Sonntag, 4. Oktober 2020

Wann liegt eine ein Notwegerecht hindernde Willkür vor, §§ 917, 918 BGB ?

 

Der Kläger bebaute ein Grundstück, welches keinen eigenen Anschluss an einen öffentlichen Weg hatte. Sein Notwegerecht wurde vom Landgericht abgelehnt, da das Verlangen willkürlich sei. Dem folgte das OLG nicht.

Das Notwegerecht ergibt sich aus § 917 BGB:

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

Die Voraussetzungen lagen hier vor, da eine Verbindung zwischen dem im Streitbefindlichen Grundstück des Klägers und einem öffentlichen Weg fehlte. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH (so Urteil vom 24.04.2015 - V ZR 138/14 -), so das OLG, müsse der Hauseingangsbereich dabei zwar mit einem Kraftfahrzeug nicht selbst erreicht werden; ausreichend sei vielmehr, wenn dieses unmittelbar an das Wohngrundstück heranfahren könne und von dieser Stelle aus der Eingangsbereich in zumutbarer Weise (auch mit sperrigen Gegenständen) erreicht werden könne.

Der Kläger könne auch nicht auf eine anders verlaufende Zuwegung verwiesen werden. Aus dem Gesetz selbst ergebe sich nicht, welche Kriterien für die Wahl des Notwegeberechtigten maßgebend seien, wenn eine Mehrzahl denkbarer Möglichkeiten bestünde. Allerdings sei der Berechtigte verpflichtet die Verbindung zu wählen, die nach den örtlichen Gegebenheiten naturgemäß in Betracht käme, wobei er keinen Anspruch darauf habe, dass dabei stets der für ich kürzeste Weg maßgebend wäre. Daher käme es bei mehreren Möglichkeiten zu einer Abwägung der Interessen an der geringsten Belastung durch den Notweg einerseits und denjenigen an der größten Effektivität des Notweges andererseits. Vorliegend sah das OLG den vom Kläger vorgesehenen Notweg als alternativlos an, da die benannte Alternative nicht Möglichkeit verschaffe, mit dem Fahrzeug direkt an das Grundstück heranzufahren. Zudem handele es sich nach den örtlichen Gegebenheiten um den naturgemäß in Betracht kommenden Weg, da dort bereits ein ausgebauter Privatweg vorhanden sei.

Der Duldungsanspruch nach § 917 BGB sei auch nicht nach § 918 BGB

(1) Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird.

(2) Wird infolge der Veräußerung eines Teils des Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Teil von der Verbindung mit dem öffentlichen Wege abgeschnitten, so hat der Eigentümer desjenigen Teils, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden. Der Veräußerung eines Teils steht die Veräußerung eines von mehreren demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken gleich.

ausgeschlossen. Ein Ausschluss wäre bei einer willkürlichen Handlung des Berechtigten gegeben, § 918 Abs. 1 BGB. Es könne von daher kein Anspruch geltend gemacht werden, wenn der Berechtigte den maßgeblichen Zustand durch Maßnahmen an seinem Grundstück erst herbeigeführt habe (BGH, Urteil vom 05.05.2006 - V ZR 139/05 -; vgl. auch § 118 Abs. 2 BGB). Willkür erfordere eine freiwillige Handlung, mit der eine bestehende Verbindungsmöglichkeit aufgegeben würde und die einer ordnungsgemäßen Grundstücksbenutzung unter Beachtung der Rücksichtnahme den Interessen des Nachbarn widerspreche. Dies wäre z.B. auch der Fall, wenn er bei einer Bebauung seines Grundstücks nicht darauf achte, dass die Verbindung sämtlicher Teile des Grundstücks zu dem öffentlichen Weg erhalten bleibe.

Der Umstand, dass der Kläger hier seine Grundstücke südlich des streitbefangenen Grundstücks, die eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg hatten, bebaute und von daher eine Anbindung nicht mehr möglich sei, sei keine Willkür iSv. § 918 Abs. 1 BGB. Das OLG stellt dabei darauf ab, dass es sich jeweils um verschiedene Grundstücke gehandelt habe und entscheidend sei, dass das fragliche Grundstück nie eine direkte Anbindung gehabt habe. Die bestimmungsgemäße Bebauung des fraglichen Grundstücks habe daher keine direkte Verbindung zu einem öffentlichen Weg unterbrochen oder erschwert. Der Kläger sei auch nicht verpflichtet gewesen, seine südlichen Grundstücke so einschränkend zu bebauen, dass über diese ein Weg zu dem streitbefangenen Grundstück verlaufen könne. Der Umstand, dass er Eigentümer mehrerer zusammenhängender Grundstücke sei, könne ihn im Rahmen der wirtschaftlichen Nutzung nicht schlechter stellen als einen etwaigen unbeteiligten Dritteigentümer dieser Grundstücke, jedenfalls dann nicht, wenn, wie hier, bereits ein Privatweg vorhanden sei, der von Dritten rechtmäßig genutzt würde.

OLG Rostock, Urteil vom 11.06.2020 - 3 U 24/19 -

Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 21.02.2019 - 6 O 38/15 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden verurteilt, zu dulden, dass der Kläger und seine Besucher als Mitbenutzer diejenige Fläche des Flurstückes 60/4 in einer Breite von 3 m zu Fuß und mit Fahrzeugen aller Art als Zuwegung benutzen, die ab der Grenze des Flurstückes der Beklagten 60/4 zum Nachbarflurstück 60/3 - jeweils der Flur 4 der Gemarkung A. - in südwestlicher Richtung bis zum Geländehöhenpunkt 10.60 und anschließend in östlicher Richtung entlang der Grundstücksgrenze des Flurstückes der Beklagten 60/4 zum Flurstück des Klägers 60/5 - jeweils der Flur 4 der Gemarkung A. - verläuft und zwar bis zum westlichen Anfang des ursprünglich vorhandenen Maschendrahtzaunes auf dem Flurstück 60/4 (südliche Grenze des Grundstückes 60/4 Flur 4 der Gemarkung A. zum Flurstück des Antragstellers 60/5 Flur 4 der Gemarkung A. ab dem Geländehöhepunkt 10.60) der Beklagten.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 6.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Darstellung eines Tatbestandes sieht der Senat gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO ab.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.

1.

Dem Kläger steht allerdings kein Anspruch auf Duldung eines Wegerechts aus Vertrag zu.

a)

Zutreffend hat das Landgericht insoweit ausgeführt, dass der Kläger sich hinsichtlich seines Begehrens nicht auf ein vertragliches Wegerecht stützen kann. Richtig ist zwar, dass sich die damalige Verkäuferin im Zusammenhang mit dem Abschluss des Grundstücksvertrags mit den Beklagten in § 8 der notariellen Urkunde entsprechende Rechte hat einräumen lassen - auch soweit es das klägerische Grundstück betraf. Einen Anspruch hieraus hätte indes nur die damalige Verkäuferin geltend machen können, was sie nicht getan hat. Der Kläger selbst ist nicht Vertragspartei gewesen.

b)

Der Senat teilt auch die Auffassung des Landgerichts, dass vorliegend nicht erkennbar ist, dass insoweit ein Vertretergeschäft erfolgt, die Vereinbarung in § 8 der notariellen Urkunde also seinerzeit direkt für den Kläger getroffen worden ist. Der Wille, im fremden Namen handeln zu wollen, kann sich zwar aus der Erklärung selbst oder aus den Umständen ergeben. Beides liegt indes hier nicht vor, da die damalige Verkäuferin ein grundsätzliches Wegerecht verankern (und verkaufen) wollte und die Person, der dies letztlich zu Gute kommen sollte, seinerzeit noch nicht, wie für ein Vertretergeschäft erforderlich, bestimmbar war.

c)

Beanstandungsfrei ist das Landgericht weiter zu dem Ergebnis gelangt, dass hier auch kein Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB) vorliegt. Ob ein solcher Vertrag vorliegt, ist in der Regel durch Auslegung zu ermitteln (§ 328 Abs. 2 BGB). Dass im Rahmen des Verpflichtungsgeschäfts ein Forderungsrecht des Klägers als Dritter ausbedungen werden sollte, ist für den Senat auf Grund der Vereinbarung in § 8 sowie der weiteren Umstände jedoch nicht ersichtlich, insbesondere weil sich die Verkäuferin die Übertragung des Wegerechts abkaufen lassen wollte und, nachdem der Kläger hierin nicht einwilligte, die Rücknahme des Antrags auf Eintragung des Wegerechts erklärte.

Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf seine diesbezüglichen Ausführungen im Urteil vom 13.04.2017.

2.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Duldung eines Notwegerechts auf Grund eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zu.

Soweit der Kläger meint, dies daraus ableiten zu können, dass sich zum Grundbuchblatt der Beklagten die Buchung befindet „ … 180 m² Fahrweg …“ (vgl. Bl. 151, Bd. I d. A.) und im damaligen Bebauungsplan sich der jetzige Privatweg mit dem Vermerk „G/F/L“ wiederfindet, teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts (worauf der Senat schon in seiner Entscheidung vom 13.04.2017 hingewiesen hat), dass sich aus einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB kein zivilrechtlicher Anspruch des Klägers ableiten lässt. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB wird nämlich nur eine Fläche für ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht festgesetzt und nicht das Geh-, Fahr- und Leitungsrecht selbst. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt (vgl. BVerwG, Beschluss v. 18.12.1987 – 4 NB 2/87 –, zit. n. juris, Rn. 22):

„ … Die aufgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 21 BBauG/BauGB zu treffende Festsetzung einer "mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden" Fläche begründet selbst das Recht noch nicht, und damit auch noch keine Duldungspflichten zur Benutzung der Fläche für das Begehen, Überfahren sowie das Verlegen und Unterhalten von Leitungen. Vielmehr ist diese Festsetzung erst - öffentlich-rechtliche - Grundlage, um das Grundstück zur Begründung eines solchen Rechts notfalls im Enteignungswege in Anspruch zu nehmen.“

3.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Duldung des von ihm begehrten Notwegerechts aus dem sogenannten nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis (§ 242 BGB) zu.

Der BGH hat hervorgehoben, dass sich das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis in der Regel allein als Schranke der Rechtsausübung auswirkt (vgl. BGH, Urteil v. 08.02.2013 - V ZR 56/12 -, zit. n. juris, Rn. 6; BGHZ 88, 344, 351 = NJW 1984, 729; BGHZ 113, 384, 389 = NJW 1991, 1671, 1672; vgl. auch OLG Hamm, Urteil v. 27.02.2012 - 5 U 77/11 -, zit. n. juris, Rn. 74). Selbstständige Ansprüche lassen sich hieraus grundsätzlich nicht ableiten. Im Übrigen sind die Pflichten aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis hinsichtlich des Rechts auf Mitbenutzung eines Nachbargrundstücks grundsätzlich in §§ 917 ff. BGB abschließend geregelt (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 31.03.2014 - I-5 U 168/13 -, zit. n. juris, Rn. 70; OLG Koblenz, Beschluss v. 29.10.2012 - 2 U 1124/11-, NJOZ 2013, 353 m. w. N.).

4.

Dem Kläger steht jedoch ein Anspruch auf Duldung des von ihm begehrten Notwegerechts aus § 917 BGB zu.

a)

Der Senat kann in diesem Zusammenhang bereits nicht nachvollziehen, dass das erstinstanzliche Gericht nach Zurückverweisung des Verfahrens mit Urteil des Senats vom 13.04.2017 (Az.: 3 U 85/15) erneut das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Notwegerecht nach § 917 BGB geprüft und problematisiert hat. Dies war dem Landgericht vielmehr verwehrt, nachdem der Senat in seiner obigen Entscheidung - der seinerzeitigen Entscheidung des Landgerichts folgend - ausgeurteilt hatte, dass die Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 BGB erfüllt sind und dem Kläger dem Grunde nach ein Notwegerecht zusteht. Der Senat, der sich insoweit der diesbezüglichen Auffassung des Landgerichts angeschlossen hatte, hatte das Verfahren nur deshalb an das Landgericht zurückverwiesen, weil dieses sich nicht mit dem Vortrag der Beklagten auseinandergesetzt hatte, dass das grundsätzlich bestehende Notwegerecht des Klägers gemäß § 918 BGB ausgeschlossen sei, da der Kläger den Umstand des verbindungslosen streitbefangenen Grundstücks durch eine willkürliche Handlung selbst herbeigeführt habe, und weil das Landgericht versäumt hatte, Feststellungen zur Verkehrswertminderung des Grundstücks der Beklagten durch das Notwegerecht im Hinblick auf die hierfür zu zahlende Notwegerente zu treffen. Auf die entsprechenden Ausführungen des Senats im Urteil vom 13.04.2017 wird insoweit verwiesen. Die der Aufhebung zugrundeliegende Rechtsansicht des Senats war für das Landgericht entsprechend § 563 Abs. 2 ZPO bindend, wobei auch der Senat selbst an seine Entscheidung vom 13.04.2017 gebunden ist, also, soweit es das Notwegerecht betrifft, keine anderslautende Sachentscheidung mehr treffen kann (vgl. Zöller - Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 538, Rn. 60 m. w. N.). Die Bindung für das Erstgericht bestand dabei unabhängig davon, ob die Auffassung des Rechtsmittelgerichts zutrifft oder nicht und hätte selbst dann gegolten, wenn das Erstgericht der Meinung gewesen wäre, dass die Auffassung des Rechtsmittelgerichts gesetzwidrig sei (vgl. Zöller - Heßler, a. a. O.). Das Bestehen des Notwegerechts lag der Aufhebung zugrunde, denn andernfalls fehlt es an der Relevanz sowohl des § 918 BGB als auch eines Zurückbehaltungsrechts im Hinblick auf eine Notwegerente.

Auf die Frage, ob dem Kläger das von ihm beantragte Notwegerecht zusteht, war deshalb nicht mehr einzugehen.

b)

Unabhängig hiervon hält der Senat indes auch weiterhin die Voraussetzungen eines Notwegerechts nach § 917 BGB für gegeben. Insbesondere fehlt es vorliegend an einer Verbindung zwischen dem im Streit stehenden Grundstück und einem öffentlichem Weg. Weder existiert ein direkter Anschluss an die Straße „J.“ noch an die Straße „G.“. Zur ordnungsmäßigen Benutzung des im Streit stehenden Grundstücks besteht auch eine Verbindungsnotwendigkeit. In diesem Zusammenhang kommt es ausschließlich auf die Bedürfnisse des abgeschnittenen Grundstücks an. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Hauseingangsbereich selbst dabei mit einem Kraftfahrzeug zwar nicht erreicht werden können. Ausreichend, aber auch erforderlich ist es, wenn das Kraftfahrzeug unmittelbar an das Wohngrundstück heranfahren kann und von dieser Stelle aus der Eingangsbereich in „zumutbarer Weise“ (auch mit sperrigen Gegenständen) erreicht werden kann (vgl. BGH, Urteil v. 24.04.2015 - V ZR 138/14 -, zit. n. juris, Rn. 14; Urteil v. 18.10.2013 - V ZR 278/12 -, zit. n. juris, Rn. 12). Der Bundesgerichtshof ist nämlich der Ansicht, dass es zur ordnungsgemäßen Nutzung eines Wohngrundstückes gehört, dass der „Lieferverkehr“ gewährleistet ist. Die Befriedigung von Grundbedürfnissen der Bewohner wie z.B. die problemlose Anlieferung von Gegenständen des täglichen Lebensbedarfs sowie die sichere Erreichbarkeit des Grundstücks stehen ansonsten der ordnungsmäßigen Benutzung als Wohngrundstück entgegen (vgl. BGH, Teilurteil v. 12.12.2008 - V ZR 106/07 -, zit. n. juris, Rn. 24). Soweit es das klägerische Grundstück betrifft, ist dies aktuell jedoch nicht gewährleistet.

Der Kläger kann auch nicht - wie das Landgericht meint - auf den vom „G.“ aus über die Grundstücke der Bäderbahn verlaufenden Schotterweg verwiesen werden. Das Gesetz selbst trifft keine Aussage darüber, welche Kriterien für die Wahl des Notwegberechtigten maßgebend sind, wenn eine Mehrheit von möglichen Wegen auf einem Grundstück oder mehrere denkbare Verbindungsgrundstücke zur Verfügung stehen. Grundsätzlich muss der Berechtigte jedoch die Verbindung wählen, die nach den örtlichen Gegebenheiten naturgemäß in Betracht kommt. Der Eigentümer des eingeschlossenen Grundstücks hat dabei allerdings keinen Anspruch darauf, dass stets der für ihn kürzeste Weg maßgebend ist (vgl. Staudinger/Roth (2016) BGB § 917, Rn. 38; Palandt/Herrler, BGB, 79. Aufl., § 917, Rn 6 a). Bei mehreren Möglichkeiten kommt es zu einer Abwägung der Interessen an der geringsten Belastung durch den Notweg einerseits und denjenigen an der größten Effektivität des Notweges andererseits (vgl. Staudinger/Roth (2016) BGB § 917, Rn. 38; Palandt/Herrler, BGB, 79. Aufl., § 917, Rn 6 a; Soergel/ Baur, BGB, 13. Aufl., § 917, Rn 9; BGB-RGRK/Augustin, 12. Aufl., § 917, Rn 14).

Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang indes bereits verkannt, dass die vom Kläger begehrte Variante eines Notweges unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs alternativlos ist, um das klägerische Grundstück zu erreichen. Zwar führt vom „G.“ aus über die Grundstücke / Flurstücke 62 und 63 der Bäderbahn ein Schotterweg zum klägerischen Grundstück / Flurstück 61, wo sich eine Parkmöglichkeit befindet, von der dann - über das klägerische Grundstück / Flurstück 61 - fußläufig das im Streit stehende klägerische Grundstück / Flurstück 60/5 zu erreichen ist. Das Landgericht übersieht aber dabei, dass allein hieraus deutlich wird, dass das im Streit stehende Grundstück über diese Variante eben gerade nicht, wie vom Bundesgerichtshof gefordert (s.o.), direkt mit einem Kfz angefahren werden kann. Direkt angefahren werden kann danach nur das Grundstück / Flurstück 61. Die Intention des Bundesgerichtshofs, das Grundstück auch mit sperrigen Gegenständen etc. anfahren zu können (s.o.) ist hierdurch demnach nicht gewahrt. Auch Müllentsorgung etc. wäre hierdurch nicht zumutbar gewährleistet. Genau dies stellt aber den Hintergrund des Bedürfnisses für ein Notwegerecht dar. Ein Wohngrundstück muss wirtschaftlich vernünftig benutzbar sei. Insoweit besteht nach Auffassung des Senats gar keine alternative Verbindung zum klägerischen Grundstück.

Im Übrigen handelt es sich bei der vom Kläger begehrten Variante nach Auffassung des Senats um diejenige, die nach den örtlichen Gegebenheiten naturgemäß in Betracht kommt, da dort bereits ein ausgebauter Privatweg vorhanden ist, der entlang des klägerischen Grundstücks zum Grundstück der Familie R (Flurstück 56/3) führt und dementsprechend ohnehin von diesen und deren Besuchern bereits frequentiert wird.

c)

Der hieraus folgende Duldungsanspruch nach § 917 BGB ist auch nicht gemäß § 918 BGB ausgeschlossen. Dies wäre nur der Fall, wenn die bestehende Notlage durch eine willkürliche Handlung (nicht: Naturereignisse) des Eigentümers herbeigeführt worden wäre. Abs. 1 enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken. Daher kann ein Anspruch auf einen Zugang nicht hergeleitet werden, wenn der Eigentümer den maßgebenden Zustand durch Maßnahmen auf seinem Grundstück erst herbeigeführt hat (vgl. BGH, Urteil v. 05. 05.2006 - V ZR 139/05 -, zit. n. juris, Rn. 13).

Unter einer willkürlichen Handlung im Sinne des § 918 Abs 1 BGB ist jede freiwillige Handlung zu verstehen, mit der eine bestehende Verbindungsmöglichkeit aufgegeben wird und die einer ordnungsmäßigen Grundstücksbenutzung unter Beachtung der Interessen des Nachbarn widerspricht (vgl. OLG Brandenburg Urteil v. 13.06.1996 - 5 U 109/95 -, zit. n. juris, Rn. 15; OLG München, Urteil v. 28.01.1992 - 25 U 4543/91 -, zit. n. juris, Rn. 13). Nicht jedes bewusste Handeln des Grundstückseigentümers, durch das die Verbindung eines Teils seines Grundstücks zu einem öffentlichen Weg aufgehoben wird, ist dabei willkürlich im Sinne von § 918 Abs. 1 BGB. Willkürlich im Sinne der Vorschrift ist vielmehr nur eine auf freier Entscheidung beruhende Maßnahme, die der ordnungsgemäßen Grundstücksbenutzung widerspricht und die gebotene Rücksichtnahme auf nachbarliche Interessen außer Acht lässt (vgl. BGH, Urteil v. 07.07.2006 - V ZR 159/05 -, zit. n. juris, Rn. 15 m. w. N.). Willkür liegt danach vor, wenn der Eigentümer unter den verschiedenen Möglichkeiten einer ordnungsgemäßen Grundstücksnutzung diejenige wählt, die einen Notweg erforderlich macht (vgl. BGH a. a. O.;Staudinger/Roth (2016) BGB § 918, Rn. 2; OLG Brandenburg, Urteil v. 13.06.1996 - 5 U 109/95 -, zit. n. juris, Rn. 15; OLG München, Urteil v. 28.01.1992 - 25 U 4543/91 -, zit. n. juris, Rn. 13)oder wenn er bei der Bebauung seines Grundstücks nicht darauf achtet, dass die Verbindung sämtlicher Teile des Grundstücks zu dem öffentlichen Weg erhalten bleibt (vgl. BGH, a. a. O.).

Unter Beachtung dessen ist der Senat nicht der Auffassung, dass der Kläger vorliegend willkürlich im Sinne der Vorschrift gehandelt hat. Soweit dem Kläger vorgeworfen wird, die Duldungspflicht selbst veranlasst zu haben, da er seine südlich des streitbefangenen Grundstücks zum „G.“ hin liegenden Grundstücke bebaut habe, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Beklagten verkennen, dass das streitbefangene Grundstück selbst nie eine direkte Verbindung zu einem öffentlichen Weg hatte, es also an einer Aufhebung einer vorhandenen Verbindung fehlt (vgl. BGH, Urteil v. 24.04.2015 - V ZR 138/14 -, zit. n. juris, Rn. 24). Durch die bestimmungsmäßige Bebauung des streitbefangenen Grundstücks ist daher keine direkte Verbindung zu einem öffentlichen Weg unterbrochen oder erschwert worden. Der Kläger war auch nicht verpflichtet, seine am „G.“ anliegenden weiteren Grundstücke so einschränkend zu bebauen, dass über diese ein Weg zu dem nördlich hiervon gelegenen streitbefangenen Grundstück verläuft. Nur weil ihm mehrere zusammenhängende Grundstücke gehören, kann er im Rahmen der wirtschaftlichen Nutzung seiner Grundstücke insoweit nicht schlechter gestellt werden als ein etwaiger unbeteiligter Dritteigentümer jener Grundstücke. Jedenfalls dann nicht, wenn, wie hier, bereits ein Privatweg vorhanden ist, der von Dritten rechtmäßig genutzt wird.

Hinzu kommt, dass der Kläger nach Auffassung des Senats im Rahmen der Bebauung seiner weiteren Grundstücke darauf vertrauen durfte, dass entlang seines im Streit stehenden Grundstücks ein befahrbarer Weg entstehen wird, da sich im damaligen Bebauungsplan der jetzige Privatweg mit dem Vermerk „G/F/L“ wiedergefunden hat und sich zum Grundbuchblatt der Beklagten die Buchung befindet „ … 180 m² Fahrweg …“. Dies gilt insbesondere auch, weil sich - vom Anfang des Privatweges ausgehend - hinter dem klägerischen Grundstück dasjenige der Familie R. (Flurstück 56/3) befand, welches ohne diesen Privatweg nicht zu erreichen gewesen wäre.

d)

Der Senat sieht sich daran gehindert, eine Notwegerente festzustellen, und ein im Hinblick darauf begründetes Zurückbehaltungsrecht der Beklagten durch eine Zug-um-Zug-Verurteilung zu berücksichtigen.

Inwieweit den Beklagten für die Duldung des klägerischen Notwegerechts eine Notwegerente zusteht, vermag der Senat nämlich nicht zu beurteilen. Der Senat hatte u. a. ausdrücklich aus diesem Grund den Rechtsstreit an das Erstgericht zurückverwiesen, da seinerzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte vorlagen, um die Wertminderung des Grundstücks der Beklagten durch das Notwegerecht selbst einzuschätzen (§ 287 ZPO) bzw. insoweit einen Sachverständigen hiermit zu beauftragen. Obwohl der Senat in seiner Entscheidung vom 13.04.2017 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass dezidierter Vortrag der Beklagten zu Art, Umfang und Häufigkeit der Beeinträchtigungen erforderlich ist und dies unter Zeugenbeweis zu stellen ist, haben es die Beklagten versäumt, hierzu weiter vorzutragen. Dem Senat ist es deshalb mangels Grundlagen weiterhin nicht möglich eine eigene Schätzung der Notwegerente vorzunehmen (§ 287 ZPO) bzw. hiermit einen Sachverständigen zu beauftragen. Dies wäre von den Parteien gegebenenfalls nunmehr gesondert in einem etwaigen Nachfolgeprozess zu klären.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren ergibt sich aus §§ 3, 7 ZPO (vgl. Zöller - Herget, ZPO, 33. Aufl., § 3, Rn. 16.123; BGH, Beschluss v. 07. 07.2016 - V ZR 11/16 -, zit. n. juris, Rn. 5). Maßgebend ist insoweit der Wert, den das Notwegerecht für das herrschende Grundstück des Klägers hat. Das Landgericht hat diesen auf 6.000,- € geschätzt. Der Senat hat mangels anderweitigem Vortrages der Parteien hierzu keine Veranlassung, insoweit zu einem anderen Ergebnis zu gelangen, zumal die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung von den Parteien auch nicht angegriffen worden ist.


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