Donnerstag, 21. März 2024

Verwertung des Gutachtens des wegen Besorgnis der Befangenheit erfolgreich abgelehnten Sachverständigen ?

Es handelte sich um einen Arzthaftungsprozess. In der Verhandlung über ein medizinisches Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen (SV) lehnte die Klägerin diesen wegen Besorgnis der Befangenheit ab und begründete dies in einem späteren Schriftsatz, zu dem der Sachverständige Stellung nahm. Dem Befangenheitsantrag wurde im Beschwerdeverfahren vor dem OLG stattgegeben, allerdings im Hinblick darauf, dass zwischenzeitlich die Klägerin ihren Befangenheitsantrag auf den Inhalt der Stellungnahme des SV stützte. In der Folge wurde die Klage unter Berücksichtigung des Gutachtens des abgelehnten SV abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen, wobei der Senat insoweit die Befangenheitsablehnung (festgestellt durch einen anderen Senat) als unzulässig ansah.  Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das OLG. 

Zunächst stellte der BGH fest, dass gem. § 412 Abs. 2 ZPO die Begutachtung durch einen anderen SV anordnen „kann“, wenn der bestellte Sachverständige erfolgreich abgelehnt worden sei. „Kann“ sei hier dahingehend zu verstehen, dass das Gutachten des abgelehnten SV grundsätzlich nicht mehr verwertet werden dürfe. Gründe, die eine Ausnahme zulassen würden, lägen nicht vor. 

In diesem Zusammenhang setzte sich der BGH mit der Annahme des Berufungsgerichts auseinander, das Ablehnungsgesuch der Klägerin als unzulässig einzustufen. Er verwies zutreffend darauf, dass diese Beurteilung der Bindungswirkung der im Ablehnungsverfahren getroffenen Entscheidung widerspreche. Die Entscheidung des anderen Senats des OLG, mit der dem Ablehnungsantrag stattgegeben worden sei, unterliege gem. §§ 512, 406 Abs. 5 ZPO nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts, welches an die rechtskräftige Entscheidung gebunden sei. 

Eine Ausnahme von dem aus § 412 Abs. 2 ZPO verankerten Verwertungsverbot läge vor, wenn die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen berufene Partei den Ablehnungsgrund selbst in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert habe und gleichzeitig kein Anlass bestünde, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen sei (BGH, Beschluss vom 26.04.2007 - VII ZB 18/06 -). Die Entscheidung zur weiteren Verwertbarkeit sei nicht Teil des Ablehnungsverfahrens. Welche Folgen die erfolgreiche Ablehnung habe, sei vom Gericht im Rahmen seiner Entscheidung, welche Beweise noch zu erheben sind, zu beurteilen. 

Hier habe das Berufungsgericht schon keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergäbe, dass die Klägerin den Ablehnungsgrund rechtsmissbräuchlich provoziert habe. 

Auch habe es rechtsfehlerhaft angenommen, dass kein Anlass zur Besorgnis bestünde, dass die Unvoreingenommenheit des SV schon bei Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei. In seinen Ausführungen habe das Berufungsgericht zunächst nur dargelegt, was die Klägerin als Befangenheitsgrund iSv. § 406 Abs. 1 S. 1 , § 42 Abs. 1 und 2 ZPO angesehen habe. Den fehlenden Anlass zur Besorgnis der beeinträchtigten Unvoreingenommenheit des SV habe das Berufungsgericht mit dem Hinweis darauf begründet. Dass der SV und er Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und daher für den SV (anders als ins einer späteren Stellungnahme zum Befangenheitsantrag nach der mündlichen Verhandlung) kein Anlass bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren.  Es würden Darlegungen im Urteil fehlen, ob die Unvoreingenommenheit des SV bereits zuvor beeinträchtigt gewesen sein könnte. Dass sich diese mögliche Beeinträchtigung nicht schon früher offenbart hätte, folge nicht, dass sie nicht vorgelegen habe. 

Offen ließ der BGH, ob die Verwertbarkeit des Gutachtens auch dann in Betracht kommen könne, wenn die sich auf die Befangenheit berufene Partei dem Ablehnungsgrund nicht rechtsmissbräuchlich provoziert habe. Auch dann käme eine Verwertung des Gutachtens nur in Betracht, wenn kein Anlass zu der Besorgnis bestünde, dass die Unvoreingenommenheit des SV schon bei dessen Erstellung (und ggf. Erläuterung) beeinträchtigt gewesen sei. Dies sei hier nicht der Fall. 

BGH, Urteil vom 05.12.2023 - VI ZR 34/22 -


Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. Dezember 2021 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte nach ärztlicher Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten vom 5. Juli 2020 im Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 4. Februar 2021 mündlich erläutert. Die Klägerin hat den Sachverständigen im Termin als befangen abgelehnt und dies anschließend in einem Schriftsatz begründet. Mit Schreiben vom 18. April 2021 hat der Sachverständige dazu Stellung genommen. Daraufhin hat die Klägerin ihr Befangenheitsgesuch mit einem neuen Schriftsatz auch darauf gestützt, dass der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 18. April 2021 in unangemessener Weise Kritik am Befangenheitsantrag sowie an ihrem Prozessbevollmächtigten und dessen Verhalten in der mündlichen Verhandlung geübt habe. Das Landgericht hat das Gesuch der Klägerin, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht (4. Zivilsenat) den Beschluss des Landgerichts abgeändert und das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen für begründet erklärt. Es hat ausgeführt, dass dahinstehen könne, ob die zunächst geltend gemachten Gründe rechtzeitig angebracht worden seien, da es jedenfalls zu diesem Zeitpunkt an einem Befangenheitsgrund gemangelt habe. Jedoch habe der Sachverständige mit seiner Stellungnahme vom 18. April 2021 die Grenzen der gebotenen Neutralität und Sachlichkeit überschritten, indem er das Prozessverhalten und die Persönlichkeitsstruktur des Klägervertreters analysiert und negativ bewertet habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (5. Zivilsenat) hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat - soweit im vorliegenden Zusammenhang relevant - ausgeführt, dass die Klägerin einen Behandlungsfehler oder eine fehlerhafte Aufklärung nicht nachgewiesen habe. Das Gutachten des Sachverständigen vom 5. Juli 2020 und das Ergebnis der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vom 4. Februar 2021 seien weiterhin verwertbar. Das Landgericht sei nicht verpflichtet gewesen, ein neues Gutachten eines anderen Sachverständigen einzuholen. Da der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren, bestehe auch aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zu der Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei der Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei. Darüber hinaus sei das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich, weil sie damit verfahrensfremde Zwecke verfolge. Ablehnungsanträge, welche ausschließlich zur Prozessverschleppung oder zur Verfolgung anderer verfahrensfremder Zwecke gestellt würden, seien aufgrund fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Im vorliegenden Fall sei die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke aus dem Prozessverlauf ersichtlich.

Ein neues Sachverständigengutachten müsse nicht deshalb eingeholt werden, weil der Sachverständige die Beantwortung entscheidungserheblicher Fragen verweigert habe oder dessen angeblich widersprüchliche Aussagen hätten aufgeklärt werden müssen. Der Sachverständige müsse auch nicht erneut zur Erläuterung seines Gutachtens geladen werden. Ein Behandlungsfehler sei nicht nachgewiesen.

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht keine Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen angeordnet (§ 412 Abs. 2 ZPO) und seine Entscheidung auf die Ausführungen des abgelehnten Sachverständigen gestützt hat.

1. Gemäß § 412 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist. In diesem Fall darf ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO ("kann") das Gutachten des abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht mehr verwertet werden (vgl. Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 406 Rn. 8, § 412 Rn. 29; Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl., § 412 Rn. 1; Huber in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., § 406 Rn. 18, § 412 Rn. 2; Berger in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 406 Rn. 66; BeckOK ZPO/Scheuch, 50. Ed. 1.9.2023, § 406 Rn. 39; Siebert in Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 406 Rn. 16, § 412 Rn. 7; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 406 Rn. 15, § 412 Rn. 3; Katzenmeier in Prütting/Gehrlein, ZPO, 15. Aufl., § 412 Rn. 2).

2. Gründe für eine Ausnahme von dieser Regel liegen nicht vor.

a) Das Berufungsgericht hat nicht annehmen dürfen, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin unzulässig sei.

aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich sei, weil sie damit verfahrensfremde Zwecke verfolge. Ablehnungsanträge, welche ausschließlich zur Prozessverschleppung oder zur Verfolgung anderer verfahrensfremder Zwecke gestellt würden, seien aufgrund fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke sei aus dem Prozessverlauf ersichtlich. In ihrer Stellungnahme zum Sachverständigengutachten habe sich die Klägerin noch einige seiner Aussagen zu eigen gemacht und lediglich die fehlerhafte Zugrundelegung eines falschen Sachverhalts gerügt. Als der Sachverständige jedoch bei seinen der Klägerin ungünstigen Feststellungen geblieben sei, sei der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit angebracht worden. Danach sei offensichtlich, dass die Klägerin die ihr unliebsame Folge der Beweisaufnahme dadurch zu umgehen versucht habe, durch die Ablehnung des Sachverständigen die Einholung eines neuen Gutachtens zu erreichen. Diese unzulässige, weil rechtsmissbräuchliche Prozesstaktik bzw. dieses Ziel ergebe sich schließlich auch aus der Berufungsbegründung, in der die Klägerin mitgeteilt habe, sie hätte ein eigenes Gutachten eingeholt, wenn das Landgericht - statt direkt die Klage abzuweisen - darauf hingewiesen hätte, dass es das Sachverständigengutachten verwerten wolle.

bb) Diese Beurteilung des Berufungsgerichts widerspricht der Bindungswirkung der im Ablehnungsverfahren getroffenen Entscheidung. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat ein anderer Zivilsenat des Oberlandesgerichts das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen für begründet erklärt. Diese Entscheidung unterliegt gemäß § 512, § 406 Abs. 5 ZPO nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts, das an sie gebunden ist.

cc) Im Übrigen trägt der Verfahrensablauf nicht die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Das Prozessverhalten der Klägerin stellt entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts keine rechtsmissbräuchliche Prozesstaktik dar, um eine unliebsame Folge der Beweisaufnahme zu umgehen, sondern die Wahrnehmung eines prozessualen Rechts. Denn es steht einer Partei frei, vom Ablehnungsrecht (§ 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO) in den durch § 406 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 ZPO bestimmten zeitlichen Grenzen Gebrauch zu machen.

b) Zwar steht die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen der Verwertbarkeit seines Gutachtens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2007 - VII ZB 18/06, NJW-RR 2007, 1293 Rn. 12; Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 406 Rn. 8; Siebert in Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 406 Rn. 16; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 406 Rn. 15). Die Entscheidung über die Frage der weiteren Verwertbarkeit ist nicht mehr Teil des Ablehnungsverfahrens. Ein Ablehnungsgesuch ist ein einheitlich zu behandelnder Antrag, der entweder insgesamt zurückzuweisen ist oder zur Feststellung der Befangenheit des Abgelehnten führt. Welche Folgen die erfolgreiche Ablehnung insbesondere im Hinblick auf die bisherige Mitwirkung des abgelehnten Sachverständigen hat, ist vom Gericht im Rahmen seiner Entscheidung, welche Beweise noch zu erheben sind, zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2007 - VII ZB 18/06, NJW-RR 2007, 1293 Rn. 11).

aa) Allerdings hat das Berufungsgericht schon keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat.

bb) Zudem hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, es bestehe kein Anlass zu der Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen sei.

(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe zunächst weder in der Vorbereitung oder in der Begutachtung an sich noch in der schriftlichen Ausarbeitung des Sachverständigen vom 5. Juli 2020 einen Ablehnungsgrund gesehen. Ein Ablehnungsgesuch sei erst nach der mündlichen Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 4. Februar 2021 angebracht worden. Zwar habe ein anderer Senat des Oberlandesgerichts das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt. Allerdings habe dieser eindeutig zwischen dem Verhalten des Sachverständigen bei der Begutachtung und seiner anschließenden schriftlichen Stellungnahme vom 18. April 2021 zum Befangenheitsantrag differenziert und ausgesprochen, dass ein Befangenheitsgrund erst mit seiner Stellungnahme gegeben sei. Er habe herausgearbeitet, dass es zum Zeitpunkt des Befangenheitsgesuchs an einem Befangenheitsgrund gemangelt habe. Daraus ergebe sich, dass Fehlverhaltensweisen des Sachverständigen bei der Vorbereitung der Begutachtung oder der Begutachtung selbst, die eine Ablehnung rechtfertigen könnten, hier nicht vorlägen. Es sei folglich nicht rechtsfehlerhaft gewesen, dass das Landgericht das schriftliche Gutachten und dessen mündliche Erläuterung verwertet habe. Die Ausführungen des Sachverständigen hätten vor dem 18. April 2021 gelegen. Erst ab diesem Zeitpunkt wäre eine Fortsetzung der Tätigkeit des Sachverständigen nicht mehr hinnehmbar gewesen, weil er sich dem Prozessbevollmächtigten gegenüber unsachlich geäußert habe. Da der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren, worauf allein der Befangenheitsgrund im weiteren Schriftsatz der Klägerin gestützt sei, bestehe auch aus der Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zur Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei der Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei.

(2) Aus diesen Erwägungen des Berufungsgerichts ergibt sich zunächst nur, was die Klägerin im Sinne von § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO als Grund, der geeignet gewesen ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen (Befangenheitsgrund), geltend gemacht hat und was als Befangenheitsgrund angenommen worden ist. Soweit das Berufungsgericht anschließend meint, es bestehe kein Anlass zur Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei, beschränkt es sich auf den Hinweis, dass der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren. Das Berufungsgericht verhält sich jedoch nicht näher dazu, ob die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen bereits zuvor beeinträchtigt gewesen sein könnte. Daraus, dass eine (mögliche) Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit sich nicht schon früher offenbart hat, folgt nicht, dass eine solche auch nicht vorgelegen hat. Die zur Befangenheit des Sachverständigen führende Kritik am klägerischen Prozessbevollmächtigten betraf insoweit hier gerade auch dessen Verhalten in der mündlichen Verhandlung, anlässlich derer sich der Sachverständige gutachterlich geäußert hatte. Deshalb ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zur Besorgnis bestand, die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen könne schon bei seinen mündlichen Ausführungen in der Verhandlung beeinträchtigt gewesen sein.

c) Schließlich kann offenbleiben, ob - wie die Revisionserwiderung meint - trotz erfolgreicher Ablehnung eines Sachverständigen die Verwertbarkeit seines Gutachtens auch dann in Betracht kommt, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat. Denn auch dann käme die Verwertung des Gutachtens jedenfalls nur in Betracht, wenn kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei dessen Erstellung (und ggf. Erläuterung) beeinträchtigt gewesen ist. Dies ist hier nicht der Fall.

3. Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).


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