Das Urteil des OLG Koblenz stellt sich als Lehrbeispiel zu den Zustellungsvorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) dar. Streitig war, ob ein Einspruch gegen ein Versäumnisurteil rechtzeitig erfolgte. Das Landgericht hatte dies negiert und von daher diesen mit dem von der Beklagten mit der Berufung angegriffenen Urteil als unzulässig verworfen. Das Berufungsgericht (OLG Koblenz) musste sich damit auseinandersetzen, ob (und gegebenenfalls wann) das Versäumnisurteil prozessordnungsgemäß zugestellt wurde. Grundlage der Entscheidung des Landgerichts war, dass – nach vergeblichen Versuch der elektronischen Zustellung bei dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten – dieses schließlich in Papierform bei diesem zugestellt wurde, aber das Datum insoweit unleserlich war, als es „12.12. 2022“ oder „17.12.2022“ bedeuten konnte; der Prozessbevollmächtigte der Beklagten gab an, er habe erst am 27.12.2022 von dem Urteil Kenntnis genommen. Letztlich hat das OLG das den Einspruch der Beklagten verwerfende Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
1. Das Landgericht ging von einer Zustellung am 12.12.2022 aus. Der Einspruch erfolgte am 02.01.2023, wäre mithin verfristet gewesen (die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen, § 339 Abs. 1 ZPO). Ausgehend von diesen Daten wäre die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden gewesen (bei einer Zustellung am 17.12.2022 wäre die Frist gewahrt gewesen, da Fristablauf der 31.12.2022 wäre und, da die Frist auf einen Samstag fiel, mithin der nächste Werktag, der 01.01.2023, § 193 BGB). Wiedereinsetzung wurde der Beklagten nicht gewährt, da diese sich bei Unleserlichkeit bei Gerich hätte über das korrekte Zustelldatum informieren müssen. Das sah das OLG (zutreffend) anders.
Abgestellt wurde vom OLG auf § 180 ZPO (Zustellung mit Postzustellungsurkunde per Einlegen in den Briefkasten, da niemand zur Entgegennahme angetroffen wurde). Diese Zustellung (am 12.12.2022) sei, so das Landgericht, von dem Postzusteller eindeutig auf der Postzustellungsurkunde vermerkt worden. Das reiche aber nicht, so das OLG. Denn nach § 180 S. 3 ZPO sei vom Zusteller das Datum der Zustellung ebenfalls auf dem zuzustellenden Umschlag zu vermerken. Der BGH habe mit Urteil vom 15.03.2023 - VII ZR 99/22 - zu einem Fall, bei dem sich kein Datum auf dem Umschlag befand (ein übrigens nicht seltener Fall) bereits entschieden, dass es sich bei hier um eine zwingende Zustellungsvorschrift iSv. § 189 ZPO handele und bei Verletzung dieser Vorschrift die Zustellung erst als mit dem Tag des tatsächlichen Zugangs als bewirkt gelte (die Gründe des BGH wurden vom OLG angeführt, u.a. die Schutzbedürftigkeit des Zustellungsempfängers). Die Schutzbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass die (förmliche) Zustellung der Sicherung des Nachweises von Zeit und Art der Übergabe des Schriftstücks diene, da sich die die Zustellung (wie ersichtlich) wichtige prozessuale Wirkungen (wie hier z.B. Fristen) knüpfen würden.
Die Grundform der Zustellung ist die körperliche Übergabe des Schriftstücks (§ 116 Abs. 1, § 177 ZPO); bei der Einlegung in den Briefkasten handelt es sich um eine Ersatzzustellung, die (an sich) nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 189 ZPO erfolgen darf (wenn sie auch von Zustellern häufig trotz Anwesenheit des Empfängers vorgenommen wird, wie wir in unserer Kanzlei bei Zustelllungen an und selbst häufig feststellen). § 180 S. 2 ZPO, so das OLG in Bezug auf die Entscheidung des BGH, knüpfe an das Einlegen in den Briefkasten die Fiktion der Bekanntgabe. Die Angabe des Datum der Einlegung auf dem Umschlag solle dem Empfänger eine Ungewissheit über den genauen Zeitpunkt des mit dieser Bekanntgabe genauen Zustellungszeitpunkts und damit gegebenenfalls Beginn einer Frist ausgleichen.
Auch wenn vorliegend anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall hier ein Datum vermerkt wurde, doch sei dort (wie der Senat des OLG bei Inaugenscheinnahme des Umschlags festgestellt habe) das Datum nicht eindeutig zu lesen gewesen (entweder 12.12.22 oder 17.12.22). Das unleserliche Datum sei wie der Fall des fehlenden Datums zu behandeln. Letztlich sei der Empfänger bei einem unlesbaren Datum in der gleichen Situation wie jener, bei dem kein Datum angegeben worden ist. Er könne nicht feststellen, wann eine Frist zu laufen beginne. Zwar lag hier ein Zeitfenster vor, insoweit lediglich der Tag (der 12. oder der 17) undeutlich war. Gleichwohl sei die Frist, so das OLG, nicht sicher zu berechnen. Nach § 180 ZPO könne nur ein konkretes (leserliches) Datum gemeint sein, welches auf dem Umschlag aufzunehmen ist. Da das Zustellungsverfahren dazu diene, als förmliches Verfahren für Rechtssicherheit zu sorgen und Daten nachweisen zu können, könne ein unleserliches Datum dienen Zweck ebenso wenig erfüllen wie ein fehlendes Zustelldatum.
Damit sei die Zustellung (gemäß Postzustellungsurkunde am 22.12.2022) unwirksam. Nach der vom Kläger nicht widerlegten Angabe des Prozessbevollmächtigten der Beklagten habe dieser erstmals von dem Versäumnisurteil am 27.12.2022 Kenntnis genommen, weshalb mit diesem Datum der Lauf der Einspruchsfrist iSv. § 189 ZPO beginne. Diese Rechtsansicht des OLG wird durch § 189 ZPO (Heilung von Zustellungsmängeln) gestützt, wonach bei Nichtnachweis einer formgerechten Zustellung das Datum gilt, zu dem das Dokument der betroffenen Person tatsächlich zugegangen ist.
2. Die Klägerseite hatte eine Zustellungsvereitelung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingewandt, da dieser im Rahmen der (zulässigen) elektronischen Übermittlung (über beA = besonderes elektronisches Anwaltspostfach) das (elektronische) Empfangsbekenntnis , trotz dreifacher Erinnerung, nicht abgegeben habe. Dem folgte das OLG aus zutreffenden Erwägungen nicht.
Das OLG konstatiert, dass die Zustellung mittels elektronischen Empfangsbekenntnis dem Gericht eine kostengünstige und schnelle Zustellung bewirken kann. Allerdings erfordere dies die Mitwirkung des Empfängers. § 175 ZPO enthalte allerdings keine Verpflichtung zur Entgegennahme (allgemeine Ansicht, z.B. Vogt-Beheim in Anders/Gehle, ZPO 92 Aufl. 1024 zu § 175 Rn. 12); standesrechtliche Pflichten des Anwalts seien nicht entscheidend. Es genüge nicht, dass der Adressat das Schriftstück zur Kenntnis oder auch in Gewahrsam nähme (anders als bei Zustellung durch Gerichtsvollzieher oder Post), sondern er müsse auch den Willen haben, das Schriftstück zugestellt zu bekommen (also empfangsbereit sein). Dies geschehe in der Regel durch Unterschrift des Empfangsbekenntnisses (oder elektronische Bestätigung). Damit müsse der Anwalt zunächst Kenntnis von dem Schriftstück haben, bevor er entscheiden könne, ob er es als zugestellt ansehe. Er könne auch konkludent, so z.B. durch Überlassung an den Mandanten, den Annahmewillen zum Ausdruck bringen (Anm.: was allerdings dem Gericht in der Regel nicht bekannt ist). Das OLG weist auch darauf hin, dass die für eine Zustellung nach § 174 ZPO erforderliche Empfangsbereitschaft nicht alleine durch den Nachweis des bloßen Zugangs iSv. § 189 ZPO erfolgen könne, da zumindest eine konkludente Äußerung vorliegen müsse, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück als zugestellt entgegenzunehmen. Eine Verweigerung der Empfangnahme im Sinne einer Zustellung könne bei Nichtrücksendung des Empfangsbekenntnisses nicht ausgegangen werden, wenn die Gesamtumstände auf das Gegenteil hinweisen würden. Ein hierbei abweichender oder genteiliger Wille des Adressaten sei unbeachtlich, wenn er nach Außen keinen Ausdruck gefunden habe (BGH, Beschluss vom 13.01.2015 - VIII ZB 55/14 -).
Vorliegend wurde das
Empfangsbekenntnis vom Beklagtenvertreter nicht mit Datum und Unterschrift
versehen an das Landgericht zurückgesandt. Anhaltspunkte für eine konkludente
Empfangsbereitschaft gäbe es nicht.
OLG
Koblenz, Urteil vom 13.12.2023 - 10 U 472/23 -
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 03.03.2023 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht Trier zurückverwiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger
unterhält bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Mit seiner
Klage vor dem Landgericht Trier hat er die (weitere) Gewährung von
Versicherungsleistungen geltend gemacht; im Termin vom 03.11.2022 erging auf
Antrag des Klägers gegen die Beklagte ein den Klageanträgen entsprechendes
Versäumnisurteil, vgl. Bl. 50 f. eGA LG.
Das
Versäumnisurteil konnte der Beklagten nicht auf elektronischem Weg zugestellt
werden; trotz mehrfacher Monierung wurde kein Empfangsbekenntnis zurückgesandt.
Das Gericht hat darauf die Zustellung des Versäumnisurteils an den
Beklagtenvertreter in Papierform auf dem Postweg eingeleitet. Ausweislich der
Postzustellungsurkunde (zu Bl. 55 eGA LG) erfolgte die Zustellung am
12.12.2022. Auf dem Zustellumschlag, vgl. BLD 28 (in Papierform), ist
handschriftlich ebenfalls ein Datum eingetragen, das von den Prozessbeteiligten
als „12.12.2022“ oder als „17.12.2022“ gelesen wird. Mit Schriftsatz vom
02.01.2023, am gleichen Tag bei Gericht eingegangen, hat die Beklagte Einspruch
gegen das Versäumnisurteil eingelegt.
Auf den Hinweis
des Landgerichts, der Einspruch sei verfristet, hat die Beklagte dem mit
Schriftsatz vom 18.01.2023 widersprochen und hilfsweise einen Antrag auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.
Mit dem
angegriffenen Urteil hat das Landgericht diesen Einspruch als unzulässig
verworfen. Es hat dazu ausgeführt, das Versäumnisurteil sei dem
Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 12.12.2022 zugestellt worden, die
Einspruchsfrist sei mit dem 27.12.2022 abgelaufen, der Schriftsatz, mit dem die
Beklagte Einspruch eingelegt habe, sei jedoch erst am 02.01.2023 bei Gericht
und somit nach Fristablauf eingegangen. Die Voraussetzungen für die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Einspruchsfrist seien
nicht gegeben. Zwar sei die Einspruchsfrist grundsätzlich eine
wiedereinsetzungsfähige Notfrist, die Beklagte habe diese Frist jedoch nicht
ohne ihr Verschulden im Sinne des § 233 Satz 1 ZPO versäumt, sondern
durch fahrlässiges Verhalten des Beklagtenvertreters, das ihr nach § 85
Abs. 2 ZPO zuzurechnen sei. Dieser habe nämlich die von ihm als
„17.12.2022“ gelesene, aber tatsächlich unleserliche und mehrdeutige Eintragung
des Datums auf dem Zustellungsumschlag (12.12.2022 oder auch 17.12.2022) nicht
seiner Fristberechnung zugrundelegen dürfen, sondern hätte bei Beachtung der
anwaltlichen Sorgfalt Maßnahmen ergreifen müssen, zum Beispiel eine
telefonische Rückfrage bei Gericht, um das Zustelldatum zuverlässig
aufzuklären. Dass er dies unterlassen habe, sei ursächlich für die
Fristversäumung gewesen.
Gegen dieses
Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese
begründet.
Sie trägt vor,
das Landgericht
habe fehlerhaft nicht geprüft, ob eine den Fristlauf auslösende Zustellung
überhaupt stattgefunden habe. Wenn die Zustellung unwirksam sei, werde keine
Einspruchsfrist in Gang gesetzt.
Gehe man doch
von einer Zustellung am 12.12.2022 aus, so sei auf ihren Antrag hin
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Einspruchsfrist zu gewähren, denn
eine Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagtenvertreters liege nicht vor.
Sie beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen
Entscheidung das Versäumnisurteil vom 03.11.2022 auf den Einspruch der
Beklagten vom 02.01.2023 hin – hilfsweise nach Gewährung von Wiedereinsetzung
hinsichtlich der Einspruchsfrist in den vorigen Stand - aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Hilfsweise beantragt sie,
die Sache unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen und schließt sich dem Hilfsantrag der Beklagten an.
Er verteidigt
das erstinstanzliche Urteil und verweist darauf, dass die Beklagte zum
Zustellungsversuch per beA keine Stellung genommen habe.
Zur ergänzenden
Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze sowie den gesamten Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige
Berufung der Beklagten hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Auf die
Hilfsanträge beider Parteien wird die Sache gemäß § 538 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen. Die
Voraussetzungen nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen
vor, denn mit dem angefochtenen Urteil wurde der Einspruch der Beklagten gegen
ein Versäumnisurteil vom 03.11.2022 als unzulässig verworfen.
Das Urteil kann
keinen Bestand haben, weil die Zustellung des Versäumnisurteils vom 03.11.2022
an die Beklagtenvertreter am 12.12.2022 nicht wirksam war und die Zustellung
gemäß § 189 ZPO als zum 27.12.2022 erfolgt gilt. Dann aber ist der
Einspruch der Beklagten vom 02.01.2023 noch während des Laufs der
Einspruchsfrist rechtzeitig beim Landgericht Trier eingegangen und durfte nicht
wegen Fristversäumung als unzulässig verworfen werden.
1.
Die Zustellung
an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten per Postzustellungsurkunde (im
Folgenden: PZU) nach § 180 ZPO ist nicht wirksam erfolgt. Das Landgericht
hat in der angegriffenen Entscheidung letztlich rechtsfehlerhaft angenommen,
dass es vorliegend für eine wirksame Zustellung ausreicht, dass auf der
Zustellungsurkunde das Zustelldatum, zu dem der Zusteller das maßgebliche
Schriftstück, hier das Versäumnisurteil, bei dem Prozessbevollmächtigten der
Beklagten eingeworfen hat, eindeutig vermerkt ist.
a) Zwar
liegt eine Zustellungsurkunde (vgl. zu Bl. 55 eGA LG) vor, aus der sich die
Zustellung des Versäumnisurteils per PZU am 12.12.2022 ergibt, doch ist die
Ersatzzustellung gleichwohl nicht wirksam erfolgt. Gemäß § 180 Satz 3
ZPO hat der Zusteller auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das
Datum der Zustellung ebenfalls zu vermerken. Der Bundesgerichtshof hat mit
Versäumnisurteil vom 15.03.2023 - VIII ZR 99/22 (für einen Fall, in dem auf dem
Umschlag gar kein Datum vermerkt war) entschieden, dass es sich bei der
Verpflichtung des Zustellers gemäß § 180 Satz 3 ZPO, das Datum der
Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks zu vermerken, um
eine zwingende Zustellungsvorschrift im Sinne des § 189 ZPO handelt mit
der Folge, dass das Schriftstück bei einer Verletzung dieser Vorschrift erst
mit dem tatsächlichen Zugang als zugestellt gilt, vgl. dort insb. Rn. 18 ff.,
zitiert nach juris.
Dies begründet
der Bundesgerichtshof mit dem Wortlaut der Vorschrift, ihrer systematischen
Stellung und der Schutzbedürftigkeit des Zustellungsempfängers.
Der Wortlaut
des § 180 ZPO spreche nicht deshalb gegen eine Einordnung der
Verpflichtung zur Anbringung eines Vermerks über das Datum der Zustellung als
zwingende Zustellungsvorschrift, weil die hierzu in Satz 3 getroffene
Bestimmung den übrigen Sätzen der Vorschrift, insbesondere der Regelung zur
Wirkung der Einlegung in den Briefkasten (Satz 2), nachfolge. Weder die
sprachliche Formulierung noch die Gesetzesmaterialien böten einen tragfähigen
Anhaltspunkt für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der gewählten
Reihenfolge der Sätze innerhalb der Vorschrift eine bestimmte rechtliche
Einordnung der jeweils getroffenen Regelung zum Ausdruck bringen wollen, Rn.
19.
Auch in
systematischer Hinsicht verdeutliche der Umstand, dass die Pflicht, das Datum
der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks zu vermerken,
ausdrücklich in der die Art und Weise dieser Form der Ersatzzustellung
regelnden Vorschrift des § 180 ZPO enthalten sei und nicht in der
Vorschrift über die - nur dem Nachweis dienende - Beurkundung der Zustellung
(§ 182 ZPO), dass es sich bei der Anbringung des Vermerks um einen
Bestandteil der Ersatzzustellung und nicht lediglich um einen Beurkundungsvorgang
handeln solle. Dass dieser Bestandteil vom Gesetzgeber wiederum als wesentlich
angesehen werde, ergebe sich daraus, dass die Vorschrift des § 182
Abs. 2 ZPO über den notwendigen Inhalt der Zustellungsurkunde in
Nr. 6 die Aufnahme einer Bemerkung über das Anbringen des Vermerks als
Nachweis für die Erfüllung der nach § 180 Satz 3 ZPO bestehenden
Pflicht verlange, vgl. Rn. 20.
Schließlich
erfordere auch die Schutzbedürftigkeit des Zustellungsadressaten die Einordnung
des § 180 Satz 3 ZPO als zwingende Zustellungsvorschrift, denn die
(förmliche) Zustellung diene der Sicherung des Nachweises von Zeit und Art der
Übergabe des Schriftstücks, weil sich an die Zustellung wichtige prozessuale
Wirkungen knüpfen. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe solle dokumentiert werden.
Zudem gewährleisteten die Vorschriften über die Zustellung den Anspruch des
Zustellungsadressaten auf rechtliches Gehör, indem sie sicherstellen, dass der
Betroffene Kenntnis von dem zuzustellenden Dokument nehmen und seine
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darauf einrichten könne (vgl. BVerfGE
67, 208, 211). Im Hinblick auf diesen bei der Auslegung zu beachtenden verfassungsrechtlichen
Rahmen komme bei der Beantwortung der Frage, ob die Verpflichtung zur
Anbringung des Vermerks über das Zustellungsdatum eine zwingende
Zustellungsvorschrift darstelle, dem Umstand maßgebliche Bedeutung zu, dass der
Gesetzgeber bei dieser Form der Ersatzzustellung den Vorgang der körperlichen
Übergabe eines zuzustellenden Schriftstücks als Grundform der Bekanntgabe (vgl.
§ 166 Abs. 1, § 177 ZPO) durch das Einlegen in einen Briefkasten
oder in eine ähnliche Vorrichtung ersetze und hieran gemäß § 180
Satz 2 ZPO die Fiktion der Bekanntgabe geknüpft habe. Die Anbringung des
Vermerks nach § 180 Satz 3 ZPO solle eine hieraus für den
Zustellungsadressaten folgende Ungewissheit über den genauen Zeitpunkt der Zustellung
und damit über den Beginn einer gegebenenfalls mit der Einlegung in Gang
gesetzten Frist ausgleichen. Sie solle dem Zustellungsadressaten, der die an
die Zustellung geknüpfte Rechtsfolge für und gegen sich gelten lassen muss, zu
seinem Schutz den Tag der Zustellung bekannt geben. Damit stelle aber nicht nur
die Einlegung in den Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, sondern
auch der Vermerk ein Surrogat für die körperliche Übergabe des zuzustellenden
Schriftstücks dar und sei somit als notwendiger Teil der Bekanntgabe anzusehen,
vgl. Rn 21 - 23 m. w. N.
b)
Vorliegend ist zwar vom Zusteller ein Datum eingetragen worden, dieses ist
aber, wie das Landgericht tatrichterlich festgestellt hat, und was der Senat
aus eigener Anschauung des im Original zur Akte gereichten Umschlags bestätigt,
keinesfalls eindeutig zu lesen; vielmehr bleiben zumindest die Variationen der
Leseweise 12.12.22 und 17.12.22 etwa gleich wahrscheinlich.
Dieser Fall des
unleserlichen Datums ist dem Fall des fehlenden Datums gleichzustellen. Da, wie
oben dargestellt, auch die Eintragung des Datums auf dem Zustellumschlag eine
Surrogatfunktion für die Übergabe des Schriftstücks an den
Zustellungsadressaten hat und die Kenntnis des Datums seinem Schutz und der
fristgemäßen Wahrung seiner Rechte dient, ist festzustellen, dass er bei einem
nicht lesbaren Datum auf dem Zustellumschlag letztlich in der gleichen Lage
ist, als wenn ihm gar kein Datum mitgeteilt wird. Er kann nicht feststellen,
wann Fristen für seine möglichen Rechtsbehelfe zu laufen beginnen. Auch wenn
der Zustellungsempfänger dem unleserlichen Datum der Zustellung - wie hier -
noch ein Zeitfenster, nämlich den leserlich vermerkten Monat der Zustellung
entnehmen kann, ist allein durch diese Information der Lauf von
Rechtsbehelfsfristen gerade nicht sicher zu berechnen. § 180 Satz 3
ZPO verlangt, das Datum auf dem Umschlag zu vermerken; schon diesem Wortlaut
nach kann damit nur ein konkretes, dem Zeitpunkt der Einlegung in den
Briefkasten nach § 180 Satz 2 ZPO entsprechendes und somit ein in
dieser Weise leserliches Datum gemeint sein. Da die Zustellungsverfahren
grundsätzlich dazu dienen, als förmliche Verfahren für Rechtssicherheit zu sorgen
und Daten nachweisen zu können, kann ein unleserliches Datum diesen Zweck
ebenso wenig erfüllen wie ein gänzlich fehlendes Zustelldatum. Zudem ist den
Vorschriften zur Zustellung mit PZU keine Nachforschungspflicht des
Zustellungsempfängers wegen des Zugangs der Zustellung zu entnehmen.
c) Die
Zustellung am 12.12.2022 war somit unwirksam. Die Vorschrift des § 189 ZPO
findet Anwendung. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten selbst hat das
Versäumnisurteil nach seinem vom Kläger nicht widerlegten Vorbringen erstmals
am 27.12.2022 zur Kenntnis genommen; dieses Datum ist somit für den Beginn des
Laufs der Einspruchsfrist im Sinne des § 189 ZPO maßgeblich und der am
02.01.2023 beim Landgericht eingegangene Einspruch erfolgte somit noch
fristgerecht.
2.
Entgegen der
Auffassung des Klägers ist vorliegend auch kein Fall der vereitelten Zustellung
gegeben.
a) Nach
Erlass des Versäumnisurteils vom 03.11.2022 hat die Geschäftsstelle des
Landgerichts Trier dieses zunächst zum Zwecke der Zustellung den
Prozessbevollmächtigten der Beklagten elektronisch gegen Empfangsbekenntnis
zugeleitet, vgl. Bl. 53 eGA LG, und an die Rücksendung des
Empfangsbekenntnisses anschließend dreimal erfolglos erinnert.
b) Durch
die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis kann die Geschäftsstelle grundsätzlich
kostengünstig und schnell Zustellungen bewirken. Diese (eigenständige)
Zustellungsform erfordert jedoch die Mitwirkung des Empfängers, was mit
Abstrichen bei der Dokumentation des Zustellungsvorgangs korrespondiert,
Münchener Komm. - Häublein/Müller, Kommentar zur ZPO, 6. A., § 174 Rn. 1.
Neben der
Übersendung des zuzustellenden Schriftstücks und dem Zustellungswillen setzt
die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis auch die Mitarbeit des
Zustellungsempfängers voraus.
Nach
Verfahrensrecht ist der Adressat nicht verpflichtet, eine Zustellung nach
§ 175 ZPO entgegenzunehmen; für den Rechtsanwalt besteht eine
entsprechende Standespflicht, vgl. Zöller - Schultzky, ZPO, 35. A., § 175
Rn. 4. Zudem genügt es nicht, dass der Adressat das Schriftstück zur Kenntnis
oder auch in Gewahrsam nimmt; er muss vielmehr – anders als bei einer
Zustellung durch den Gerichtsvollzieher oder die Post – auch empfangsbereit
sein, das heißt den Willen haben, das Schriftstück als zugestellt entgegenzunehmen.
Dieser Wille muss sich auf ein bestimmtes Schriftstück beziehen und zum
Ausdruck gebracht werden, was in der Regel durch Unterzeichnung des
Empfangsbekenntnisses geschieht. Das bedeutet, der Anwalt muss zunächst vom
Zugang des Zustellstücks Kenntnis erlangen, bevor er entscheidet, ob er es als
zugestellt ansieht. Die Entgegennahme des Schriftstücks und seine – allgemeinen
Anweisungen entsprechende – Bearbeitung durch das Personal des Adressaten haben
nur vorbereitenden Charakter. Der Annahmewille muss nicht dadurch dokumentiert
werden, dass der Empfänger den Vordruck des Empfangsbekenntnisses ausfüllt.
Vielmehr kann er den Empfang und Annahmewillen auch anders bestätigen. So
genügt es etwa, dass der Prozessbevollmächtigte sich in einer Rechtsmittelschrift
auf das angegriffene Urteil mit den Worten „zugestellt am (…)“ bezieht. Der
Annahmewille kann auch konkludent zum Ausdruck gebracht werden, etwa durch
Übersendung des Urteils an die Mandanten, Raterteilung zur Einlegung der
Berufung und Entgegennahme des dahingehenden Auftrags oder auch durch
schriftsätzliches Einlassen auf das Schriftstück. § 179 ZPO findet keine
Anwendung; denn verfahrensrechtlich (anders nach Standesrecht) besteht keine
Pflicht zur Entgegennahme und Rücksendung des Empfangsbekenntnisses, vgl.
Häublein/Müller, aaO, Rn. 6 m. w. N.
Die zumindest
konkludente Äußerung des Willens, das Schriftstück zur Zustellung anzunehmen,
ist zwingende Voraussetzung der wirksamen Zustellung. Zwar kann die für eine
Zustellung nach § 174 ZPO erforderliche Empfangsbereitschaft nicht allein
durch den bloßen Nachweis des tatsächlichen Zugangs im Sinne von § 189 ZPO
ersetzt werden. Hinzukommen muss noch die zumindest konkludente Äußerung des
Willens, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück dem Angebot entsprechend
als zugestellt entgegenzunehmen (BGH, Beschluss vom 13.01.2015 – VIII ZB 55/14
–, Rn. 12, juris). Von einer Weigerung, das zuzustellende Schriftstück in
Empfang zu nehmen, kann auch bei fehlender Rücksendung eines unterschriebenen
Empfangsbekenntnisses nicht ausgegangen werden, wenn die Gesamtumstände
gleichwohl in gegenteilige Richtung weisen und hinreichend zuverlässig auf die
Empfangsbereitschaft des Adressaten schließen lassen. Ein hierbei vom
Adressaten abweichend oder gegenteilig gebildeter Wille, das ihm übersandte
Schriftstück (noch) nicht als zugestellt betrachten zu wollen, ist
unbeachtlich, wenn er nach außen keinen Ausdruck gefunden hat, BGH, Beschluss
vom 13.01.2015, a. a. O., Rn. 12.
c)
Vorliegend ist das Empfangsbekenntnis von dem Beklagtenvertreter nicht
unterschrieben und mit Datum versehen an das Landgericht zurückgesandt worden.
Es sind auch keine Anhaltspunkte erkennbar, dass der Beklagtenvertreter
empfangsbereit war und irgendwelche Maßnahmen ergriffen hätte, die konkludent
seine Empfangsbereitschaft beinhaltet hätten. Solche Anhaltspunkte zeigt auch
der Kläger nicht auf.
Damit ist gemäß
§ 189 ZPO von einer Zustellung des Versäumnisurteils vom 03.11.2022 an den
Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 27.12.2022 auszugehen; da der am
02.01.2023 beim Landgericht Trier eingegangene Einspruch hiergegen noch
rechtzeitig ist, hat das Landgericht Trier daher die Klageanträge noch in der
Sache zu prüfen.
3.
Das
zurückverweisende Urteil enthält keine Kostenentscheidung; diese ist dem
erstinstanzlichen Schlussurteil vorzubehalten (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 35.
Auflage, § 538, Rn. 58, m. w. N.).
Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708
Nr. 10 ZPO. Danach ist das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären,
weil das Vollstreckungsorgan die Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil
erst einstellen und getroffene Vollstreckungsmaßnahmen aufheben darf, wenn eine
vollstreckbare Ausfertigung vorgelegt wird, aus der sich die Aufhebung der
Entscheidung ergibt (§§ 775 Nr. 1, 776 ZPO; vgl. OLG München, Urteil
vom 18.09.2002 - 27 U 1011/01 - Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom
04.01.2018 - 7 U 146/15 - Rn. 61; Zöller-Heßler, a. a. O., Rn. 59).
Ein Grund, die
Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO), besteht nicht.
Der Streitwert
für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47, 48 GKG auf 57.536,12 €
festgesetzt.
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