Donnerstag, 23. April 2020

WEG: Fehlende Kompetenz zur Beschlussfassung zu Hausgeldrückständen


Die Wohnungseigentümergemeinschaft forderte von den Beklagten € 4.900,19 an Hausgeldrückständen, die sich aus den Einzelabrechnungen 2008 bis 2011 und dem Wirtschaftsplan 2012 zusammensetzen. Das Amtsgericht gab der Klage statt; das Landgericht hat (im Berufungsverfahren) den Betrag auf € 3.450,20 reduziert. Die Beklagten legten (die zugelassene) Revision ein. Während des Revisionsverfahrens erklärten die Parteien übereinstimmend die Hauptsache für erledigt. Der BGH entscheid mit Beschluss gem. § 91a ZPO über die Kosten.


Der BGH hielt die Klage zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigungserklärung teilweise als begründet, im Übrigen als offen, weshalb insoweit bei streitiger Durchführung eine Zurückverweisung erfolgt wäre.

Zum Einen setzte sich der BGH mit Kosten in den Abrechnungen auseinander, inwieweit diese berücksichtigt werden durften. Im Übrigen aber sei der Ausgang des Rechtstreits offen, da entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht die Hausgeldrückstände der einzelnen Wohnungseigentümer, die jeweils in den aus den Jahresabrechnungen abgeleiteten Einzelabrechnungen aufgeführt seien, von der Bestandskraft der Jahresabrechnung nicht erfasst würden. Das aber würde bedeuten, dass im Streitfall auch bei einer rechtskräftig gewordenen Jahresabrechnung der Umfang der Rückstände des einzelnen Eigentümers gesondert festzustellen sei. Die Wohnungseigentümer hätten nicht die Kompetenz, entstandene aber nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen des Eigentümers erneut (etwa in der Jahresabrechnung) zu beschließen. Dieser Teil des Beschlusses, mit dem letztlich der Anspruch auf die rückständige Zahlung neu begründet werden sollte, sei nichtig. Anspruchsbegründend könne nur der Teil des Beschlusses über die Jahresabrechnung wirken, der sich auf den Betrag bezieht, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteige (Abrechnungsspitzen).  Die in früheren Beschlüssen festgestellten Zahlungsverpflichtungen blieben unberührt, was auch für die in dem Wirtschaftsplan des abzurechnenden Jahres beschlossenen Vorschüsse (§ 28 Abs. 2 WEG) gelte. Damit könne  nach einem Beschluss über die Jahresabrechnung  nur die konkrete Abrechnungsspitze nach Eintritt der Bestandskraft der Jahresabrechnung nicht mehr in Frage gestellt werden.  Da damit aber nicht die Jahresabrechnung benannten Rückstände auf Hausgeld zur Abrechnungsspitze gehören würden, sondern Gegenstand einer Forderung aus einem beschlossenen Wirtschaftsplan seien, würde im Hinblick auf die Rückstände keine bestandkräftige Feststellung vorliegen. Dies sei  vorliegend vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt und geprüft worden.

BGH, Beschluss vom 13.02.2020 - V ZR 29/15 -

Dienstag, 21. April 2020

Zwei Widerspruchsverfahren nach Änderungsbescheid und Kostenerstattung für zwei Anwälte bei Anwaltswechsel ?


Der Kläger des Ausgangsverfahrens legte gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung ein, da nicht außergerichtliche Kosten für zwei von ihm beauftragte Bevollmächtigte berücksichtigt worden seien. Er hatte gegen einen Bescheid auf Zahlung von € 39.563,83 Widerspruch eingelegt und wurde dabei durch RA W. vertreten. Nachdem der Widerspruch zurückgewiesen wurde, erhob der Kläger gegen den Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides Klage, wobei er nunmehr von RA  C. vertreten wurde. Es erging nunmehr ein Änderungsbescheid, demzufolge der Kläger € 40.182,01 zahlen sollte. Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch RA C., Widerspruch ein. Im Verhandlungstermin vor dem VG wurde der Änderungsbescheid in das Verfahren einbezogen. Der Klage wurde stattgegeben und der Kläger machte nunmehr Kosten des Vorverfahrens sowohl gegen der ursprünglichen Bescheid als auch den Änderungsbescheid geltend. Diese Kosten wurde abgewiesen.

Die Erinnerung des Klägers war nach Auffassung des VG Würzburg unbegründet. Anders als vom Kläger angenommen, habe zu dem Änderungsbescheid kein Vorverfahren iSv. § 68 VwGO stattgefunden, vielmehr wurde der Änderungsbescheid in das streitige Verfahren einbezogen. Der Änderungsbescheid habe sich auf dieselbe Sachlage und identische Rechtsfragen bezogen wie der Ausgangsbescheid, gegen den ein Vorverfahren erfolglos stattgefunden hatte, weshalb ein neues / weiteres Vorverfahren nicht erforderlich sei.  Zu dem festsetzungsfähigen Kosten würden die Kosten des Vorverfahrens nur insoweit zählen, als sich an dieses das gerichtliche Verfahren angeschlossen habe. Diese Kosten seien in dem Kostenfestsetzungsbeschluss berücksichtigt worden.

Da zum Änderungsbescheid ein Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt wurde, könnten dafür auch nicht beantragte außergerichtliche Aufwendungen geltend gemacht werden. Die Einbeziehung in das Klageverfahren habe nur zur Erhöhung des Streitwertes geführt, nicht aber zu einem weiteren Widerspruchsverfahren, weshalb nur aus einem Vorverfahren heraus ein Erstattungsanspruch bestünde.  

Der Umstand, dass der Kläger während des Verfahrens (zwischen Widerspruchsverfahren und Klage), einen Anwaltswechsel vorgenommen habe, würde auch nicht zu einem weitergehenden Anspruch führen, auch wenn dies zu erhöhten Kosten des Klägers geführt haben sollte (dazu verhält sich die Entscheidung nicht). Denn die Entscheidung eines Beteiligten, den Anwalt zu wechseln, könne nicht auf Kosten des anderen Beteiligten erfolgen.

VG Würzburg, Beschluss vom 30.03.2020 - W 2 M 19.12.54 -

Sonntag, 19. April 2020

Züchtereigenschaft aufgrund eines Nutzungs- und Ausbildungsvertrages


Die Klägerin war Eigentümerin einer Stute, bei der es sich weltweit um eines der erfolgsreichsten Dressurpferde handelte. Sie verbrachte die Stute im April 2011 auf den Hof des Beklagten zu 3., mit dem sie vereinbarte, dass diese auf unbestimmte Zeit dort verbleibt. Der Beklagte verpflichtete sich, die Stute zur Grand-Prix-Reife auszubilden. Er übernahm die Kosten für Pflege, Unterstellung und Beritt und die Klägerin gewährte ihm im Gegenzug das Recht, alle ein bis zwei Jahre ein Embryo aus der Stute zu spülen, um hierdurch ein Fohlen zu gewinnen. Im Juli 2012 ließ der Beklagte zu 3. Die Stute von einem Hengst decken. Einige Tage später ließ er die befruchtete Eizelle aus der Stute ausspülen und in eine in seinem Eigentum stehende Stute einsetzen. Im Juni 2013 gebar die Austragungsstute ein weibliches Fohlen. Im September 2013 wurde vom Beklagten zu 3. der Beklagten zu 2., einem Zuchtverband, der Standort des Fohlens und als „Zuchtbesitzerin“ die Tochter des Beklagten zu 3. mitgeteilt, woraufhin der Beklagte zu 1. für die Beklagte zu 2. für das Fohlen eine Equidenpass sowie eine Eigentumsurkunde ausstellte und dem Beklagten zu 3. überließ. In diesen Papieren wurde der Beklagte zu 3. als Züchter benannt. Die Klägerin, die der Ansicht war, Züchterin zu sein, begehrte mit ihrer Klage die Einziehung und Unbrauchbarmachung von Equidenpass und Eigentumsurkunde begehrt. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.


Der BGH negierte einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB iVm. dem Nutzungs- und Ausbildungsvertrag sowie aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 StGB sowie aus § 826 BGB. Eine Voraussetzung wäre jeweils, dass der Beklagte zu Unrecht in den Urkunden als Züchter benannt worden wäre.

Die Auslegung des Vertrages der Klägerin mit dem Beklagten zu 3. Verstoße nicht gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze.  Danach sei nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht festgestellt habe, dass dem Beklagten zu 3. die Steuerung des gesamten Zuchtvorgangs übertragen worden sei. Auch aus der Angabe zur „Zuchtbesitzerin“ gegenüber der Beklagten zu 2. ließe sich nichts anderweitiges herleiten, da auch dort der Beklagte zu 3. von einer Zucht durch ihn und einer Übertragbarkeit der ihm zukommenden Züchtereigenschaft auf seine Tochter ausgegangen sei.

Ein Verstoß gegen verbands- und vereinsrechtliche Regelungen läge auch nicht vor. Sowohl aus der Zucht-Verbands- und der Leistungs-Prüfungs-Ordnung der FN als auch der Zuchtordnungen der Beklagten zu 2. Läge nicht vor, da dort ausdrückliche abweichende Vereinbarungen zur Züchtereigenschaft zugelassen seien. Dies folge für die Zucht-Verbands-Ordnung bereits aus § 4 Nr. 10, wonach Züchter der Eigentümer der Zuchtstute ist, wenn nicht die Parteien anderweitiges vereinbart hätten, was hier vorliege und jedenfalls in der benannten Vereinbarung konkludent als getroffen anzusehen sei. Nach § 11 S. 1 LPO sei Züchter der Besitzer der Mutterstute zum Zeitpunkt der Bedeckung. Dies war der Beklagte zu 3. Der Besitz würde in § 12 LPO geregelt. Diese Regelung greife nur, wenn Zweifel bestünden. Diese lägen hier aber nicht vor, da der Beklagte zu 3. die Stute zur Zeit der Bedeckung im unmittelbaren Besitz gehabt habe und den Zuchtvorgang gesteuert habe. Dafür, dass mit § 11 LOP auch der mittelbare Besitz gemeint sein könnte (der bei der Klägerin lag) sei nichts ersichtlich und würde auch dem Sinne, Rechtsklarheit zu schaffen, widersprechen. Ob sich aus § 28 Nr. 1 ZBO (der Beklagten zu 2.) etwas anderes ergebe, könne auf sich beruhen, da die Klägerin diesem Verband nicht angehört habe. Unabhängig davon würde sich daraus auch nichts zugunsten der Klägerin ergeben, da auch hier zwischen Eigentum und Besitz unterschieden würde.

Da damit der Beklagte zu 3. zutreffend in der Eigentumsurkunde und im Equidenpass als Züchter eingetragen worden sei, sei die Klage abzuweisen.

BGH, Urteil vom 20.02.2020 - III ZR 55/19 -

Donnerstag, 16. April 2020

Grundrechtsabwägung: Glaubensfreiheit versus körperliche Unversehrtheit bei Corona-Bekämpfung


Der Antragsteller, Katholik, wandte sich gegen § 1 Abs. 5 der Vierten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus der hessischen Landesregierung vom 17.03.2020, zuletzt geändert 20.03.2020, in der Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften untersagt wurden. Nachdem der HessVGH mit Beschluss vom 07.04.2020 – 8 B 892/20.N – eine einstweilige Anordnung auf Aussetzung bis zur Entscheidung in der Hauptsache ablehnte, beantragte der Antragsteller beim BVerfG eine einstweilige Anordnung. Diese wurde abgelehnt.

Das BVerfG geht nicht auf die Frage der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Verordnung ein. Gegenstand ist vielmehr vor dem Hintergrund der Begründung durch den Antragssteller, dass dieser regelmäßig wöchentlich die Heilige Messe (Eucharistiefier) und die Gottesdienste an den Osterfeiertagen besuche, die Abwägung der Grundrechte, da der Antragsteller die Ansicht vertrat, ein vollständiges Zurücktreten des Grundrechts auf Glaubensfreiheit in Gestalt ungestörter gemeinsamer Religionsausübung  hinter das kollidierende Grundrecht auf Leben bzw. körperliche Unversehrtheit sei unverhältnismäßig.

Formal bezieht sich das BVerfG auf § 32 Abs. 1 BVerfGG, wonach es einen Streitfall durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln könne, wenn dies „zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten“ sei. Die die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes betreffenden Gründe hätten außer Betracht zu bleiben, es sei denn die Verfassungsbeschwerde erweise sich von vornherein als unbegründet oder unzulässig; diese Begründung beinhaltet inzident die Aussage, eine offensichtlich zulässige und begründete Verfassungsbeschwerde kann auch nicht notwendig bereits Erfolg im Rahmen einer einstweiligen Anordnung haben. Bei danach anzunehmenden offenen Ausgang der Verfassungsbeschwerde seien die Folgen abzuwägen, die bei unterlassener einstweiliger Anordnung im Falle späteren Erfolgs der Verfassungsbeschwerde entstünden, gegen jene Folgen, die im Falle der Stattgabe der einstweiligen Anordnung bei späterer Erfolglosigkeit der Verfassungsbeschwerde eintreten würden (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 10.03.2020 - 1 BvQ 15/20 -).

Da die (noch zu erhebende) Verfassungsbeschwerde nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet wäre, sei vorliegend die Abwägung vorzunehmen. Die für eine vorläufige Regelung durch das BVerfG sprechenden Gründe müssten so schwerwiegend sein, dass sie den Erlass der einstweiligen Anordnung unabweisbar machen würden. Es seien die Folgen nicht nur für den Antragsteller, sondern auf alle von der Regelung Betroffenen zu berücksichtigen.

Auf der einen Seite sei hier zu berücksichtigen, dass – nach der nachvollziehbaren Darlegung des Antragstellers –  die gemeinsame Feier der Eucharistie ein zentraler Bestandteil des Glaubens sei, der nicht durch alternative Formen ersetzbar sei. Daher würde es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht zur Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG handeln. Hätte mithin eine Verfassungsbeschwerde Erfolg, läge ein irrevisibler Eingriff in das Recht vor.

Wenn aber die einstweilige Anordnung erlassen würde, eine Verfassungsbeschwerde dann aber  keinen Erfolg haben würde, sei davon auszugehen, dass sich viele Menschen zu Gottesdiensten in Kirchen versammeln, insbesondere an den Osterfeiertagen. Die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung von vielen Personen und der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen und schlimmstenfalls auch des Todes von Menschen würde sich erhöhen. Dabei bliebe diese Gefahr durch Folgeinfektionen auch nicht auf die Teilnehmer der Gottesdienste beschränkt.

Der Staat sei zum Schutz der Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet (u.a. BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 -). Hinter dieser Verpflichtung müsse das Recht auf die gemeinsame Feier von Gottesdiensten zurücktreten. Der schwerwiegende Eingriff in die Glaubensfreiheit zum Schutz von Gesundheit und Leben sei auch deshalb vertretbar, da die Verordnung vom 17.03.2020 und damit auch das in Rede stehende Verbot zeitlich bis zum 19.04.2020 befristet sei. Es sei damit sichergestellt, dass nach Maßgabe der Entwicklung der Corona-Pandemie eine Fortschreibung erfolge.

BVerfG, Beschluss vom 10.04.2020 - 1 BvQ 28/20 -

Mittwoch, 15. April 2020

Betriebskostenabrechnung: Anforderungen an Verteilungsmaßstab Fläche bei gemischter Nutzung


Amts- und Landgericht hatten die Klage der Vermieterin auf Zahlungen aus Betriebskostenabrechnungen 2014 und 2015 sowie Heizkostenabrechnung 2015  mit der Begründung der fehlenden Nachvollziehbarkeit durch die Mieter abgewiesen; so seien u.a. die Gewerbe- und Wohneinheiten getrennt abgerechnet worden, ohne dass die Zusammensetzung der Flächen erläutert sei. Die (zugelassene) Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht.

Eine Betriebskostenabrechnung entspräche den formellen Anforderungen, wenn sie den Anforderungen des § 259 BGB entspräche. Es müsse sich also um eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben handeln. Dies erfordere bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten folgende Mindestangaben: a) Zusammenstellung der Gesamtkosten, b) Berechnung des Anteils des Mieters und Abzug der Vorauszahlungen. Der Verteilungsmaßstab (Umlagenschlüssel) müsse nur dann erläutert werden, wenn dies zum Verständnis der Abrechnung erforderlich sei (BGH, Urteil vom 11.08.2020 - VII ZR 45/10 -). Dem würde die klägerische Abrechnung entgegen der Auffassung der Vorinstanzen entsprechen.

Die Betriebskosten seien, unterteilt nach Betriebskostenart, in der ersten Spalte der Abrechnung als Gesamtkosten benannt. Soweit bei der weiteren Abrechnung nicht der gesamte Betrag umgelegt wurde, habe die Klägerin dies in Anlagen erläutert, wobei auf sich beruhen könne, ob diese Erläuterungen in Ansehung neuerer Entscheidungen des BGH (Urteil vom 20.01.206 - VIII ZR 93/15 -) überhaupt erforderlich seien. Der angewandte Umlagenschlüssel nach dem Flächenmaß erfolgte dergestalt, dass die Gesamtflächen und die Wohnfläche der Wohnung der Mieter angegeben worden seien, was sich den Abrechnungen ohne weiteres entnehmen ließe. Daraus ergäbe sich die Berechnung des Anteils der Beklagten und auch die Vorauszahlungen seien in Abzug gebracht worden.

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts habe der Umlagenschlüssel nicht weiter erläutert werden müssen, da der Verteilungsmaßstab Fläche aus sich heraus verständlich sei. Der Umstand, dass klägerseits verschiedene Gesamtflächen zugrunde gelegt worden seien, ändere daran nichts: Bei einigen Positionen sei die Gesamtfläche der mehrere Gebäude umfassenden Gesamtanlage erfasst, während bei anderen kleiner Abrechnungskreise (so einzelne Gebäude) gebildet wurden. Auch das genüge den formellen Voraussetzungen. Es sei keine Angabe erforderlich, aus welchen einzelnen Gebäudeteilen / Hausnummern sich die jeweils zugrunde gelegte Wirtschafts-/Abrechnungseinheit zusammensetze (BGH, Beschluss vom 14.02.2012 - VIII ZR 207/11 -).

Der Einwand, die Klägerin sie von einem vereinbarten Umlagenschlüssel abgewichen, würde die materielle Richtigkeit, nicht die formelle Wirksamkeit der Abrechnung betreffen, wobei auch hier nicht ersichtlich sei, dass ein vom Flächenmaßstab abweichender Umlagenschlüssel vereinbart worden wäre oder die Bildung von Wirtschaftseinheiten ausgeschlossen hätte. Auch soweit das Berufungsgericht Widersprüche bei den angesetzten Gesamtflächen zu den Positionen Hausstrom, Aufzug und Hausreinigung angenommen habe, würde dies nicht die formelle Ordnungsgemäßheit tangieren können.

Auch der Einwand nicht nachvollziehbarer Erläuterungen zu den Betriebskosten würde bereits deshalb nicht greifen, da es einer Erläuterung nicht bedürfe. Auch die Berufung darauf, dass einzelne Kostenarten (Müll, Hausreinigung) doppelt benannt seien und auf unterschiedliche Gesamtflächen verteilt worden seien, würde allenfalls einen materiellen, aber keinen formellen Fehler darstellen (unabhängig davon, dass dies von der Klägerin sogar in den Anlagen  erläutert worden sei und dort auch ausgeführt worden sei, dass bei der Müllentsorgung die besonders hohen Kosten der Gewerbetriebe vorab abgezogen worden seien).

Anmerkung: Der BGH hat klar die strikte Trennung von formeller und materieller Richtigkeit gezogen. Während die formelle Fehlerhaftigkeit der Abrechnung zur Abweisung der Klage führt und ggf. bei zwischenzeitlichen Ablauf der Abrechnungsfrist (§ 556 Abs. 3 BGB für Wohnraum) eine Nachforderung ausgeschlossen ist, ist bei materieller Unwirksamkeit einzelner Positionen die Abrechnung im Übrigen gleichwohl noch wirksam und kann eine Neuberechnung durch entsprechende Berichtigung vorgenommen werden.  

BGH, Urteil vom 29.01.2020 - VIII ZR 244/18 -

Dienstag, 14. April 2020

Schadensersatz: Wiederbeschaffungswert und Umsatzsteuer für Taxi bei fiktiver Schadensberechnung


Die Parteien stritten (zweitinstanzlich) um die Frage der Berechnung des Wiederbeschaffungswertes im Hinblick auf die umsatzsteuerrechtliche Problematik im Zusammenhang mit einem Taxi des Klägers.  

Wiederbeschaffungswert, so das Landgericht (LG) sei der nach den Verhältnissen auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu ermittelnde Nettopreis eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, den der Geschädigte aufwenden müsse, um von einem seriösen Händler einen dem Unfallfahrzeug entsprechenden Ersatzwagen zu erwerben (BGH, Urteil vom 23.05.2017 - VI ZR 9/17 -). Dabei sei weiter zu ermitteln, ob diese Fahrzeuge üblicherweise auf dem Gebrauchtwagenmarkt regelbesteuert nach § 10 UStG, differenzbesteuert nach § 25a UStG oder privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten würden. Entscheidend sei die überwiegende Wahrscheinlichkeit, § 287 ZPO (BGH, Urteil vom 13.09.2016 - VI ZR 654/15 -).

Es käme nicht darauf an, ob der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt sei oder nicht und ob das Fahrzeug zu seinem Betriebsvermögen gehöre, §§ 15, 15a UStG. Entscheidende Bezugsgröße sei stets der Nettowiederbeschaffungswert. Inwieweit bei einem fiktiven Ersatzkauf (wie hier) Umsatzsteuer anfalle, sei unabhängig davon zu ermitteln.

Erstinstanzlich habe ein Zeuge im Hinblick auf Internetrecherchen bzw. Angaben in der Schwacke-Liste ausgeführt, dass es bei 63%  der Fahrzeuge zu einer Regelbesteuerung käme, allerdings eine überwiegende Wahrscheinlichkeit nur bei 2/3 bzw. 67% annehmen sei. Diesem erstinstanzlichen Ansatz würde die Kammer nicht folgen. Entscheidend sei, dass jedenfalls deutlich mehr als 50% der gefundenen Fahrzeuge regelbesteuert angeboten würden. Zwar gelte für die Lieferung bewegliche Gegenstände nach § 25a Abs. 1 UStG die Differenzbesteuerung, wenn der liefernde Unternehmer ein Wiederverkäufer sei (§ 25a Abs. 1 Nr. 1 UStG), die Gegenstände an ihn ihm Gemeinschaftsgebiet (EU) geliefert worden seien (§ 25a Abs. 1 Nr.2.  S. 1 UStG), für die Lieferung an ihn keine Umsatzsteuer geschuldet würde oder beim Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben würde (§ 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a UStG) oder ein Erwerb von einem anderen Wiederverkäufer vorläge (§ 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG).

Vorliegend seien gewerblich genutzte Fahrzeuge nicht nur von Händlern zu erwerben. Vergleichbare Taxis würden nach der Internetrecherche des Zeugen auch von Privatanbietern oder Händlern ohne Umsatzsteuer zu verkauft. Das vom LG beauftragte Sachverständigengutachten käme aber zu dem eindeutigen Ergebnis, dass vergleichbare Taxis (hier ein Mercedes Benz E 200 CDI) sowohl außerhalb des regulären Gebrauchtwagenmarktes für Taxis als auch auf den gängigen Internetplattformen ganz überwiegend regelbesteuert angeboten würden, sowohl von auf Gebraucht-Taxis spezialisierten Händlern als auch ansonsten. Damit aber sei von einer Regelbesteuerung auszugehen mit der Folge, dass der Kläger hier, da er vorsteuerabzugsberechtigt sei, nur den Nettofahrzeugschaden geltend machen könne.

LG Saarbrücken, Urteil vom 03.04.2020 - 13 S 6/20 -

Donnerstag, 9. April 2020

Zeugenentschädigung: Verminderter Anspruch bei Anreise von einem weiter entfernten Ort als dem Ladungsort


Die Zeugenentschädigungen in Deutschland sind ohnehin nicht „üppig“ und decken häufig nicht einmal den tatsächlichen Aufwand (wie Verdienstausfall und auch Fahrtkosten). Umso ärgerlicher ist es dann, wenn der Zeuge nicht einmal die Fahrtkosten für die tatsächlich zurückgelegte Strecke erhält. Der Fall zeigt auf, dass auch ein Zeuge unter Umständen gegenüber dem Gericht tätig werden muss, will er die gesetzliche Aufwandsentschädigung vollständig erhalten.

Sachverhalt: Der Zeuge wurde vom Amtsgericht (AG) unter seiner Wohnanschrift in R. zu einem Verhandlungstermin am 23.11.2017 geladen. Der Zeuge erschien auch und wurde vernommen. Allerdings lehnte die Kostenbeamtin seinen Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten für eine Strecke von (hin und zurück) 800km (à € 0,25/km), wohl von seinem Beschäftigungsort, sowie einen Verdienstausfall für 11,5 Stunden (à € 25,86/Stunde) ab und gewährte nur eine Entschädigung für 100km( hin und zurück) à € 0,25/km und 10 Stunden Verdienstausfall à € 21,00/Stunde. Eine vom Zeuge begehrte „Auslöse“ von € 24,00 wurde auch abgelehnt.

Zur Entscheidung des AG:

a) Verdienstausfall
Nach § 22 JVEG wird der Verdienstausfall nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschl. der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge berechnet. Das AG wies darauf hin, dass § 22 JVEG eine Höchstgrenze von € 22,00/Stunde vorsehe und nach § 19 Abs. 2 JVEG auch nur höchstens 10 Stunden/Tag erstattet werden. Dies gelte auch dann, wenn dem Zeugen für einen längeren Zeitraum ein höherer Verdienstausfall entstanden sei. Von daher wären maximal € 210,00 und nicht, wie begehrt, 11,5 Stunden à € 25,86 (insges. € 297,29) und € 24,00 zu erstatten.

b) Fahrtkosten
Nach Auffassung des Amtsgerichts, die im Übrigen von der herrschenden Rechtsprechung geteilt wird, muss der Zeuge dem Gericht unverzüglich mitteilen, wenn er von einem anderen (weiter entfernt liegenden) Ort seine Reise als dem Ladungsort (hier seine Wohnanschrift) zum Gerichtstermin antreten werde. Nur wenn in diesem Fall das Gericht seine Ladung aufrecht erhalte, habe der Zeuge einen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten von dem von ihm angezeigten Ort zum Gerichts- bzw. Terminsort. Dies würde auch dann gelten, wenn er zwar nicht unmittelbar nach der Ladung die Mitteilung mache, wenn er jedenfalls die Mitteilung noch so rechtzeitig vor dem Termin mache, dass das Gericht darüber befinden könne, ob diese Fahrt „durch  besondere Umstände genötigt“ (§ 5 Abs. 1 JVEG) sei.

Der Zeuge habe keine Mitteilung, insbesondere zu dem Grund der Anreise von einem anderen Ort, an das Gericht gemacht, weshalb eine Prüfung nach § 5 Abs. 1 JVEG nicht möglich gewesen sei. Daher trage er das Risiko, dass das Gericht bei einer Entschädigung solche Umstände nicht anerkennt und er von daher die Kosten selbst tragen müsse.

c) Ermessensentscheidung
Es handele sich um eine Entscheidung, die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stünde. Zur Ausübung desselben wies das AG darauf hin, dass die Mehrkosten erstattet werden könnten, wenn das Gericht den Zeugen als unverzichtbar angesehen würde, und ihn  meint nicht im Wege der Rechtshilfe bei dem hier für den Arbeitsort zuständigen Amtsgericht im Wege der Rechtshilfe vernehmen lassen will. Vorliegend sei eine solche Vernehmung im Wege der Rechtshilfe möglich gewesen.

d) Rechtsfolge
Die unterlassene Mitteilung des Zeugen, dass er von einem weiter entfernt liegenden anderen Ort als den Ladungsort anreise, führe dazu, dass er leidglich die Fahrtkosten erstattet verlangen könne, die bei einer Fahrt vom Ladungsort entstanden wären (OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.06.2009 - 6 W 68/09 -).

Das AG wies darauf hin, dass die unterlassene Mitteilung auch Konsequenzen für die Entschädigung des Verdienstausfalls haben könnte (OLG Brandenburg aaO.).

AG Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2019 - 31 C 88/16 -