Die Klägerin ließ sich eine Kniegelenksendoprothese implantieren. Zwei der Beklagten waren als Anästhesisten tätig und u.a. für das Anlegen des Schmerzkatheters (eines sogen. Doppelkatheters) zuständig; neben diesen war u.a. das Krankenhaus verklagt. Nach der Operation klagte die Klägerin über Schmerzen und ein Taubheitsgefühl im Fuß sowie Sensibilitätsstörungen in Zehen. Es wurden schließlich irreparable Nervenschädigungen festgestellt. Die Klägerin begehrte materiellen und immateriellen Schadensersatz mit der Behauptung einer fehlerhaften Operation und nicht hinreichenden Aufklärung vor dieser. Das Landgericht wies die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ab; die Berufung wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen. Der BGH ließ im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin die Revision gegen die Anästhesisten und das Krankenhaus zu. Insoweit führte die Revision zur Aufhebung der Entscheidung des OLG und Zurückverweisung an dieses.
Dabei wurde vom BGH darauf abgestellt, dass entgegen der Auffassung des OLG (welches einen Behandlungsfehler ausschloss, der auch im Revisionsverfahren infolge des diesen ausschließenden Sachverständigengutachtens nicht mehr bedeutsam war) auf der Grundlage von dessen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Aufklärung unter dem Gesichtspunkt der hypothetischen Einwilligung ausgeschlossen sei.
Stünden alternative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung sei eine Aufklärung darüber erforderlich, wenn die Alternativen medizinisch sinnvolle und indizierte gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten bieten, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (BGH, Urteil vom 28.08.2018 - VI ZR 509/17 -). Diese Voraussetzung habe das OLG auf sachverständiger Grundlage in Bezug auf die bloße Gabe von Schmerzmitteln ohne Katheder und in Bezug auf die Anlage eines Femoraliskatheters (einem Zugang zum Nervus fermoralis, über den – auch kontinuierlich – Schmerzmittel gegeben werden können) anstatt des angewandten Doppelkatheters bejaht.
Das OLG habe aber fehlerhaft angenommen, die Klägerin hätte sich auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung für den Einsatz des Doppelkatheters entschieden (sogen. Hypothetische Einwilligung) und daher offen gelassen, ob eine von der Klägerin bestrittene und beklagtenseits behauptete Aufklärung über die Behandlungsalternativen erfolgte.
Zwar könne sich der Behandelnde im Falle unterlassener Aufklärung darauf berufen, dass der Patient auch bei gehöriger Aufklärung in die vorgenommene Behandlung eingewilligt hätte (BGH, Urteil vom 18.05.2021 – VI ZR 401/19 -; jetzt auch § 630h Abs. 2 S. 2 BGB). An den Nachweis dafür seien aber strenge Anforderungen zu stellen, wobei den Arzt die Beweislast treffe, wenn der Patient plausibel mache, dass er – wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden – vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, ohne dass hierbei an das Substantiierungserfordernis zu hohe Anforderungen gestellt werden dürften (BGH, Urteil vom 18.05.2021 aaO.).
Das OLG habe den echten Entscheidungskonflikt der Klägerin mit der Erwägung verneint, die Angaben der Klägerin seien nicht ausreichend dafür gewesen, dass sich die Klägerin anders entschieden hätte. Ob sich der Patient aber anders entschieden hätte sei für das Kriterium des echten Entscheidungskonflikts nicht erforderlich.
Fehlerhaft habe das OLG die Klägerin in ihrer Anhörung nach § 141 ZPO befragt, wie sie sich entschieden haben würde, wenn ihr erklärt worden wäre, dass ein Doppelkatheter die sicherste Möglichkeit der Schmerzausschaltung mit der Erzielung eines bessern operativen Erfolgs infolge frühzeitiger Mobilisierung sei. Dies bilde keine brauchbare Grundlage zur Aufklärung, ob ein echter Entscheidungskonflikt bestanden hätte. Mit der gestellten Frage würde verkannt, dass es um den Entscheidungskonflikt gehen würde, den die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung, also über die echten Behandlungsalternativen mit ihren Vorteilen (also geringeres Behandlungsrisiko) und Nachteilen (also geringere Schmerzausschaltung und eingeschränkte Mobilität) gehabt haben könnte.
BGH, Urteil vom 07.12.2021 -
VI ZR 277/19 -