Mittwoch, 10. Juni 2015

Arbeitsrecht: Qua Regelung im Vorruhestandsvertrag Zwang zur Rente mit 63

Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) musste in einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitgeber und dessen ehemaliger Arbeitnehmerin entscheiden, die mit ihrem Arbeitgeber im Dezember 2012 einen Vorruhestandsvertrag abgeschlossen hatte, in dem zum einen auf die geltenden Tarifverträge Bezug genommen wurde, zum anderen aber auch festgehalten wurde, dass sie verpflichtet ist, die frühest mögliche ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung zu beanspruchen. Der Vorruhestand sollte zu dem Zeitpunkt enden, zu dem die klagende Arbeitnehmerin die Regelaltersrente resp. die benannte ungekürzte Altersrente beanspruchen kann.

Nachdem mit Einfügung des § 236b SGB VI unter bestimmten Umständen die Rente mit 63 bezogen werden konnte, verwies die beklagte Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin, bei der die gesetzlichen Voraussetzungen für diesen Bezug unstreitig vorlagen, auf diese Rente. Die Arbeitnehmerin erhob Klage, da die Altersrente mit 63 betragsmäßig niedriger war als das Vorruhestandsgeld, welches sie von der Beklagten bezog. Sie war der Auffassung, nach dem Tarifvertrag könne sie nicht auf die abschlagsfreie Rente mit 63 nach § 236b SGB VI verwiesen werden.

Ihre Klage wurde abgewiesen. Das Arbeitsgericht ließ offen, ob hier nach dem Tarifvertrag ein entsprechender Verweis der Klägerin auf die Rente mit 63 ausgeschlossen ist. Denn jedenfalls wäre dieser Verweis nach dem zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossenen Vorruhestandsvertrag zulässig. Der Vertrag halte auch einer AGB-Kontrolle nach §§ 305ff BGB stand. 

ArbG Frankfurt (Oder), Urteil vom 07.05.2015 - 6 Ca 1381/14 -

Montag, 8. Juni 2015

Schadensfall durch Schreckreaktion und fehlendes Verschulden

Die Klägerin war zu Fuß unterwegs. Sie befand sich gerade am Anwesen der Familie K., als der Beklagte mit (sehr) geringer Geschwindigkeit der Klägerin mit seinem PKW entgegenkam.  In dem mit einem Maschendrahtzaun abgetrennten Garten der Familie K. befand sich ein Hund, der von der Klägerin unbemerkt an den Zaun kam und plötzlich laut bellte. Vor Schreck machte die Klägerin einen Schritt nach rechts und geriet so auf die Fahrbahn. Hierbei geriet sie gegen den rechten Außenspiegel des gerade vorbeifahrenden PKW des Beklagten. Durch den Kontakt stürzte die Klägerin und machte in der Folge Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend. Die Klage hatte Erfolg; mit seinem Beschluss vom 07.01.2015 wies das OLG Karlsruhe den beklagten darauf hin, dass seine Berufung keine Erfolgsaussichten habe, § 522 ZPO.

Die Haftung des Beklagten leitet das OLG aus der Gefährdungshaftungsnorm des § 7 Abs. 1 StVG her. Höhere Gewalt iSv. § 7 Abs. 2 StVG läge bei einer solchen Konstellation nicht vor. Damit kam es nur noch darauf an, ob und inwieweit der Klägerin ein Mitverschuldensvorwurf gemacht werden konnte, § 254 BGB.  Einen solchen negiert allerdings das OLG, da hier eine einen Verschuldensvorwurf ausschließende Situation vorgelegen habe. Es gehöre zum Wesen der Schreckreaktion, dass im ersten Moment nicht ohne weiteres unterschieden werden könne, ob der bellende und springende Hund vom Zaun zurückgehalten wird oder es zu einem Angriff mit Bissverletzungen kommen würde. 

OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 07.01.2015 - 9 U 9/14 -

Freitag, 5. Juni 2015

Anwaltliche Schweigepflicht versus datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch

AG und LG Köln
Der zugrundeliegende Rechtsstreit mutet schon skurril an: Beide Parteien sind als Rechtsanwälte tätig. Sie vertraten in einem Prozess jeweils  eine der Parteien. Nach einer mündlichen Verhandlung in dieser Sache forderte der Kläger den Beklagten auf, ihm Auskunft nach § 34 BDSG zu erteilen (also über gespeicherte Daten von ihm, deren Herkunft und Empfänger). Dieses Schreiben sandte der Beklagte lediglich zu seiner Entlastung lediglich zurück. Daraufhin erhob der Kläger entsprechende Auskunftsklage.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Dazu bezog es sich auf §§ 34 Abs. 7 iVm. 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2,3 oder 5-7 BDSG. Ein Auskunftsanspruch besteht danach nicht, wenn keine Pflicht zur Benachrichtigung besteht, was nach § 33 Abs. 2 Nr. 3 BDSG dann der Fall ist, wenn die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen des überwiegenden Interesses eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Diese Geheimhaltungspflicht läge hier vor, da der Beklagte eine Schweigeverpflichtung nach § 43a BRAO habe. Diese Pflicht beziehe sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden sei. Die (auch strafrechtlich sanktionierte) Schweigepflicht stünde so dem Auskunftsanspruch des § 34 BDSG entgegen.

AG Köln, Urteil vom 04.02.2015 - 134 C 174/14 Kl -

Montag, 1. Juni 2015

ESt: Passivierung von Schadensersatzansprüchen nicht stets zulässig, §§ 5 EStG, 249 HGB

Im Rahmen der Bilanzierung muss der Steuerpflichtige prüfen, ob und inwieweit er Rückstellungen bilden muss. Die Rückstellungen mindern den Jahresgewinn und damit notwendig die Steuerlast. Von daher achtet verständlicherweise die Finanzverwaltung darauf, dass nicht willkürlich Rückstellungen gebildet werden. Allerdings ist auch der Kaufmann verpflichtet, für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden, § 249 Abs. 1 HGB. Diese Verpflichtung gilt für obligatorische (nicht für wahlweise) Rückstellungsbildungen. Zwingend ist die Rückstellungsbildung für ungewisse Verbindlichkeiten, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften und unterlassene Instandhaltung bzw. Abraumbeseitigung (Ballwieser, MüKo-HGB, § 249 Rdz 6).

Nach Auffassung des FG Baden-Württemberg kann/darf allerdings für einen (auch anwaltlich angedrohter) Schadensersatzanspruch eines Dritten nicht  ohne weiteres eine Rückstellung gebildet werden. Entscheidend ist, ob der Steuerpflichtige nach den objektiv gegebenen und subjektiv erkennbaren Verhältnissen ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zu rechnen hat. Die theoretische Möglichkeit der Inanspruchnahme ist hier nicht ausreichend. Es müssten mehr Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme sprechen. Das fängt nach Auffassung des FG bereits damit an, ob der Schadensersatzanspruch als solcher überhaupt zivilrechtlich als möglich angesehen wird. Darüber hinaus kann eine ernsthafte Durchsetzung auch nicht deshalb angenommen werden, da ein Anwalt eingeschaltet wurde (wobei vorliegend eine englische Ltd. Ansprüche für sich generierte, die sie über einen englischen Anwalt geltend machte). 

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2015 - 13 K 540/13 -

Werkvertragsrecht: Mängelbeseitigungsanspruch bei nachfolgenden vom Auftraggeber zu vertretenen Mängeln

Die Mangelhaftigkeit eines Gewerks führt zu Gewährleistungsansprüchen des Auftraggebers. Was aber, wenn der Auftraggeber auf dem mangelhaften Gewerk selbst auf der mangelhaften Vorarbeit (hier: Estrich) weitergehende eigene Arbeiten durchführt  (hier: Fliesenverlegung) und diesen Arbeiten unabhängig vom vorbestehenden Mangel ein eigener Mangel innewohnt (der zum Reißen der Fliesen führte, da die Fliesen verlegt wurden, als die Belegreife noch nicht gegeben war) ?

Das OLG Hamm geht weiterhin von einem Gewährleistungsanspruch des Auftragnehmers gegen den Werkunternehmer  aus. Dabei stellt es darauf ab, dass für die Kausalität des Risses der Fliesen  der mangelhaft Estrichs vor der Fliesenverlegung jedenfalls mitursächlich war.


Allerdings sei der Schaden des Auftraggebers entsprechend § 254 Abs. 1 BGB gemindert. Es müsste berücksichtigt werden, dass im Rahmen der Sanierung des Estrichs auch Risse an den Fliesen beseitigt würden, die nicht auf den Mangel am Estrich zurückzuführen sind.  Dieses unbillige Ergebnis, dass im Rahmen der Mängelbeseitigung auch Mängel beseitigt würden, die nicht vom Werkunternehmer zu vertreten sind, wäre durch die Anwendung des Rechtsgedankens des § 254 Abs. 1 BGB zu korrigieren. 

OLG Hamm, Urteil vom 31.03.2015 - 24 U 30/14 -

Sonntag, 31. Mai 2015

Mietrecht: Sonderkündigungsrecht Zweifamilienhaus

§ 573a Abs. 1 BGB sieht ein Sonderkündigungsrecht für Wohnraum bei einem Haus mit zwei Wohnungen  vor, wenn die eine der zwei Wohnungen vom Vermieter selbst bewohnt wird. Der Umstand, dass in dem Haus noch gewerbliche Räume vorhanden sind, ist ohne Belang, es sei denn, dass es sich um Räume handelt, die ehedem ebenfalls der Wohnnutzung dienten. Sollte allerdings – so der BGH – die Umnutzung vor Abschluss des Mietvertrages erfolgt sein, der nunmehr gekündigt wird, so ist die Umnutzung ohne Relevanz. 

BGH, Urteil vom 18.02.2015 - VIII ZR 127/14 -

Sonntag, 24. Mai 2015

Versicherung: Kostenlast bei verspäteter Mitteilung des Risikofortfalls

Entfällt bei einer abgeschlossenen Haftpflichtversicherung das versicherte Risiko (z.B. bei Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung durch Ableben des Tieres), endet das Versicherungsverhältnis.

Vorliegend hatte die Haftpflichtversicherung, nachdem die beklagte Versicherungsnehmerin trotz Mahnung den Versicherungsbeitrag nicht zahlte, Klage auf Zahlung erhoben. Im Rechtsstreit wandte die Beklagte dann den Wegfall des versicherten Risikos für den Zeitraum ein, für den der Versicherungsbeitrag geltend gemacht wurde. Da die Beklagte auch auf Verlangen des klagende Versicherers den Nachweis des Risikofortfalls erbrachte, erklärte der Versicherer den Rechtsstreit als in der Hauptsache erledigt und begehrte, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Diese schloss sich zwar der Erledigungserklärung an, meinte allerdings, dass durch den Fortfall des Risikos von Anbeginn an kein Anspruch der Klägerin bestanden habe und von daher diese die Kosten tragen müsse.

Das Amtsgericht schloss sich der Auffassung der klagenden Versicherung an und erlegte die Kosten der Beklagten im Beschluss nach § 91a ZPO auf. Es wies darauf hin, dass zwar der Versicherungsvertrag wegen Wegfalls des versicherten Risikos rückwirkend aufgehoben werde, weshalb sich daraus ein Anspruch der Klägerin nicht mehr herleiten ließe. Allerdings ist bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen, dass die Beklagte aus dem laufenden Vertragsverhältnis nach §§ 311m 241 Abs. 2 BGB verpflichtet gewesen war, wichtige Informationen in Bezug auf das Versicherungsverhältnis dem Versicherer mitzuteilen um so mögliche Schäden bei dem Versicherer abzuwenden. Dazu gehörte auch die Information über den Fortfall des versicherten Risikos. Da sie auf die geltend gemachte Beitragsforderung und die Mahnungen nicht reagierte sondern erst im Prozess selbst die Unterlagen überließ, hätte sie auch die Kosten zu tragen.  

AG Lippstadt, Beschluss vom 21.05.2015 – 26 C 14/15 -