Der Beklagte war Tierarzt und wurde von der Klägerin nach einer Behandlung ihre Wettkampfpferdes auf Schadensersatz in Anspruch genommen, da dieses nach einer vom Beklagten durchgeführten Eigenblutbehandlung starb. Das Landgericht (LG) erkannte einen Schadensersatzanspruch von € 250.000,00 zu; die Berufung des Beklagten wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen und nach Zulassung der auf die Höhe des Anspruchs beschränkten Revision beantragte er die Klageforderung abzuweisen, soweit sie einen Betrag von € 50.000,00 übersteige. Die Revision führte zur Aufhebung des Urteils, soweit nicht mit der Revision angefochten, und zur Zurückverweisung an das OLG.
Die Klägerin hatte behauptet, das Pferd habe einen Wiederbeschaffungswert von mindestens € 250.000,00. Die Erwägungen, mit denen das OLG dem folgte, hielten aber der revisionsrechtlichen Prüfung des BGH nicht stand.
Die Bemessung der Höhe des Schadens sei vom nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichter vorzunehmen. Dabei müsse er erhebliches Vorbringen der Parteien berücksichtigen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung beachten, wesentliche Bemessungsfaktoren in Betracht ziehen bzw. richtige Maßstäbe der Schätzung zugrunde legen (BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -). Dies sei vom OLG nicht berücksichtigt worden.
Nicht berücksichtigt habe das OLG die Behauptung des Beklagten, das Pferd sei für eine anaphylaktische Reaktion anfällig gewesen und deshalb im Wert gemindert gewesen. Der Umstand, dass dies bis zum Auftreten einer der derartigen Reaktion nicht bekannt gewesen sei und von daher bis dahin nicht von den Marktteilnehmern hätte berücksichtigt werden können, sei entgegen der Ansicht des OLG erheblich, unabhängig davon, ob der Schadensersatz für den Verlust des Pferdes nach § 249 BGB oder § 251 Abs. 1 BGB bemessen würde.
§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB erlaube es dem Gläubiger statt die Widerherstellung des früheren Zustands den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Bei Verlust oder Zerstörung (auch bei Tötung eines Tieres, § 90a BGB) könne er im Rahmen der Naturalrestitution den Geldbetrag verlangen, der für die Beschaffung einer gleichartigen und -wertigen Sache erforderlich sei. Zur Feststellung der Gleichartigkeit und -wertigkeit seinen die objektiv vorliegenden Eigenschaften der Sache zugrunde zu legen (so BGH, Beschluss vom 15.10.2019 - VI ZR 377/18 – zu § 7 Abs. 1 StVG und Vorschäden an einem Pkw).
Sollte eine Anschaffung eines gleichartigen und -wertigen Pferdes nicht möglich sei, sei nach § 251 Abs. 1 BGB Ersatz für die Vermögenseinbuße zu leisten (Kompensation). Es sei der Verkehrswert zu ermitteln. Bei Bestehen eines Marktes für die Sache würde sich dieser durch Angebot und Nachfrage ergeben, der im Allgemeinen der Wiederbeschaffungswert sei. Auch hier seien die objektiven Eigenschaften der Sache zugrunde zu legen.
Es käme nicht darauf an, wem wann welche Eigenschaften bekannt waren. Die Auffassung des OLG, wonach es darauf ankäme, würde dazu führen, dass die Wertbemessung von einem höherwertigen und wertvolleren Pferd ausgehen würde und damit die Klägerin objektiv besser gestellt würde als sie ohne das schädigende Ereignis stände.
Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Pferd für anaphylaktische Reaktionen anfällig war und sich dies wertmindernd auswirken würde, sei die Grundlage der Wertermittlung durch das OLG entfallen und der Rechtsstreit an das OLG zurückzuverweisen.
BGH, Urteil vom 09.11.2021 -
VI ZR 87/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die
Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts München vom 9. Januar 2020 im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als die Berufung des Beklagten zurückgewiesen worden ist mit
Ausnahme der Zurückweisung der Berufung hinsichtlich der Verurteilung zur
Zahlung von 50.000 € als Schadensersatz für den Verlust des Pferdes.
Im Umfang der
Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts
wegen
Tatbestand
Die Klägerin
nimmt den Beklagten nach tierärztlicher Behandlung eines Wettkampfpferdes auf
Schadensersatz in Anspruch. Das Pferd der Klägerin starb nach einer vom
Beklagten durchgeführten homöopathischen Eigenblutbehandlung.
Das Landgericht
hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 250.000 € sowie vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen
abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten
zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat der Senat
die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts beschränkt auf die Höhe des
geltend gemachten Anspruchs zugelassen. Im Übrigen hat der Senat die
Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, weil weder die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung habe noch die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts erfordere. Der Beklagte verfolgt mit seiner Revision seinen
Berufungsantrag weiter mit der Maßgabe, die Klageforderung abzuweisen, soweit
sie 50.000 € als Schadensersatz für den Verlust des Pferdes übersteigt.
Entscheidungsgründe
Die Revision
des Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
I.
Das
Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Klägerin gegen den Beklagten einen
Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Aufklärungspflichten aus dem
tierärztlichen Behandlungsvertrag habe. Die Injektionsbehandlung sei mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die anaphylaktische Reaktion und
den Tod des Pferdes ursächlich. Hierdurch sei der Klägerin ein Schaden in Höhe
des Wiederbeschaffungswertes des Pferdes von mindestens 250.000 € entstanden.
Die Feststellungen des Sachverständigen zum Wert des Pferdes im Todeszeitpunkt
würden durch die Berufung nicht entscheidend infrage gestellt. Ob das Tier für
eine anaphylaktische Reaktion besonders anfällig gewesen sei, könne in diesem
Zusammenhang dahinstehen. Denn dieser Umstand, auch wenn man ihn als wahr
unterstellte, sei bis zum Auftreten einer derartigen Reaktion nicht bekannt und
könne deshalb auch von Marktteilnehmern nicht als wertmindernder Faktor
berücksichtigt werden.
II.
Die Erwägungen
des Berufungsgerichts zur Höhe des Schadens halten revisionsrechtlicher Prüfung
nicht stand.
1. Die
Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des
nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist
revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches
Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der
Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht
gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl.
Senat, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 79 mwN).
2. Dies
ist hier der Fall. Die Behauptung des Beklagten, dass das Pferd für eine
anaphylaktische Reaktion anfällig gewesen sei und deshalb dessen Wert gemindert
habe, ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb
unerheblich, weil dieser Umstand bis zum Auftreten einer derartigen Reaktion
nicht bekannt gewesen wäre und von Marktteilnehmern nicht hätte berücksichtigt
werden können. Dies gilt unabhängig davon, ob der Schadensersatz für den
Verlust des Pferdes auf Grundlage des § 249 BGB oder des § 251
Abs. 1 BGB zu bemessen ist. Daher kann offenbleiben, welche Art der
Schadensbemessung den Erwägungen des Berufungsgerichts zugrunde liegt.
Nach § 249
Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Gläubiger statt der Wiederherstellung des
früheren Zustands den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei Verlust
oder Zerstörung einer Sache kann er als Naturalrestitution den für die
Beschaffung einer gleichartigen und gleichwertigen Sache erforderlichen
Geldbetrag verlangen (vgl. Senat, Urteile vom 10. Juli 1984 - VI ZR 262/82,
BGHZ 92, 85, 87 f./89 f. [juris Rn. 8, 12]; vom 23. Mai 2017 - VI ZR 9/17, NJW
2017, 2401 Rn. 7 f.; BGH, Urteile vom 25. Oktober 1996 - V ZR 158/95, NJW 1997,
520 [juris Rn. 6]; vom 8. Mai 2003 - IX ZR 334/01, NJW-RR 2003, 1042 [juris Rn.
16]). Dies gilt grundsätzlich auch bei Tötung eines Tieres (§ 90a
Satz 3 BGB; vgl. Palandt/Grüneberg, 80. Aufl., § 249 Rn. 20). Der
Beurteilung der Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit sind die objektiv
vorliegenden Eigenschaften der Sache zugrunde zu legen (vgl. etwa Senat,
Beschluss vom 15. Oktober 2019 - VI ZR 377/18, NJW 2020, 393 Rn. 8 f. zu
§ 7 Abs. 1 StVG und Vorschäden eines PKW).
Sollte die
Beschaffung eines gleichartigen und gleichwertigen Pferdes nicht möglich sein,
hätte die Klägerin nach § 251 Abs. 1 BGB Anspruch auf Ersatz der
durch den Tod ihres Pferdes eingetretenen Vermögenseinbuße (Kompensation). Wenn
sich der Schaden im Verlust einer Sache konkretisierte, ist deren Verkehrswert
zu ermitteln. Soweit ein Markt für die zu ersetzende Sache vorhanden ist, ist
der Preis, der durch Angebot und Nachfrage gebildet wird und der im Allgemeinen
der Wiederbeschaffungswert ist, ein geeigneter Anknüpfungspunkt, den
wirtschaftlichen Wert der Sache in Gestalt des Tauschwerts in Geld zu bemessen
(vgl. Senat, Urteile vom 10. Juli 1984 - VI ZR 262/82, BGHZ 92, 85, 90 f.
[juris Rn. 13 f.]; vom 14. Januar 1992 - VI ZR 186/91, BGHZ 117, 29, 31 [juris
Rn. 8]; BGH, Urteil vom 18. April 2002 - IX ZR 72/99, BGHZ 150, 319, 322 [juris
Rn. 58]). Auch insoweit sind die objektiv vorliegenden Eigenschaften der Sache
zugrunde zu legen.
Demgegenüber
kommt es nicht darauf an, wem wann welche Eigenschaften des Pferdes bekannt
waren. Die abweichende Auffassung des Berufungsgerichts könnte dazu führen,
dass der Schadensberechnung ein höherwertigeres und wertvolleres Pferd als
dasjenige der Klägerin zugrunde gelegt und die Klägerin objektiv wirtschaftlich
besser gestellt würde, als sie ohne das schädigende Ereignis stände.
3.
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann auf Grundlage der bislang
getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass das Pferd der
Klägerin für eine anaphylaktische Reaktion besonders anfällig war und sich dies
wertmindernd auswirkte.
4.
Danach entfällt auch die Grundlage für die Bemessung der vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten und der Zinsen.
III.
Das Urteil des
Berufungsgerichts ist im angefochtenen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs.1
ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
(§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).
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