Zweifel an der Unvoreingenommenheit auch der übrigen Handelsrichter führen könne. Die enge Zusammenarbeit von Richtern in einem Kollegialgericht führe regelmäßig zu einer persönlichen Beziehung zwischen ihnen, die die Unbefangenheit in Frage stelle, wenn einer von ihnen selbst Partei des Rechtstreites sei. Der abweichenden Auffassung des OLG Schleswig (Beschluss vom 01.12.1987 - 1 W 63/87 -) sei nicht zu folgen, da die richterliche Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Spruchkörper eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit erfordere  und auch über den jeweils aktuellen Rechtsstreit, der gemeinsam bearbeitet würde, hinaus zwangsläufig zu persönlichen Kontakten und Eindrücken führe, die sich auf die Einstellung zum prozessführenden Handelsrichter auswirken könnten.

Da damit alle Handelsrichter der einzigen KfH bei dem Landgericht an der weiteren Bearbeitung des Rechtsstreits gehindert seien, sei nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO das für die Fortsetzung des Verfahrens zuständige Gericht zu bestimmen. Das OLG bestimmte das LG Potsdam, da es örtlich am nächsten zu dem bisherigen Gericht liegt.

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 26.03.2020 - 1 AR 57/19 -

Freitag, 16. Oktober 2020

Fehlende Berufungsanträge und Auslegung der Berufungsbegründung

Die Kläger machten Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus einem Vertragsverhältnis geltend. Nach Erlass eines Versäumnisurteils, gegen welches die Beklagte rechtzeitig Einspruch einlegte, stellten die Kläger den Antrag, das Versäumnisurteil teilweise aufzuheben hob das Landgericht dieses auf und gab der Klage und spezifizierten ihren Leistungsantrag neu. Unter Aufhebung des Versäumnisurteils gab das Landgericht der Leistungsklage nur teilweise statt. Die Kläger legten fristgerecht gegen das Endurteil des Landgerichts Berufung ein, mit der sie ausführten, dass der Berufungsantrag und die Berufungsbegründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten blieben. Mit Schriftsatz vom 07.10.2019 beantragten die Kläger eine Verlängerung der Berufungsbegründungsschrift. Gleichzeitig haben sie bereits Ausführungen zur Begründung der Berufung gemacht. Innerhalb der (verlängerten) Frist zur Berufungsbegründung trugen die Kläger weiter zu Sache vor. Einen Berufungsantrag stellten sie in keinem der Schriftsätze. Nach einem  Hinweisbeschluss das OLG verwarf das OLG die Berufung als unzulässig. Zur Begründung führte es aus, die Berufung sei gemäß § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO unzulässig, da die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO entspreche; beiden Schriftsätzen der Kläger sei nicht zu entnehmen, in welchem Umfang das erstinstanzliche Urteil angefochten würde und welche Abänderung des Urteils begehrt würde. Es würden Berufungsanträge fehlen und der Begründung ließe sich auch nicht (konkludent) entnehmen, in welchem Umfang das Urteil angefochten würde und welche Abänderung begehrt würde. In den Schriftsätzen hätten die Kläger ausgeführt, das Landgericht habe nur die Erstattung des Vertrauensschadens anerkannt und nicht den „Schadensersatzanspruch unter anderem in den Betriebsverlusten, die durch die Gründung und das Betreiben des Franchise-Outlets … entstanden seien“; die Teilabweisung habe es bezüglich der verschiedenen Positionen unterschiedlich begründet. Zur Teilabweisung sei ausgeführt worden, die Klageforderung sei in dem „weit überwiegenden Teil den Klägern nicht zugesprochen worden, weil angeblich der Schaden nicht konkret berechnet bzw. nicht substantiiert dargelegt worden war“. Wörtlich sei ausgeführt worden: „Diese Abweisung der Klage im Wesentlichen [sic] Umfang ist rechtsfehlerhaft, da zum Einen entgegen der Ansicht des Landgerichts der Schaden in korrekter Weise dargelegt wurde, und überdies das Landgericht nicht in eindeutiger Weise hat im Vorfeld erkennen lassen, wie es den Schadensersatz berechnet wissen möchte.“ Da, so das OLG, nicht erkennbar sei, welche Änderungen der Schadensberechnung die Kläger vorgenommen hätten, wenn das Landgericht weitere Hinweise zur Schadensberechnung vorgenommen hätten, würde sich das Sachbegehren der Kläger nicht erschließen. Es ließe sich nicht erkennen, dass sie ihre Ansprüche in vollem Umfang weiterverfolgt hätten. Es erschließe sich daher nicht, weshalb die Teilklageabweisung zu den Schadenspositionen unrichtig sein soll und in welchem Umfang das erstinstanzliche Begehren weiterverfolgt werden soll.

Hiergegen legten die Kläger Rechtsbeschwerde zum BGH ein, mit der sie die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses begehrten und die zuletzt beim Landgericht gestellten Anträge, soweit sie erfolglos geblieben sind, weiterverfolgten. Auf die Rechtsbeschwerde wurde der Verwerfungsbeschluss des OLG aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Das OLG habe mit seiner Annahme, die Berufungsbegründung genüge nicht den Erfordernissen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO den Klägern den Zugang zu einer der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert. Nach der benannten Norm muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, welche Abänderung des angefochtenen Urteils begehrt würde (Berufungsanträge). Dabei reiche es aber aus, wenn die Berufungsbegründung, ohne dass ein Antrag explizit gestellt wird, den Schluss auf die Weiterverfolgung des erstinstanzlichen Begehrens zulasse. Dabei sei im Grundsatz davon auszugehen, dass eine Berufung im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung gerichtet sei, soweit der Berufungsführer durch diese beschwert wurde.

Danach sei hier davon auszugehen, dass die Kläger das Urteil insgesamt, soweit zu ihrem Nachteilentschieden wurde, zur Überprüfung durch das OLG stellen wollten. Die benannten Passagen aus den Schriftsätzen der Kläger seien unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze so zu verstehen, dass die das Urteil insgesamt, soweit die Klage abgewiesen wurde, anfechten wollten. Auch wenn die Begründung des Landgerichts in den Schriftsätzen nur unvollständig wiedergegeben worden sei, stehe dies dem nicht entgegen. Es dürften die Anforderungen bezüglich der Berufungsanträge nach § 520 Abs. 3 S. s Nr. 1 ZPO nicht mit den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verknüpft werden. Ob die Berufungsbegründung den erforderlichen Anforderungen an eine solche entsprechen würde, würde nicht zur Entscheidung stehen.

Der Verwerfungsbeschluss könne daher keinen Bestand haben. Die Sache sei nicht zur Entscheidung reif, da es nach einer gebotenen Anhörung der Parteien noch einer weiteren Prüfung der Zulässigkeit und gegebenenfalls der Begründetheit der Berufung bedürfe.

BGH, Beschluss vom 12.08.2020 - VII ZB 5/20 -

Montag, 12. Oktober 2020

Ticketrückzahlungsverpflichtung durch Zwischenhändler bei Terminabsage des Veranstalters wegen Covid-19

Der Beklagte verkaufte als Zwischenhändler Tickets eines Konzertveranstalters, der infolge der Corona-Pandemie die Veranstaltung nicht durchführen durfte. Er wurde von einem Käufer auf Rückzahlung des Ticketentgelts in Anspruch genommen. Die Klage war erfolgreich; das Amtsgericht bejahte gem. §§ 453, 434, 440, 346ff BGB einen Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses.

Der Ticketerwerb stelle sich als Rechtskauf dar (BGH, Urteil vom 23.08.2018 - III ZR 192/17 -). Der Ticketzwischenhändler erfülle seine kaufvertragliche Pflichten nicht bereits durch die bloße Überlassung eines (zum Überlassungszeitpunkt noch gültigen) Konzerttickets. Das Ticket würde ein Teilnahmerecht des Inhabers des Tickets gegenüber dem Veranstalter an der näher bezeichneten Veranstaltung an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit verkörpern (§ 807 BGB). Mit der Überlassung würde lediglich ein Gefahrübergang nach §§ 353, 446 BGB vollzogen. Für die Durchsetzbarkeit des durch das Ticket verkörperten Rechts würde der Ticketzwischenhändler weiterhin haften, ebenso dafür, dass dieses Recht nicht aus Gründen entfällt, die nicht in der Sphäre des Käufers liegen.  

Anders würde es sich lediglich verhalten, wenn der Ticketkäufer (bei stattgefundener Veranstaltung) eine Schlechtleistung geltend machen will. In diesem Fall müsste er sich nach §§ 535, 641 BGB direkt an den Veranstalter wenden, da er damit einen Sachmangel der künstlerischen Leistung als solcher rügt und nicht, wie im vorliegenden Fall (der Absage der Veranstaltung) einen Gewährleistungsanspruch nach §§ 434ff, 453 BGB geltend mache.

Ein Mangel läge vor, da das auf den 06.03.2020 angesetzte Konzert zunächst auf April und schließlich auf Oktober 2020 verlegt worden sei. Eine Teilnahme an dem Konzert am 06.03.2020 sei damit im Zuge einer Nacherfüllung nicht mehr heilbar.

Dem beklagten Ticketzwischenhändler käme auch nicht die sogen. Gutscheinlösung nach Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsbereich und im Recht der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE) [BGBl I 2020, Nr. 22] zugute,  da davon nur Kulturveranstalter, nicht aber Ticketzwischenhändler begünstigt würden (Art. 1 § 5).

Der Ticketzwischenverkäufer hafte als Vermittler im Außenverhältnis, da er den Kaufpreis vereinnahmte und ein hier vorliegendes Kommissionsgeschäft nicht das Außenverhältnis betreffen würde, §§ 383ff HGB.

Damit seien die wechselseitig empfangenen Leistungen zurück zu gewähren, §§ 346 Abs. 1, 348 S. 1 BGB (das Ticket vom Käufer an den Zwischenhändler, der diesem gezahlte Kaufpreis an den Kunden).

AG Bremen, Urteil vom 02.10.2020 - 9 C 272/20 -

Donnerstag, 8. Oktober 2020

Verschuldensunabhängige Haftung bei E-Scootern ?

 

Anlässlich eines Verkehrsunfalls musste sich das LG Münster damit auseinandersetzen, ob für einen am Unfall Beteiligten Fahrer eines E-Scooters die Gefährdungshaftungsnormen der §§ 7, 17 StVG greifen. Der E-Scooter hatte in amtliches Kennzeichen und war über die Beklagte zu 2. zum Unfallzeitpunkt haftpflichtversichert gewesen. Bei dem E-Scooter handelte es sich um ein Elektrokleinstfahrzeug nach der eKFV, welches bauartbedingt nicht schneller als 20km/h auf ebener Strecke fahren kann.

Vorliegend könnte dem Fahrer des E-Scooter nicht nachgewiesen werden, dass er den Unfall schuldhaft verursachte oder mitschuldhaft verursacht hatte. Von daher schied die Haftung der Beklagten nach § 823 BGB aus.

Damit kamen als Anspruchsgrundlage an sich nur §§ 7 und 17 StVG in Betracht. Nach § 7 StVG haftet der Fahrzeughalter für die von seinem Fahrzeug ausgehende Gefährdung; nach § 17 Abs. 3 StVG muss er sich zur Vermeidung einer Mithaftung grundsätzlich dahingehend exkulpieren, dass der Unfall für ihn unabwendbar war. Gelingt die Exkulpation nicht, ist regelmäßig eine quotale Mithaftung anzunehmen. Hier aber verwies das Landgericht zutreffend auf § 8 StVG: Nach § 8 Abs.1 1 StVG greift die in § 7 StVG normierte verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung nämlich dann nicht, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wird, welches auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20km/h fahren kann. Dies sei vorliegend einschlägig.

Gemäß § 1 eKFV sind danach Elektrokleinstfahrzeuge Fahrzeuge mit einem elektrischen Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit zwischen 6km/h und 20km/h, weshalb sie aus der Gefährdungshaftung gem. § 8 StVG herausfallen. Der E-Scooter als batteriegetriebener Roller ist damit zwar ein Kraftfahrzeug, für ihn ist aber bei einer Geschwindigkeit nach Maßgabe des § 1 eKFV die gefährdungshaftungsnorm des § 7 StVG gem. § 8 StVG nicht einschlägig.

LG Münster, Urteil vom 09.032020 - 08 O 272/19 -

Sonntag, 4. Oktober 2020

Wann liegt eine ein Notwegerecht hindernde Willkür vor, §§ 917, 918 BGB ?

 

Der Kläger bebaute ein Grundstück, welches keinen eigenen Anschluss an einen öffentlichen Weg hatte. Sein Notwegerecht wurde vom Landgericht abgelehnt, da das Verlangen willkürlich sei. Dem folgte das OLG nicht.

Das Notwegerecht ergibt sich aus § 917 BGB:

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

Die Voraussetzungen lagen hier vor, da eine Verbindung zwischen dem im Streitbefindlichen Grundstück des Klägers und einem öffentlichen Weg fehlte. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH (so Urteil vom 24.04.2015 - V ZR 138/14 -), so das OLG, müsse der Hauseingangsbereich dabei zwar mit einem Kraftfahrzeug nicht selbst erreicht werden; ausreichend sei vielmehr, wenn dieses unmittelbar an das Wohngrundstück heranfahren könne und von dieser Stelle aus der Eingangsbereich in zumutbarer Weise (auch mit sperrigen Gegenständen) erreicht werden könne.

Der Kläger könne auch nicht auf eine anders verlaufende Zuwegung verwiesen werden. Aus dem Gesetz selbst ergebe sich nicht, welche Kriterien für die Wahl des Notwegeberechtigten maßgebend seien, wenn eine Mehrzahl denkbarer Möglichkeiten bestünde. Allerdings sei der Berechtigte verpflichtet die Verbindung zu wählen, die nach den örtlichen Gegebenheiten naturgemäß in Betracht käme, wobei er keinen Anspruch darauf habe, dass dabei stets der für ich kürzeste Weg maßgebend wäre. Daher käme es bei mehreren Möglichkeiten zu einer Abwägung der Interessen an der geringsten Belastung durch den Notweg einerseits und denjenigen an der größten Effektivität des Notweges andererseits. Vorliegend sah das OLG den vom Kläger vorgesehenen Notweg als alternativlos an, da die benannte Alternative nicht Möglichkeit verschaffe, mit dem Fahrzeug direkt an das Grundstück heranzufahren. Zudem handele es sich nach den örtlichen Gegebenheiten um den naturgemäß in Betracht kommenden Weg, da dort bereits ein ausgebauter Privatweg vorhanden sei.

Der Duldungsanspruch nach § 917 BGB sei auch nicht nach § 918 BGB

(1) Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird.

(2) Wird infolge der Veräußerung eines Teils des Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Teil von der Verbindung mit dem öffentlichen Wege abgeschnitten, so hat der Eigentümer desjenigen Teils, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden. Der Veräußerung eines Teils steht die Veräußerung eines von mehreren demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken gleich.

ausgeschlossen. Ein Ausschluss wäre bei einer willkürlichen Handlung des Berechtigten gegeben, § 918 Abs. 1 BGB. Es könne von daher kein Anspruch geltend gemacht werden, wenn der Berechtigte den maßgeblichen Zustand durch Maßnahmen an seinem Grundstück erst herbeigeführt habe (BGH, Urteil vom 05.05.2006 - V ZR 139/05 -; vgl. auch § 118 Abs. 2 BGB). Willkür erfordere eine freiwillige Handlung, mit der eine bestehende Verbindungsmöglichkeit aufgegeben würde und die einer ordnungsgemäßen Grundstücksbenutzung unter Beachtung der Rücksichtnahme den Interessen des Nachbarn widerspreche. Dies wäre z.B. auch der Fall, wenn er bei einer Bebauung seines Grundstücks nicht darauf achte, dass die Verbindung sämtlicher Teile des Grundstücks zu dem öffentlichen Weg erhalten bleibe.

Der Umstand, dass der Kläger hier seine Grundstücke südlich des streitbefangenen Grundstücks, die eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg hatten, bebaute und von daher eine Anbindung nicht mehr möglich sei, sei keine Willkür iSv. § 918 Abs. 1 BGB. Das OLG stellt dabei darauf ab, dass es sich jeweils um verschiedene Grundstücke gehandelt habe und entscheidend sei, dass das fragliche Grundstück nie eine direkte Anbindung gehabt habe. Die bestimmungsgemäße Bebauung des fraglichen Grundstücks habe daher keine direkte Verbindung zu einem öffentlichen Weg unterbrochen oder erschwert. Der Kläger sei auch nicht verpflichtet gewesen, seine südlichen Grundstücke so einschränkend zu bebauen, dass über diese ein Weg zu dem streitbefangenen Grundstück verlaufen könne. Der Umstand, dass er Eigentümer mehrerer zusammenhängender Grundstücke sei, könne ihn im Rahmen der wirtschaftlichen Nutzung nicht schlechter stellen als einen etwaigen unbeteiligten Dritteigentümer dieser Grundstücke, jedenfalls dann nicht, wenn, wie hier, bereits ein Privatweg vorhanden sei, der von Dritten rechtmäßig genutzt würde.

OLG Rostock, Urteil vom 11.06.2020 - 3 U 24/19 -