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Sonntag, 4. Oktober 2020

Wann liegt eine ein Notwegerecht hindernde Willkür vor, §§ 917, 918 BGB ?

 

Der Kläger bebaute ein Grundstück, welches keinen eigenen Anschluss an einen öffentlichen Weg hatte. Sein Notwegerecht wurde vom Landgericht abgelehnt, da das Verlangen willkürlich sei. Dem folgte das OLG nicht.

Das Notwegerecht ergibt sich aus § 917 BGB:

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

Die Voraussetzungen lagen hier vor, da eine Verbindung zwischen dem im Streitbefindlichen Grundstück des Klägers und einem öffentlichen Weg fehlte. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH (so Urteil vom 24.04.2015 - V ZR 138/14 -), so das OLG, müsse der Hauseingangsbereich dabei zwar mit einem Kraftfahrzeug nicht selbst erreicht werden; ausreichend sei vielmehr, wenn dieses unmittelbar an das Wohngrundstück heranfahren könne und von dieser Stelle aus der Eingangsbereich in zumutbarer Weise (auch mit sperrigen Gegenständen) erreicht werden könne.

Der Kläger könne auch nicht auf eine anders verlaufende Zuwegung verwiesen werden. Aus dem Gesetz selbst ergebe sich nicht, welche Kriterien für die Wahl des Notwegeberechtigten maßgebend seien, wenn eine Mehrzahl denkbarer Möglichkeiten bestünde. Allerdings sei der Berechtigte verpflichtet die Verbindung zu wählen, die nach den örtlichen Gegebenheiten naturgemäß in Betracht käme, wobei er keinen Anspruch darauf habe, dass dabei stets der für ich kürzeste Weg maßgebend wäre. Daher käme es bei mehreren Möglichkeiten zu einer Abwägung der Interessen an der geringsten Belastung durch den Notweg einerseits und denjenigen an der größten Effektivität des Notweges andererseits. Vorliegend sah das OLG den vom Kläger vorgesehenen Notweg als alternativlos an, da die benannte Alternative nicht Möglichkeit verschaffe, mit dem Fahrzeug direkt an das Grundstück heranzufahren. Zudem handele es sich nach den örtlichen Gegebenheiten um den naturgemäß in Betracht kommenden Weg, da dort bereits ein ausgebauter Privatweg vorhanden sei.

Der Duldungsanspruch nach § 917 BGB sei auch nicht nach § 918 BGB

(1) Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird.

(2) Wird infolge der Veräußerung eines Teils des Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Teil von der Verbindung mit dem öffentlichen Wege abgeschnitten, so hat der Eigentümer desjenigen Teils, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden. Der Veräußerung eines Teils steht die Veräußerung eines von mehreren demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken gleich.

ausgeschlossen. Ein Ausschluss wäre bei einer willkürlichen Handlung des Berechtigten gegeben, § 918 Abs. 1 BGB. Es könne von daher kein Anspruch geltend gemacht werden, wenn der Berechtigte den maßgeblichen Zustand durch Maßnahmen an seinem Grundstück erst herbeigeführt habe (BGH, Urteil vom 05.05.2006 - V ZR 139/05 -; vgl. auch § 118 Abs. 2 BGB). Willkür erfordere eine freiwillige Handlung, mit der eine bestehende Verbindungsmöglichkeit aufgegeben würde und die einer ordnungsgemäßen Grundstücksbenutzung unter Beachtung der Rücksichtnahme den Interessen des Nachbarn widerspreche. Dies wäre z.B. auch der Fall, wenn er bei einer Bebauung seines Grundstücks nicht darauf achte, dass die Verbindung sämtlicher Teile des Grundstücks zu dem öffentlichen Weg erhalten bleibe.

Der Umstand, dass der Kläger hier seine Grundstücke südlich des streitbefangenen Grundstücks, die eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg hatten, bebaute und von daher eine Anbindung nicht mehr möglich sei, sei keine Willkür iSv. § 918 Abs. 1 BGB. Das OLG stellt dabei darauf ab, dass es sich jeweils um verschiedene Grundstücke gehandelt habe und entscheidend sei, dass das fragliche Grundstück nie eine direkte Anbindung gehabt habe. Die bestimmungsgemäße Bebauung des fraglichen Grundstücks habe daher keine direkte Verbindung zu einem öffentlichen Weg unterbrochen oder erschwert. Der Kläger sei auch nicht verpflichtet gewesen, seine südlichen Grundstücke so einschränkend zu bebauen, dass über diese ein Weg zu dem streitbefangenen Grundstück verlaufen könne. Der Umstand, dass er Eigentümer mehrerer zusammenhängender Grundstücke sei, könne ihn im Rahmen der wirtschaftlichen Nutzung nicht schlechter stellen als einen etwaigen unbeteiligten Dritteigentümer dieser Grundstücke, jedenfalls dann nicht, wenn, wie hier, bereits ein Privatweg vorhanden sei, der von Dritten rechtmäßig genutzt würde.

OLG Rostock, Urteil vom 11.06.2020 - 3 U 24/19 -

Montag, 21. September 2015

Grundstücksrecht: Anspruch auf ein selbst verschuldetes Notwegerecht ?

Nach § 917 BGB kann eine Notwegerecht beanspruchen, wenn dem Anspruchsteller-Grundstück eine notwendige Verbindung u einem öffentlichen Weg fehlt. Da Notwegerecht belastet das beanspruchte Grundstück. Das Recht kann nach § 918 BGB nicht geltend gemacht werden, wenn eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg durch eine „willkürliche Handlung“ des Eigentümers aufgehoben wird.

Weg, eingerahmt von Mauer und Büschen
Bild: pixbay
Der Beklagte beantragte eine Baugenehmigung für sein nicht an einer öffentlichen Straße belegenen Grundstücks,  für welches es aber eine rechtliche gesicherte (wenn auch noch nicht gebaute) Zufahrt gab. Darüber hinaus wurde in der Vergangenheit eine Zufahrt über ein anderweitiges Grundstückes (des Klägers) genutzt. Der Kläger will allerdings die Nutzung seines Grundstücks zukünftig nicht mehr dulden und der Beklagte will die vorgesehene „offizielle“ Zufahrt wegen des damit verbundenen (finanziellen Aufwandes nicht ausbauen, sondern die bisherige Zuwegung über das Grundstück des Klägers „aus Gewohnheitsrecht“ weiternutzen bzw. ein Notwegerecht daran.

Der BGH hat, entgegen der Vorinstanz, ein Notwegerecht des Beklagten angenommen und daraus abgeleitet, dass der Kläger die Nutzung des Privatweges nach § 1004 BGB zu dulden hat.

Das Notwegerecht bestünde, so der BGH, da zu einer ordnungsgemäßen Nutzung eines Wohngrundstücks (wie hier) die Erreichbarkeit mit einem Kraftfahrzeug gehöre, wobei ausreichend sei,, wenn mit dem Fahrzeug die Grundstücksgrenze erreicht würde. Dies wäre nur über den Weg auf dem Grundstück des Klägers möglich.

Vom Kläger wurde darauf hingewiesen, dass der Beklagte eine alternative Zufahrt im Rahmen seines Bauantrages benannt habe, die möglich wäre (und auch rechtlich gesichert sei). Da rauf kommt es aber nach Auffassung des BGH nur an, wenn zum einen die anderweitige Wegführung technisch möglich ist, zum anderen mit zumutbaren finanziellen Aufwand durchführ bar ist, was beides vom Beklagten bestritten wurde. Der Umstand alleine, dass diese anderweitige Erschließung der Baugenehmigung zugrunde lag, reicht nicht aus; dies führt nicht dazu, einen Fall des § 918 Abs. 1 BGB anzunehmen. Der BGH stellt hier darauf ab, dass nach § 918 BGB Voraussetzung die willkürliche Aufhebung einer bisherigen Verbindung wäre. Das Grundstück des Beklagten habe auch vor seiner Bebauung keine Anbindung an eine öffentliche Straße gehabt;  die Änderung der Nutzungsart selbst wäre im übrigen nicht als willkürlich anzusehen, wenn (wie hier) wenn die Nutzung selbst als ordnungsgemäße Nutzung nach § 917 BGB anzusehen ist. Mithin: Der Umstand, dass hier die Baugenehmigung, folgt man den Ausführungen des Beklagten, rechtswidrig deshalb erlangt wurde, da die Zuwegung zur öffentliche  Straße (technisch) nicht gesichert war,  führt nicht zur Versagung des Notwegerechts nach § 918 BGB.


BGH, Urteil vom 24.04.2015 – V ZR 138/14 -