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Montag, 2. Januar 2023

Verkehrssicherungspflicht: Sturz eines Kunden auf einer Weintraube

Es war hier keine Bananenschale, die in einem Einrichtungshaus im Erdgeschoss vor dem Pflanzenbereich auf dem Boden lag, sondern eine - von der klagenden Kundin übersehene - Weintraube. Die Klägerin rutsche auf dieser aus, stürzte und musste eine Hüftendoprothese implantiert bekommen. Das Landgericht wies die Klage ab und die Berufung blieb erfolglos. Auf die Revision wurde das Urteil des OLG aufgehoben und der Rechtsstreit an dieses zurückverwiesen.

Die Haftung des beklagten Einrichtungshausbetreibers könnte aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB wegen der Verletzung einer vorvertraglichen Schutzpflicht in Betracht kommen. So habe die Klägerin das Ladengeschäft in Kaufabsicht betreten, womit das vorvertragliche Schuldverhältnis mit den in § 241 Abs. 2 BGB genannten Schütz- und Fürsorgepflichten bestanden habe. Diese Pflichten würden Vorkehrungen abverlangen, dass Besucher nicht durch Glätte des Bodens oder dort liegender Gegenstände zu Fall kämen (so bereits im Bananenschalenfall des BGH vom 26.09.1961 - VI ZR 92/61 -). Allerdings habe hier das Berufungsgericht auf von dem Beklagten vorgetragene Sicherungsmaßnahmen abgestellt, die bei ordnungsgemäßer Umsetzung der dem Beklagten obliegende Schutzpflicht genügen würde. Dies ist nach Auffassung des BGH vom Grundsatz nicht verfehlt: Vorvertragliche Schutzpflichten würden hier auf das Vermeiden von Verletzungen abzielen und entsprächen daher den allgemeinen deliktischen Verkehrssicherungspflichten. Es seien die Maßnahmen erforderlich, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halten würde, um andere vor Schäden zu bewahren.  Nicht jeder abstrakten Gefahr könne vorgebeugt werden. Erforderlich sei ein Sicherheitsgrad, die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich halte, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Im Hinblick auf die Maßnahmen (alle 60 Minuten intensive Sichtreinigung mit Beseitigung von Verschmutzungen durch reinigungsunternehmen, Kontrolle durch Mitarbeiter des Beklagten, im Pflanzbereich stünde zusätzlich noch eine gesonderte Reinigungskraft zur Verfügung, um spontan eingreifen zu können, der Bereich würde alle 10 - 15 Minuten durch Mitarbeiter begangen/kontrolliert) sah das Berufungsge5richt die Anforderungen als erfüllt an. Dem folgte der BGH.

Das Berufungsgericht habe aber die Beweislastverteilung verkannt, insoweit es davon ausgegangen sei, die Klägerin müsse nachweisen, dass die von dem Beklagten behaupteten (und von der Klägerin bestrittenen) Sicherungsmaßnahmen nicht erfolgt seien. Nach § 280  Abs. 1 S. 1 BGB trage zwar grundsätzlich der Gläubiger die Beweislast für die Pflichtverletzung, während der Schuldner nach § 276 BGB beweisen müsse, dass er eine solche nicht zu vertreten habe. Allerdings: Bestimme sich der Inhalt der sich aus dem Schuldverhältnis ergebenen (Verhalts-) Pflicht, wie im Falle der Verkehrssicherungspflicht, nach der verkehrserforderlichen Sorgfalt, überschneide sich die Pflichtwidrigkeit gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB mit dem Vertretenmüssen/Verschulden iSv. § 289 Abs. 1 S.2 BGB. Zum Verschulden gehöre auch ein äußeres Verhalten, bei Fahrlässigkeit der Verstoß des äußeren Verhaltens gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB). Damit würde die Beweislastverteilung in diesen Fällen durch die Unterscheidung zwischen Pflichtverletzung und Verschulden nicht definitiv bestimmt werden. Es sei deshalb in diesen Fällen hinsichtlich der Verletzung von Schutzpflichten eine Beweislastverteilung nach Gefahren- und Organisationsbereichen vorzunehmen, was hier dazu führe, dass - da die Verunreinigung als unfallursächliche Quelle  alleine im Gefahren- und Organisationsbereich des Beklagten lag, unabhängig davon, ob die Weintraube dem Warensortiment des Beklagten entstamme.

BGH, Urteil vom 15.10.2022 - VI ZR 1283/20 -

Samstag, 15. Mai 2021

Tierhalterhaftung und Mitverschulden des verletzten Hufschmieds

Immer wieder kommt es bei dem Hufbeschlag dazu, dass ein Pferd austritt und den Hufschmied verletzt. Ein Ausschluss oder eine Kürzung des Anspruchs des Hufschmieds aus § 833 S. 1 BGB erfolgt in einem solchen Fall nicht wegen Handelns auf eigene Gefahr oder unter dem Gesichtspunkt eines konkludenten Haftungsausschlusses (BGH, Urteil vom 28.05.1968 - VI ZR 35/67 -).  Allerdings kann eine Kürzung unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB) erfolgen (vgl. BGH aaO.; BGH, Urteil vom 17.03.2009 - VI ZR 166/08 - für einen Tierarzt).

Mit einem solchen Fall hatte sich das OLG Hamm auseinanderzusetzen. Das Landgericht hatte ein Mitverschulden des Hufschmieds angenommen und ihm eine Quote von 50% zugesprochen. Nach dem Hinweisbeschluss beabsichtigte das OLG die vom Kläger eingelegte Berufung zurückzuweisen, da es ein Mitverschulden darin sah, dass der Hufschmied (Kläger) die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen habe (Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB).

Für die maßgeblichen Tatsachen des Mietverschuldens sei der Tierhalter darlegungs- und beweisbelastet, wobei allerdings dem Geschädigten (hier Kläger) eine sekundäre Darlegungslast zukäme.

Als wahr könne der Vortrag des Klägers unterstellt werden, dass es in Pferdekreisen üblich sei und als ungefährlich angesehen würde, bei einer 3,30m breiten Stallgasse an einem parallel zur Boxenwand stehenden Pferd auf der gegenüberliegenden Seite von hinten vorbeizugehen. Die im Verkehr übliche Sorgfalt entspräche nicht stets der im Verkehr üblichen Sorgfalt (BGH, Urteil vom11.02.1957 - VII ZR 256/56 -). Abzustellen sei auf die Umstände des Einzelfalls. Dabei sei im Umgang mit Pferden allgemein anerkannt, dass man sich nicht von hinten in Schlagdistanz eines (fremden) Pferdes begeben dürfe, auch wenn dies in der Praxis häufig vorkommen mag. Nach dem nicht widerlegten Vortrag des Klägers habe er sich zwar nicht unmittelbar in Schlagdistanz zum Pferd begeben, sondern sei dem Gang auf der anderen Seite entlang gelaufen um das Pferd zu passieren. Aber er sei von hinten gekommen. Aufgrund der Geschehnisse zuvor habe er mit Bewegungen und auch einem Ausschlagen des Pferds in seine Richtung auf der anderen Seite der Stallgasse rechnen müssen.

Er selbst habe vor dem Landgericht erklärt, vor Beginn der Hufschnittarbeiten darauf hingewiesen worden zu sein, dass das erstmals von ihm betreute Pferd ein „bisschen kribbelig“ sei, was er auch bestätigt fand und auch angab, es sei etwas bange gewesen. Zudem hatte er nach seinen schriftsätzlichen Ausführungen erkannt, dass die Hufe in einem „katastrophalem Zustand“ waren und deshalb Beschwerden oder Schmerzen sowie eine „unfreundliche Reaktion“ des Pferdes nicht auszuschließen sei. Im Rahmend er Berufungsbegründung habe er sogar ausgeführt, er habe deshalb mit einem oralem Sedativum gearbeitet, um die Reizschwelle des Pferdes herabzusetzen. Er habe kein Beruhigungsmittel eingesetzt. Nachdem der linke Vorderhuf unproblematisch habe ausgeschnitten werden können, habe das Pferd aber bei einer Standkorrektur zweimal nach hinten ausgetreten und seinen Mitarbeiter am Arm und Hüfte getroffen.

Angesichts dessen habe der Kläger mit einem unberechenbaren Verhalten des Pferdes rechnen müssen. Für ihn als Hufschmied sei ersichtlich gewesen, dass durch das Festzurren des Pferdes am Kopf dieses an einer Flucht nach vorne gehindert war und mit einem Schlag seine Laufseite der Gasse habe erreichen können. Hinzu käme auch, dass der Kläger in der Stallgasse vor dem Erreichen des Pferdes einen Telefonanruf erhielt (es habe geklingelt), das Gespräch annahm und im Weitergehen telefoniert habe. Es habe ihm klar sein müssen, dass das Pferd weiter oder erneut verunsichert würde und wiederum unvermittelt, aber jetzt vorhersehbar, reagieren könnte.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 04.01.2021 - I-7 U 9/20 -