Der Handelsvertreter ist seiner Natur
nach selbständiger Kaufmann. Allerdings
sind die Grenzen zu einer Scheinselbständigkeit häufig verwaschen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um
einen sogenannten Einfirmenvertreter handelt, also einen Handelsvertreter, dem
eine Tätigkeit für andere Unternehmen tätig zu werden, untersagt wird. Damit
nähert sich seine Stellung der des Angestellten an. Dies gilt selbst dann, wenn
seitens des Geschäftsherrn in dem Vertrag formuliert wird, dass der Handelsvertreter
„hauptberuflich“ ausschließlich für ihn tätig werden müsse, da dies zwar eine „nebenberufliche“
Tätigkeit für Dritte (die nicht mit dem Geschäftsherrn konkurrieren)
ermöglicht, aber doch den Handelsvertreter wie einen Angestellten zwingen,
seine Arbeitskraft vollumfänglich de Geschäftsherrn zu widmen.
Vor diesem Hintergrund hat der
BGH mit seinem Beschluss vom 16.10.2014 – VII ZB 16/14 - auf die Rechtsbeschwerde entgegen der
Vorinstanz in einem Vorabverfahren gem. § 17a GVG die Zuständigkeit des von der
Klägerin (Geschäftsherrn) beschrittenen Rechtsweges zu den Gerichten der
allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit negiert und die Zuständigkeit der
Arbeitsgerichte angenommen. Dabei ist
Grundlage § 92a Abs. 1 S. 1 1. Alt. HGB. Da es auf die Vertragswirklichkeit
ankäme, so der BGH, ist hier nicht mehr von der Selbständigkeit auszugehen,
sondern bei notwendig typisierender Betrachtung von einer Abhängigkeit zu
Unternehmen (Geschäftsherrn).
BGH, Beschluss vom 16.10.2014 - VII ZB 16/14 -
Tenor
- Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 25. Februar 2014 in Nrn. 1 und 2 des Tenors aufgehoben.
- Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
- Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.485,25 € festgesetzt.
Gründe
- I.
- Die Parteien streiten im Rahmen eines Provisionsrückzahlungsprozesses vorab über den richtigen Rechtsweg.
- Am 8. Juni 2009 schlossen die Parteien mit Wirkung zum 1. Juni 2009 einen M. Consultant Vertrag (im Folgenden: Consultant-Vertrag). Der Beklagte hatte als Consultant die Aufgabe, die Kunden der Klägerin über die Vermittlung von Dienstleistungen und Finanz- und Vorsorgeprodukten zu beraten. Er war der Geschäftsstelle Z. II zugeordnet.
- § 2 Nr. 1 des Vertrags lautet wie folgt:
- "§ 2 Verpflichtungen des Consultants
- 1. Der Consultant darf während der Vertragszeit nur - hauptberuflich - für M. tätig sein und die M.-Dienstleistungen und die von M. freigegebenen Finanzprodukte vermitteln. Die Dienstleistungen und Finanzprodukte sind in der Provisionsordnung aufgeführt. Eine Beteiligung - gleichgültig welcher Art - an Konkurrenzunternehmen ist ihm untersagt. Ausgenommen hiervon ist die Beteiligung durch den Erwerb börsengängiger Wertpapiere."
- Mit Schreiben vom 1. Januar 2012 kündigte der Beklagte den Consultant-Vertrag zum 1. April 2012. Die Klägerin bestätigte die Kündigung mit Wirkung zum 9. April 2012.
- Mit ihrer bei dem Landgericht erhobenen Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen in Höhe von 16.455,76 € nebst Zinsen und Kosten. Der Beklagte hat in der ersten Instanz die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gerügt und geltend gemacht, im Streitfall sei gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben.
- Das Landgericht ist in ein Vorabverfahren nach § 17a GVG eingetreten und hat durch Beschluss den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen diesen Beschluss ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Er erstrebt die Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Arbeitsgericht.
- II.
- Die statthafte (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt im tenorierten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
- 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bestehe nicht, weil der Beklagte kein Arbeitnehmer, sondern selbständiger Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff. HGB sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 28. Juni 2011 - VIII ZB 91/10, NJW-RR 2011, 1255 ff.) seien die Bestimmungen des Consultant-Vertrags dahin zu würdigen, dass der Beklagte für die Klägerin nicht als Arbeitnehmer, sondern als Handelsvertreter tätig gewesen sei.
- Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ergebe sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a i.V.m. § 5 Abs. 3 ArbGG, weil der Beklagte nicht unter die letztgenannte Vorschrift falle.
- Nach den Bestimmungen des Consultant-Vertrags handele es sich bei dem Beklagten nicht um einen Einfirmenvertreter im Sinne von § 92a Abs. 1 Satz 1 HGB. Das Beschwerdegericht teile nicht die vom Beklagten zitierte Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (IHR 2013, 179 = ZVertriebsR 2013, 255 f.), der zufolge die Klausel in § 2 Nr. 1 Satz 1 des Consultant-Vertrags dahingehend auszulegen sei, dass es dem Consultant untersagt sei, als Handelsvertreter für weitere Unternehmer tätig zu sein, und ihm nur eine nebenberufliche anderweitige Tätigkeit außerhalb seines Gewerbes als Handelsvertreter erlaubt sei. Denn durch diese Regelung werde eine nebenberufliche Tätigkeit des Beklagten für andere Unternehmen, die nicht in Konkurrenz zur Klägerin stünden, nicht ausgeschlossen. Dass der Beklagte nicht für ein Konkurrenzunternehmen der Klägerin als Handelsvertreter habe tätig werden dürfen, das im gleichen Marktsegment wie diese tätig sei, folge bereits aus den gesetzlichen Verpflichtungen eines Handelsvertreters nach § 86 Abs. 1 HGB. Aus dem Vorbringen des Beklagten ergebe sich auch nicht, dass es ihm im Zusammenhang mit der Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistungen gegenüber der Klägerin tatsächlich unmöglich gewesen sei, für andere Unternehmen nebenberuflich als Handelsvertreter tätig zu werden.
- 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
- a) Soweit das Beschwerdegericht angenommen hat, eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergebe sich nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, weil der Beklagte kein Arbeitnehmer, sondern selbständiger Handelsvertreter gewesen sei, wird dies von der Rechtsbeschwerde hingenommen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren relevante Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - VIII ZB 91/10, NJW-RR 2011, 1255 Rn. 12).
- b) Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann indes eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nicht verneint werden.
- aa) Nach § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für näher bezeichnete bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB gelten nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nur dann als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben.
- Zu dem genannten Personenkreis gehören Handelsvertreter, die vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden dürfen (§ 92a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB; so genannte Einfirmenvertreter kraft Vertrags, vgl. BT-Drucks. 1/3856, S. 40), und Handelsvertreter, denen dies nach Art und Umfang der verlangten Tätigkeit nicht möglich ist (§ 92a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HGB; so genannte Einfirmenvertreter kraft Weisung, vgl. BT-Drucks. 1/3856, S. 40). Als Einfirmenvertreter kraft Vertrags ist ein Handelsvertreter insbesondere dann einzustufen, wenn ihm vertraglich untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 - VII ZB 27/12, ZVertriebsR 2014, 44 Rn. 14; Beschluss vom 18. Juli 2013 - VII ZB 45/12, ZVertriebsR 2013, 318, 319).
- Die Beschränkung des besonderen sozialen Schutzes auf den Einfirmenvertreter kraft Vertrags oder Weisung findet darin ihre Rechtfertigung, dass dieser Vertreter in seiner Stellung am stärksten einem Angestellten angenähert ist. Der Einfirmenvertreter ist an einen bestimmten Unternehmer gebunden, für den er seine Arbeitskraft und -zeit einsetzen muss und von dem er dadurch völlig abhängig ist. Hingegen kann einem Handelsvertreter, der für mehrere Unternehmer tätig werden und die sich daraus ergebenden Chancen ausnutzen kann, kein Mindestschutz zugebilligt werden. Ein solcher Handelsvertreter hat die typische Stellung eines selbständigen Kaufmannes (BT-Drucks. 1/3856, S. 40).
- Wird einem Handelsvertreter auferlegt, hauptberuflich für den Unternehmer tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat, so ist er nach Sinn und Zweck des § 92a Abs. 1 Satz 1 HGB als Einfirmenvertreter kraft Vertrags einzustufen. Ein solcher Handelsvertreter ist zwar nicht völlig von diesem Unternehmer abhängig, weil ihm eine nebenberufliche Tätigkeit gestattet ist. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung ist ein solcher Handelsvertreter jedoch einem Angestellten ähnlich angenähert wie ein Handelsvertreter, dem vertraglich vollständig untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden (im Ergebnis ebenso Emde, Vertriebsrecht, 3. Aufl., § 92a HGB Rn. 9; a.M. OLG Hamm, Beschluss vom 29. November 2010 - I-18 W 61/10, juris Rn. 30 ff.; OLG Bamberg, Beschluss vom 18. Juni 2010 - 5 W 38/10, n.v.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Mai 2011 - 7 W 40/10, n.v.). Denn er ist - ähnlich wie ein hauptberuflich Angestellter - verpflichtet, hauptberuflich für den Unternehmer tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat. Er kann die sich aus einer etwaigen nebenberuflichen Tätigkeit ergebenden Chancen nicht in gleicher Weise nutzen wie ein nicht in den Anwendungsbereich des § 92a Abs. 1 Satz 1 HGB fallender Mehrfirmenvertreter. Anders als dieser hat er nicht die typische Stellung eines selbständigen Kaufmannes. Er ist vielmehr wegen der hauptberuflichen Zuordnung zu einem Unternehmer von diesem abhängig und kann ebenso wie der in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 1/3856 S. 40) genannte Einfirmenvertreter erwarten, dass seine Arbeit wenigstens so viel einbringt, als er zur Erhaltung seiner Existenz unumgänglich benötigt.
- bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich aus § 2 Nr. 1 Satz 1 des Consultant-Vertrags ein vertragliches Verbot der Tätigkeit für weitere Unternehmer im Sinne des § 92a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB. § 2 Nr. 1 Satz 1 des Consultant-Vertrags enthält, sieht man von dem in Parenthese gesetzten Zusatz "hauptberuflich" ab, ein generelles Verbot, für weitere Unternehmer tätig zu werden. Der in Parenthese gesetzte Zusatz hat zwar ersichtlich den Zweck, dieses generelle Verbot in dem Sinne einzuschränken, dass eine nebenberufliche Tätigkeit für andere Unternehmer - außerhalb des Konkurrenzbereichs - gestattet wird. Aufgrund dieses Zusatzes war der Beklagte jedoch - ähnlich wie ein hauptberuflich Angestellter - verpflichtet, hauptberuflich für die Klägerin tätig zu werden.
- 3. Die angefochtene Entscheidung ist nach alledem im tenorierten Umfang aufzuheben. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da das Beschwerdegericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Beklagte während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen hat (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG). Die Sache ist deshalb zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO.
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