Sonntag, 15. September 2013

Steuern: Pflicht des Steuerpflichtigen zur Auskunft contra Steuerfahnfung

Immer häufiger kommt es zu steuerstrafrechtlichen Ermittlungen auch anlässlich von Außenprüfungen (im Regelfall sogen. Betriebsprüfungen).  Im Rahmen der zeitgleichen Betriebsprüfungen verlangt das Finanzamt dann dezidierte Auskünfte von den Steuerpflichtigen. Verweigert er diese, könnte das Finanzamt  - wäre nicht bereits ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet -  die Mitwirkung erzwingen und Zwangsgeld bei fehlender Mitwirkung verhängen. Da dem § 393 Abs. 3 AO nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens entgegenstand versuchte das hier gerichtlich in auf Unterlassung in Anspruch genommene Finanzamt hatte den Steuerpflichtigen unter Androhung eines Verzögerungsgeldes gem.  § 146 Abs. 2b AO zur Überlassung von Unterlagen (Datenträgern) zu bewegen. Der Steuerpflichtige wehrte sich dagegen und vertrat die Auffassung, auch dies wäre ein illegales Druckmittel. Ob der Gesetzgeber bewusst oder unbewusst das Verzögerungsgeld nicht als Zwangsmittel in § 393 AO aufnahm, sei bei der Entscheidung bedeutungslos, da nach Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention jede Art der Ausübung mittelbaren oder unmittelbaren Zwangs auf einen Beschuldigten zu unterlassen ist; die Androhung eines Zwangsgeldes stelle sich aber als entsprechender Verstoß gegen die strafprozessualen Grundsätze dar.
Mit seinem Beschluss vom 10.06.2011 gab das Hessische Finanzgericht - 9 V 2523/09 - dem Steuerpflichtigen Recht und untersagte eine Verwertung einer Daten-CD, die unter Androhung eines Verzögerungsgeldes herausverlangt wurde.

Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 10.06.2011 -9 V 2523/09 -

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Arbeitsrecht: Betriebsübergang und Weiterbeschäftigungsanspruch

Im Rahmen eines Betriebsübergangs kann der Arbeitnehmer entscheiden, ob er weiter bei dem bisherigen Betriebsinhaber verbleiben will oder wechseln will, § 613a BGB. War einem Arbeitnehmer vor dem Betriebsübergang betriebsbedingt gekündigt gewesen, läuft aber zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs die Kündigungsfrist noch, so kann er trotz der ausgesprochenen Kündigung nunmehr Weiterbeschäftigung durch den neuen Betriebsinhaber begehren und von diesem eine Wiedereinstellung verlangen (BAG 25. September 2008 - 8 AZR 607/07). 
Doch was ist ein Betriebsübergang ? In seiner Entscheidung vom 15.12.2011 – 8 AZR 197/11 – stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar, dass eine reine Funktionsnachfolge keinen Betriebsübergang darstellt. Nur bei betriebsmittelarmer Tätigkeit kann die Übernahme des Hauptgeschäfts einen Betriebsübergang darstellen.   
Konkret zu entscheiden hatte das BAG den Fall eines Bewachungsunternehmens, bei dem Wachlokal und Büroausstattung (PC, Drucker, Telefax) und zehn der Angestellten übergingen. Das BAG negierte einen Wiedereinstellungsantrag mangels Betriebsübergangs. Die bloße Fortführung der bisherigen Tätigkeit stelle ebenso wenig wie eine Funktionsnachfolge einen Betriebsübergang dar. Bei den Betriebsmitteln handele es sich nicht um wesentliche, die Identität prägende Betriebsmittel. Soweit Personal mit überging, handele  es sich (mit einer Ausnahme) nur um nach Art und Sachkunde leicht erlernbare Tätigkeiten, weshalb hier auch keine prägende Identität angenommen werden könne.
BAG, Urteil vom 15.12.2011 - 8 AZR 197/11 -
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Anwaltshaftung: Belehrungspflicht des Anwalts zum Rechtsmittel


OLG Düsseldorf
Ergeht ein für den Mandanten negatives Urteil und ist gegen dieses ein Rechtsmittel möglich, gehört es zu dem Aufgabenbereich des Anwalts, den Mandanten über das mögliche Rechtsmittel zu informieren und die Frist mitzuteilen. Ohne besonderen Auftrag muss er allerdings nicht prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit ein Rechtsmittel erfolgreich sein könnte. Lediglich insoweit ohne weiteres eine Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung zu erkennen ist als auch in den Fällen, in denen der Anwalt selbst nicht sachgerecht gearbeitet hat (sogen. Anwaltsfehler) besteht nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf – 24 U 55/11 – vom 08.11.2011 ein Belehrungspflicht durch den Anwalt.  
OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.11.2011 - 24 U 55/11 -

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Samstag, 14. September 2013

WARNUNG: Nepper, Schlepper, Baunernfänger - Gewerbeauskunftszentrale versucht immer noch Gelder einzutreiben


Von uns wird ein Mandant vertreten, der in 2011 eine Rechnung erhielt, da er auf das Spielchen der GWE-Wirtschaftsinformations-GmbH (so heißt die hinter "Gewerbeauskunfts-Zentrale stehende Gesellschaft) hereingefallen war. Wir haben die Erklärung unseres Mandanten wegen Irrtums angefochten: 

Hier der wesentliche Inhalt des entsprechenden Schreibens:

"Ihre (vermeintliche) Forderung beruht offensichtlich auf dem von Ihnen verwendeten Formschreiben, welches Sie unserem Mandanten unter dem 15.08.2011 unaufgefordert haben zukommen lassen und von unserem Mandaten am 20.08.2011 ausgefüllt an Sie zurückgefaxt wurde. Namens und in Vollmacht unseres Mandanten erklären wir hiermit die   Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums und wegen arglistiger Täuschung. Hilfsweise wird die außerordentliche Kündigung, vorsorglich die ordentliche Kündigung des Vertrages erklärt.
Unser Mandant wurde durch Sie in mehrfacher Hinsicht in die Irre geführt. Das von Ihnen verwendete Schreiben ist bewusst so aufgebaut, dass es bei einem flüchtigen Leser den Eindruck hervorruft, das Formular diene nur der kostenlosen Korrektur/Ergänzung eines kostenlosen Grundeintrages. Die gesamte "Aufmachung" Ihres Schreibens täuscht darüber hinweg, dass mit der Unterschrift unter dem ausgefüllten Formular und der Zurücksendung ein kostenpflichtiger Auftrag erteilt wird. Sie erwecken mit der großen fettgedruckten Überschrift "Gewerbeauskunft-Zentrale.de" den Eindruck, es handele sich bei dem Schreiben um die Einholung einer öffentlichen/behördlichen Auskunft über Firmendaten, welche selbstverständlich kostenlos wäre. Ausschließlich im kleingedruckten Fließtext auf der rechten Seite findet sich der leicht überlesbare Hinweis, dass der "Basiseintrag" einen "Marketingbeitrag" von mtl. EUR 39,85 zzgl. USt. auslöst. Dieser Hinweis ist grafisch nicht besonders hervorgehoben, sondern vielmehr so angeordnet, dass er übersehen werden kann. Durch die Angabe eines Monatspreises wird der Eindruck erweckt, die angebotene Leistung sei durch eine Zahlung in dieser Höhe zu erhalten. Die Zahlungsklausel ist überraschend und daher unwirksam. Auch die von Ihnen behauptete Laufzeit des Vertrages ergibt sich aus dem Formular nicht. Nach alledem haben Sie sich Ihre (vermeintlichen) Ansprüche gegen unseren Mandanten durch einen Betrug verschafft, mit der Folge, dass der Vertrag durch die erklärte Anfechtung (rückwirkend) nichtig ist.
Unser Mandant kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass von Ihnen in strafrechtlich relevanter Art und Weise in zahlreichen Fällen der Versuch unternommen wird, Gelder zu vereinnahmen. Die Prüfung weiterer rechtlicher Schritte behält sich unser Mandant ausdrücklich vor."

Daraufhin verwies die GWE auf ein ihr günstiges Urteil des AG Köln und bot einen Vergleich an: 40% Rabatt. Dieser wurde von abgelehnt. Dabei haben wir auf die Entscheidung des LG Düsseldorf vom 15.04.2011 - 38 O 148/10 - verwiesen, in der festgestellt wurde, dass das von der GWE verwandte Formular in seinem Gesamtaufbau einen irreführenden Charakter hat.

Nunmehr wandte sich die GWE erneut an unseren Mandanten und verwies auf ein ihr günstiges Urteil des AG Düsseldorf. Darauf reagierten wir nicht mehr. Die GWE schaltete die DDI Deutsche Direkt Inkasso GmbH ein, die auf den bisherigen Schriftverkehr verwiesen wurde. Diese versuchte nun unter Verweis auf die Urteile des AG Düsseldorf und des AG Köln darzulegen, dass eine Irreführung nicht vorläge. Die DDI wurde daraufhin auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 14.2.2012 - 20 U 100/11 - verwiesen (welches die Entscheidung des LG Düsseldorf bestätigte), derzufolge die GWE gegen das Verschleierungsverbot des $ 4 Nr. 3 UWG sowie gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG verstößt. Sie wurde auch auf § 263 StGB (Betrug) hingewiesen. Gleichwohl erfolgte nochmals kurz eine Zahlungsaufforderung durch die DDI, auf die nicht mehr reagiert wurde.

Zuletzt schrieb die RAin Mölleken aus Köln (10.12.2012). Sie bot nunmehr an, dass statt Hauptforderung € 1.138,12 aus einem 2-Jahresvertrag € 450,00 gezahlt werden und verwies darauf, dass aus den Wettbewerbsverstößen nicht unbedingt die Nichtigkeit zu schließen sei. Hierauf reagierten wir nicht mehr.

Das war es bisher.

Bei RAin Mölleken, die sich "Kanzlei für Wirtschaftsrecht" nennt, handelt es sich um eine 1-Frau-Kanzlei. Sie behauptet eine eindeutige Rechtslage und meint damit eine zugunsten der GWE. Eindeutig erscheint mir auch die Rechtslage  gegen die GWE. Insoweit ist auch auf eine Entscheidung des BGH vom 26.7.2011 - VII ZR 262/11 - zu verweisen. Deren Leitsatz lautet:

"Wird eine Leistung (hier: Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet) in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten, so wird eine Entgeltklausel, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil."

Dazu heißt es in den Gründen:

"Das Berufungsgericht geht von der Revision unbeanstandet davon aus, dass Eintragungen in Branchenverzeichnisse im Internet zwar nicht generell, aber in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten werden. Die berechtigte Kundenerwartung wird in der vorliegenden Fallgestaltung nicht hinreichend deutlich korrigiert. Die Bezeichnung des Formulars als "Eintragungsantrag Gewerbedatenbank" macht nicht hinreichend deutlich, dass es sich um ein Angebot zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages handelt. Der Hinweis auf die Vergütungspflicht in der Längsspalte geht im ihn umgebenden Fließtext unter. Das gilt bereits für den Begriff "Vergütungshinweis" in der Überschrift und erst recht für die Höhe der Vergütung und die Laufzeit des Vertrags. Die Aufmerksamkeit auch des gewerblichen Adressaten wird durch Hervorhebung im Fettdruck und Gestaltung auf die linke Spalte gelenkt. Die in der Längsspalte mitgeteilte Entgeltpflicht ist demgegenüber drucktechnisch so angeordnet, dass eine Kenntnisnahme durch den durchschnittlich aufmerksamen gewerblichen Adressaten nicht zu erwarten ist.
Dementsprechend haben die Berufungsgerichte in vergleichbaren Fallgestaltungen entschieden, dass Entgeltklauseln, die nach der drucktechnischen Gestaltung eines Formulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt sind, dass sie von dem Vertragspartner des Verwenders nicht vermutet werden, nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil werden (LG Rostock, NJW-RR 2008, 1450; LG Flensburg, NJOZ 2011, 1173 mit Anmerkung Schöttler, jurisPR-ITR 14/2011 Anm. 4; zu "versteckten" Entgeltklauseln siehe auch LG Saarbrücken, NJW-RR 2002, 915; LG Düsseldorf, NJOZ 2009, 391; LG Berlin, NJW-RR 2012, 424)."

Mithin: Es handelt sich hier um eine überraschende Entgeltklausel. Ein Zahlungsanspruch kann nicht begründet werden.

Ich hoffe, allen Betroffenen dieser dubiosen (da mit entsprechenden Methoden arbeitenden)  Gesellschaft GWE hilft Vorstehendes weiter.

Werkvertrag: Mangel auch bei nachtraeglichen Veraenderungen der Bedingungen




lichtkunst.73  / pixelio.de

Mit seiner Entscheidung vom 27.09.2012 - 17 U 170/11 - hat das OLG Hamm bestätigt, dass der Handwerker selbst dann haftet, wenn zwar das Werk regelkonform hergestellt wurde, aber nicht funktionstauglich ist. Dies gilt sogar für den Fall, dass nachträglich Änderungen eintreten (hier: Wasserqualität), mit denen er nicht gerechnet hat.
Der Unternehmer ist zwar verpflichtet, nach den Regeln der Technik zu arbeiten, doch schließt deren Beachtung nicht die Mangelhaftigkeit des Werkes aus (BGH cim 10.11.2005 - VII ZR 147/04 -). Dies gilt nicht nur bei einer nicht eingehaltenen Beschaffenheitsvereinbarung (BGH vom 14.05.1998 - VII ZR 184/97 -), sondern auch bei Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit (BGH vom 12.10.1967 - V ZR 40/66 -).
Aus dem Wesen der Erfolgshaftung des Werkunternehmers, so das OLG Hamm, folgt auch, dass es nicht auf ein Verschulden und die Vorhersehbarkeit für den Unternehmer ankommt; die Risikoverteilung hinsichtlich unvorhersehbarer Umstände (hier: höhere Chlorid-Werte) liegt, da der Werkvertrag erfolgsbezogen ist, bei dem Unternehmer.
OLG Hamm, Urteil vom 27.09.2012 - 17 U 170/11 -


Tierhalterhaftung: Zum Mitverschulden beim Reiten ohne Einwilligung des Halters

Entscheidung vom 30.04.2013 – VI ZR 13/12 – über die Haftung des Tierhalters eines Pferdes zu urteilen, welches sich der Reiter ohne seine Einwilligung zum Ausritt nahm und dabei verletzte. Entgegen der Vorinstanz hat der BGH konsequent auf der Grundlage des § 833 BGB festgehalten, dass der Tierhalter für die vom Pferd ausgehende Gefahr haftet und damit vom Grundsatz dem Reiter schadensersatzpflichtig ist. Denn der Umstand, ob sich jemand berechtigt oder unberechtigt dem Tier nähert oder dieses (wie hier) zum Reiten nutzt ist nicht weiteres Tatbestandsmerkmal des § 833 BGB. Der Halter haftet generell für Schäden, die durch die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens eintreten. Das Ergebnis wird über § 254 BGB abgemildert. Inwieweit dann die Mithaftung des Reiters aus dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens geht, ob diese schließlich die Haftung des Tierhalters gänzlich ausschließt, ist eine Frage des Einzelfalls.
BGH, Urteil vom 30.04.2013 - VI ZR 13/12 -
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Tierhalterhaftung: Bewusste Risikoerhöhung der Pferdetrainerin führt zum Haftungsausschluss

Das OLG Koblenz wies die Beschwerde gegen
einen die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Landgerichts zurück, mit dem die Antragstellerin (Pferdetrainerin) Prozesskostenhilfe für die Klage gegen einen Tierhalter auf Schadensersatz und Schmerzensgeld begehrte.
Die Antragstellerin wurde bei dem Versuch, ein  Pferd zu verladen (bzw. von einem Hänger zu holen), von diesem verletzt. Zwar haftet grundsätzlich der Tierhalter, § 833 Satz 1 BGB.  Die Haftung ist aber dann ausgeschlossen, wenn sich der Geschädigte in eine Position drohender Eigengefährdung begibt, eine über das normale Risiko hinausgehende Gefährdung billigend in Kauf nimmt. Davon ging das OLG in seinem Beschluss vom 23.11.2012  - 2 W 600/12 -, dem Landgericht folgend, aus. Diese erhöhte Risikogefährdung nahm es an, da die Antragstellerin das Pferd zu sich (zur Ausbildung holte, die alleinige Sachherrschaft über das Tier zum Zeitpunkt des Vorfalls hatte und keinen Dritten zur Mithilfe beim Entladen hinzuzog.


OLG Koblenz, Beschluss vom 23.11.2012 - 2 W 600/12 -