Der Kläger hatte seine Kommanditbeteiligung an der B KG sowie seinen Geschäftsanteil an der Komplementärgesellschaft, der B GmbH, mit Vertrag in 2016 gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf die O GmbH & Co. KG (nachfolgend O KG) übertragen. Anschließend schied die B GmbH aus und die O KG als einzige verbliebene Gesellschafterin übernahm das Vermögen der B KG im Wege der Anwachsung mit allen Aktiven und Passiven ohne Liquidation zum 31.12.2016; die B KG wurde im Januar 2017 im Handelsregister gelöscht. Das Finanzamt (FA) erließ infolge einer Außenprüfung am 26.01.2018 einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid betreffen der B KG, der dem Kläger bekanntgegeben wurde; unterhalb des Adressfeldes wurde die B KG benannt. Adresse des Klägers. Im Bescheid erfolget der Hinweis, dass dieser an den Kläger als Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten ergehe. Der Kläger begehrte die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides. Diesen Antrag wies das FA zurück. Einspruch blieb erfolglos; das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, da sich der Bescheid gegen eine vollbeendete Personengesellschaft richte. Auf die Revision des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) das finanzgerichtliche Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Nichtigkeitsfeststellungsklage iSv. § 41 Abs. 1 Alt. 2 FGO sah der BFH als zulässig an, die Annahme des FG, ein Gewinnfeststellungsbescheid sei nichtig, der sich an eine vollbeendete Personengesellschaft richte, sei nichtig, als rechtsfehlerhaft.
Der Verwaltungsakt müsse inhaltlich hinreichend bestimmt sein, § 119 Abs. 1 AO; leide er an einem besonders schwerwiegenden Fehler und sie die offenkundig, sei er nichtig, § 125 Abs. 1 AO, und damit unwirksam, § 124 Abs. 3 AO. Ein solcher Fall läge vor, wenn sich aus dem Veraltungsakt nicht der Inhaltsadressat, also desjenigen, dem gegenüber etwas geregelt werden soll, ergebe. Der Feststellungsbescheid richte sich gegen den Steuerpflichtigen, § 179 Abs. 2 S. 1 AO. Die gesonderte Feststellung werde gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich vorgenommen, wenn dies gesetzlich bestimmt ist oder der Gegenstand mehreren Personen zuzurechnen sei. Diese Zurechnung habe hier nicht § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO stattzufinden, da die Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt würden, da mehrere Personen beteiligt seien, bei denen eine Zurechnung stattfände.
Ein Gewinnfeststellungsbescheid richte sich stets gegen die Gesellschafter (Mitunternehmer), unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt des Erlasses die Personengesellschaft noch bestünde oder erloschen sei. Es müsse sich aus ihm ergeben, für welche Peron der Gewinn festgestellt würde und wie hoch der Gewinnanteil der einzelnen Gesellschafter sei. Die Aufnahme der erloschenen Personengesellschaft in das Adressfeld sei unschädlich, wenn sich aus dem Bescheid die Angaben über die Gesellschafter ergäben. Die Benennung der Gesellschaft stelle sich nur als „Sammelbezeichnung“ dar. (Dazu z.B. BFH, Urteile vom 12.08.1976 - IV R 105/75 - und 25.07.2019 - IV R 61/16 -, sowie Beschluss vom 01.09.2008 - IV B 12/08 -).
Zum Unterschied dazu könne die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages nicht gegenüber der nicht mehr existenten Personengesellschaft erfolgen, da Steuerschuldner (§ 5 Abs. 1 S. 3 GewStG) und Inhaltsadressat hier die Personengesellschaft sei und nur bei einer Gesamtrechtsnachfolge die Steuerschuldnerschaft auf den Rechtnachfolger übergehe.
BFH,
Urteil vom 30.10.2024 - IV R 4/23 -
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das
Urteil des Finanzgerichts München vom 17.03.2022 - 11 K 1936/21 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist
die Wirksamkeit eines Bescheids über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) für das
Jahr 2013 (Streitjahr), der nach Vollbeendigung der Personengesellschaft
ergangen ist.
Die
Gewinnfeststellung betrifft die B GmbH & Co. KG (B KG).
Komplementärin der Gesellschaft war die B GmbH. Einziger Kommanditist war
der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger). Die B KG erzielte Einkünfte aus
Gewerbebetrieb. Der Kläger war im Oktober 1999 als Empfangsbevollmächtigter der
B KG im Feststellungsverfahren benannt worden. Er war zugleich alleiniger
einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der B GmbH.
Durch
notariellen Einbringungs- und Abtretungsvertrag vom xx.12.2016 übertrug der
Kläger seine Kommanditbeteiligung an der B KG sowie seinen Geschäftsanteil
an der B GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf die O GmbH
& Co. KG (O KG). Infolge des anschließenden Ausscheidens der
B GmbH übernahm die O KG als einzige verbliebene Gesellschafterin das
Vermögen der B KG im Wege der Anwachsung mit allen Aktiven und Passiven
ohne Liquidation zum 31.12.2016. Die B KG wurde Anfang Januar 2017 im
Handelsregister gelöscht.
Am 30.01.2017
ging der vom Kläger übersandte notarielle Einbringungs- und Abtretungsvertrag
beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) ein. Am 17.10.2017
stellte der Kläger als Geschäftsführer der O KG den Antrag auf Ansatz des
eingebrachten Betriebsvermögens mit dem Buchwert nach § 24 Abs. 2
Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes.
Auf der
Grundlage der Ergebnisse einer steuerlichen Außenprüfung wurde am 26.01.2018
ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid für 2013 betreffend die B KG
erlassen, der an den Kläger bekanntgegeben wurde. Die Einkünfte wurden auf die
B GmbH und den Kläger verteilt. Unterhalb des Adressfeldes wurde die
B KG genannt. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass er an den Kläger als
Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle
Feststellungsbeteiligten ergehe.
Dagegen legte
die B KG Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom
20.11.2018 als unbegründet zurückwies. Die dagegen gerichtete Klage der
B KG wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 10.10.2019 -
11 K 3049/18 als unzulässig ab, da die B KG infolge ihrer
Vollbeendigung nicht mehr beteiligtenfähig sei.
Mit Schreiben
vom 29.04.2020 wurde im Namen der "[B KG], bez. [O KG]" ein
Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids für
2013 vom 26.01.2018 gestellt. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der
Bescheid nichtig sei, weil er gegenüber einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe
nicht mehr existenten Firma erlassen worden sei. Das FA lehnte den Antrag mit
Bescheid vom 15.05.2020 mit der Begründung ab, § 125 Abs. 5 i.V.m.
Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) sei nicht anwendbar, da der Feststellungsbescheid
inhaltlich hinreichend bestimmt gewesen sei.
Dagegen legten
sowohl der Kläger als auch die O KG Einsprüche ein, die --nach
Verbindung-- mit Einspruchsentscheidung vom 06.08.2021 als unbegründet
zurückgewiesen wurden.
Auf die
nachfolgende Klage des Klägers und der O KG, mit der diese die
Feststellung der Nichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids, hilfsweise der
hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 20.11.2018 begehrten, stellte das
FG gegenüber dem Kläger fest, dass der Gewinnfeststellungsbescheid für 2013
betreffend die B KG "in Gestalt der Einspruchsentscheidung"
nichtig sei. Die Klage der O KG wurde als unzulässig abgewiesen, da die
O KG nicht klagebefugt sei.
Der
Gewinnfeststellungsbescheid für 2013 sei nichtig (§ 125 Abs. 1 AO).
Er weise als Inhaltsadressatin die B KG aus. Bei Aufnahme der Gesellschaft
statt der Gesellschafter in das Adressfeld sei die Angabe der Gesellschaft als
Sammel- oder Kurzbezeichnung für die Gesellschafter zu verstehen, wenn sich der
Kreis der Gesellschafter --wie im Streitfall-- aus dem weiteren Inhalt des
Bescheids erschließen lasse. Jedoch richte sich der Bescheid gegen ein nicht
mehr existentes Steuersubjekt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom
23.09.1999 - IV R 59/98, BFHE 190, 19, BStBl II 2000, 170), da
die B KG als übertragende Rechtsträgerin infolge der Einbringung mit
notariellem Einbringungs- und Abtretungsvertrag vom xx.12.2016 nach § 2
Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) im Wege der Verschmelzung durch
Aufnahme gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG mit der
Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister erloschen sei (vgl. BFH-Urteil
vom 08.09.2011 - IV R 43/07). Der Bescheid könne auch nicht
dahin ausgelegt werden, dass er sich statt an die erloschene B KG an die
O KG als Inhaltsadressatin richte. Es fehle an einer objektiven
Mehrdeutigkeit, da die B KG eindeutig als Inhaltsadressatin bezeichnet
worden sei. Es liege ein --nicht heilbarer-- Adressierungsmangel vor.
Die seit
Oktober 1999 bestehende Empfangsvollmacht des Klägers sei mit Schreiben vom
17.10.2017 (Mitteilung über die Einbringung des Mitunternehmeranteils)
konkludent widerrufen worden. Letztlich könne dies aber dahinstehen. Selbst im
Fall eines fehlerhaft bekanntgegebenen Bescheids sei der Bekanntgabemangel
geheilt worden, als der Bescheid zumindest an den Kläger als
Bekanntgabeempfänger weitergeleitet worden sei.
Dagegen richtet
sich die Revision, mit der das FA die Verletzung materiellen Bundesrechts
(§ 125 Abs. 1 AO) rügt. Der Gewinnfeststellungsbescheid für 2013 sei
hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 AO) und nicht nichtig. Die
angegriffene Entscheidung stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des
BFH. Danach richte sich ein Gewinnfeststellungsbescheid nicht gegen die
Gesellschaft, sondern gegen die Gesellschafter. Weder im Fall einer existenten
noch im Fall einer erloschenen Gesellschaft könne die Bezeichnung der
Gesellschaft im Anschriftenfeld schädlich sein. Die Angabe einer nicht mehr
existenten Gesellschaft stelle keine (nicht heilbare) Bezeichnung eines
falschen Steuerschuldners dar. Demgegenüber sei das FG zwar zutreffend davon
ausgegangen, dass die Gesellschafter der B KG sämtlich namentlich
aufgeführt und als Gesellschafter genannt seien und sich als Adressaten aus dem
für die Verteilung des Gewinns vorgesehenen Teil des
Gewinnfeststellungsbescheids ergäben. Gleichwohl stelle es auf die Firmenbezeichnung
"B KG" ab und bestimme ausschließlich anhand dieser
Firmenbezeichnung den Inhaltsadressaten des Gewinnfeststellungsbescheids, mit
der Folge, dass der an ein nicht mehr existentes Steuersubjekt als
Inhaltsadressat gerichtete Feststellungsbescheid nichtig sei.
Auch die von
der Vorinstanz genannten BFH-Urteile vom 08.09.2011 - IV R 43/07
und vom 23.09.1999 - IV R 59/98 (BFHE 190, 19, BStBl II 2000,
170) stützten ihre Entscheidung nicht. In beiden Fällen sei es nicht zum
Erlöschen der Personengesellschaft selbst gekommen, sondern zum Erlöschen der
Gesellschafter.
Die inhaltliche
Bestimmtheit des Gewinnfeststellungsbescheids vom 26.01.2018 habe in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2018 fortgewirkt.
Soweit das FG
von einer wirksamen Bekanntgabe des Gewinnfeststellungsbescheids an den Kläger
ausgehe, könne dem nur im Ergebnis zugestimmt werden. Der Bescheid sei
gegenüber allen Feststellungsbeteiligten wirksam bekanntgegeben worden, indem
er dem Kläger als Empfangsbevollmächtigtem (§ 183 Abs. 1 Satz 1
AO in der Fassung vor der Änderung durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz
vom 22.12.2023, BGBl. 2023 I Nr. 411 --AO a.F.--) übermittelt worden sei.
Mangels Widerrufs habe die Empfangsvollmacht gemäß § 183 Abs. 3
Satz 1 AO a.F. trotz Beendigung der Gesellschaft fortgegolten.
Mit seiner
Würdigung, das Schreiben des Klägers in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer
der O KG vom 17.10.2017 sei im Hinblick auf § 183 Abs. 3
Satz 2 AO a.F. auslegungsbedürftig, verletze das FG ebenfalls Bundesrecht.
Das Schreiben enthalte ausschließlich einen ertragsteuerlichen Antrag für die
O KG. Weder aus dem Schreiben noch aus den Umständen ergebe sich, dass
sich der Kläger zu der Empfangsvollmacht für die B KG habe äußern wollen.
Abgesehen davon scheide eine Umdeutung schon deshalb aus, weil sich eine solche
nur auf den Inhalt einer Erklärung, nicht aber auf die Person des Erklärenden
beziehen könne. Der Antrag vom 17.10.2017 sei von der O KG gestellt
worden, die weder Bevollmächtigte noch Vollmachtgeberin der ursprünglichen
Empfangsvollmacht gewesen sei, so dass sie diese auch nicht (konkludent) habe
widerrufen können. Jedenfalls sei mit der Übermittlung des
Gewinnfeststellungsbescheids an den Kläger eine Einzelbekanntgabe an ihn im
Sinne des § 183 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO a.F. bewirkt worden,
welche bei Fehlen eines Empfangsbevollmächtigten im Sinne des § 183
Abs. 1 Satz 1 AO a.F. vorgeschrieben sei.
Das FA beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG München vom 17.03.2022 - 11 K 1936/21 aufzuheben, soweit es den Kläger betrifft, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FG gehe zu
Recht von einem --zur Nichtigkeit führenden-- nicht heilbaren
Adressierungsmangel aus. Der Gewinnfeststellungsbescheid weise ein nicht mehr
existentes Steuersubjekt aus. Mit Eintritt der Rechtsnachfolge sei der
Rechtsnachfolger Inhalts- und Bekanntgabeadressat des
Gewinnfeststellungsbescheids und trete als Feststellungsbeteiligter
vollumfänglich in die Rechtsposition des Rechtsvorgängers ein.
Soweit sich das
FA gegen die Auslegung des Schreibens der O KG vom 17.10.2017 durch das FG
wende, sei darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Tatsachenwürdigung handele,
die revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden könne, ob sie dem Grunde
nach zulässig und in verfahrensfehlerfreier Weise zustande gekommen sei und
nicht gegen rechtliche Vorgaben, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze
verstoße. Das FG habe aber weder gegen Auslegungsgrundsätze noch gegen
Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Es habe rechtsfehlerfrei
davon ausgehen können, dass die Empfangsvollmacht des Klägers für die B KG
konkludent widerrufen worden sei.
Selbst wenn man
davon ausginge, dass der Gewinnfeststellungsbescheid vom 26.01.2018 wirksam
bekanntgegeben worden sei, wäre jedenfalls die Einspruchsentscheidung vom
20.11.2018 unwirksam, weil sie sich an ein nicht mehr existentes Steuersubjekt
richte. Zu Unrecht gehe das FA davon aus, dass die Einspruchsentscheidung
wirksam an den Verfahrensbevollmächtigten bekanntgegeben worden sei, da sich
die inhaltliche Bestimmtheit des Feststellungsbescheids im Sinne des § 119
AO in der Einspruchsentscheidung fortsetze. Diese Auffassung entbehre einer
rechtlichen Grundlage. Die Einspruchsentscheidung müsse inhaltlich hinreichend
bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO). Der Verfahrensbevollmächtigte sei
nur der Empfänger, Inhaltsadressatin sei die B KG, im Rubrum seien weder
der Kläger noch die Komplementär-GmbH genannt. Da die Einspruchsentscheidung
somit einem nicht mehr existenten Inhaltsadressaten bekanntgegeben worden sei,
liege ein Adressierungsmangel vor, der zur Nichtigkeit führe.
Entscheidungsgründe
II.
Gegenstand des
Klage- und Revisionsverfahrens ist die Nichtigkeitsfeststellung im Sinne des
§ 41 Abs. 1 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO; dazu
1.). Die Revision ist begründet. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass
ein Gewinnfeststellungsbescheid, der sich an eine vollbeendete
Personengesellschaft richtet, stets nichtig ist; sein Urteil kann daher keinen
Bestand haben (dazu 2.). Die Sache ist spruchreif, so dass der Senat in der
Sache selbst entscheiden kann (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
FGO). Die Klage des Klägers ist unbegründet (dazu 3.).
1.
Gegenstand des Klage- und Revisionsverfahrens ist die vom Kläger begehrte
Feststellung der Nichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids für 2013 vom
26.01.2018 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 20.11.2018. Gegen
die Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage im Sinne des
§ 41 Abs. 1 Alternative 2 FGO bestehen keine Bedenken. Die
O KG, deren Klage vom FG als unzulässig abgewiesen worden ist, ist am
Revisionsverfahren nicht mehr beteiligt.
2. Das
FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Gewinnfeststellungsbescheid, der
sich an eine vollbeendete Personengesellschaft richtet, stets nichtig ist. Sein
Urteil kann daher keinen Bestand haben.
a) Ein
Verwaltungsakt muss gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend
bestimmt sein. Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig
(und damit gemäß § 124 Abs. 3 AO unwirksam), soweit er an einem
besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung
aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ein Verwaltungsakt leidet
an schweren und offenkundigen Mängeln und ist deshalb nichtig, wenn er
inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden
kann, was von wem verlangt wird. Konstituierender Bestandteil jedes
Verwaltungsakts ist daher die Angabe des Inhaltsadressaten, also desjenigen,
dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (vgl. nur BFH-Urteil vom
15.04.2010 - IV R 67/07, Rz 18).
aa) Nach
§ 179 Abs. 2 Satz 1 AO richtet sich ein Feststellungsbescheid
gegen den Steuerpflichtigen, dem der Gegenstand der Feststellung bei der
Besteuerung zuzurechnen ist. Die gesonderte Feststellung wird gegenüber
mehreren Beteiligten einheitlich vorgenommen, wenn dies gesetzlich bestimmt
oder der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist
(§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO). Gemäß § 180 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden die einkommensteuerpflichtigen
und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang
stehende andere Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt, wenn an den
Einkünften --wie hier-- mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte
diesen steuerlich zuzurechnen sind.
bb) Nach
der Rechtsprechung des BFH richtet sich ein Gewinnfeststellungsbescheid
--ungeachtet dessen, ob im Zeitpunkt seines Erlasses die Personengesellschaft
noch besteht oder bereits erloschen ist-- seinem Inhalt nach stets gegen die
Gesellschafter (Mitunternehmer). Für die Wirksamkeit eines solchen Bescheids
kommt es (nur) darauf an, dass sich aus seinem gesamten Inhalt ergibt, für
welche Personen der Gewinn festgestellt wird und wie hoch der Gewinnanteil der
einzelnen Gesellschafter ist. Demgemäß steht selbst der Umstand, dass eine
nicht mehr existente Personengesellschaft in das Adressfeld des Bescheids
aufgenommen wird, einer wirksamen Benennung der Inhaltsadressaten nicht
entgegen, wenn sich aus dem Bescheid die weiteren Angaben über die
Gesellschafter entnehmen lassen. Die Angabe der Gesellschaft ist lediglich als
Sammelbezeichnung für die Gesellschafter zu sehen und bedeutet nicht etwa die
Bezeichnung eines falschen Steuerschuldners. Entscheidend ist nur, dass aus dem
Gesamtinhalt des Bescheids klar und eindeutig erkennbar ist, für welche
Personen und in welcher Höhe die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden
(vgl. nur BFH-Urteile vom 12.08.1976 - IV R 105/75, BFHE 120,
129, BStBl II 1977, 221, unter 3. [Rz 19]; vom 27.04.1978 -
IV R 187/74, BFHE 126, 114, BStBl II 1979, 89, unter 2. [Rz 34];
vom 08.04.1986 - VIII R 343/82, BFH/NV 1986, 647, unter 1.a
[Rz 15]; vom 25.07.2019 - IV R 61/16, BFHE 265, 285,
Rz 27; BFH-Beschluss vom 01.09.2008 - IV B 12/08, BFH/NV
2008, 2039, unter II.3. [Rz 9 f.]).
Insofern
unterscheidet sich die Rechtslage bei der gesonderten und einheitlichen
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen insbesondere von der Situation bei der
Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags. Ein an eine nicht mehr existente
Personengesellschaft gerichteter Gewerbesteuermessbescheid ist unwirksam (vgl.
nur BFH-Urteil vom 15.04.2010 - IV R 67/07, Rz 16). Denn
Steuerschuldner (§ 5 Abs. 1 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes)
und Inhaltsadressat ist die Personengesellschaft. Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge
geht die Steuerschuldnerschaft auf den Rechtsnachfolger über (BFH-Urteile vom
20.09.2018 - IV R 39/11, BFHE 262, 393, BStBl II 2019, 131,
Rz 19; vom 23.02.2023 - IV R 37/18, BFHE 280, 300, BStBl II
2023, 917, Rz 27).
b) Das
FG hat seiner Entscheidung jedenfalls im Ergebnis andere Rechtsgrundsätze
zugrunde gelegt. Sein Urteil kann daher keinen Bestand haben und ist
aufzuheben.
aa) Die
Vorinstanz ist von der Nichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids ausgegangen
und hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass die B KG vollbeendet ist.
Zwar ergäben sich die Gesellschafter eindeutig als Adressaten des Bescheids aus
dem für die Verteilung des Gewinns vorgesehenen Teil des
Gewinnfeststellungsbescheids. Dennoch richte sich der Bescheid an ein nicht
mehr existentes Steuersubjekt (B KG) --nicht an seine Rechtsnachfolgerin
(O KG)-- und sei daher unwirksam. Denn die B KG sei "als
übertragender Rechtsträger infolge der Einbringung ... nach § 2
Satz 1 Nr. 1 UmwG im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme gemäß
§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG mit der Eintragung der
Verschmelzung ins Handelsregister erloschen" (S. 9 des angefochtenen
Urteils). Der Bescheid sei insofern auch keiner Auslegung zugänglich. Es
handele sich um einen nicht heilbaren Adressierungsmangel (S. 10 des
angefochtenen Urteils).
bb) Dies
erweist sich als rechtsfehlerhaft.
aaa)
Dabei kommt es zwar nicht darauf an, dass die B KG --entgegen der Annahme
des FG-- nicht im Wege der Verschmelzung zur Aufnahme (§ 2 Nr. 1
UmwG) mit der Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister erloschen ist
(§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG). Vielmehr ist es durch den
--der Einbringung des Mitunternehmeranteils des Klägers in die O KG
nachfolgenden-- Austritt der Komplementär-GmbH von Gesetzes wegen zur
Anwachsung des Vermögens der B KG bei der O KG als einzig
verbliebener Gesellschafterin gekommen.
bbb)
Allerdings ist die Vorentscheidung mit der zuvor dargestellten
BFH-Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Gewinnfeststellungsbescheiden nicht in
Einklang zu bringen. Danach steht der Umstand, dass eine nicht mehr existente
Personengesellschaft in das Adressfeld des Gewinnfeststellungsbescheids
aufgenommen wird, einer wirksamen Benennung der Inhaltsadressaten gerade nicht
entgegen, wenn sich aus dem Bescheid --wie hier-- die weiteren Angaben über die
Gesellschafter entnehmen lassen. Die Benennung der Gesellschaft ist lediglich
als Sammelbezeichnung für die Gesellschafter zu verstehen, nicht aber als
Bezeichnung des (falschen) Steuerschuldners.
ccc) Zu
Unrecht beruft sich die Vorinstanz auf das BFH-Urteil vom 23.09.1999 -
IV R 59/98 (BFHE 190, 19, BStBl II 2000, 170). Dieses bezieht sich
auf einen verstorbenen Feststellungsbeteiligten, nicht auf eine nicht mehr
existente Personengesellschaft. Entsprechendes gilt für das BFH-Urteil vom
08.09.2011 - IV R 43/07, das die Verschmelzung des
Gesellschafters auf einen anderen Rechtsträger betrifft.
3. Die
Sache ist spruchreif, so dass der Senat in der Sache selbst entscheiden kann
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
a) Der
Gewinnfeststellungsbescheid für 2013 ist dem Kläger wirksam bekanntgegeben
worden.
aa) Der
Kläger ist gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter im Sinne des § 183
Abs. 1 Satz 1 AO a.F., die im Streitfall weiterhin zur Anwendung
gelangt (vgl. Art. 97 § 39 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zur
Abgabenordnung). Dem Kläger konnten daher Feststellungsbescheide --trotz
Vollbeendigung der Personengesellschaft-- auch mit Wirkung für andere
Beteiligte bekanntgegeben werden, soweit und solange diese Beteiligten oder der
Empfangsbevollmächtigte nicht widersprochen haben (§ 183 Abs. 3
Satz 1 AO a.F.). Trotz Vollbeendigung der Gesellschaft bedarf es keiner
Einzelbekanntgabe des Feststellungsbescheids an die früheren Gesellschafter,
wenn diese einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt haben und die
Bescheide diesem bekanntgegeben werden (vgl. BFH-Urteil vom 31.08.1999 -
VIII R 21/98, BFH/NV 2000, 555, unter 2.a [Rz 16]).
bb) Ob
das FG zu Recht von einem Widerruf der auch bei Auflösung der Gesellschaft
zunächst fortwirkenden Empfangsvollmacht (§ 183 Abs. 3 Satz 2 AO
a.F.; vgl. dazu BFH-Beschluss vom 05.05.2011 - X B 139/10,
Rz 18) durch das Schreiben vom 17.10.2017 ausgegangen oder der BFH daran
jedenfalls gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), kann dahinstehen. Auch
ein etwaiger Bekanntgabefehler (Bekanntgabe an den Empfangsbevollmächtigten
trotz Widerrufs der Vollmacht) wäre jedenfalls dadurch geheilt worden, dass der
Feststellungsbescheid an den Kläger als ehemaligen Kommanditisten der KG und
damit "wirklichen Empfänger" gelangt ist (vgl. BFH-Urteil vom
31.08.1999 - VIII R 21/98, BFH/NV 2000, 555, unter 2.b
[Rz 18]; Brandis in Tipke/Kruse, § 183 a.F. AO Rz 29).
Jedenfalls durch den tatsächlichen Zugang des Bescheids ist es damit zu einer
wirksamen Bekanntgabe gegenüber dem Kläger gekommen.
b) Der die
vollbeendete B KG betreffende Gewinnfeststellungsbescheid für 2013 vom
26.01.2018 ist nicht nichtig. Vielmehr ergeben sich aus der Aufteilung der
Besteuerungsgrundlagen im Gewinnfeststellungsbescheid die
Feststellungsbeteiligten --die Komplementär-GmbH und der Kläger als
Kommanditist-- sowie deren Gewinnanteile. Dass das Vermögen der im
Gewinnfeststellungsbescheid aufgeführten B KG der O KG angewachsen
und die B KG im Handelsregister gelöscht worden ist, ist ohne Bedeutung.
Die auf die Feststellung der Nichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids
gerichtete Klage des Klägers ist als unbegründet abzuweisen.
c)
Soweit die Klage mit dem Hilfsantrag auf die Feststellung der Nichtigkeit der
Einspruchsentscheidung vom 20.11.2018 zielt, gilt nichts anderes. Die
Einspruchsentscheidung ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers wirksam
bekanntgegeben worden (§ 122 Abs. 1 Satz 3 AO).
Inhaltsadressaten sind --wie beim angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid für
2013-- die in den Entscheidungsgründen (zusammen mit den auf sie entfallenden
Einkünften) aufgeführten ehemaligen Gesellschafter der B KG.
4. Der
Senat erachtet es als zweckmäßig, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden
(§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90a Abs. 1 FGO).
5. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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