Grundsätzlich würde das sich analog § 88 Abs. 1 S. 1 AktG aus der Organstellung des Geschäftsführers der GmbH folgende Wettbewerbsverbot nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft erlöschen, sondern erst mit der Beendigung seiner Organstellung.
Die Insolvenzeröffnung beendet die Organstellung noch nicht. Im Hinblick auf deren Fortbestand würde daher auch das Wettbewerbsverbot weiter gelten. Insbesondere sei die Annahme fehlerhaft, aus § 80 Abs. 1 InsO folge, dass nur der Insolvenzverwalter für die Gesellschaft tätig werden dürfe. Zwar mögen die Möglichkeiten des Geschäftsführers ab Insolvenzeröffnung (stark) eingeschränkt sein, sie würden aber nicht in Gänze entfallen. Im Übrigen betreffe auch § 80 Abs. 1 InsO nicht die Rechtsstellung des Geschäftsführers bzw. des Gesellschafstorgans, sondern diejenige der Gesellschaft. Das Innenverhältnis der Gesellschaft zu ihren Organen sie nicht Gegenstand des § 80 Abs. 1 InsO. Da sich die Norm an natürliche und juristische Personen oder (teil-) rechtsfähige Personenvereinigungen wende, könne es nur um das Außenverhältnis gehen. Von daher würden die organschaftlichen Pflichten des Geschäftsführers auch durch § 80 Abs. 1 InsO nicht berührt.
Weiterhin sie zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus auch im Anwendungsbereich des § 80 Abs. 1 InsO (auch am Insolvenzverwalter vorbei) Verträge abschließen könne. Denn die Überleitung der Verfügungsmacht auf den Insolvenzverwalter bewirke nur, dass ein durch den Schuldner bzw. dessen Organ abgeschlossenes Geschäft keinen Anspruch des Dritten gegen die Masse begründen kann. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es höchstpersönliche Rechtspositionen auch einer juristischen Person wie der GmbH gäbe, die nicht durch den Verwalter, sondern weiter in den Zuständigkeitsbereich des Organs fallen würden (BVerfG, Beschluss vom 22.03.2013 - 1 BvR 791/12 -).
OLG Rostock, Beschluss vom
02.06.2020 - 4 W 4/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 18.03.2020, Az.: 6 HK O 5/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Für die Darstellung des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die Sachverhaltsschilderung in dem angefochtenen Beschluss (Blatt 71 ff. d.A.) sowie auf die die Beschwerdeschrift vom 30.03.2020 (Blatt 79 ff. d.A.) Bezug.
Im Beschwerderechtszug ist streitig, ob der Geschäftsführer einer insolventen GmbH auch nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung einem – gesetzlichen – Wettbewerbsverbot unterliegt.
II.
Die gemäß § 91a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 567 ff. ZPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist sachlich nicht begründet.
Die Entscheidung des Landgerichts – das der Beschwerde mit Beschluss vom 03.04.2020 (Blatt 85 ff. d.A.) nicht abgeholfen hat – begegnet keinen Bedenken.
Zurecht geht das Landgericht davon aus, das kraft Gesetzes – analog § 88 Abs. 1 Satz 1 AktG (BGH, Urteil vom 16.03.2017 – IX ZR 253/15, NJW 2017, 1749 = GmbHR 2017, 583 [Juris; Tz. 20] m.w.N.) – aus der Organstellung des GmbH-Geschäftsführers folgende Wettbewerbsverbot erlösche nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft, sondern erst mit der Beendigung der Organstellung.
1. Dass erst die Beendigung der Organstellung auch das Wettbewerbsverbot entfallen lässt, ist allgemein anerkannt (Schneider, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 43 Rn. 152 f.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, Anhang zu § 6 Rn. 20 f.; Sedlmaier/Rüppell, BB 2017, 1923 [1924]). Dabei steht außer Frage und auch zwischen den Parteien außer Streit, dass die Insolvenzeröffnung die Organstellung nicht beendet. Folgerichtig berührt die Insolvenzeröffnung den Fortbestand des gesetzlichen Wettbewerbsverbots nicht (explizit wie hier Fichtelmann, GmbHR 2008, 76 [83]).
2. Das erscheint auch system- und verbotszweckgerecht. Selbst wenn man den rechtlichen Ansatz der Beschwerde zu Grunde legt, nicht die Organstellung als solche begründe – per se – ein Wettbewerbsverbot, sondern es seien die aus der Organstellung regelmäßig folgenden Informationserlangungsmöglichkeiten und Geschäftsleitungsbefugnisse des Geschäftsführers, die das Wettbewerbsverbot rechtfertigen, weil sie dem Geschäftsführer einen spezifischen Sondervorteil im Verhältnis zur Gesellschaft verschaffen würden, besteht kein durchgreifender Grund, auf die Insolvenzeröffnung abzustellen.
a) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin folgt aus § 80 Abs. 1 InsO nämlich nicht, dass nur noch der Insolvenzverwalter für die Gesellschaft tätig werden und auf gesellschaftsbezogene Informationen zugreifen könnte. Entsprechende Möglichkeiten mögen für den Geschäftsführer ab Insolvenzeröffnung – ggf. auch stark – eingeschränkt sein. Sie entfallen aber nicht in Gänze. Es bleibt ein spezifisches Sonderverhältnis zur Gesellschaft bestehen, das den Geschäftsführer zu unveränderter und mit Blick auf die Insolvenzsituation sogar an Bedeutung noch gewinnender Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft verpflichtet.
Schon im Ansatz betrifft § 80 Abs. 1 InsO nicht im eigentlichen Sinne die Rechtsstellung des Geschäftsführers oder generell des jeweiligen Gesellschaftsorgans, sondern diejenige der Gesellschaft selbst. Das (Innen-) Verhältnis der Insolvenzschuldnerin zu ihrem Organ ist nicht Regelungsgegenstand des § 80 Abs. 1 InsO. Da § 80 Abs. 1 InsO tatbestandlich nicht zwischen solchen Gemeinschuldnern, die natürliche Personen sind, und solchen, bei denen es sich um juristische Personen oder (teil-) rechtsfähige Verbände handelt, unterscheidet, kann es hier im Ausgangspunkt nur um das (Außen-) Verhältnis des – ggf. durch sein Organ handelnden – Schuldners zum Verwalter gehen.
Vor diesem Hintergrund ist zurecht anerkannt, dass die organschaftlichen Pflichten des Geschäftsführers gegenüber der insolventen Gesellschaft fortbestehen und durch § 80 Abs. 1 InsO nicht berührt werden (statt aller Kayser/Thole, in: Kayser/Thole, InsO, 09. Aufl. 2018, § 80 Rn. 18 m.w.N.). Schon das spricht systematisch für einen Fortbestand auch des an die Organstellung geknüpften Wettbewerbsverbots.
Hinzu tritt, dass der Insolvenzschuldner über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus auch im Anwendungsbereich des § 80 Abs. 1 InsO grundsätzlich weiterhin – am Insolvenzverwalter „vorbei“ – Verträge schließen kann. Die Überleitung der Verfügungsmacht auf den Verwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO bewirkt nicht, dass der Schuldner sich selbst – im Fall einer juristischen Person durch sein jeweiliges Organ – rechtsgeschäftlich gegenüber Dritten generell nicht mehr betätigen könnte, sondern lediglich, dass ein durch den Schuldner bzw. sein Organ abgeschlossenes Geschäft keinen Anspruch des Dritten gegen die Masse begründet (BGH, Urteil vom 26.02.2015 – IX ZR 174/13, ZInsO 2015, 688 = NZI 2015, 376 [Juris; Tz. 8]; Kayser/Thole, a.a.O., Rn. 19). Die Rechtsmacht des Geschäftsführers, die Schuldnerin Dritten gegenüber wirksam zu vertreten und Rechtswirkungen zumindest zu ihren Gunsten zu begründen, ist also durch die Insolvenzeröffnung selbst im gegenständlichen Anwendungsbereich des § 80 Abs. 1 InsO nicht einfach aufgehoben. Auch dieser Umstand kann nur den Schluss nach sich ziehen, dass das Wettbewerbsverbot selbst dann durch die Insolvenzeröffnung nicht berührt wird, wenn man – mit der Beschwerde – die aus der Organstellung resultierenden rechtlichen Handlungsmöglichkeiten des Organs für die Gesellschaft als eigentlichen Rechtfertigungsgrund des Wettbewerbsverbots ansieht.
Das muss umso mehr gelten, wenn man weiterhin berücksichtigt, dass auch eine juristische Person Inhaber höchstpersönlicher Rechtspositionen sein kann, die als solche dem Insolvenzbeschlag nicht unterliegen und damit nicht durch den Verwalter wahrgenommen werden können, sondern unverändert in den alleinigen Zuständigkeits- und Befugnisbereich des Organs fallen (BVerfG, Beschluss vom 22.03.2013 – 1 BvR 791/12, ZIP 2013, 986 [Juris; Tz. 10 f.]; BSG, Urteil vom 21.03.2012 – B 6 KA 22/11 R, GesR 2012, 539 [Juris; Tz. 3 i.V.m. Tz. 21], m.w.N.).
b) Soweit die Beschwerde abschließend auf praktische Schwierigkeiten des Geschäftsführers verweist, sich seiner Organstellung nach Insolvenzeröffnung zu entledigen, bedarf dies keiner abschließenden Würdigung. Selbst wenn entsprechende Schwierigkeiten zu konzedieren sein sollten, ergäbe sich daraus kein durchgreifendes Argument gegen den Fortbestand der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, und zwar weder im Allgemeinen noch im Besonderen hinsichtlich des hier in Rede stehenden Wettbewerbsverbots.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Da lediglich eine Festgebühr gemäß KV 1810 GKG anfällt (Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 91a Rn. 59; MünchKommZPO/Schulz, 05. Aufl. 2016, § 91a Rn. 143), ist eine Wertfestsetzung für den Beschwerderechtszug nicht veranlasst.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 ZPO), besteht nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen