Die Zeugenentschädigungen in Deutschland sind ohnehin nicht „üppig“ und
decken häufig nicht einmal den tatsächlichen Aufwand (wie Verdienstausfall und
auch Fahrtkosten). Umso ärgerlicher ist es dann, wenn der Zeuge nicht einmal
die Fahrtkosten für die tatsächlich zurückgelegte Strecke erhält. Der Fall
zeigt auf, dass auch ein Zeuge unter Umständen gegenüber dem Gericht tätig
werden muss, will er die gesetzliche Aufwandsentschädigung vollständig erhalten.
Sachverhalt: Der Zeuge wurde vom
Amtsgericht (AG) unter seiner Wohnanschrift in R. zu einem Verhandlungstermin
am 23.11.2017 geladen. Der Zeuge erschien auch und wurde vernommen. Allerdings
lehnte die Kostenbeamtin seinen Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten für eine
Strecke von (hin und zurück) 800km (à € 0,25/km), wohl von seinem
Beschäftigungsort, sowie einen Verdienstausfall für 11,5 Stunden (à € 25,86/Stunde)
ab und gewährte nur eine Entschädigung für 100km( hin und zurück) à € 0,25/km
und 10 Stunden Verdienstausfall à € 21,00/Stunde. Eine vom Zeuge begehrte „Auslöse“
von € 24,00 wurde auch abgelehnt.
Zur Entscheidung des AG:
a) Verdienstausfall
Nach § 22 JVEG wird der
Verdienstausfall nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschl. der vom
Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge berechnet. Das AG wies
darauf hin, dass § 22 JVEG eine Höchstgrenze von € 22,00/Stunde vorsehe und
nach § 19 Abs. 2 JVEG auch nur höchstens 10 Stunden/Tag erstattet werden. Dies
gelte auch dann, wenn dem Zeugen für einen längeren Zeitraum ein höherer
Verdienstausfall entstanden sei. Von daher wären maximal € 210,00 und nicht, wie
begehrt, 11,5 Stunden à € 25,86 (insges. € 297,29) und € 24,00 zu erstatten.
b) Fahrtkosten
Nach Auffassung des Amtsgerichts,
die im Übrigen von der herrschenden Rechtsprechung geteilt wird, muss der Zeuge
dem Gericht unverzüglich mitteilen, wenn er von einem anderen (weiter entfernt
liegenden) Ort seine Reise als dem Ladungsort (hier seine Wohnanschrift) zum
Gerichtstermin antreten werde. Nur wenn in diesem Fall das Gericht seine Ladung
aufrecht erhalte, habe der Zeuge einen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten
von dem von ihm angezeigten Ort zum Gerichts- bzw. Terminsort. Dies würde auch
dann gelten, wenn er zwar nicht unmittelbar nach der Ladung die Mitteilung
mache, wenn er jedenfalls die Mitteilung noch so rechtzeitig vor dem Termin
mache, dass das Gericht darüber befinden könne, ob diese Fahrt „durch besondere Umstände genötigt“ (§ 5 Abs. 1 JVEG)
sei.
Der Zeuge habe keine Mitteilung,
insbesondere zu dem Grund der Anreise von einem anderen Ort, an das Gericht gemacht, weshalb eine Prüfung
nach § 5 Abs. 1 JVEG nicht möglich gewesen sei. Daher trage er das Risiko, dass
das Gericht bei einer Entschädigung solche Umstände nicht anerkennt und er von
daher die Kosten selbst tragen müsse.
c) Ermessensentscheidung
Es handele sich um eine
Entscheidung, die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stünde. Zur Ausübung
desselben wies das AG darauf hin, dass die Mehrkosten erstattet werden könnten,
wenn das Gericht den Zeugen als unverzichtbar angesehen würde, und ihn meint nicht im Wege der Rechtshilfe bei dem
hier für den Arbeitsort zuständigen Amtsgericht im Wege der Rechtshilfe
vernehmen lassen will. Vorliegend sei eine solche Vernehmung im Wege der Rechtshilfe
möglich gewesen.
d) Rechtsfolge
Die unterlassene Mitteilung des
Zeugen, dass er von einem weiter entfernt liegenden anderen Ort als den
Ladungsort anreise, führe dazu, dass er leidglich die Fahrtkosten erstattet
verlangen könne, die bei einer Fahrt vom Ladungsort entstanden wären (OLG
Brandenburg, Beschluss vom 05.06.2009 - 6 W 68/09 -).
Das AG wies darauf hin, dass die
unterlassene Mitteilung auch Konsequenzen für die Entschädigung des
Verdienstausfalls haben könnte (OLG Brandenburg aaO.).
AG Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2019 - 31 C 88/16 -