Die Schuldnerin hatte sich in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet, „die sich über die Länger der überdachten Terrasse der der Beklagten ziehende Bepflanzung auf ihrer Seite auf einer Höhe von 2,50 m zu kürzen und auf dieser Höhe zu halten“. Dem kam sie aber nicht nach, weshalb der Gläubiger beantragte, gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld, für den Fall der Nichtzahlung desselben Zwangshaft festzusetzen. Den beantragten Beschluss erließ das Landgericht und setzte ein Zwangsgeld von € 500,00, ersatzweise Zwangshaft für je € 500,00 1 Tag, fest. Der dagegen von der Schuldnerin eingelegten Beschwerde half das Landgericht nicht nach; das Oberlandesgericht hob den angefochtenen Beschluss sodann auf und wies den Antrag des Gläubigers zurück.
Das Oberlandesgericht wie auf die Unterschiede in §§ 888 Abs. 1 und 887 ZPO hin. § 888 Abs. 1 ZPO ist für Zwangsvollstreckungen bei vertretbaren Handlungen, § 888 ZPO für Zwangsvollstreckungen bei nicht vertretbaren Handlungen anwendbar. Hier sei aber der Antrag nach § 888 ZPO (Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft) gestellt worden, obwohl ein Fall des § 887 ZPO vorgelegen habe.
Eine vertretbare Handlung liege vor, wenn das geschuldete Verhalten von einem Dritten anstelle der Schuldnerin vorgenommen werden könne, ohne dass es dem Gläubiger darauf ankäme, dass die Handlung gerade von der Schuldnerin vorgenommen wird (BGH, Beschluss vom 27.11.2008 - I ZB 46/08 -). Anderes könne nur angenommen werden, wenn die Vollstreckung von einer Mitwirkung eines Dritten abhänge, gegen den sich der titulierte Leistungsanspruch nicht richte. Erteile der Dritte sein Einverständnis nicht, könne der Schuldner seiner Verpflichtung nicht nachkommen und wäre auch ein Dritter dazu nicht in der Lage; in diesem Fall läge eine nicht vertretbare Handlung iSv. § 888 Abs. 1 ZPO vor (BGH, Beschluss vom 27.11.2008 aaO.; BGH, Beschluss vom 09.10.2013 - I ZB 51/11 -).
Da der geschuldete Rückschnitt auch von einem Dritten vorgenommen werden könne (BGH, Beschluss vom 19.03.2004 - IXa ZB 328/03 - zur Beseitigung von Anpflanzungen; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.03.2022 - 26 W 19/21 - zur Beseitigung von Zäunen) handele es sich grds. um eine vertretbare Handlung. Es sei für den Gläubiger rechtlich als auch wirtschaftlich gleichgültig, ob die Schuldnerin selbst oder ein Dritter für diese die Arbeiten durchführt. Dass hier der Rückschnitt noch von der Zustimmung eines Dritten abhängig wäre, sei auch nicht ersichtlich. Damit fehle es bereits an einem schlüssigen, das beantragte Zwangsmittel des § 888 ZPO begründenden Sachvortrag des Gläubigers.
Das OLG wies darauf hin, dass alleine der Umstand, dass die Schuldnerin als Eigentümerin des Grundstücks dessen betreten durch Dritte versagen könne, nicht dazu führe, die Handlung als unvertretbar iSv. § 887 ZPO anzusehen. Unter Beachtung der Grenzen aus § 38 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BNatSchG sei sie zum Rückschnitt der Hecke auf eine Höhe von 2,50 m verpflichtet. Damit müsste das Landgericht ggf. auf Antrag des Gläubigers diesen ermächtigen, die erforderlichen Maßnahmen unter Beachtung der naturschutzrechtlichen Grenzen selbst (Anm.: oder durch einen Dritten) vorzunehmen und der Schuldnerin aufzugeben, das Betreten des Grundstücks zu diesem Zweck zu dulden (OLG Hamm, Beschluss vom 23.09.1983 - 14 W 121/93 -).
Eine Umdeutung des nach § 888 ZPO gestellten Antrages als einen solchen nach § 887 ZPO scheide aus. Die Zwangsmittel seien so wesensverschieden, dass eine solche Umdeutung allenfalls in Betracht käme, wenn der der Gläubiger seinen Antrag nach § 887 ZPO hilfsweise (notfalls) als einen solchen nach § 887 ZPO behandelt wissen will (OLG Hamm, Beschluss vom 23.09.1983 - 14 W 121/83 -). Diese Voraussetzung läge hier nicht vor.
OLG Frankfurt, Beschluss
vom 24.03.2023 - 26 W 1/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Landgerichts Hanau vom 19. Dezember 2022 - 9 O 840/21 - in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 15. März 2023 aufgehoben und der Zwangsgeldantrag der Gläubiger vom 14. April 2022 zurückgewiesen.
Die Gläubiger haben die Kosten des Zwangsgeldverfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte zu tragen.
Gründe
I.
In der
mündlichen Verhandlung vom 10. November 2021 in der Sache 9 O 840/21 haben die
Parteien einen Vergleich geschlossen. In Ziff. 1 dieses Vergleichs hat sich die
Schuldnerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: die Schuldnerin)
verpflichtet, „die sich über die Länge der überdachten Terrasse der Beklagten
ziehende Bepflanzung auf ihrer Seite auf eine Höhe von 2,50 m zu kürzen und auf
dieser Höhe zu halten“. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vergleichs der
Parteien wird auf S. 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 10.
November 2021 Bezug genommen (Bl. 67 d. A.). Eine beglaubigte Abschrift des
Protokolls ist der Schuldnerin am 17. November 2021 zugestellt worden (Bl. 102
d. A.).
Die Gläubiger
rügen, dass die Schuldnerin ihrer Verpflichtung aus Ziff. 1 des Vergleichs
nicht nachgekommen sei.
Mit
Anwaltsschriftsatz vom 14. April 2022 haben die Gläubiger beantragt,
zur Erzwingung
der in dem vollstreckbaren Vergleich des Landgerichts Hanau vom 10. November
2021, Az. 4 O 840/21, unter Punkt 1: „Die Klägerin verpflichtet, die sich über
die Länge der überdachten Terrasse der Beklagten ziehende Bepflanzung auf ihrer
Seite auf eine Höhe von 2,50 m zu kürzen und auf dieser Höhe zu halten.“ ein
Zwangsgeld und - für den Fall, dass dieses nicht beglichen werden kann -
Zwangshaft festzusetzen.
Die Schuldnerin
ist dem Antrag der Gläubiger entgegengetreten.
Mit dem
angegriffenen Beschluss vom 19. Dezember 2022 (Bl. 173 ff. d. A.) verhängte das
Landgericht gegen die Schuldnerin „zur Erzwingung der im vollstreckbaren
Vergleich der Parteien vom 10. November 2021 erfolgten Verpflichtung der
Schuldnerin, […] die sich über die Länge der überdachten Terrasse der Beklagten
ziehende Bepflanzung auf ihrer Seite auf eine Höhe von 2,50 m zu kürzen und auf
dieser Höhe zu halten“, zugunsten der Staatskasse ein Zwangsgeld in Höhe von €
500,00, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann,
für je € 500,00 einen Tag Zwangshaft.
Zur Begründung
hat das Landgericht u. a. ausgeführt, dass die Schuldnerin die ihr obliegende
Verpflichtung nicht erfüllt habe und diese nur von ihr selbst erfüllt werden
könne. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss
des Landgerichts vom 19. Dezember 2022 (Bl. 173 f. d. A.) verwiesen.
Gegen diesen
ihrer Prozessbevollmächtigten am 12. Januar 2023 zugestellten Beschluss hat die
Schuldnerin beim Oberlandesgericht mit Anwaltsschriftsatz vom 25. Januar 2023
sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 186 ff. d. A). Zur Begründung hat die
Schuldnerin u. a. darauf verwiesen, dass der geforderte Rückschnitt der Hecke,
in der Vögel nisteten, eine Zerstörung der Lebensstätten wild lebender Tiere im
Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes -
BNatSchG - darstelle. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung
wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 25. Januar 2023 (Bl. 186 ff. d. A.) Bezug
genommen.
Mit Beschluss
vom 15. März 2023 (Bl. 197 d. A.) hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde
nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung
vorgelegt.
II.
Die sofortige
Beschwerde der Schuldnerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Es
kann offenbleiben, ob die Gläubiger überhaupt einen wirksamen Antrag im Sinne
des § 888 Abs. 1 ZPO gestellt haben. Diesbezügliche Zweifel könnten
deswegen bestehen, weil der Antragsschriftsatz vom 14. April 2022 (Bl. 97 f. d.
A.) keine einfache elektronische Signatur aufweist, da am Ende des
Schriftsatzes lediglich das Wort „Rechtsanwalt“ aufgeführt ist, jedoch nicht
der Name des Prozessbevollmächtigten der Gläubiger (vgl. zu dieser Problematik
etwa BAG, Beschluss vom 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 -, NZA 2020, 3476, 3476 f.;
BGH, Beschluss vom 07.09.2022 - XII ZB 215/22 -, NJW 2022, 3512, 3512 f.).
Allerdings haben die Gläubiger in dem mit einer einfachen elektronischen
Signatur versehenen Anwaltsschriftsatz vom 17. November 2022 mitteilen lassen,
dass der Antrag vom 14. April 2022 (Bl. 168 d. A.) aufrechterhalten und um eine
zeitnahe Entscheidung gebeten werde. Letztendlich kommt es jedoch im Streitfall
auf die Frage nicht an, ob deswegen von einem wirksamen Antrag der Gläubiger
ausgegangen werden kann.
2. Die
Verhängung eines Zwangsgeldes gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der in Ziff.
1 des Vergleichs übernommenen Verpflichtung nach § 888 Abs. 1 ZPO
kommt nämlich von vornherein nicht in Betracht. Im Streitfall richtet sich die
etwaige Zwangsvollstreckung vielmehr nach § 887 ZPO.
Bei dem von der
Schuldnerin vorzunehmenden Rückschnitt der Bepflanzung handelt es sich um eine
vertretbare Handlung, die grundsätzlich der Zwangsvollstreckung nach § 887
ZPO unterliegt.
Eine
vertretbare Handlung im Sinne des § 887 Abs. 1 ZPO liegt vor, wenn
das geschuldete Verhalten von einem Dritten anstelle der Schuldnerin
vorgenommen werden kann, ohne dass es den Gläubigern darauf ankommt, dass die
Beseitigung gerade von der Schuldnerin selbst vorgenommen wird (vgl. etwa BGH,
Beschluss vom 27.11.2008 - I ZB 46/08 -, NJW-RR 2009, 443; Beschluss vom
09.10.2013 - I ZB 51/11 -, juris; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 11.
Aufl. 2018, Rdnr. 1065 f.).
Etwas anderes
gilt nur dann, wenn die Vollstreckung von der Mitwirkung oder Zustimmung eines
Dritten abhängt, gegen den sich der Leistungstitel nicht richtet. Die
Zwangsvollstreckung ist bei einer derartigen Fallgestaltung nämlich nur dann
möglich, wenn der Dritte sein Einverständnis mit der vorzunehmenden Maßnahme
erklärt oder der Vollstreckungsgläubiger einen eigenen Duldungstitel gegen den
Dritten erwirkt. Fehlt es daran, scheidet eine Vollstreckung nach § 887
ZPO aus. In einem solchen Fall ist die Zwangsvollstreckung nach § 888
Abs. 1 ZPO vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27.11.2008 - I ZB 46/08 -,
NJW-RR 2009, 443; Beschluss vom 09.10.2013 - I ZB 51/11 -, juris).
Nach diesen
Maßstäben fehlt es im Streitfall schon an der schlüssigen Darlegung der
Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO
seitens der Vollstreckungsgläubiger. Bei dem von der Schuldnerin geschuldeten
Rückschnitt der Bepflanzung handelt es sich grundsätzlich um eine vertretbare
Handlung, da die entsprechenden Arbeiten auch von einem Dritten vorgenommen
werden können (in Bezug auf die „Beseitigung von […] Anpflanzungen“ so auch
BGH, Beschluss vom 19.03.2004 - IXa ZB 328/03 -, NJW-RR 2005, 212, 213, und für
die Verpflichtung „Anpflanzungen regelmäßig zurückzuschneiden“ OLG Schleswig,
Beschluss vom 01.08.2011 - 16 W 90/11 -, NJW-RR 2011, 1695, 1696; in diesem
Sinne für „Maßnahmen zur Beseitigung von Zäunen“ auch Senat, Beschluss vom
11.03.2022 - 26 W 19/21 -, NJW-RR 2022, 929, 930, und für „Maßnahmen zur
Verhinderung des Abrutschens eines Hanges“ Senat, Beschluss vom 03.02.2022 - 26
W 14/21 -, NJOZ 2023, 312). Ob die insoweit erforderlichen Arbeiten durch die
Schuldnerin oder aber durch Dritte vorgenommen werden, ist vom Standpunkt der
Gläubiger aus nämlich rechtlich und wirtschaftlich ohne jede Relevanz. Es ist
im Streitfall auch nicht ersichtlich, dass die Vollstreckung von der Mitwirkung
oder Zustimmung anderer Personen abhängt, gegen den sich der Leistungstitel
nicht richtet.
Die insoweit
erforderlichen Maßnahmen werden auch nicht dadurch zu unvertretbaren
Handlungen, dass die Schuldnerin als Eigentümerin des Grundstücks dessen
Betreten durch dritte Personen untersagen kann. Es ist nämlich zu beachten,
dass die Schuldnerin gegenüber den Gläubigern - selbstverständlich unter
Beachtung der sich aus § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG
ergebenden Grenzen insbesondere in zeitlicher Hinsicht - aufgrund Ziff. 1 des
Vergleichs vom 10. November 2021 verpflichtet ist, geeignete Maßnahmen zu
ergreifen, um die Bepflanzung auf ihrer Seite auf eine Höhe von 2,50 m zu
kürzen und auf dieser Höhe zu halten. Das Landgericht hätte deshalb ggf. die
Möglichkeit, in einem etwaigen Beschluss, durch den die Gläubiger im Falle
eines entsprechenden Antrags ermächtigt werden, die erforderlichen Maßnahmen -
unter Beachtung der angesprochenen naturschutzrechtlichen Grenzen - selbst zu
ergreifen, einzelne weitere zur Vornahme der erforderlichen Handlungen
notwendige Anordnungen zu treffen, insbesondere der Schuldnerin aufzugeben, das
Betreten des Grundstücks zur Vornahme der erforderlichen Arbeiten zu dulden
(vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 23.09.1983 - 14 W 121/83 -, NJW 1985, 274,
275; Schmidt, in: Anders/Gehle (Hrsg.), ZPO, 80. Aufl. 2022, § 887, Rdnr.
9).
Der Antrag der
Gläubiger, die Schuldnerin durch Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Vornahme
der von ihr geschuldeten Maßnahmen anzuhalten, ist daher unbegründet, ohne dass
es auf das übrige Vorbringen der Parteien - etwa zu der Frage, ob die
Schuldnerin die ihr aus Ziff. 1 obliegende Verpflichtung tatsächlich nicht
erfüllt hat - ankommt. Der Antrag kann auch nicht in einen solchen nach
§ 887 ZPO umgedeutet werden. Die Zwangsmittel des § 888 ZPO, die
unmittelbar auf den Willen des Vollstreckungsschuldners einwirken sollen, sind
gegenüber den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 887 ZPO so
wesensverschieden, dass eine Umdeutung des Vollstreckungsantrages allenfalls
dann in Betracht kommen könnte, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass
der Gläubiger seinen Antrag notfalls als einen solchen nach § 887 ZPO
behandelt wissen will (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.09.1983 - 14 W 121/83 -,
NJW 1985, 274, 275; Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich (Hrsg.), Gesamtes Recht
der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl. 2021, § 887, Rdnr. 33). Derartige
Anhaltspunkte sind hier nicht vorhanden. Die Gläubiger haben ausschließlich das
Verhängen eines Zwangsgeldes beantragt.
3. Die
Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO.
4. Die
gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht
gegeben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen