Freitag, 4. März 2022

Sofortiges Anerkenntnis der Zahlungspflicht aus Verkehrsunfall bei Streit über Zugang vorgerichtlicher E-Mails

Nach einem Verkehrsunfall will der Kläger über ihre Prozessbevollmächtigten zwei Mails an das Regulierungsbüro der mitverklagten Haftpflichtversicherung gesandt, auf welche keine Reaktion erfolgt sei, weshalb Klage erhoben wurde. Nach Klagezustellung kam es zu Gesprächen der Parteien, der Kläger (-bevollmächtigte) legte geforderte ergänzende Unterlagen der Beklagten vor, und die Beklagten zahlten die Klageforderung im Wesentlichen. Über die Kosten des Verfahrens konnten sie sich nicht einigen und erklärten übereinstimmend den Rechtsstreit unter Stellung wechselseitiger Kostenanträge in der Hauptsache für erledigt. Das Landgericht erlegte die Kosten dem Kläger auf. Gegen den Beschluss legte dieser sofortige Beschwerde ein, die vom Oberlandesgericht zurückgewiesen wurde.

Seine Entscheidung, weshalb die Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO begründete das Oberlandesgericht unter den Erwägungen, dass entgegen der Annahme des Klägers ein sofortiges Anerkenntnis vorläge. Dass zwei Regulierungsschreiben der Beklagten per Mail überlassen worden seien und dieser zugingen, sei vom Kläger darzulegen und zu beweisen, was nicht erfolgte.

Grundsätzlich habe der Versicherer zügig zu regulieren. Dem Versicherer sei aber nach einem Verkehrsunfall eine Prüfungsfrist zuzubilligen. Dies gelte erst recht, wenn der Anspruchsteller unvollständige Angaben mache oder Unterlagen fehlen würden. Vom Grundsatz habe das Verhalten der beklagten Versicherung nach Zustellung der Klage dem entsprochen, da sie dann entsprechend bei dem Klägervertreter nachgefragt habe. Die endgültige Prüfung sei danach der beklagten erst nach Zustellung der Klage möglich gewesen, nachdem im November/Dezember dann ergänzende Unterlagen vorgelegt worden seien. Danach habe der beklagte Versicherer die Zahlung gemäß Regulierungsaufforderungsschreiben vom 12.01.2021 geleistet. Dies sei iSv. § 93 ZPO „sofort“. Die Beklagten hätten keine Veranlassung zur Klage gegeben, wie es § 93 ZPO für ein sofortiges Anerkenntnis vorsieht.  

Dabei wies das OLG darauf hin, dass sie vorgerichtlich nicht zur Zahlung aufgefordert worden seien. Dieser Umstand ist zwar zwischen den Parteien streitig gewesen, insoweit der Kläger zwei Regulierungsaufforderungen seines Anwalts an die beklagte Versicherung behauptet, diese aber einen fehlenden Zugang behauptet. Das OLG sah sich veranlasst, hier im Rahmen des § 91a ZPO nach der Darlegungs- und Beweislast entscheiden.

Zunächst verwies das OLG darauf, dass nicht entscheidend sei, ob den Regulierungsanforderungen auf Klägerseite bereits alle aus Sicht der Beklagten notwendigen Unterlagen beigefügt waren (Angaben gemacht wurden). Jedenfalls könne der Geschädigte erwarten, dass der Versicherer nach einem Aufforderungsschreiben zügig reagiert und ggf. darauf hin weist, was nach seiner Ansicht zur Prüfung noch fehle. Reagiere der Versicherer auf mehrere Aufforderungsschreiben nicht, bestünde aus der Perspektive des Geschädigten Grund für die Annahme, er könne voraussichtlich ohne eine Klage seien Forderung nicht durchsetzen. Würde in dieser Situation Klag erhoben und erfolge dann ein Anerkenntnis, würde es sich nicht mehr um, ein „sofortiges Anerkenntnis“ iSv. § 93 ZPO handeln, auch dann nicht, wenn der Geschädigte die dem Versicherer überlassenen Unterlagen (und Angaben) nach Klageerhebung noch ergänzen müsse.  Welche Prüfungsfrist der Versicherer habe (Anm.: die Rechtsprechung nimmt hier unterschiedliche Zeiträume an, in der Regel zwischen vier und sechs Wochen) sei in diesem Fall aufgrund der Nichtreaktion unerheblich.

Mithin war vorliegend entscheidend, ob der Kläger vorgerichtlich Anforderungsschreiben an den beklagten Versicherer sandte. Bestünde Streit darüber, ob der Versicherer ein solches erhalten habe, läge die Beweislast für den Nichterhalt beim Schuldner (Versicherer), wie sich aus der Formulierung in § 93 ZPO ergäbe („Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben…“); er habe mithin den Negativbeweis zu führen, dass keine Klageveranlassung bestand (der davon abweichende Beschluss des OLG Saarbrücken vom 17.05.2019 - 4 W 4/19 - berücksichtige nicht die Rechtsprechung des BGH, so dessen Beschluss vom 21.12.2006 - I ZB 17/06 -).

Da es sich um einen negativen Beweis handelt, der vom Versicherer zu erbringen ist, würde dem Gläubiger (Kläger) eine gesteigerte sekundäre Darlegungslast obliegen (BGH aaO.). Dazu würde gehören, dass substantiierte Angaben zur Absendung erfolgen. Hieran würde es vorliegend für die Versendung der E-Mails fehlen.

Die Anforderungen an die Substantiierung würden sich nach den Umständen des Einzelfalls richten. Bei einer anwaltlichen Zahlungsaufforderung (wie hier) sei es wie im Geschäftsverkehr allgemein üblich, dass abgesandte Mails auf dem Rechner gespeichert würden, damit später eine Kopie vorgelegt werden könne, wobei sich aus einer üblichen Dokumentation die E-Mail-Adressen des Absenders und des Empfängers sowie Datum und Uhrzeit ergeben würden. Der Kläger legte eine entsprechende Dokumentation zu seinen behaupteten Mails vom 23.12.2019 und 18.01.2020 nicht vor. Er trug auch nicht vor, weshalb dies entgegen der üblichen Organisation gelöscht worden seien. Damit seien die Angaben des Klägers zur Absendung der behaupteten Mails im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht ausreichend. Da der Kläger den Nachweis der Absendung nicht erbracht habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie bei dem Versicherer eingingen, weshalb er auch nicht habe reagieren können mit der Folge, dass von einem sofortigen Anerkenntnis nach § 93 ZPO auszugehen sei mit der Folge, dass der Kläger die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen habe.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01.12.2021 - 9 W 35/21 -

Dienstag, 1. März 2022

Schadensersatz: Verkehrs-/Wiederbeschaffungswert eines Pferdes (bei bisher unbekannter Erkrankung)

Der Beklagte war Tierarzt und wurde von der Klägerin nach einer Behandlung ihre Wettkampfpferdes auf Schadensersatz in Anspruch genommen, da dieses nach einer vom Beklagten durchgeführten Eigenblutbehandlung starb. Das Landgericht (LG) erkannte einen Schadensersatzanspruch von € 250.000,00 zu; die Berufung des Beklagten wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen und nach Zulassung der auf die Höhe des Anspruchs beschränkten Revision beantragte er die Klageforderung abzuweisen, soweit sie einen Betrag von € 50.000,00 übersteige. Die Revision führte zur Aufhebung des Urteils, soweit nicht mit der Revision angefochten, und zur  Zurückverweisung an das OLG.

Die Klägerin hatte behauptet, das Pferd habe einen Wiederbeschaffungswert von mindestens € 250.000,00. Die Erwägungen, mit denen das OLG dem folgte, hielten aber der revisionsrechtlichen Prüfung des BGH nicht stand.

Die Bemessung der Höhe des Schadens sei vom nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichter vorzunehmen. Dabei müsse er erhebliches Vorbringen der Parteien berücksichtigen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung beachten, wesentliche Bemessungsfaktoren in Betracht ziehen bzw.  richtige Maßstäbe der Schätzung zugrunde legen (BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -).  Dies sei vom OLG nicht berücksichtigt worden.

Nicht berücksichtigt habe das OLG die Behauptung des Beklagten, das Pferd sei für eine anaphylaktische Reaktion anfällig gewesen und deshalb im Wert gemindert gewesen. Der Umstand, dass dies bis zum Auftreten einer der derartigen Reaktion nicht bekannt gewesen sei und von daher bis dahin nicht von den Marktteilnehmern hätte berücksichtigt werden können, sei entgegen der Ansicht des OLG erheblich, unabhängig davon, ob der Schadensersatz für den Verlust des Pferdes nach § 249 BGB oder § 251 Abs. 1 BGB bemessen würde.  

§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB erlaube es dem Gläubiger statt die Widerherstellung des früheren Zustands den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Bei Verlust oder Zerstörung (auch bei Tötung eines Tieres, § 90a BGB) könne er im Rahmen der Naturalrestitution den Geldbetrag verlangen, der für die Beschaffung einer gleichartigen und -wertigen Sache erforderlich sei. Zur Feststellung der Gleichartigkeit und -wertigkeit seinen die objektiv vorliegenden Eigenschaften der Sache zugrunde zu legen (so BGH, Beschluss vom 15.10.2019 - VI ZR 377/18 – zu § 7 Abs. 1 StVG und Vorschäden an einem Pkw).  

Sollte eine Anschaffung eines gleichartigen und -wertigen Pferdes nicht möglich sei, sei nach § 251 Abs. 1 BGB Ersatz für die Vermögenseinbuße zu leisten (Kompensation). Es sei der Verkehrswert zu ermitteln. Bei Bestehen eines Marktes für die Sache würde sich dieser durch Angebot und Nachfrage ergeben, der im Allgemeinen der Wiederbeschaffungswert sei. Auch hier seien die objektiven Eigenschaften der Sache zugrunde zu legen.

Es käme nicht darauf an, wem wann welche Eigenschaften bekannt waren. Die Auffassung des OLG, wonach es darauf ankäme, würde dazu führen, dass die Wertbemessung von einem höherwertigen und wertvolleren Pferd ausgehen würde und damit die Klägerin objektiv besser gestellt würde als sie ohne das schädigende Ereignis stände.

Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Pferd für anaphylaktische Reaktionen anfällig war und sich dies wertmindernd auswirken würde, sei die Grundlage der Wertermittlung durch das OLG entfallen und der Rechtsstreit an das OLG zurückzuverweisen.

BGH, Urteil vom 09.11.2021 - VI ZR 87/20 -

Sonntag, 27. Februar 2022

Kosten und Zusammenfassung von Kostenarten in einer Betriebskostenabrechnung

Der BGH hatte im (vom Landgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen) Revisionsverfahren zum Einen darauf hingewiesen, dass die Berufung der Klägerin gegen ein Ergänzungsurteil unzulässig gewesen sei (mit der Folge der Unzulässigkeit der zugelassenen Revision), zum Anderen der Rechtsfrage entgegen der Annahme des Landgerichts keine grundsätzliche Bedeutung zukomme, weshalb beabsichtigt sei, die Revision zurückzuweisen.

1. Streitgegenstand war im Revisionsverfahren noch eine Betriebskostenabrechnung für 2014. Das Amtsgericht hatte die Klage mit am 03.05.2018 zugestellten Urteil vom 27.04.2018 zu der Betriebskostenabrechnung abgewiesen. Über die auch anhängige Klage rückständigen Mietzinses für April und Mai 2016 hatte es nicht entscheiden. Gegen diese Entscheidung wurde von der Klägerin innerhalb der Berufungsfrist kein Rechtsmittel eingelegt.  Mit Ergänzungsurteil vom 14.12.2018 hat das Amtsgericht auch die Klage betreffend der Mietrückstände in Höhe von € 343,06 abgewiesen. Dieses Urteil wurde nun von der Klägerin mit dem Rechtsmittel der Berufung angegriffen. Übersehen habe das Berufungsgericht, da die Berufung vom Amtsgericht nicht zugelassen worden sei, die Unzulässigkeit der Berufung, da auch hier die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von über € 600,00 nicht erreicht gewesen sei. Das Ergänzungsurteil und das vorangegangene Urteil würden keine Einheit darstellen, sondern seien, auch betreffend der Beschwer nach § 511 ZPO, gesondert zu betrachten. § 518 ZPO komme hier der Klägerin auch nicht zu Hilfe, wonach bei einer Ergänzung eines Urteils innerhalb der Berufungsfrist zum ersten Urteil die Berufungsfrist erst mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung zu laufen beginne. Die Klägerin, die sich mit ihrer Berufung sowohl gegen das erste Urteil als auch das Ergänzungsurteil wandte, war mithin in Bezug auf das erste Urteil verfristet (da die Berufungsfrist für dieses zum Zeitpunkt der Zustellung des Ergänzungsurteils bereits abgelaufen war) und deshalb unzulässig, zu dem Ergänzungsurteil unzulässig, da die Beschwer unter € 600,00 lag. Dies sei vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten (BGH, Urteil vom 21.10.2020 - VIII ZR 261/18 -), weshalb die Revision als unzulässig zu verwerfen sei.

2. Aber auch in der Sache selbst lägen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht vor, §§ 552a S. 1, 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.

In der Betriebskostenabrechnung hatte die Klägerin in der Betriebskostenabrechnung unter „sonstige Betriebskosten“ die Kostenpositionen Dachrinnenreinigung, Trinkwasseruntersuchung sowie diverse Wartungskosten zusammengefasst. Eine grundsätzliche Bedeutung, ob dies zulässig sei, sei nicht gegeben; die Zulassung der Revision diene auch nicht der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO). Es sei nicht ersichtlich, dass die vom Berufungsgericht aufgeworfene Fragestellung häufig Anlass zu Streitigkeiten der Mietvertragsparteien bieten würde (Anm.: diese Annahme des BGH ist aus Praxiserfahrung falsch) oder überhaupt zu unterschiedlichen Entscheidungen in den Instanzen geführt hätte.

Der BGH verwies dann aber auf seine bisherige Rechtsprechung, in der er sich bereits mit der Thematik der Aufschlüsselung nach Kostenarten auseinandergesetzt hatte. Danach sei eine Aufschlüsselung notwendig, wenn die einzelnen Kostenarten nicht eng zusammenhängen würden. Er verwies auf seien Entscheidung vom 16.09.2009 - VIII ZR 346/08 -, mit dr er de Zusammenfassung von Sach- und Haftpflichtversicherung in einer Summe unter „Versicherung“ als zulässig anerkannte, und auf seine Entscheidung vom 15.07.2009 - VIII ZR 340/08 -, mit der er die Zusammenfassung von Abwasser und Frischwasser als zulässig ansah, wenn beides einheitlich nach dem Zähler für Frischwasser bestimmt würde. Demgegenüber habe er die Zusammenfassung von Grundsteuer und Straßenreinigung mit Urteil vom 24.01.207 - VIII ZR 285/15 - im Hinblick darauf, dass es sich um die Zusammenfassung der in verschiedenen Ziffern des Betriebskostenkatalogs (vgl. BetrKV – Betriebskostenverordnung) genannten Kostenpositionen abgelehnt. Ferner verwies er auf seine grundlegenden Ausführungen im Urteil vom 22.09.2010 - VIII ZR 285/09 -, in dem er darauf hinwies, dass eine Nachvollziehbarkeit der Abrechnung durch den Mieter auch dann vorläge, „wenn der Vermieter ohne Aufschlüsselung im Einzelnen eng zusammenhängende Kosten in einer Summe zusammenfasst“, wie z.B. Frisch- und Schmutzwasser (abgerechnet nach dem Frischwasserbezug) sowie Haft- und Sachversicherung.

Damit habe das Berufungsgericht die Zusammenfassung der Klägerin unter der Position „sonstige Nebenkosten“ zutreffend als unzulässig angesehen, da dies in formeller Hinsicht nicht den an eine Betriebskostenabrechnung zu stellenden Anforderungen genüge. Der insoweit von der Klägerin geltend gemachte Betrag habe mithin nicht zugesprochen werden können. Der notwendige enge Zusammenhang der Kostenarten läge auch dann nicht vor, wenn (wie hier) im Mietvertrag die Umlage diverser Kosten (hier: Trinkwasseruntersuchung, Dachrinnenreinigung und diverse Wartungskosten) unter „sonstige Betriebskosten“ vereinbart worden sei und dann diese Kosten in einer Position abgerechnet würden.

Die Revision wurde nach dem Hinweis zurückgenommen.

BGH, Beschluss vom 06.07.2021 - VIII ZR 371/19 

Freitag, 25. Februar 2022

Ärztliche Aufklärungspflicht zu Behandlungsalternativen und hypothetische Einwilligung

Die Klägerin ließ sich eine Kniegelenksendoprothese implantieren. Zwei der Beklagten waren als Anästhesisten tätig und u.a. für das Anlegen des Schmerzkatheters (eines sogen. Doppelkatheters) zuständig; neben diesen war u.a. das Krankenhaus verklagt. Nach der Operation klagte die Klägerin über Schmerzen und ein Taubheitsgefühl im Fuß sowie Sensibilitätsstörungen in Zehen. Es wurden schließlich irreparable Nervenschädigungen festgestellt. Die Klägerin begehrte materiellen und immateriellen Schadensersatz mit der Behauptung einer fehlerhaften Operation und nicht hinreichenden Aufklärung vor dieser. Das Landgericht wies die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ab; die Berufung wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen. Der BGH ließ im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin die Revision gegen die Anästhesisten und das Krankenhaus zu. Insoweit führte die Revision zur Aufhebung der Entscheidung des OLG und Zurückverweisung an dieses.

Dabei wurde vom BGH darauf abgestellt, dass entgegen der Auffassung des OLG (welches einen Behandlungsfehler ausschloss, der auch im Revisionsverfahren infolge des diesen ausschließenden Sachverständigengutachtens nicht mehr bedeutsam war) auf der Grundlage von dessen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Aufklärung unter dem Gesichtspunkt der hypothetischen Einwilligung ausgeschlossen sei.

Stünden alternative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung sei eine Aufklärung darüber erforderlich, wenn die Alternativen medizinisch sinnvolle und indizierte gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten bieten, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (BGH, Urteil vom 28.08.2018 - VI ZR 509/17 -).  Diese Voraussetzung habe das OLG auf sachverständiger Grundlage in Bezug auf die bloße Gabe von Schmerzmitteln ohne Katheder und in Bezug auf die Anlage eines Femoraliskatheters (einem Zugang zum Nervus fermoralis, über den – auch kontinuierlich – Schmerzmittel gegeben werden können) anstatt des angewandten Doppelkatheters bejaht.

Das OLG habe aber fehlerhaft angenommen, die Klägerin hätte sich auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung für den Einsatz des Doppelkatheters entschieden (sogen. Hypothetische Einwilligung) und daher offen gelassen, ob eine von der Klägerin bestrittene und beklagtenseits behauptete Aufklärung über die Behandlungsalternativen erfolgte.

Zwar könne sich der Behandelnde im Falle unterlassener Aufklärung darauf berufen, dass der Patient auch bei gehöriger Aufklärung in die vorgenommene Behandlung eingewilligt hätte (BGH, Urteil vom 18.05.2021 – VI ZR 401/19 -; jetzt auch § 630h Abs. 2 S. 2 BGB). An den Nachweis dafür seien aber strenge Anforderungen zu stellen, wobei den Arzt die Beweislast treffe, wenn der Patient plausibel mache, dass er – wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden – vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, ohne dass hierbei an das Substantiierungserfordernis zu hohe Anforderungen gestellt werden dürften (BGH, Urteil vom 18.05.2021 aaO.).

Das OLG habe den echten Entscheidungskonflikt der Klägerin mit der Erwägung verneint, die Angaben der Klägerin seien nicht ausreichend dafür gewesen, dass sich die Klägerin anders entschieden hätte. Ob sich der Patient aber anders entschieden hätte sei für das Kriterium des echten Entscheidungskonflikts nicht erforderlich.

Fehlerhaft habe das OLG die Klägerin in ihrer Anhörung nach § 141 ZPO befragt, wie sie sich entschieden haben würde, wenn ihr erklärt worden wäre, dass ein Doppelkatheter die sicherste Möglichkeit der Schmerzausschaltung mit der Erzielung eines bessern operativen Erfolgs infolge frühzeitiger Mobilisierung sei. Dies bilde keine brauchbare Grundlage zur Aufklärung, ob ein echter Entscheidungskonflikt bestanden hätte. Mit der gestellten Frage würde verkannt, dass es um den Entscheidungskonflikt gehen würde, den die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung, also über die echten Behandlungsalternativen mit ihren Vorteilen (also geringeres Behandlungsrisiko) und Nachteilen (also geringere Schmerzausschaltung und eingeschränkte Mobilität) gehabt haben könnte.

BGH, Urteil vom 07.12.2021 - VI ZR 277/19 -

Dienstag, 22. Februar 2022

Befangenheit des Sachverständigen wegen Ausdehnung des Streitgegenstandes

Der Sachverständige war vom Amtsgericht im Rahmen des Beweisbeschlusses berufen worden, da Bewies über die Behauptung der Klägerin erhoben werden sollte, durch einen Verkehrsunfall sei an dem klägerischen Lkw ein Schaden in Höhe von € 2.875,20 entstanden, wobei sich der Sachverständige mit dem vorgerichtlich von der Klägerin eingeholten Schadensgutachten auseinandersetzen sollte. Der sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, der Schaden belaufe sich sogar auf € 3.088,41. Der Sachverständige besichtigte im Übrigen den Schadensort, fertigte Lichtbilder, vermaß ihn und machte im Gutachten Angaben zum Unfallablauf und zur Vermeidbarkeit. Im Rahmen der den Parteien gewährten Frist zur Stellungnahme lehnten die Beklagten den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Gegen den dies ablehnenden Beschluss des Landgerichts legten die Beklagten Beschwerde ein und das Amtsgericht gab das Verfahren zur Entscheidung nach Nichtabhilfe an das Landgericht ab. Idas Landgericht erklärte den Sachverständigen unter Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses für befangen.

Ausreichen sei für die Begründetheit des Befangenheitsantrages jede Tatsache, die geeignet sei, ein (auch nur subjektives) Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise zu rechtfertigen. Ein solcher Grund könne vorliegen, wenn der Sachverständige mit seinen Ermittlungen/Ausführungen über die vom Auftrag gezogenen Grenzen hinausgehe und hierdurch ein solches Misstrauen erwachsen könne.

Allerdings sei vorliegend zu berücksichtigen, dass die Formulierung des Beweisbeschlusses „Beweis erhoben werden (soll) über die Behauptung der Klägerin, durch den Verkehrsunfall … sei an dem Lkw ein Schaden iHv. 2.875,20 € entstanden“ die Auslegung zulasse, dass durch Gebrauch des Wortes „durch“ aus Sicht des Sachverständigen auch die Feststellung beauftragt sei, ob bestimmte Schäden auf den Unfall zurückzuführen seien, weshalb dann Feststellungen zum Hergang des Unfalls durch den Beweisbeschluss gedeckt sein könnten. Insoweit folget das Landgericht dem Befangenheitsantrag nicht.

Im Rahmen des Befangenheitsantrages wurde auch geltend gemacht, dass der Sachverständige in Abweichung vom Beweisbeschluss Ausführungen zur Vermeidbarkeit des Unfalls machte. Dem folgte das Landgericht.

Allerdings könnten, worauf das Amtsgericht zutreffend abgestellt habe, alleine aus den Ausführungen des Sachverständigen, die tatsächlich keine Festlegung bei der Beantwortung der Vermeidbarkeit enthalten würden, dies nicht gefolgert werden. Es könne, wenn auch grenzwertig, in seinen Ausführungen im Gutachten noch zu seinen Gunsten angenommen werden, dass diese weit ausgelegt noch zur für die Schadensfeststellung erforderlichen Rekonstruktion des Unfalls gehören würden. Überschritten habe der Sachverständige diese Grenze aber in seiner Stellungnahme zum Befangenheitsantrag, wo er auf die Frage, warum er zur Vermeidbarkeit Stellung genommen habe, ausgeführt habe, dass zur Prüfung der Plausibilität auch zu klären sei, ob den durch Unfall/Schadenshergang „gegebenenfalls Schäden auf der rechten Seite des Lkw entstanden sein können bzw. sind, oder ob lediglich die in dem Gutachten des Sachverständigen … aufgeführten Beschädigungen dem Unfallereignis zuzuordnen sind. Hierzu wurde geprüft, ob der Lkw des Klägers die Fahrbahn verlassen musste bzw. ob der Unfall durch ein Ausweichen auf dem Fahrstreifen vermeidbar war.“ Nach seinen Feststellungen sei ein Ausweichen des Lkw nach rechts auf den Grünstreifen erforderlich gewesen, weshalb auch zu prüfen gewesen wäre, ob nicht auch Schäden an der Achs entstanden seien; diese „Untersuchungen wurden, wie es die Beweisfrage verlangt, vorgenommen“ worden.

Damit habe der Sachverständige zu erkennen gegeben, dass geprüft habe, ob auch nicht in das Verfahren eingeführte und bisher nicht geltend gemachte Schäden vorlägen. Aus der Sicht der Beklagten könne der Sachverständige damit dem Gericht auch vorgeben, wie weiter verfahren werden soll. Beides sei von seiner Stellung als gerichtlich bestellter Sachverständiger und vom Gutachtenauftrag nicht mehr gedeckt und lasse aus Sich eines unbeteiligten Dritten berechtigterweise Misstrauen an der Unparteilichkeit des Sachverständigen entstehen, da das Vorgehen alleine der Klägerin nutze.

Auch wenn der Sachverständige in dem Bestreben in gutem Glauben agiert habe, eine zügige und gerechte Entscheidung herbeizuführen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18.01.2002 - 14 W 45/01 -), der Beweisbeschluss zum eigentlich vom Amtsgericht nachgefragten Schadensumfang nach dem kurz gefassten Beweisbeschluss auslegungsfähig sei, habe er doch erkennbar mit der Formulierung „so dass zu prüfen wäre, ob nicht auch ein Schaden an der Achse … entstanden ist …“ den durch die Klageforderung betreffend Schäden im Bereich Spiegel/Fenster/Tür auf der Fahrerseite beschränkten Streitgegenstand (möglicherweise ungewollt) ausgedehnt und der Klägerin einen einseitigen rat gegeben, weitere Schäden zu suchen. Dies entspräche nicht dem Beweisbeschluss noch dem von der Klägerin festgelegten Streitgegenstand sondern erweitere diesen einseitig zu Lasten der Beklagten, weshalb aus der Sicht der Beklagten Misstrauen in seine Unparteilichkeit gerechtfertigt sei. 

LG Verden, Beschluss vom 18.01.2022 - 11 T 5/22 -

Montag, 21. Februar 2022

Abgrenzung des wirtschaftlichen vom Idealverein – Gaststättenbetrieb als Vereinszweck

Der Antragsteller, ein Verein, wurde am 27.03.2021 mit dem Zweck des Betriebs einer Gaststätte errichtet und beantragte am 19.04.2021 seine Anmeldung zum Vereinsregister. Nach vorangegangenen Hinweisen wies das Registergericht die Anmeldung mit der Begründung zurück, der Betrieb einer Gaststätte stelle keinen zulässigen (Haupt-) Zweck eines Idealvereins nach § 21 BGB dar.

Die dagegen eingelegte zulässige Beschwerde des Antragstellers wurde als unbegründet zurückgewiesen. Obwohl der Verein mangels Eintragung im Register nicht rechtsfähig sei, sei er doch, so das OLG, als „Vorverein“ berechtigt Rechtsmittel einzulegen (OLG Hamm, Beshcluss vom 11.07.2017 – 27 W 144/16 -).

Der Antragsteller sei (abweichend von der in der Beschwerde benannten Ansicht des Antragstellers) nicht als Idealverein nach § 21 BGB anzusehen, dessen Zweck also nicht auf den wirtschaftlichen Betrieb einer Gaststätte gerichtet sei (Fall des § 22 BGB).

Dazu verwies das OLG darauf, dass der Antragsteller („insbesondere“) eine „Doppelkneipe“ betreiben wolle und in einer Gastwirtschaft hauptsächlich alkoholische und nicht alkoholische Getränke konsumiert würden, was sich als „Paradefall“ eine wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nach § 22 BGB darstelle. Dass die Beschreibung des Vereinszwecks sin § 2 der Satzung idealisierend in die Nähe der Daseinsvorsorge rücke, ändere daran nichts.

Nur dann, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ein zulässiger, untergeordneter und lediglich ein Hilfsmittel zur Errichtung des nicht wirtschaftlichen Hauptzwecks darstellender Nebenzweck wäre (wie die Vereinsgaststätte eines Sportvereins) käme die Eintragung als Idealverein in Betracht.

Erfolgs sei der Verweis auf die Kita-Beschlüsse des BGH (16.05.2017 zu II ZB 7/16 und II TB 9/16), mit denen der BGH die entgeltliche wirtschaftliche Unternehmertätigkeit als zulässigen Nebenzweck vor dem als entscheidend eigestuften Hintergrund angesehen habe, dass der Verein steuerlich gemeinnützig iSv. §§ 51ff AO war; eine steuerliche Gemeinnützigkeit des Antragstellers läge nicht vor und bei einer Gast-/Schankwirtschaft auch nicht deren Anerkennung als gemeinnützig anzunehmen.

Der Umstand, dass die Satzung keine Ausschüttung der Gewinne an die Mitglieder vorsehe ließe eine Gleichstellung meinem als gemeinnützig aberkannten Verein nicht zu. Für die wirtschaftliche Betätigung sei die Verschaffung von vermögenswerten Vorteilen für den Verein ausreichend.

OLG Celle, Beschluss vom 06.10.2021 - 9 W 99/21 -

Samstag, 19. Februar 2022

Bindung des Testamentsvollstreckers an Beschränkungen des Vor- gegenüber dem Nacherben ?

Die Beteiligten waren testamentarische Erben. Nach dem Testament waren die Beteiligte zu 1. zu ½ und die Beteiligte zu 1. mit dem Beteiligten zu 2. zusammen in Erbengemeinschaft mit ½ zu Erben bestimmt. Der Beteiligte zu 2. war nur Vorerbe; Nacherbfolge sollte insoweit mit seinem Ableben eintreten und zu Nacherben wurden seien Abkömmlinge bestimmt. Ferner wurde Testamentsvollstreckung für die Vorerbschaft angeordnet und die Beteiligte zu 1. zur Testamentsvollstreckerin berufen. Am 12.02.2021 bewilligte die Beteiligte zu 1., auch in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin die Eintragung einer Auflassungsvormerkung mit Wirksamkeitsvermerkt beim Grundbuchamt. Dieser Antrag wurde vom Grundbuchamt zurückgewiesen, da es für den Wirksamkeitsvermerkt an einer Mitwirkung der Nacherben fehlen würde, für die gemäß § 1913 BGB ein Pfleger zu bestellen sei. Die dagegen von der Beteiligten zu 1. eingelegte Beschwerde war erfolgreich.

Das Kammergericht (KG), das zuständige Oberlandesgericht in Berlin, hielt fest, dass bei der Bestellung einer Vormerkung, die bei Eintritt der Nacherbfolge wirksam bleibe, verlangt werden könne, durch einen Vermerk klargestellt würde, dass der (hier auch) eingetragene Nacherbenvermerk gegenüber diesem Recht keine Unwirksamkeit iSv. § 2113 BGB anzeige. Dies sei vorliegend der Fall; die bewilligte Vormerkung sei auch gegenüber den Nacherben bei Eintritt des Nacherbfalls voll wirksam; die Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1. Als Testamentsvollstreckerin ergebe sich aus § 2205 S. 2 und 3 BGB, die nicht den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 BGB (Grundstücksübertragungen) unterliegen würden.

Das Testament, aus dem sich die Erbfolge und Anordnung der Testamentsvollstreckung ergeben, müssten nicht der Form des § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1, Abs. 2 Hs. 2 GBO. Sei ein Testamentsvollstreckerzeugnis (§ 2368 BGB) erteilt (wie hier), so könne die Verfügungsbefugnis und die sonstige Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers alleine durch dieses nachgewiesen werden. Das Grundbuchamt sei nicht zu einer eigenen, ergänzenden oder berichtigenden Auslegung des Testaments befugt.

Aus dem Testamentsvollstreckerzeugnis folge, dass die Beteiligte zu 1. Nicht gemäß § 2222 ernannt wurde, bis zum Eintritt der Nacherbfolge die Rechte des Nacherben auszuüben und dessen Pflichten wahrzunehmen. In dem Zeugnis seien die in § 354 Abs. 2 FamFG benannten Sonderfälle und Abweichungen gegenüber der gesetzlichen Grundregel (§§ 2203 – 2206 BGB) zu benennen. Die Nacherbenvollstreckung nach § 2222 BGB sei eine solche Sonderaufgabe, die nicht benannt worden sei.

Aus dem Testamentsvollstreckerzeugnis ergebe sich, dass die Beteiligte zu 1. nach § 2205 S. 1 Alt. 2 BGB befugt sei, über alle Nachlassgegenstände voll wirksam zu verfügen. Eine Abweichung von der gesetzlichen Verfügungsbefugnis ergebe sich nicht. Insbesondere sei die Beteiligte nicht als reine Vorerbenvollstreckerin eingesetzt worden, der nur die Rechte des (nicht befreiten) Vorerben wahrnehmen könnte und von den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 nicht befreit wäre.  Das Grundbuchamt habe davon auszugehen, dass im Testamentsvollstreckerzeugnis nicht benannte Verfügungsbeschränkungen nicht bestehen, § 2365 iVm. § 2368 S. 2 BGB.

Der Umstand, dass nach dem Zeugnis die für den Erbteil des Beteiligten zu 2. Angeordnete Dauervollstreckung gem. § 2209 BGB (mit oder nach dem Tod des Beteiligten zu 2. (§ 2010 GB) enden soll, begründe keine Abweichung. Der nur für die Vorerbschaft eingesetzte Testamentsvollstrecker sei nach Gesetz nicht an Beschränkungen gebunden, die den Vorerben gegenüber den Nacherben in §§ 2113, 2114 BGB auferlegt seien. Er könne mehr Rechte haben als der Vorerbe, da er sein Recht nicht aus dem Recht des Vorerben ableite. Er übe sein Amt gemäß dem letzten Willen des Erblassers aus.

§ 2222 BGB lasse auch keine Abweichung zu. Diese Sonderform diene dazu, den Vorerben im Interesse des Nacherben zu beaufsichtigen. Die Ernennung eines Nacherbenvollstreckers könne u.a. eine Pflegschaft für die unbekannten Nacherben ersetzen (§ 1913 BGB) und lasse das Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung entfallen. Sie komme im Betracht, wenn der Erblasser im Übrigen keinen Testamentsvollstrecker bestelle.

Dass sich die Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1. nur nach § 2205 S. 2 und 3 BGB richte würde allgemeiner Ansicht entsprechen, wonach eine Beschränkung nach § 2113 Abs. 1 BGB auch nicht greife, wenn der Testamentsvollstrecker auch für den Nacherben eingesetzt worden sei. Dies gelte nicht nur für den Fall, dass der Nacherbenvollstrecker währen der Vorerbschaft mit Wirkung für den Nacherben handeln könne, sondern auch dann, wenn eine gewöhnliche Testamentsvollstreckung angeordnet wurde, die für den Nacherben erst mit dem Eintritt der Nacherbfolge beginne. Die Zustimmung zur Veräußerung (ggf. nach § 2120 BGB) wäre während der Vorerbschaft zu erteilen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht feststehen würde, ob auch die Nacherbschaft der Verwaltung des handelnden Testamentsvollstreckers unterliege. Auch das spreche dafür, dass der für die Vorerbschaft ernannte Testamentsvollstrecker in Ermangelung einer im Testamentsvollstreckerzeugnis anzugebenen Beschränkung auf das dem Vorerben zustehende Verfügungsrecht nach §§ 2112ff BGB unbeschränkt verfügungsbefugt nach §§ 2205 S. 2 und 3 BGB sei

KG, Beschluss vom 11.01.2022 - 1 W 252/21 -