Der Kläger hatte aufgrund eines mit der Streithelferin auf dem Grundstück des Beklagten die Jagd ausgeübt und nach dem Vertrag die Pflicht Schadensersatzleistungen für Wildschäden zu leisten. Der Kläger zahlte an den Beklagten an Schadensersatz insgesamt € 13.412,85. Diesen Betrag forderte er vom Beklagten wegen (unstreitiger) Formunwirksamkeit des Jagdpachtvertrages (fehlende Schriftform) zurück. Das Landgericht gab der Klage im Wesentlichen statt. Auf die Berufung des Beklagten wurde die Klage insgesamt abgewiesen.
Das OLG führte aus, dass zwar der Kläger an den Beklagten den streitbefangenen Betrag gezahlt habe. Auf der Grundlage des normativen Leistungsbegriffs habe aber darin keine Leistung an den Beklagten, sondern an die Streithelferin gelegen. Mit der Leistung habe der Kläger seiner vermeintlichen Freistellungs-Verpflichtung gegenüber der Streithelferin zu 1. Aus dem (nichtigen) Jagdpachtvertrag erfüllt, indem er die (berechtigten) Wildschadensforderungen des Beklagten beglich. Damit habe die Streithelferin auf Kosten des Klägers eine Befreiung von ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Erstattung der beim Beklagten eingetretenen Wildschäden erlangt.
Für eine Leistung gem. § 812 Abs. 1 S.1 Alt. 1 BGB käme es in erster Linie auf die der Zuwendung gegebene Zweckbestimmung an. Würden die Vorstellungen der Parteien nicht übereinstimmen, sei eine objektive Betrachtungsweise aus Sicht des Zahlungsempfängers geboten. Die nach Jagdpachtvertrag bestehende Zahlungspflicht der Jagdpacht würde in einem synallagmatischen Verhältnis zu dem eingeräumten Jagdrecht stehen, wie auch die im Vertrag geregelte Pflicht zur Übernahme des Wildschadens. Es handele sich mithin in beiden Fällen um Gegenleistungen zu eingeräumten Jagdausübungsrechts.
Die Gegenleistung des Klägers sei bei der Rückabwicklung des nichtigen Vertrages als Einheit zu betrachten und könne nicht wegen der rein tatsächlichen Zahlungen an den Beklagten - in Ansehung der übernommenen Freistellungsverpflichtung - in eine Leistung an die Streithelferin als Vertragspartnerin und eine Leistung an den nicht am Vertrag beteiligten Beklagten aufgespalten werden. Nach der Zweckbestimmung habe der Kläger in beiden Fällen zur Tilgung seiner vertraglichen Verpflichtungen die Zahlungen an die Streithelferin vorgenommen, jedenfalls aus Sicht des Beklagten als eines objektiver Zuwendungsempfängers.
Der Bereicherungsausgleich habe mithin im Verhältnis Kläger/Streithelferin zu erfolgen. Dabei sei der Wert der gegenseitigen Leistungen zu saldieren. Vertragliche Beziehungen bestünden nur zwischen dem Kläger/Streitverkündeter (Jagdpacht) und Streitverkündeter/Beklagter (Wildschaden), nicht zwischen dem Kläger und dem Beklagten. Es wäre unbillig, den Beklagten als schutzwürdigen Unbeteiligten den Einwendungen aus dem Vertragsverhältnis Kläger/Streithelferin auszusetzen und/oder ihm das Durchsetzungsrisiko bezüglich des Wildschadens aufzubürden.
OLG Köln, Urteil vom
29.054.2022 - 66 S 200/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das
am 27.08.2021 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 4
O 5/21 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden
Instanzen und die Kosten der Streithilfe werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision
wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger hat
aufgrund eines Jagdpachtvertrages mit der Streithelferin zu 1 u.a. auf dem
Grundstück des Beklagten die Jagd ausgeübt. Im Pachtvertrag ist die Pflicht zur
Schadensersatzleistung für Wildschäden auf den Kläger als Pächter übertragen
worden. Der Kläger hat an den Beklagten Wildschadensersatz wie folgt gezahlt:
11.04.2018 2.902,11 EUR,
16.04.2019 2.703,74 EUR,
16.08.2019 534,00 EUR,
26.05.2020 6.307,00 EUR,
14.09.2020 966,00
EUR.
Der Kläger
verlangt unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigen Bereicherung vom
Beklagten die Rückzahlung der Beträge von insgesamt 13.412,85 EUR. Zur
Begründung beruft er sich darauf, dass der Jagdpachtvertrag wegen
Nichteinhaltung des zwingenden Schriftformerfordernisses gemäß § 11
Abs. 4 BJagdG unwirksam sei.
Mit Urteil vom
27.08.2021, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen sowie
der in erster Instanz gestellten Anträge gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug
genommen wird, hat das Landgericht den Beklagten unter Abweisung der
weitergehenden Klage zur Zahlung von 12.446,85 EUR nebst Zinsen verpflichtet.
Der Anspruch folge aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Beklagte
habe die Zahlungen durch Leistung des Klägers ohne Rechtsgrund erlangt. Die
Pflicht zur Schadensersatztragung für Wildschäden nach § 29 BJagdG bilde
keinen Rechtsgrund, da sie wegen der Nichtigkeit des Jagdpachtvertrages nicht
wirksam auf den Kläger übertragen worden sei. Ab dem 14.08.2020 habe der Kläger
allerdings in Kenntnis der Nichtschuld geleistet, so dass er den zuletzt
gezahlten Betrag von 966,00 EUR gemäß § 814 BGB nicht zurückfordern könne.
Mit seiner
Berufung hält der Beklagte sein Begehren auf vollständige Abweisung der Klage
aufrecht. Das Landgericht habe zu Unrecht die tatsächliche Jagdausübung und die
tatsächlich entstandenen Wildschäden, für die der Kläger verantwortlich sei,
und über die sich die Parteien in den dem Rechtsfrieden dienenden
jagdrechtlichen Vorverfahren geeinigt hätten, als Rechtsgrund verneint. Auch
habe die Kammer die Reichweite des § 814 BGB verkannt. Hinzu komme, dass
das Landgericht die Grundsätze der Rückabwicklung nichtiger Verträge im
Mehrpersonenverhältnis nicht beachtet habe. In jedem Fall sei der Anspruch des
Klägers nach § 242 BGB ausgeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Berufungsbegründung vom 09.11.2021 Bezug genommen.
Der Beklagte
beantragt,
das
angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die
Streithelfer schließen sich dem Antrag des Beklagten an.
Der Kläger
beantragt,
die Berufung
zurückzuweisen.
Er verteidigt
die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung des
erstinstanzlichen Vorbringens. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Berufungserwiderung vom 27.10.2021 Bezug genommen.
II.
Die zulässige
Berufung ist begründet.
Der Kläger hat
keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung des Wildschadensersatzes
aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB. Er hat zwar tatsächlich an
den Beklagten die streitbefangenen Beträge gezahlt, auf der Grundlage des
maßgeblichen normativen Leistungsbegriffs (s. hierzu Grüneberg-Sprau, BGB, 81.
Aufl., § 812, R. 14, m.w.N.) lag darin rechtlich jedoch keine Leistung an
den Beklagten, sondern eine Leistung an die Streithelferin zu 1. Der Kläger hat
seine (vermeintliche) Freistellungs-Verpflichtung gegenüber der Streithelferin
zu 1 aus dem (nichtigen) Jagdpachtvertrag erfüllt, indem er die (berechtigten)
Wildschadensersatzforderungen des Beklagten beglichen hat. Dadurch hat die
Streithelferin zu 1 auf Kosten des Klägers eine Befreiung von ihrer
gesetzlichen Verpflichtung zur Erstattung der beim Beklagten eingetretenen
Wildschäden erlangt.
a. Dass
der Jagdpachtvertrag formunwirksam ist, steht zwischen den Beteiligten in
zweiter Instanz außer Streit. Nach den bindenden Feststellungen im Tatbestand
der angefochtenen Entscheidung steht fest, dass dem ursprünglichen
Jagdpachtvertrag (Anlage K1) keine Revierkarte beilag. Die Änderungsverträge
(Anlagen K2 und K3), mit denen der Kläger als Mitpächter und schließlich
Alleinpächter in den ursprünglichen Jagdpachtvertrag eingetreten ist, hingen
ebenfalls keine Revierkarte an.
b. Die
§§ 812 ff. BGB dienen der Rückgängigmachung von auf mangelhafter
schuldrechtlicher Grundlage ausgetauschten Leistungen. Unter Leistung i.S.d.
§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ist die bewußte und
zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen. Dabei kommt es in
erster Linie auf die der Zuwendung gegebene Zweckbestimmung, also zunächst
darauf an, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen
Willen verfolgt haben. Stimmen die Vorstellungen der Beteiligten nicht überein,
ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzugehen
kein Anlaß besteht, eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des
Zuwendungsempfängers geboten. Es kommt darauf an, wie eine vernünftige Person
in der Lage des Empfängers die Zuwendung nach Treu und Glauben mit Rücksicht
auf die Verkehrssitte verstehen musste und durfte (s. z.B. BGH, Urteil vom
02.11.1988, IVb ZR 102/87 [BGHZ 105, 365], juris, Tz. 10 ff.; BGH, Urteil vom
10.03.1993, XII ZR 253/91 [BGHZ 122, 46], juris, Tz. 13 ff.; BGH, Urteil vom
21.10.2004, III ZR 38/04, juris, Tz. 14).
c. Nach
diesen Grundsätzen erfolgte der Leistungsaustausch hier im Verhältnis Kläger /
Streithelferin zu 1 und nicht (auch) im Verhältnis Kläger / Beklagter.
Entgegen der
Darstellung des Klägers stand nach dem Jagdpachtvertrag nicht nur seine
Verpflichtung zur Zahlung der Jagdpacht nach § 6 des Vertrages in einem
synallagmatischen Verhältnis zu dem ihm gemäß § 3 des Vertrages
eingeräumten Jagdrecht, sondern auch die Übernahme des Wildschadensersatzes
gemäß § 7 des Vertrages. Der Vortrag des Klägers, die Zahlung der
Jagdpacht und die eventuelle Übernahme von Wildschadensersatz habe überhaupt
nichts miteinander zu tun, geht fehl. Es liegt bereits auf der Hand, dass wenn
die Verpflichtung zur Zahlung von Wildschadensersatz bei der Jagdgenossenschaft
verbleibt, die Jagdpacht höher sein muss, als sie es bei Übernahme einer
entsprechenden Freistellungsverpflichtung wäre. Außerdem ist unstreitig, dass
der Kläger im Einvernehmen mit der Streithelferin zu 1 die Jagdpacht für das
Jagdjahr 2020/2021 wegen der hohen Wildschäden von der im ursprünglichen
Jagdvertrag vereinbarten Pacht in Höhe von 12.500 EUR auf 10.000 EUR gemindert
hatte. Der Kläger hat hierzu im Schriftsatz vom 26.05.2021 detailliert
vorgetragen. Damit steht fest, dass Jagdpacht und Wildschadensersatz gemeinsam
die Gegenleistung für die Einräumung des Rechts zur Jagdausübung vor Ort
bildeten.
Die
Gegenleistung des Klägers ist bei der Rückabwicklung des nichtigen Vertrages
als Einheit zu betrachten und kann nicht wegen der rein tatsächlichen Zahlungen
an den Beklagten - gemäß der in § 7 des Jagdpachtvertrages übernommenen
Freistellungsverpflichtung - in eine Leistung an die Streithelferin zu 1 als
Vertragspartnerin und eine Leistung an den am Vertrag nicht beteiligten
Beklagten aufgespalten werden. Nach der sich aus den Gesamtumständen ergebenden
Zweckbestimmung hat der Kläger hier sowohl die Zahlungen auf den
Wildschadensersatz als auch die Zahlungen auf die Jagdpacht zur Tilgung seiner
vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Streithelferin zu 1 vorgenommen.
Jedenfalls stellt sich dies aus Sicht des Beklagten als eines objektiven
Zuwendungsempfängers so dar.
d. Der
Bereicherungsausgleich hat mithin im Verhältnis Kläger / Streithelferin zu 1 zu
erfolgen. Dabei ist Wert der gegenseitigen Leistungen zu saldieren. Der Kläger
hat gegenüber der Streithelferin zu 1 einen Rückzahlungsanspruch aus § 812
BGB, soweit seine Leistungen (Jagdpacht und Wildschadensersatz) den Wert der Leistung
der Streithelferin zu 1 (Jagdrecht) übersteigen. Ob dies der Fall ist - der
Kläger trägt vor, dass der vertraglich vereinbarte Pachtzins auch ohne eine
wirksame Überbürdung von Wildschadensersatz auf den Jagdpächter ortsüblich und
angemessen sei -, ist nicht im vorliegenden Verfahren zu klären, sondern
zwischen dem Kläger und der Streithelferin zu 1, ggf. in einem weiteren
gerichtlichen Verfahren unter Einschaltung eines Sachverständigen zur
Ermittlung des Wertes der Berechtigung zur Nutzung des Jagdreviers.
Die Saldierung
im Verhältnis Kläger / Streithelferin zu 1 entspricht den im Bereicherungsrecht
einzuhaltenden Wertvorgaben des Vertrauensschutzes und der sachgerechten
Risikoverteilung, wonach bei Leistungen in einem Mehrpersonenverhältnis einer
Rückabwicklung innerhalb der jeweiligen Beziehungen der Vorrang gebührt (vgl.
Grüneberg-Sprau, BGB, 81. Aufl., § 812 Rn. 54). Vertragliche bzw.
rechtliche Beziehungen bestehen hier nur zwischen dem Kläger und der
Streithelferin zu 1 (Jagdpachtvertrag) sowie der Streithelferin zu 1 und dem
Beklagten (der Beklagte ist bei der Streithelferin zu 1 Zwangsmitglied, die
Streithelferin zu 1 ist ihm gegenüber verpflichtet, Wildschäden zu ersetzen),
nicht auch zwischen dem Kläger und dem Beklagten. Insoweit wäre es unbillig,
den Beklagten als schutzwürdigen Unbeteiligten den Einwendungen aus dem
Vertragsverhältnis Kläger / Streithelferin zu 1 auszusetzen und/oder ihm das
Durchsetzungsrisiko bezüglich der berechtigten Wildschadensersatzansprüche
aufzubürden.
III.
Die Kostenentscheidung
beruht auf 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Das Urteil
betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Auslegungs- und
Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht,
gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.
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