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Mittwoch, 2. September 2020

Keine Berichtigungsmöglichkeit des Steuerbescheides nach § 129 AO Bei Tatsachen-oder Rechtsirrtum


Der Kläger hatte seine an das Versorgungswerk geleisteten Beiträge fehlerhaft nicht als Versicherungsbeiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG an der dafür vorgesehenen Stelle des Formulars für die Einkommensteuer eingetragen, sondern als Beiträge zur „Rentenversicherung mit kapitalwahlrecht und Kapitallebensversicherung mit mindestens 12 Jahren Laufzeit und Laufzeitbeginn sowie erste Beitragszahlung vor dem 01.01.2005“. Von daher wurden die Beitragszahlungen vom beklagten Finanzamt (FA) als nur beschränkt abziehbare Vorsorgeaufwendungen behandelt, weshalb sich die Beitragszahlungen steuerlich nicht auswirkten. Die aufgrund der so ausgefüllten und verbeschiedenen Steuererklärungen ergangenen Steuerbescheide wurden bestandskräftig.  Im Juni 2016 beantragte der Kläger eine Änderung der Steuerfestsetzung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen unzutreffender Erfassung der Beiträge. Dies lehnte das FA ab. Nach dem erfolglosen Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage und vertrat die Auffassung, dass eine die Berichtigung nach § 128 AO ermöglichende offenbare Unrichtigkeit vorliegen würde..

§ 129 AO lautet:

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Die daraufhin vom Kläger erhobene Revision wurde vom BFH zurückgewiesen.

Nach dem Wortlaut der Norm, auf den der BFH verwies, kann das FA Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigen.

Vorliegend müsste es sich um eine „offenbare Unrichtigkeit“ handeln. Dies, so der BFH, seien mechanische Versehen wie Eingabe- oder Übertragungsfehler. Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts würde sich nicht als offenbare Unrichtigkeit iSv. § 129 AO darstellen. Auch sei § 129 AO dann nicht anwendbar, wenn die ernsthafte Möglichkeit bestünde, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet sei oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruhe. Der offenbare Fehler, der die Berichtigungsmöglichkeit nach § 128 AO ermögliche, müsse in der Sphäre des den Verwaltungsakt (Steuerbescheid) erlassenden FA entstanden sein. Da sich die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst ergeben müsse, sei § 129 AO auch anwendbar, wenn das FA offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernehme.

Die Beurteilung richte sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage. Es handele sich um eine Tatfrage.

Danach sei die Auffassung des FG nicht zu beanstanden, dass die fehlerhafte Eintragung durch den Kläger nicht aufgrund eines mechanischen Versehens, sondern bewusst aufgrund eines Tatsachen- und Rechtsirrtums vorgenommen worden sei. Ohne dass hier dem Sachbearbeiter des FA kein mechanischer Fehler unterlaufen sei, der lediglich die Angabe des Klägers übernahm, käme eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht.

Der Umstand, dass die fehlerhafte Angabe auch in den Folgejahren erfolgte, ändere für diese weiteren bescheide nicht die Grundlage des § 129 AO. Ursächlich bliebe stets die ohne erneute Prüfung der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen Überbahne des irrigen Prüfergebnisses des Erstjahres mit den jeweils aktuellen Beiträgen zum Versorgungswerk.

BFH, Urteil vom 12.02.2020 - X R 27/18 -