Nach einem Verkehrsunfall verlangten die Kläger von der beklagten Versicherung Schadensersatz in Höhe von € 12.550,00 für die Wiederherstellung der gesamten Hofeinfahrt, §§ 7 Abs. 1 StVG iVm. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. VVG, da nur so ein einheitliches Fugenbild zu erreichen sei. Die Beklagte zahlte lediglich Schadensersatz für die (nach ihrer Ansicht ausreichende) Teilerneuerung der betroffenen Pflasterung. Die Berufung der Kläger gegen die Klageabweisung der ersten Instanz wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen. Das verbleibende teilweise uneinheitliche Fugenbild stelle nur eine kaum wahrnehmbare optische Beeinträchtigung dar und ein auszugleichender Minderwert würde dadurch auch nicht entstehen.
Auch wenn der Geschädigte nach § 249 Abs. 1 grundsätzlich die Wiederherstellung des Zustandes verlangen könne, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Insoweit würde dem Geschädigten (auch der Geldersatzanspruch nach § 249 Abs. 2 BGB, sei allerdings nach § 249 Abs. 2 BGB allerdings dann nicht zustehen, wenn die Herstellung dieses Zustandes unverhältnismäßig sei; dann sei der Ersatzberechtigte in Geld zu entschädigen, § 251 Abs. 2 S. 1 BGB.
Zur Feststellung, ob die Wiederherstellung iSv. § 251 Abs. 2 S. 1 unverhältnismäßig sei, dürfe der mit der Nachbesserung erzielbare Erfolg in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür erforderlichen Geldaufwandes stehen. Diese Unverhältnismäßigkeit sei anzunehmen, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb unangemessener Aufwand gegenüberstünde (BGH, Urteil vom 06.12.2001 - VII ZR 241/00 -). Zu berücksichtigen seien der Wert der Sache in einem mangelfreien Zustand und die Bedeutung des Mangels (BGH, Urteil vom 04.04.2014 - V ZR 275/12 -).
Daran ausgerichtet sei eine komplette Neupflasterung der ca. 250 m² großen Hofeinfahrt zum Erreichen eines einheitlichen Fugenbildes unverhältnismäßig. Es würde sich nur um einen optischen Mangel handeln, der den bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht beeinträchtige. Zwar handele es sich hier nicht um ein werkvertragliches Vertragsverhältnis zwischen den Parteien (sondern um einen deliktischen Schadenersatzanspruch nach § 7 StVG), doch sei gleichwohl das objektiv geringe Interesse der Klägerin zu berücksichtigen.
Auch bei lediglich optischen Beeinträchtigungen sei ein strenger Maßstab anzulegen (OLG Celle, Urteil vom 01.11.2011 - 14 U 52/11 -). Im Einzelfall sei aber zu differenzieren, wie stark sich diese im Gesamteindruck auswirke. Es handele sich hier um eine Fläche, die dem Rangieren und Abstellen von Fahrzeugen diene. Die nicht ganz gradlinigen Fugen in einem Teilbereich der Pflasterung, die auf den Übersichtsbildern nicht wahrnehmbar seien, würden keine Auswirkungen auf den Gesamteindruck haben. Nur bei vergrößerten Aufnahmen und unter Zuhilfenahme einer Wasserwaage und eines Zollstocks wären die Abweichungen erkennbar. Diese fehlende Einheitlichkeit trete bei der bestimmungsgemäßen Nutzung der Fläche mit parkenden und rangierenden Fahrzeugen im optischen Gesamteindruck soweit zurück, dass sie für den unbefangenen Betrachter nicht mehr wahrnehmbar sei und schon gar nicht zu einer optischen Gesamtbeeinträchtigung der Anlage führe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass besondere ästhetische Anforderungen an die Hoffläche zu stellen seien, denen diese nicht mehr gerecht würde (OLG Celle, Urteil vom 18.07.2002 - 22 U 197/01 -).
Auch sei zu berücksichtigen, dass nach dem eingeholten Sachverständigengutachten die Hoffläche von Anfang an nicht den technischen Regelwerken entsprochen habe und in jedem Fall zu Fugenverschiebungen geführt hätte. Die Kläger stünden bei einer vollständigen Neupflasterung besser als ohne das Schadensereignis, da die sanierte Fläche einen deutlich besseren Aufbau habe und die die nicht sanierte Fläche ohnehin nicht fachgerecht (direktes Aneinanderlegen von Klinkersteinen) verlegt worden sei.
Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 251 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieser Anspruch richte sich nicht wie bei §§ 249, 250 BGB auf das Integritätsinteresse des Geschädigten und wäre nicht nach den Herstellungskosten zu bemessen, sondern auf Ersatz des Wertinteresse. Zu ersetzen sei daher im Falle der Unverhältnismäßigkeit von Wiederherstellungskosten die Differenz zwischen dem Vermögen, wie es sich ohne das schädigende Intereses darstellen würde, und dem Wert des Vermögens, wie es sich durch das schädigende Ereignis darstelle (BGH, Urteil vom 11.03.2020 - IX ZR 104/08 -).
Hier läge ein messbarer Minderwert nicht vor. Die Pflasterfläche stelle nach dem Gutachten, unabhängig vom Fugenverlauf, keinen Wertanteil an dem streitgegenständlichen Objekt dar. Der Gesamtwertanteil der Pflasterfläche betrage 0,7% des Verkehrswertes (€ 2.450,00). Bei Berücksichtigung üblicher Rundungsdifferenzen würde dieser Wertanteil nach dem Gutachten in den Rundungen untergehen.
OLG Celle, Urteil vom 15.02.2023 - 14 U 166/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil
der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 6. Oktober
2021 - 5 O 235/19 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben
die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 13.050,00 €.
Gründe
(abgekürzt gem.
§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO)
I.
Die Berufung
der Kläger ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
1. Die
Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von
12.550,00 € gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 VVG aus dem Schadensereignis vom 19. Juni 2018. Die Beklagten haben
durch die Zahlung der Teilneupflasterung der beschädigten Fläche die
begründeten Ansprüche der Kläger bereits befriedigt.
Eine erneute
vollständige Wiederherstellung der gesamten Hoffläche, um ein einheitliches
Fugenbild zu erreichen, ist nicht geschuldet. Der Senat erachtet dies als
unverhältnismäßig (a). Das verbleibende teilweise uneinheitliche Fugenbild
stellt eine nur noch geringe - für den objektiven Betrachter - kaum
wahrnehmbare optische Beeinträchtigung dar. Ein auszugleichender Minderwert
entsteht dadurch nicht (b).
a)
Grundsätzlich haben die Kläger gem. § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch
auf Herstellung des Zustands, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz
verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Gem. § 249 Abs. 2 BGB
kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag
verlangen. Ist die Herstellung allerdings unverhältnismäßig so hat der
Ersatzpflichtige den Gläubiger gem. § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB mit
Geld zu entschädigen.
Unverhältnismäßigkeit
im Sinne des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB liegt dann vor, wenn der
mit der Nachbesserung erzielte Erfolg bei Abwägung aller Umstände des
Einzelfalles in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür
erforderlichen Geldaufwandes steht. Eine Unverhältnismäßigkeit liegt danach in
aller Regel nur vor, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an
einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb
vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht (BGH, Urteil vom 6.
Dezember 2001 – VII ZR 241/00, Rn. 42 f. mwN, juris).
Zu
berücksichtigen sind u.a. der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die
Bedeutung des Mangels (vgl. BGH, Urteil vom 04. April 2014 – V ZR 275/12,
juris).
Der Maßstab für
das objektive Interesse des Bestellers an der ordnungsgemäßen Erfüllung ist der
vertraglich vereinbarte oder der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch des
Werkes (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 – VII ZR 241/00, Rn. 46, juris).
Gemessen an
diesen Voraussetzungen ist eine komplette Neupflasterung der ca. 250 m² großen
Hofeinfahrt unverhältnismäßig, allein um ein einheitliches Fugenbild zu
erhalten. Denn es handelt sich um einen (nur) optischen Mangel, der den
bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht beeinträchtigt. Der Senat hat dabei auch
berücksichtigt, dass es sich vorliegend um kein werkvertragliches
Parteienverhältnis gehandelt hat, sondern dass ein Schadensereignis die Ursache
für die Beeinträchtigung auf dem klägerischen Grundstück gewesen ist. Dennoch
steht dem objektiv geringen Interesse der Kläger an einem geraden Fugenverlauf
der ganz erhebliche - und deshalb unangemessene - Aufwand des Schädigers
gegenüber, die gesamte Hoffläche vom alten Pflaster zu befreien und sodann -
nach entsprechender Vorbereitung - vollständig neu zu pflastern.
Im Grundsatz
ist zwar auch bei (lediglich) optischen Beeinträchtigung ein strenger Maßstab
anzulegen (vgl. Senat, Urteil vom 02. November 2011 – 14 U 52/11, Rn. 29,
juris). Es ist aber im Einzelfall zu differenzieren, wie stark sich die
optische Beeinträchtigung im Gesamteindruck der jeweiligen Anlage auswirkt
(vgl. bspw. eine erhebliche Beeinträchtigung durch graue Mörtelreste auf
dunkelrotem Ziegelverblendmauerwerk einer Anlage, vgl. BGH, Urteil vom 6.
Dezember 2001 – VII ZR 241/00, oder Hineinreichen von Rollladenkästen in den
Scheibenbereich, vgl. Senat, Urteil vom 2. November 2011 – 14 U 52/11, beide
zitiert nach juris).
Vorliegend
handelt es sich um eine Hoffläche, die dem Parken und Rangieren von Fahrzeugen
dient. Nach Auswertung der umfassenden Fotodokumentationen ist der Senat der
Ansicht, dass das nicht einheitliche Fugenbild keine Auswirkungen auf den
optischen Gesamteindruck der Hofanlage hat. Die nicht ganz gradlinigen Fugen,
die auch nur in einem Teilbereich der Pflasterung bestehen, sind vielmehr auf
größeren Übersichtsbildern nicht wahrnehmbar (vgl. Seite 6-9,
Gutachten/Tischvorlage vom 10.8.2021). Erst bei vergrößerten Aufnahmen unter
Zuhilfenahme einer Wasserwaage und eines Zollstocks (vgl. Seite 12-13,
Gutachten/Tischvorlage vom 10.8.2021) sind die Abweichungen im Fugenverlauf
erkennbar. Gerade bei einer bestimmungsgemäßen Benutzung der Hoffläche im
Alltag mit parkenden und rangierenden Fahrzeugen tritt das uneinheitliche
Fugenbild im optischen Gesamteindruck soweit zurück, dass es für einen unbefangenen
Betrachter nicht mehr wahrnehmbar sein wird und schon gar nicht zu einer
optischen Beeinträchtigung der Anlage führt. Überdies ist nicht ersichtlich,
dass in Bezug auf die klägerische Hofanlage besondere Anforderungen an die
Ästhetik der Hoffläche zu stellen sind, denen diese nun nicht mehr gerecht wird
(vgl. OLG Celle, Urteil vom 18. Juli 2002 – 22 U 197/01 (6. ZS), Rn. 32,
juris).
Der Senat hat
bei seiner Wertung auch berücksichtigt, dass die Pflasterung der Hoffläche von
Anfang an unsachgemäß war und nicht den technischen Regelwerken entsprochen hat
(vgl. Gutachten/Tischvorlage vom 10.8.2021, Seite 25ff. und
Hinweisbeschluss des Senats vom 2.2.2022, Seite 3). Dies hätte in jedem
Fall zu den gerügten Fugenverschiebungen geführt (vgl. die Ausführungen des
Sachverständigen im Gutachten/Tischvorlage vom 10.8.2021, Seite 30).
Soweit die Kläger rügen, dass bei der teilweisen Neuherstellung die
Pflastersteine mit Fugen verlegt worden seien, was bei der ursprünglichen
Verlegung nicht der Fall gewesen sei, erachtet der Sachverständige gerade das
direkte Aneinanderlegen von Klinkersteinen als nicht fachgerecht, weil es zu
Verschiebungen und Kantenabplatzungen führe (Gutachten/Tischvorlage vom
10.8.2021, Seite 26). Bei einer vollständigen Neupflasterung stünden die
Kläger somit besser als ohne das Schadensereignis dar. Insofern hat der
Sachverständige bereits festgestellt, dass die sanierte Fläche einen deutlich
besseren Aufbau habe und fester sei als die unsanierte Fläche, die ohnehin
nicht fachgerecht verlegt worden sei.
b) Die
Kläger haben auch keinen Anspruch auf eine Zahlung gem. § 251 Abs. 2
Satz 1 BGB. Die Entschädigungspflicht richtet sich dabei nicht - wie bei
§§ 249, 250 BGB - auf das Integritätsinteresse und ist nach den
Herstellungskosten zu bemessen, sondern auf Ersatz des Wertinteresses. Zu
ersetzen ist im Fall der Unverhältnismäßigkeit die Differenz zwischen dem Wert
des Vermögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde und
dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert (sog. Minderwert, vgl.
BGH, Urteil vom 11. März 2010 – IX ZR 104/08, Rn. 29 mwN, juris).
Ein solcher
Minderwert besteht nicht. Die Kläger haben keine messbare wirtschaftliche
Einbuße erlitten. Der Sachverständige Dipl. Ing. K. hat in seinem nachvollziehbaren
und überzeugenden Gutachten vom 8. November 2022 ausgeführt, dass bereits die
Pflasterfläche (unabhängig vom Fugenverlauf) keinen Wertanteil an dem
streitgegenständlichen Objekt darstelle (Gutachten/Tischvorlage vom 8.11.2022,
Seite 5 f.). Der Gesamtwertanteil der Pflasterfläche betrage 0,7% des
Verkehrswertes (2.450,00 €). Würden die üblichen Rundungsdifferenzen
berücksichtigt, so ginge dieser Wertanteil in der Rundung unter
(Gutachten/Tischvorlage vom 8.11.2022, Seite 5).
Ein etwaiger
Minderwert durch Abweichungen im Fugenverlauf der Pflasterfläche besteht daher
erst Recht nicht, wie der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 2.
Februar 2022, Seite 5, - noch ohne gutachterliche Bestätigung -
konstatiert hat. Es scheidet daher auch die Möglichkeit einer Schadensschätzung
gem. § 287 ZPO aus, wie sie die Kläger im Schriftsatz vom 3. Januar 2023
angeregt haben.
2.
Mangels Zahlungsanspruch besteht auch kein Feststellungsanspruch auf die ggf.
anfallende Mehrwertsteuer. Weitere mögliche Schäden aus dem
streitgegenständlichen Ereignis haben die Kläger bereits nicht behauptet.
3.
Mangels Hauptforderungen besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten
Nebenforderungen.
4. Es
besteht auch kein Anspruch auf die hilfsweise beantragte Aufhebung des landgerichtlichen
Urteils und Zurückverweisung der Sache. Das landgerichtliche Urteil ist im
Ergebnis richtig.
II.
Die
Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708
Nr. 10, 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
III.
Gründe für die
Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543
ZPO.
IV.
Die Festsetzung
des Streitwertes für das Berufungsverfahren beruht auf § 3 ZPO, § 47
Abs. 1 GKG.
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