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Samstag, 30. April 2022

Selbständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO und Schiedsgutachterabrede

Der Streit der Parteien ging in der Sache um behauptete Mängel an einer neuerrichteten Autobahnbrücke. Die Antragstellerin beantragte die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO zur Feststellung von Mängeln bestimmten Stahlbauteilen, dessen Zulässigkeit sich aus § 485 Abs. 1 Fall 2 ZPO wie auch aus € 485 Abs. 2 ZPO ergebe. Von der Antragsgegnerin wurde auf die vereinbarten VOB/B verwiesen, weshalb dem selbständigen Beweisverfahren die Schiedsgutachterabrede nach § 18 Abs. 4 VOB/B und Ziffer 2.3.6. ZTV-ING, Teil 1, Abschnitt 1 entgegenstünde. Das Landgericht wies den Antrag zurück. Auch die sofortige Beschwerde war nicht erfolgreich, weshalb die Antragstellerin die zugelassene Rechtsbeschwerde einlegte. Aber auch diese führte nicht zum Erfolg. Der BGH vertrat die Ansicht, dass die Schiedsgutachterabrede nach § 18 Abs. 4 VOB/B Vorrang habe und es von daher der Antragstellerin an einem rechtlichen Interesse an einem selbständigen Beweisverfahren ermangele.

Nach § 18 Abs. 4 S. 1 VOB/B könne jeder Vertragspartei bei Meinungsverschiedenheiten unter anderem über die Eigenschaft von Stoffen oder Bauteilen, für die allgemein gültige Prüfverfahren bestünden, die materialtechnische Untersuchung durch eine staatliche oder staatlich geprüfte Materialprüfungsstelle vornehmen lassen, deren Feststellungen nach § 18 Abs. 4 VOB/B verbindlich seien. Die Regelung in § 18 Abs. 4 VOB/B stelle eine Schiedsgutachterabrede dar, soweit der gegenständliche Anwendungsbereich reiche.

Im Einzelnen zeigte der BGH den unterschiedlichen Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur zum Verhältnis eines selbständigen Beweisverfahrens im Verhältnis zu einer Schiedsgutachterabrede der Parteien auf. Teilweise würde für ein selbständiges Beweisverfahren das rechtliche Interesse negiert, wenn die Parteien eine Schiedsgutachterabrede getroffen hätten. Nach anderer Ansicht bliebe die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens trotz Schiedsgutachtervereinbarung zulässig. Eine vermittelnde Ansicht nehme eine Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens an, solange ein Schiedsgutachterverfahren noch nicht eingeleitet worden sei bzw. ein Schiedsgutachten noch nicht eingeholt worden sei.  Der BGH folgte der ersten Auffassung zur Unzulässigkeit wegen fehlenden rechtlichen Interesses.

Mit der Schiedsgutachterabrede würden die Parteien die Abrede treffen, dass die gegenständlich in der Vereinbarung (hier § 18 Abs. 4 ZPO) erfassten Tatsachenfragen grundsätzlich bindend durch den Schiedsgutachter festgestellt werden sollen, dessen Feststellungen dann nur noch bedingt nach Maßgabe von §§ 317 ff BGB gerichtlich überprüfbar seien (BGH, Urteil vom 11.03.2021 - VII ZR 196/18 -). Der Wille der Parteien sei mit der Schiedsgutachterabrede darauf gerichtet, dass bei einer Auseinandersetzung ein Schiedsgutachten eingeholt werden solle und über das Beweisthema gerade keine gerichtliche Beweiserhebung vorgenommen werden solle.

Es entspräche den Grundsätzen der Privatautonomie zu entscheiden, ob bei Auseinandersetzungen über tatsächliche Fragen ein Gericht selbständiges Beweisverfahren angestrengt werden soll/kann oder nicht. Ein entsprechender Vertrag, mit dem sich eine Partei zu einem bestimmten prozessualen Verpflichtet oder sich verpflichtet ein solches zu unterlassen, sei wirksam, wenn die Handlung oder Unterlassung möglich sei und weder gegen ein gesetzliches Verbot noch gegen die guten Sitten verstoße (BGH, Urteil vom 21.12.2005 - VIII ZR 108/04 -). Haben die Parteien eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass Feststellungen auf andere Weise als durch ein selbständiges Beweisverfahren getroffen werden sollen, fehle es daher an einem rechtlichen Interesse für eine vorherige oder parallele Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens. Dies gelte auch für § 18 Abs. 4 VOB/B. Die sich daraus ergebende Sperrwirkung trage auch dem Umstand Rechnung, eine doppelte Begutachtung in derselben Angelegenheit zu vermeiden.

Auch der Umstand, dass im Rahmen des Schiedsgutachterabrede keine Streitverkündung nach §§ 72 ff ZPO möglich sei und von daher in einem Folgeprozess mit einem Dritten eventuell doch ein gerichtliches Gutachten einzuholen ist, ändert im Hinblick auf die Zulässigkeit der privatautonomen Vereinbarung der Parteien nichts.

Zudem läge auch kein Fall des § 485 Abs. 1 Fall 2 ZPO vor vor dem Hintergrund, dass sich die Stahlbauteile an einem Ort im Ausland befänden. Dies begründe ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht die Besorgnis eines Beweismittelverlusts (wobei für Gegenstände, die ins Ausland verbracht werden sollen, anders gelten könnte).

BGH, Beschluss vom 26.01.2022 - VII ZB 19/21 -

Donnerstag, 8. Juni 2017

Witterungsbedingte Bauzeitenverzögerung und zusätzlicher Vergütungsanspruch des Bauunternehmers

Die Klägerin war mit Brückenbauarbeiten beauftragt; dem Vertrag lagen die VOB/B zugrunde. Im Januar und Februar 2010 kam es zu einer langen Periode mit Frost, Eis und Schnee oberhalb der Durchschnittswerte der letzten 30 Jahre. Bereits mit Schreiben vom 04.01.2010 zeigte die Klägerin die witterungsbedingte Einstellung der Arbeiten an. Von der Beklagten wurde die Ausführungsfrist um den Zeitraum der witterungsbedingten Arbeitseinstellung zuzüglich einer Anlaufphase für die Wiederaufnahme der Bauarbeiten verlängert. Ein Nachtragsangebot der Klägerin mit dem sie Kosten für Bauhilfsmittel, Baustelleneinrichtung, Baustellengemeinkosten, Verkehrssicherung, Personal sowie wegen Unterdeckung der Allgemeinen Geschäftskosten in Höhe von € 95.438,67 aufgrund der witterungsbedingten Verzögerung der Bauausführung geltend machte, lehnte die Beklagte ab.

Die Klage war in allen Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist zunächst darauf, dass zwar die VOB/B eine Verlängerung der Bauausführungsfristen bei witterungsbedingter Baueinstellung vorsähen, nicht aber eine darauf beruhende Erhöhung des Baupreises. Anderes sei auch zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Da die Beklagte auch keine Anordnung zur Baueinstellung gab, ergäbe sich auch aus § 6 Nr. 5 oder 6 VOB/B kein Zahlungsanspruch der Klägerin.

Insbesondere ergäbe sich auch kein Anspruch aus §§ 6 Nr. 6 S. 2 VOB/B iVm. 642 BGB. § 642 BGB verlange, dass der Auftraggeber eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung unterlässt. Entscheidend sei, dass ohne die Mitwirkungshandlung des Auftraggebers die Leistung durch den Auftragnehmer nicht erbracht werden kann. Art und Umfang der notwendigen Mitwirkungshandlung des Auftraggebers sei durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung festzustellen. Zwar ergäbe sich hier, dass die Beklagte als Auftraggeberin verpflichtet sei, das Baugrundstück in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass die Klägerin die geschuldeten Leistungen erbringen kann. Allerdings bedeute dies nicht, dass die Beklagte hätte Vorkehrungen treffen müssen, dass auch bei äußeren Einwirkungen wie  Schnee, Eis und Frost die Arbeiten durchgeführt werden können. Anderweitiges sei im Vertrag selbst auch nicht vereinbart worden.  Bei den benannten Witterungseinflüssen handele es sich um Umstände, die von keiner Partei zu vertreten wären.

Auch käme keine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht, da der Vertrag keine planwidrige Regelungslücke enthalte. Weder haben die Parteien diese Witterungseinflüsse übersehen noch bewusst, in der Annahme nicht notwendiger Regelung, offengehalten. Witterungseinflüsse sind berücksichtigt, wie die Einbeziehung der VOB/B zeige, die in § 6 Nr. 2 eine Verlängerung der Ausführungsfrist vorsähen. Auch sähe § 6 Nr. 7 VOB/B vor, dass bei einer Behinderung von mehr als drei Monaten beide Vertragsparteien kündigen und abrechnen könnten.  Monetäre Auswirkungen, wie hier gefordert, wurden allerdings nicht geregelt.


BGH, Urteil vom 20.04.2017 - VII ZR 194/13 -

Sonntag, 29. März 2015

Kostenvorschuss für Mängelbeseitigung vor Abnahme

Der Auftragnehmer sah sein Werk als erbracht an und verweigerte eine vom Auftraggeber angenommene Mängelbeseitigung; dem Vertrag lagen die VOB/B zugrunde. Er hatte zunächst versucht, einen behaupteten Mangel zu beseitigen, dann aber, nachdem dies nicht als fachgerecht anerkannt wurde,  verweigerte er die weitere Nachbesserung. Im Prozess des Auftraggebers auf Zahlung von Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung wurden die behaupteten Mängel bestätigt und der Auftragnehmer zur Zahlung von Kostenvorschuss verurteilt. Das OLG Hamm sah es als sinnwidrig an, wenn man vom Auftragnehmer zunächst die Abnahme des mangelbehafteten Werkes verlangen würde, bevor er den Kostenvorschuss für Mängelbeseitigungen geltend machen könne. 

OLG Hamm, Urteil vom 19.08.2014 - 24 U 41/14 -