Freitag, 11. Juli 2014

Wohnungseigentum: Teilweise Kostentragung trotz Obsiegens im Prozess

Wie das, werden sich viele fragen. Nach § 91 ZPO trägt derjenige die Kosten eines Rechtsstreits, der unterliegt.  Klage die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen Wohnungseigentümer auf Zahlung von Wohnungsgeld bzw. Schadensersatz und unterliegt, ergeht auch eine der Norm des § 91 ZPO entsprechende Entscheidung. Aber gleichwohl muss sich, so der BGH, der obsiegende Wohnungseigentümer an den Kosten des Verfahrens beteiligen. In seinem Urteil vom 04.04.2014 – V ZR 168/13 – hat er festgehalten, dass nach § 16 Abs. 2 WEG die der Wohnungseigentümergemeinschaft entstehenden Prozesskosten „von allen Wohnungseigentümern“ zu tragen sind, also auch von dem obsiegenden Wohnungseigentümer, weshalb dieser im Rahmen der Abrechnung dieser Kosten im Verhältnis der Wohnungseigentümer nicht freigestellt wird. Durch § 16 Abs. 8 WEG würde nichts anderes bestimmt, da diese Regelung nur für Mehrkosten anwendbar sei, die darauf beruhen, dass der beauftragte Rechtsanwalt auf Grund einer Vereinbarung mehr erhalte als nach der gesetzlichen Grundlage des RVG geschuldet.

Dieser Entscheidung kann nicht gefolgt werden. Sie verkehrt letztlich das Prinzip des § 91 ZPO. Zwar lässt der BGH zunächst den obsiegenden Wohnungseigentümer seinen Erstattungsanspruch gegen die Gemeinschaft, fordert dann aber im Rahmen des Innenausgleichs der Gemeinschaft (so über die Jahresabrechnung) den obsiegenden Eigentümer zu Beteiligung an den Kosten des Verfahrens auf, welches hier fehlerhaft (da abweisend) gegen ihn geführt wurde. Der BGH setzt sich nur mit der Regelung in § 16 WEG auseinander, nicht aber mit der Koexistenz des § 91 ZPO, der damit (teilweise) indirekt unterlaufen wird. Schon deshalb überzeugt nicht die teleologische Auslegung des BGH zu den Regelungen im WEG, da diese von den übrigen gesetzlichen Regelungen, hier in § 91 ZPO, getrennt gesehen werden können.


Wollte man dem BGH folgen, wäre von dem obsiegenden Eigentümer in Ansehung der teilweisen Kostentragung eventuell zu prüfen, ob eine Haftung des die Eigentümergemeinschaft vertretenen Anwalts besteht, da dieser nicht abgeraten hat (resp. der WEG ihm gegenüber, wenn diese das Verfahren trotz Abratens gegen ihn aufgenommen haben sollte). Besteht ein Anwaltsverschulden, müsste er den Antrag stellen, den Anwalt auf Regress zu verklagen und dies gegebenenfalls wiederum klageweise geltend machen. Eine never ending story; aber nur so könnte es der betroffene und zunächst zu Unrecht in Anspruch genommene Eigentümer vermeiden, für von ihn nicht schuldhaft verursachten kosten „hängen zu bleiben“. 

BGH, Urteil vom 04.04.2014 - V ZR 168/13 - 

Mittwoch, 2. Juli 2014

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR): Haftung der Erben für Gesellschaftsschulden

Bild: Thorsten Freyer / pixelio.de
Bei der GbR handelt es sich um eine Personengesellschaft, die seit der Entscheidung des BGH vom
29.01.2001 – II ZR 331/00 - grundsätzlich als Außengesellschaft eine eigene Rechtsfähigkeit besitzt, also klagen kann und verklagt werden kann. Allerdings haften die Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft als dem Wesen der Personengesellschaft entsprechend persönlich, also mit ihrem gesamten Vermögen, §§ 705 BGB, 128 HGB analog; eine Haftungsbeschränkung ist nicht durch Zusätze wie „mit beschränkter Haftung“ möglich, sondern lediglich durch Individualvereinbarung mit Vertragspartnern (BGH, Urteil vom 27.09.1999 – II ZR 371/98 -).  Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Erben eines Gesellschafters anlog § 130 HGB für Altschulden der Gesellschaft haften, worauf der BGH in seinem Beschluss vom 17.12.2013 – II ZR 121/12 – unter Verweis auf sein Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 56/02 -  hinwies.  

Streitig ist lediglich, ob für die GbR auch § 139 HGB für den Erben des GbR-Gesellschafters herangezogen werden kann. § 139 ZPO bestimmt für die Offene Handelsgesellschaft, dass der Erbe, der nach dem Gesellschaftsvertrag ein Eintrittsrecht hat, verlangen kann, dass er als Kommanditist (und damit nicht als Vollhafter) aufgenommen wird, was eine Umwandlung von der OHG in eine KG (Kommanditgesellschaft) erforderlich macht. Diese Streitfrage hat der BGH, da nicht entscheidungserheblich, zwar in seinem Beschluss aufgezeigt, aber nicht beantwortet.  

Zu beachten ist, dass der Erbe, auch wenn er nicht in die Gesellschafterstellung einrückt, sondern z.B. durch eine qualifizierte Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag die Beteiligung quasi am Erbe vorbei auf einen anderen Gesellschafter übergeht, nach § 736 BGB für die bis zum Todeszeitpunkt entstanden Gesellschaftsschulden ebenfalls haftet (anschaulich im Fall LG Köln, Urteil vom 21.06.2013 - 2 O 667/05 -).

BGH, Beschluss vom 17.12.2013 - II ZR 121/12 -

Dienstag, 1. Juli 2014

Impressumspflicht im Netz

Bild: flown / pixelio.de
Dass ein Impressum auf der eigenen Homepage, aber auch auf den Seiten von facebook, google+ und twitter anzugeben ist, wenn die Seite nicht rein privat genutzt wird, ist zwischenzeitlich allgemein bekannt. Aber die Pflicht besteht auch darüber hinaus, wie die Entscheidung des LG Stuttgart vom 24.04.2014 – 11 O 72/14 – zeigt. Wenn jemand auf einem Portal sich selbst darstellen kann, er also nicht lediglich von Dritten aufgenommen wird und er selbst keinen Einfluss auf sein Profil nehmen kann, sondern Informationen selbst online stellen kann, hat er auch ein Impressum für diesen Teil einzustellen.

Der Entscheidung lag der Eintrag eines Rechtsanwalts auf dem Internetportal kanzlei-seiten.de zugrunde. Die Veröffentlichung sah das Landgericht als eigenständiges Informations- und Kommunikationsangebot des Rechtsanwalts an, der damit für seine anwaltliche Tätigkeit werben wollte.

LG Stuttgart, Urteil vom 24.04.2014 - 11 O 72/14 -

Mietkaution - eine bei Wohnraum nicht jederzeit zugängliche Sicherheit

Bild: Claudia Hautumm / pixelio.de
Der Mieter minderte die Miete. Die Berechtigung zur Minderung war zwischen Mieter und Vermieter streitig. Der Vermieter ließ sich zur Ausgleichung der offenen Mietforderung, bedingt durch die Minderung, die Kaution auszahlen. Der Mieter klagte auf Wiedergutschrift der ausgezahlten Kaution auf das Kautionskonto geklagt, obwohl nach der Regelung im Mietvertrag (§ 7) sich der Vermieter wegen fälliger Ansprüche aus dem Mietverhältnis aus der Kaution befriedigen darf und der Mieter zur Aufstockung des Kautionskontos in diesem Fall verpflichtet wäre.


Amts- und Landgericht Bonn gaben der Klage des Mieters statt; die zugelassene Revision des Vermieters wurde vom BGH mit Urteil vom 07.05.2014 – VIII ZR 234/13 – zurückgewiesen. Vom BGH wurde darauf hingewiesen, dass die Kaution nicht dazu diene, dem Vermieter eine Verwertungsmöglichkeit zur schnellen Befriedigung behaupteter Ansprüche zu eröffnen. Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der treuhänderischen Absonderung des Kautionsbetrages vom Vermögen des Vermieters eine Insolvenzfestigkeit für den Fall der Beendigung des Mietverhältnisses ohne fällige Forderungen des Vermieters erreichen. Dies würde umgangen, wenn während eines laufenden Mietverhältnisses der Zugriff des Vermieters auf die Kaution ermöglicht würde, weshalb auch die benannte Vereinbarung in § 7 des Mietvertrages gem. § 551 Abs. 4 BGB unwirksam sei. Der mit Urteil vom 12.01.1972 – VIII ZR 26/71 – entschiedene Fall wäre hier nicht einschlägig, da es sich dort um ein Geschäftsraummietverhältnis gehandelt habe, auf welches § 551 BGB über die Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten nicht anwendbar war und ist.

BGH, Urteil vom 07.05.2014 - VIII ZR 234/13 -

Sonntag, 22. Juni 2014

AGB und Aushandeln einer Vereinbarung - kein Beweis für Individualvereinbarung durch entsprechende Klausel

Bild: Thorben Wengert / pixelio.de
Um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB iSv. §§ 305ff BGB) handelt es sich bei Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden. Sie unterliegen der AGB-Kontrolle nach §§ 305ff BGB. Inhalt und Gestaltung des Vertrages können für die Annahme sprechen, dass es sich hier um einen solchen handelt, der für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert wurde.  Der Umstand, dass der Vertragstext späterhin nicht wieder verwandt wurde,  ist nicht von Relevanz. Auch soweit in dem Vertrag der Text aufgenommen wird „dass es sich bei dem Generalunternehmervertrag um einen Individualvertrag handelt“ (oder ähnliche Formulierungen) ist dies nicht bedeutsam, worauf der BGH in seinem Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13 – hinwies. Zur Begründung wies der BGH darauf hin, dass (auch im unternehmerischen) Rechtsverkehr die §§ 305ff BGB nicht der Disposition der Parteien unterliegen, sondern zwingendes Recht sind. Individualrechtlich können, so der BGH, diese Zwingenden Bestimmungen nicht ausgeschlossen werden, da dadurch die Prüfung verhindert wird, ob eine gleichberechtigte Verhandlungsposition bestand. Die Vertragsfreiheit über Art. 2 Abs. 1 GG steht dem nicht entgegen,  da dies eine freie Selbstbestimmung zur Voraussetzung hat. Ob also eine Klausel im Vertrag tatsächlich ausgehandelt wurde, lässt sich nicht mit einer dies bestätigenden Klausel beweisen. 

BGH, Urteil vom 20.03.2014 - VII ZR 248/13 -

Samstag, 14. Juni 2014

Einkommensteuer: Haushaltsnahe Dienstleistung auch außerhalb der Grundstücksgrenze möglich

Bild: Thomas Max Müller / pxelio.de
§ 35a EStG sieht eine Steuerbegünstigung für haushaltsnahe Dienstleistungen vor. Repariert z.B. ein Handwerker den Wasserhahn in einer Wohnung, können diese Kosten (unter Ausschluss der Materialkosten) in der Steuererklärung steuermindernd geltend gemacht werden. Die Finanzverwaltung wollte § 35a EStG allerdings nur für Dienstleistungen außerhalb des Grundstücks und damit des eigentlichen Haushalts anwenden.  In zwei Entscheidungen des BFH vom 20.03.2014 hat der zuständige 6. Senat allerdings festgehalten, dass die Definition der haushaltsnahen Dienstleistungen in § 35a EStG nicht räumlich sondern funktionsbezogen auszulegen ist ((VI R 55/12 und VI R 56/12).

In dem einen Fall (VI R 55/12) ging es um Schneeräumung im öffentlichen Bereich. Da hier der Eigentümer qua Satzung der Kommune zur Schneeräumung verpflichtet ist (und dies qua Mietvertrag auch auf den Mieter übertragen kann), würde es sich um Arbeiten handeln, die zum Nutzen des Haushalts erbracht würden und üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht werden. Damit sind die Kosten unabhängig davon nach § 35a EStG begünstigt, ob die Schneeräumung auf dem eigenen Grundstück oder auf Grund satzungsgemäßer Zuweisung auch im öffentlichen Bereich erfolgt.


Konsequent hat der BFH dann auch in der weiteren Entscheidung (VI R 56/12) die Anwendbarkeit des § 35a EStG für Arbeiten im Bereich außerhalb der Grundstücksgrenze bejaht, bei dem der Haushalt des Steuerpflichtigen nachträglich an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wurde. Die Kosten für den Haushaltsanschluss sind damit nicht nur insoweit begünstigt, als dieser auf dem eigenen Grundstück verläuft, sondern auch, soweit dieser im öffentlichen Bereich (zum Hauptanschluss hin) verlegt wird. Damit widersprach der BFH ausdrücklich einer von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben BStBl 2010 I, 140 Tz. 12, 15 und BStBl 2014 I, 75 Tz. 12, 15 vertretenen Auffassung: „Denn über diesen wird der auf dem Grundstück gelegene Haushalt des Steuerpflichtigen über das öffentliche Versorgungsnetz mit den für eine Haushaltsführung notwendigen Leistungen der Daseinsfürsorge versorgt. Ein Hausanschluss stellt sich damit als notwendige Voraussetzung eines Haushalts dar.

Freitag, 13. Juni 2014

Mietrecht: Schlüsselverlust und Kosten für Schließanlage

Schließanlagen sind eine feine Sache: Ein Schlüssel für viele Türen (Haus-, Keller- und Wohnungstür, eventuell auch Tiefgarage pp.). Aber was passiert, wenn dieser Schlüssel verloren geht ? Es besteht für den Mieter eine Obhuts- und Rückgabepflicht, §§ 241 Abs. 2, 546 Abs. 1 BGB. Verletzt der Mieter dies, ist er dem Vermieter zum Schadensersatz verpflichtet, wobei der Vermieter einer Eigentumswohnung diesen Schaden insgesamt geltend machen kann; gem. § 280 BGB hätte sich der Mieter vom Verschuldensvorwurf zu entlasten. Neben den Kosten für einen neuen Schlüssel können so erhebliche Kosten auf den Mieter zukommen, wenn die Schließanlage auf Grund des Verlustes ersetzt wird.

In einem entsprechenden Fall hatte der BGH allerdings mit seinem Urteil vom 05.03.2014 – VIII ZR 205/13 -  die Klage des Vermieters abgewiesen. Zwar hätte der Vermieter einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Mieter  im Hinblick auf mögliche Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft in Ansehung des abhanden gekommenen Schlüssels. Auch könne der Verlust eines Schlüssels den Austausch der Schließanlage erforderlich machen, falls eine missbräuchliche  des Schlüssels durch Unbefugte zu befürchten ist. Allerdings könne nicht fiktiv ein entsprechender Schaden berechnet werden, da es sich entgegen der teilweise vertretenen Ansicht bei dem Verlust des Schlüssels nicht um einen Schaden an der Schließanlage (als Sachgesamtheit) handele. Der Verlust führe nicht zu einer Beeinträchtigung der Sachsubstanz der Schließanlage als solcher. Das rein abstrakte gefährdungspotential stelle keinen erstattungsfähigen Vermögensschaden dar.  Der ersatzfähige Schaden hat, so der BGH, zur Voraussetzung, daß sich der geschädigte (Vermieter / Wohnungseigentümergemeinschaft) „aus objektiver Sicht unter den konkret gegebenen Einzelfallumständen zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen darf, die Schließanlage zu ersetzen, und diesen Austausch auch tatsächlich vornimmt“.

BGH, Urteil vom 05.03.2014 - VIII ZR 205/13 -