Der Sachverständige war vom Amtsgericht im Rahmen des Beweisbeschlusses berufen worden, da Bewies über die Behauptung der Klägerin erhoben werden sollte, durch einen Verkehrsunfall sei an dem klägerischen Lkw ein Schaden in Höhe von € 2.875,20 entstanden, wobei sich der Sachverständige mit dem vorgerichtlich von der Klägerin eingeholten Schadensgutachten auseinandersetzen sollte. Der sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, der Schaden belaufe sich sogar auf € 3.088,41. Der Sachverständige besichtigte im Übrigen den Schadensort, fertigte Lichtbilder, vermaß ihn und machte im Gutachten Angaben zum Unfallablauf und zur Vermeidbarkeit. Im Rahmen der den Parteien gewährten Frist zur Stellungnahme lehnten die Beklagten den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Gegen den dies ablehnenden Beschluss des Landgerichts legten die Beklagten Beschwerde ein und das Amtsgericht gab das Verfahren zur Entscheidung nach Nichtabhilfe an das Landgericht ab. Idas Landgericht erklärte den Sachverständigen unter Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses für befangen.
Ausreichen sei für die Begründetheit des Befangenheitsantrages jede Tatsache, die geeignet sei, ein (auch nur subjektives) Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise zu rechtfertigen. Ein solcher Grund könne vorliegen, wenn der Sachverständige mit seinen Ermittlungen/Ausführungen über die vom Auftrag gezogenen Grenzen hinausgehe und hierdurch ein solches Misstrauen erwachsen könne.
Allerdings sei vorliegend zu berücksichtigen, dass die Formulierung des Beweisbeschlusses „Beweis erhoben werden (soll) über die Behauptung der Klägerin, durch den Verkehrsunfall … sei an dem Lkw ein Schaden iHv. 2.875,20 € entstanden“ die Auslegung zulasse, dass durch Gebrauch des Wortes „durch“ aus Sicht des Sachverständigen auch die Feststellung beauftragt sei, ob bestimmte Schäden auf den Unfall zurückzuführen seien, weshalb dann Feststellungen zum Hergang des Unfalls durch den Beweisbeschluss gedeckt sein könnten. Insoweit folget das Landgericht dem Befangenheitsantrag nicht.
Im Rahmen des Befangenheitsantrages wurde auch geltend gemacht, dass der Sachverständige in Abweichung vom Beweisbeschluss Ausführungen zur Vermeidbarkeit des Unfalls machte. Dem folgte das Landgericht.
Allerdings könnten, worauf das Amtsgericht zutreffend abgestellt habe, alleine aus den Ausführungen des Sachverständigen, die tatsächlich keine Festlegung bei der Beantwortung der Vermeidbarkeit enthalten würden, dies nicht gefolgert werden. Es könne, wenn auch grenzwertig, in seinen Ausführungen im Gutachten noch zu seinen Gunsten angenommen werden, dass diese weit ausgelegt noch zur für die Schadensfeststellung erforderlichen Rekonstruktion des Unfalls gehören würden. Überschritten habe der Sachverständige diese Grenze aber in seiner Stellungnahme zum Befangenheitsantrag, wo er auf die Frage, warum er zur Vermeidbarkeit Stellung genommen habe, ausgeführt habe, dass zur Prüfung der Plausibilität auch zu klären sei, ob den durch Unfall/Schadenshergang „gegebenenfalls Schäden auf der rechten Seite des Lkw entstanden sein können bzw. sind, oder ob lediglich die in dem Gutachten des Sachverständigen … aufgeführten Beschädigungen dem Unfallereignis zuzuordnen sind. Hierzu wurde geprüft, ob der Lkw des Klägers die Fahrbahn verlassen musste bzw. ob der Unfall durch ein Ausweichen auf dem Fahrstreifen vermeidbar war.“ Nach seinen Feststellungen sei ein Ausweichen des Lkw nach rechts auf den Grünstreifen erforderlich gewesen, weshalb auch zu prüfen gewesen wäre, ob nicht auch Schäden an der Achs entstanden seien; diese „Untersuchungen wurden, wie es die Beweisfrage verlangt, vorgenommen“ worden.
Damit habe der Sachverständige zu erkennen gegeben, dass geprüft habe, ob auch nicht in das Verfahren eingeführte und bisher nicht geltend gemachte Schäden vorlägen. Aus der Sicht der Beklagten könne der Sachverständige damit dem Gericht auch vorgeben, wie weiter verfahren werden soll. Beides sei von seiner Stellung als gerichtlich bestellter Sachverständiger und vom Gutachtenauftrag nicht mehr gedeckt und lasse aus Sich eines unbeteiligten Dritten berechtigterweise Misstrauen an der Unparteilichkeit des Sachverständigen entstehen, da das Vorgehen alleine der Klägerin nutze.
Auch wenn der Sachverständige in dem Bestreben in gutem Glauben agiert habe, eine zügige und gerechte Entscheidung herbeizuführen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18.01.2002 - 14 W 45/01 -), der Beweisbeschluss zum eigentlich vom Amtsgericht nachgefragten Schadensumfang nach dem kurz gefassten Beweisbeschluss auslegungsfähig sei, habe er doch erkennbar mit der Formulierung „so dass zu prüfen wäre, ob nicht auch ein Schaden an der Achse … entstanden ist …“ den durch die Klageforderung betreffend Schäden im Bereich Spiegel/Fenster/Tür auf der Fahrerseite beschränkten Streitgegenstand (möglicherweise ungewollt) ausgedehnt und der Klägerin einen einseitigen rat gegeben, weitere Schäden zu suchen. Dies entspräche nicht dem Beweisbeschluss noch dem von der Klägerin festgelegten Streitgegenstand sondern erweitere diesen einseitig zu Lasten der Beklagten, weshalb aus der Sicht der Beklagten Misstrauen in seine Unparteilichkeit gerechtfertigt sei.
LG Verden, Beschluss vom
18.01.2022 - 11 T 5/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Ablehnung
des Sachverständigen XXXX wird unter
Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Osterholz -Scharmbeck vom
26.11.2021 für begründet erklärt.
Der Streitwert des Verfahrens wird
auf 640 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht
zugelassen .
Gründe
I.
Die Klägerin
nimmt die Beklagten mit der Begründung auf Schadenersatz in Anspruch, der
Beklagte zu 1) habe mit seinem bei der Beklagten zu 2) versicherten Schlepper
mit angehängtem Heuwender an dem LKW der Klägerin einen Schaden verursacht.
Unstreitig ist,
dass beide Fahrzeuge am Dienstag, den 11.08.2020 gegen 17.35 Uhr in
entgegengesetzter Richtung die Rautendorfer Landstraße in Grasberg befuhren.
Die Klägerin
behauptet, der Beklagte zu 1) habe den Unfall verursacht , indem er mit seinem
Schlepper nach rechts in eine Hofeinfahrt abgebogen, der angebaute Heuwender
über die Mittellinie und es dadurch zu einer Kollision mit dem Spiegel der
Fahrerseite des LKW' s des Klägers gekommen sei. Der Spiegel habe die
Seitenscheibe sowie die Lackierung der Tür beschädigt. Es sei dem Kläger ein
Gesamtschaden in Höhe von 3.398,52 € entstanden. Zum Nachweis des Schadens
legte die Klägerin das Gutachten des Sachverständigen Kuttler vom 18.08.2020
vor.
Die Beklagte zu
2) zahlte 50% des Schadens. Die Klägerin ist der Ansicht, der Unfall sei unvermeidbar
gewesen und fordert mit der Klage weitere 50%.
Die Beklagten
bestreiten, dass der behauptete Schaden durch ein mit einem Abbiegen
zusammenhängendes Ausschwenken des Heuwenders verursacht worden ist. Vielmehr
sei der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges offenbar mit seinem Fahrzeug auf die
Gegenfahrspur geraten.
In der
Beweisaufnahme haben die von der Klägerin benannten Zeugen im Wesentlichen
ausgesagt , dass das klägerische Fahrzeug im Moment des Schadenereignisses
gebremst habe und auf der Fahrspur ganz weit rechts gefahren sei. Einen
Abbiegevorgang des Schleppers konnte nur eine der vier Zeugen beschreiben.
Der als Partei
angehörte Beklagte zu 1) erklärte, er sei in das Grundstück 58 nach rechts
eingebogen. Eine Berührung der Fahrzeuge habe er nicht wahrgenommen. Es möge
sein, dass der Heuwender beim Einbiegen in den Gegenverkehr gekommen sei. Er
habe aber nicht ausgeholt, um einzubiegen.
Mit
Beweisbeschluss vom 25.02.2021 hat das Amtsgericht daraufhin Herr XXXX zum Sachverständigen
bestellt. Zum Gegenstand des Gutachtens bestimmte das Amtsgericht unter 1. :
„Es soll Beweis
erhoben werden über die Behauptung der Klägerin durch den Verkehrsunfall vom
11.08.2020 sei an dem LKW ein Schaden iHv. 2.875,20 € entstanden , ... .... .
Der
Sachverständige soll sich mit dem Inhalt des Gutachtens des Herrn XXXX, XXXXX ,
vom 18.08.2020 (BI. 7 ff. d.A.) auseinandersetzen ."
Der
Sachverständige kommt in seinem Gutachten vom 27.05.2021 nach Auswertung der
Lichtbilder vom Schaden am klägerischen Fahrzeug zu dem Ergebnis, dass dieser tatsächlich
mit 3.088,41 € höher sei, als vom außergerichtlich beauftragten
Sachverständigen festgestellt.
Darüber hinaus
hat der Sachverständige den Schadensort besichtigt, Fotos von den örtlichen
Gegebenheiten gefertigt, die Unfallörtlichkeit vermessen und eine Prinzipskizze
zum Verhalten des Gespanns bei einem Abbiegevorgang auf das Grundstück 58
gefertigt. Nach dem Inhalt der Skizze ist er dabei davon ausgegangen, dass der
Schlepper nicht ausgeholt hat. Hierzu hat der Sachverständig u. a. in seinem
Gutachten unter 8. ausgeführt:
„Die
Überprüfung der Örtlichkeiten hat gezeigt, dass die landwirtschaftliche Zugmaschine
des Beklagten beim Einbiegen mit dem angekuppelten Kreiselheuer deutlich
ausschwenkt und bis einem Meter in die Gegenfahrbahn ragen kann. Die
Fahrstreifenbreite beträgt im Unfallstellenbereich jeweils nur 2,8 m. Der ohne
Spiegel ca. 2,55 m breite LKW des Klägers hätte daher durch ein Ausweichen auf
den Fahrstreifen eine Kollision nicht vermeiden können. Zur Vermeidung einer
Kollision wäre es für den Kläger daher erforderlich gewesen, deutlich auf den
Grünsteifen auszuweichen. "
Unter Ziffer 5 führt der
Sachverständige zur Unfallörtlichkeit u. a. aus:
„In
Fahrtrichtung Lilienthal grenzt rechtsseitig ein Grünstreifen, mit einer Breite
von ca. 0,7 m, an. An diesem Grünstreifen schließt ein ca. 2 m breiter
Fahrradweg an."
Das Gutachten
wurde den Parteien laut Ausgangsvermerk vom 01.06.2021 übersandt. Zur
Stellungnahme zum Gutachten setzte das Gericht eine Frist zur Stellungnahme von
3 Wochen.
Die Klägerin
passte daraufhin ihren Klageantrag mit Schriftsatz vom 09.06.2021 an und
erhöhte die Klagforderung auf 1.912,47 €.
Mit Schriftsatz
vom 21.06.2021 lehnten die Beklagten den Sachverständigen als befangen ab. Der
Sachverständige habe sein Gutachten nicht auf die gerichtliche Fragestellung
begrenzt, sondern ohne Auftrag auch zum Verkehrsunfall an sich und sogar zur
Frage der Vermeidbarkeit Stellung genommen. Die Auseinandersetzung mit dem
Unfallablauf und der Vermeidbarkeit sei zudem inhaltlich falsch. Der
Sachverständige habe hierdurch den Anschein erweckt, er wolle anstelle des
Gerichtes festlegen, welche Fragen beweisbedürftig seien und rufe dadurch das
Misstrauen in seine Unparteilichkeit hervor.
In seiner Stellungnahme zum
Ablehnungsantrag führt der Sachverständige u.a. aus:
,,Zur Prüfung
der Plausibilität ist auch zu klären, ob durch das Unfallereignis bzw. den
Schadenhergang gegebenenfalls Schäden auf der rechten Seite des LKW entstanden
sein können bzw. sind, oder ob lediglich die in dem Gutachten des Sachverständigen
XXX aufgeführten Beschädigungen dem Unfallereignis zuzuordnen sind. Hierzu
wurde geprüft, ob der LKW des Klägers die Fahrbahn verlassen musste bzw. ob der
Unfall durch ein Ausweichen auf dem Fahrstreifen vermeidbar war.
Die
Untersuchungen führten sodann zu dem Ergebnis, dass der unstreitig abbiegende
Schlepper mit dem angehängten Kreiselheuer während des
Abbiegevorgangs aufgrund der örtlichen
Gegebenheiten bis über einen Meter in die Gegenfahrbahn ragen kann.
Bei maximalem
Hineinragen in die Fahrbahn wäre eine andere Kollisionsstellung, als die
Schäden an dem LKW jetzt zeigen, eingetreten oder es wäre ein Ausweichen auf
dem Grünstreifen erforderlich gewesen, so dass zu prüfen wäre, ob nicht auch
Schäden an der Achse, durch gegebenenfalls Einsinken in den Grünstreifen,
entstanden sind. Diese Untersuchungen wurden, wie es die Beweisfrage verlangt,
vorgenommen. "
In seiner
Stellungnahme zu den Ausführungen des Sachverständigen ergänzen die Beklagten
ihre Begründung u. a. insoweit, dass die letzten Ausführungen des
Sachverständigen nur so verstanden werden können, dass dieser zulasten der
Beklagten nach weiteren Schäden am Fahrzeug der Kläger gesucht hat.
Mit Beschluss
vom 26.11.2021, der den Beklagten am 20.12.2021 zugestellt worden ist, hat das
Amtsgericht das Ablehnungsgesuch der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung
wies das Gericht darauf hin, dass die Ausführungen des Sachverständigen zum
Unfallhergang durch den Beweisbeschluss gedeckt seien, da durch die
Formulierung Feststellungen zur Frage, ob die Schäden dem Ereignis zugeordnet
werden können, umfasst seien. Durch die Erörterung der Frage der
Unvermeidbarkeit seien zudem noch keine genügenden Anhaltspunkte für die
Feststellung der Befangenheit gegeben.
Gegen diese
Entscheidung wenden sich die Beklagten mit ihrer sofortigen Beschwerde vom
21.12.2021. Das Amtsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 29.12.2021
nicht ab und legte die Verfahrensakte dem Landgericht zur Entscheidung über das
Rechtsmittel vor.
II.
Die form- und
fristgerecht eingereichte sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig.
Insbesondere wurde auch der Ablehnungsantrag rechtzeitig gestellt. Muss sich
die Partei zur Begründung ihres Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens
auseinandersetzen, läuft die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen wegen
Besorgnis der Befangenheit im Allgemeinen gleichzeitig mit der vom Gericht
gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO ab (BGH in NJW 2005, S.
1869). Mit Verfügung vom 01.06.2021 übersandte das Amtsgericht das Gutachten
und setzte für die Stellungnahme eine Frist von drei Wochen. Der
Befangenheitsantrag ging am 21.06.2021 und damit rechtzeitig bei Gericht ein.
Die sofortige Beschwerde ist auch
begründet.
Entgegen der
Auffassung des Amtsgerichts liegen ausreichende Anhaltspunkte für einen Grund
vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des
Sachverständigen zu rechtfertigen (§ 406 Abs. 1 i.V.m. § 42, Abs. 2 ZPO). Für
diese Feststellung genügt jede Tatsache, die ein auch nur subjektives
Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen
vernünftigerweise rechtfertigen kann
(BGH in NJW 1975, S. 1363).
Solche Gründe
können vorliegen , wenn der Sachverständige mit seinen Ermittlungen und/oder
Ausführungen über die vom Auftrag gezogenen Grenzen hinausgeht (vgl. Zöller, 33
Aufl. § 406 Rdn. 7 aa) m.w.N.) und hierdurch ein solches Misstrauen erwachsen
kann.
Zwar ist
zunächst dem Amtsgericht zuzustimmen, wenn es feststellt , dass die
Formulierung des Beweisbeschlusses „Beweis erhoben werden (soll) über die
Behauptung der Klägerin , durch den Verkehrsunfall vom 11.08.2020 sei an dem
LKW ein Schaden iHv. 2.875,20 € entstanden, ... .. ..“ die Auslegung zulässt ,
dass mit der Formulierung „durch" aus Sicht des Sachverständigen auch die
Feststellung beauftragt ist, ob bestimmte Schäden auf diesen Unfall
zurückgeführt werden können , wodurch Feststellungen zum Hergang des Unfalls
durch den Beweisbeschluss gedeckt sein könnten.
Nicht gedeckt
sind jedoch die Ausführungen zur Vermeidbarkeit. Auch hier könnte noch der
Auffassung des Amtsgerichtes gefolgt werden, dass allein die Ausführungen des
Sachverständigen, die tatsächlich keine Festlegung bei der Beantwortung der
Vermeidbarkeit im Gutachten enthalten, für die Feststellung der Befangenheit
noch nicht ausreichen, da der Sachverständige nur die Feststellung trifft, dass
der Heuwender bei einem Abbiegen mit ca. 1 Meter in den Gegenverkehr ragt und
aufgrund der Breite von Fahrzeug und Fahrbahn es, wenn die Gegebenheiten im Moment
des Aufpralls so waren, auf der Fahrbahn keine Möglichkeit zum Ausweichen gab.
Nicht erörtert wurden alle daran anknüpfenden und entscheidenden
Fragestellungen zur Unabwendbarkeit (Geschwindigkeit, tatsächliche Position der
Fahrzeuge, tatsächliche Möglichkeit, des Ausweichens auf den unbefestigten
Randstreifen etc.). Insoweit könnte zugunsten des Sachverständigen allein bei
diesen Feststellungen noch grenzwertig festgestellt werden, dass diese weit
ausgelegt noch zur für die Schadensfeststellung erforderlichen Rekonstruktion
des Unfalls gehören und der Sachverständige damit die Grenze zur
Unparteilichkeit noch nicht überschritten hat. Diese Grenze ist aber
überschritten mit der Begründung, die der Sachverständige zur Fragestellung,
warum er zur Vermeidbarkeit Stellung genommen hat, abgibt, wenn er ausführt:
,,Zur Prüfung
der Plausibilität ist auch zu klären, ob durch das Unfallereignis bzw. den
Schadenhergang gegebenenfalls Schäden auf der rechten Seite des LKW entstanden
sein können bzw. sind, oder ob lediglich die in dem Gutachten des
Sachverständigen Kuttler aufgeführten Beschädigungen dem Unfallereignis
zuzuordnen sind. Hierzu wurde geprüft, ob der LKW des Klägers die Fahrbahn
verlassen musste bzw. ob der Unfall durch ein Ausweichen auf dem Fahrstreifen
vermeidbar war.
Die
Untersuchungen führten sodann zu dem Ergebnis, dass der unstreitig abbiegende
Schlepper mit dem angehängten Kreiselheuer während des Abbiegevorgangs aufgrund
der örtlichen Gegebenheiten bis über einen Meter in die Gegenfahrbahn ragen
kann.
Bei maximalem
Hineinragen in die Fahrbahn wäre eine andere Kollisionsstellung , als die
Schäden an dem LKW jetzt zeigen, eingetreten oder es wäre ein Ausweichen auf
dem Grünstreifen erforderlich gewesen, so dass zu prüfen wäre, ob nicht auch Schäden
an der Achse, durch gegebenenfalls Einsinken in den Grünstreifen, entstanden
sind. Diese Untersuchungen wurden, wie es die Beweisfrage verlangt,
vorgenommen. "
Mit diesen
Ausführungen erklärt der Sachverständige, er habe geprüft, ob der Klägerin
Schäden entstanden sind, die diese nicht in das Verfahren eingeführt hat. Aus
der Sicht der Beklagten ist daher die Sichtweise nachvollziehbar, der
Sachverständige rate den Klägern zu prüfen, ob nicht noch weitere, bislang
nicht geltend gemachte Schäden vorhanden sind. Aus Sicht der Beklagten könnte
der Sachverständige mit diesen Ausführungen auch dem Gericht vorgeben, wie
weiter verfahren werden soll. Beides ist nicht mehr von seiner
Sachverständigenstellung bzw. vom Gutachtenauftrag gedeckt.
Beides lässt
aus Sicht der Beklagten bzw. aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten
berechtigterweise Misstrauen an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu,
weil das Vorgehen allein der Klägerin nutzt.
Wie auch das
Oberlandesgericht Celle in seinem Beschluss vom 18.01.2002 (14 W 45/01) geht
die Beschwerdekammer davon aus, dass der Sachverständige in seinem
offensichtlichen Bestreben, zu einer zügigen und gerechten Entscheidung
beizutragen in gutem Glauben agiert hat. Auch dürften seine Feststellungen zum
eigentlich vom Gericht nachgefragten Schadensumfang nicht zu beanstanden und
aufgrund der Kürze des Beweisbeschlusses dieser auslegungsfähig gewesen sein.
Mit der vorgenannten Formulierung, ,,so dass zu prüfen wäre, ob nicht auch ein
Schaden an der Achse ... entstanden ist .....", verlässt der
Sachverständige jedoch den durch die Klageforderung vorgegebenen
Streitgegenstand , der sich allein auf die Schäden im Bereich Spiegel/Fenster/Tür
auf der Fahrerseite beschränkt und gibt - möglicherweise ungewollt - einen
einseitigen Rat, weitere Schäden zu suchen oder auszuschließen oder untersucht
zumindest diese Fragestellung. Dieses Vorgehen ist weder vom Beweisbeschluss
gedeckt, noch entspricht es dem von der Klägerin mit ihrer Klage festgelegten
Streitgegenstand, vielmehr erweitert es diesen einseitig zu Lasten der Klägerin
(Anmerkung: hier muss es richtig „Beklagten“ heißen), wodurch aus der
Sicht der Beklagten Misstrauen in seiner Unparteilichkeit gerechtfertigt ist.
Der Beschluss
des Amtsgerichtes vom 26.11 .2021 war daher abzuändern und der Sachverständige
als befangen zu erklären.
III.
Die Festsetzung
des Streitwertes beruht auf§ 3 ZPO und entspricht einem Drittel der
Klagforderung.
Von einer
Kostenentscheidung war abzusehen, da es sich bei der Sachverständigenablehnung
um kein kontradiktorisches Verfahren handelt.
Die
Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO)
liegen nicht vor.
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