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Freitag, 16. Oktober 2020

Fehlende Berufungsanträge und Auslegung der Berufungsbegründung

Die Kläger machten Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus einem Vertragsverhältnis geltend. Nach Erlass eines Versäumnisurteils, gegen welches die Beklagte rechtzeitig Einspruch einlegte, stellten die Kläger den Antrag, das Versäumnisurteil teilweise aufzuheben hob das Landgericht dieses auf und gab der Klage und spezifizierten ihren Leistungsantrag neu. Unter Aufhebung des Versäumnisurteils gab das Landgericht der Leistungsklage nur teilweise statt. Die Kläger legten fristgerecht gegen das Endurteil des Landgerichts Berufung ein, mit der sie ausführten, dass der Berufungsantrag und die Berufungsbegründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten blieben. Mit Schriftsatz vom 07.10.2019 beantragten die Kläger eine Verlängerung der Berufungsbegründungsschrift. Gleichzeitig haben sie bereits Ausführungen zur Begründung der Berufung gemacht. Innerhalb der (verlängerten) Frist zur Berufungsbegründung trugen die Kläger weiter zu Sache vor. Einen Berufungsantrag stellten sie in keinem der Schriftsätze. Nach einem  Hinweisbeschluss das OLG verwarf das OLG die Berufung als unzulässig. Zur Begründung führte es aus, die Berufung sei gemäß § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO unzulässig, da die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO entspreche; beiden Schriftsätzen der Kläger sei nicht zu entnehmen, in welchem Umfang das erstinstanzliche Urteil angefochten würde und welche Abänderung des Urteils begehrt würde. Es würden Berufungsanträge fehlen und der Begründung ließe sich auch nicht (konkludent) entnehmen, in welchem Umfang das Urteil angefochten würde und welche Abänderung begehrt würde. In den Schriftsätzen hätten die Kläger ausgeführt, das Landgericht habe nur die Erstattung des Vertrauensschadens anerkannt und nicht den „Schadensersatzanspruch unter anderem in den Betriebsverlusten, die durch die Gründung und das Betreiben des Franchise-Outlets … entstanden seien“; die Teilabweisung habe es bezüglich der verschiedenen Positionen unterschiedlich begründet. Zur Teilabweisung sei ausgeführt worden, die Klageforderung sei in dem „weit überwiegenden Teil den Klägern nicht zugesprochen worden, weil angeblich der Schaden nicht konkret berechnet bzw. nicht substantiiert dargelegt worden war“. Wörtlich sei ausgeführt worden: „Diese Abweisung der Klage im Wesentlichen [sic] Umfang ist rechtsfehlerhaft, da zum Einen entgegen der Ansicht des Landgerichts der Schaden in korrekter Weise dargelegt wurde, und überdies das Landgericht nicht in eindeutiger Weise hat im Vorfeld erkennen lassen, wie es den Schadensersatz berechnet wissen möchte.“ Da, so das OLG, nicht erkennbar sei, welche Änderungen der Schadensberechnung die Kläger vorgenommen hätten, wenn das Landgericht weitere Hinweise zur Schadensberechnung vorgenommen hätten, würde sich das Sachbegehren der Kläger nicht erschließen. Es ließe sich nicht erkennen, dass sie ihre Ansprüche in vollem Umfang weiterverfolgt hätten. Es erschließe sich daher nicht, weshalb die Teilklageabweisung zu den Schadenspositionen unrichtig sein soll und in welchem Umfang das erstinstanzliche Begehren weiterverfolgt werden soll.

Hiergegen legten die Kläger Rechtsbeschwerde zum BGH ein, mit der sie die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses begehrten und die zuletzt beim Landgericht gestellten Anträge, soweit sie erfolglos geblieben sind, weiterverfolgten. Auf die Rechtsbeschwerde wurde der Verwerfungsbeschluss des OLG aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Das OLG habe mit seiner Annahme, die Berufungsbegründung genüge nicht den Erfordernissen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO den Klägern den Zugang zu einer der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert. Nach der benannten Norm muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, welche Abänderung des angefochtenen Urteils begehrt würde (Berufungsanträge). Dabei reiche es aber aus, wenn die Berufungsbegründung, ohne dass ein Antrag explizit gestellt wird, den Schluss auf die Weiterverfolgung des erstinstanzlichen Begehrens zulasse. Dabei sei im Grundsatz davon auszugehen, dass eine Berufung im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung gerichtet sei, soweit der Berufungsführer durch diese beschwert wurde.

Danach sei hier davon auszugehen, dass die Kläger das Urteil insgesamt, soweit zu ihrem Nachteilentschieden wurde, zur Überprüfung durch das OLG stellen wollten. Die benannten Passagen aus den Schriftsätzen der Kläger seien unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze so zu verstehen, dass die das Urteil insgesamt, soweit die Klage abgewiesen wurde, anfechten wollten. Auch wenn die Begründung des Landgerichts in den Schriftsätzen nur unvollständig wiedergegeben worden sei, stehe dies dem nicht entgegen. Es dürften die Anforderungen bezüglich der Berufungsanträge nach § 520 Abs. 3 S. s Nr. 1 ZPO nicht mit den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verknüpft werden. Ob die Berufungsbegründung den erforderlichen Anforderungen an eine solche entsprechen würde, würde nicht zur Entscheidung stehen.

Der Verwerfungsbeschluss könne daher keinen Bestand haben. Die Sache sei nicht zur Entscheidung reif, da es nach einer gebotenen Anhörung der Parteien noch einer weiteren Prüfung der Zulässigkeit und gegebenenfalls der Begründetheit der Berufung bedürfe.

BGH, Beschluss vom 12.08.2020 - VII ZB 5/20 -