Der gesetzliche Unfallversicherungsträger (UT) im Falle eines Personenschadens des (pflicht-) versicherten Arbeitnehmers anlässlich eines Arbeits- oder Wegeunfalls eintrittspflichtig. Die Ansprüche, für die der UUT aufkommen muss, gehen bereits mit dem Unfallereignis auf den UT über, die dieser gegen den verantwortlichen Schädiger (unter Berücksichtigung eines evtl. Mitverschuldens des Arbeitnehmers) regressieren kann, § 110 SGB X. In Betracht kommen können dabei auch Ansprüche gegen den Arbeitgeber („Unternehmer“ nach dem Gesetzeswortlaut im SGB VII). Allerdings sind hier Besonderheiten zu berücksichtigen. So haftet der bei einem Arbeitsunfall gegenüber dem Arbeitnehmer nach § 104 Abs. 1 SGB VII nur bei Vorsatz; ein Forderungsübergang nach § 116 SGB X findet, soweit eine Haftung nicht besteht, nach § 116 SGB X nicht statt. Allerdings sieht § 107 Abs. 1 SGB VII vor, dass der Arbeitgeber dem UT dessen entstandene Aufwendungen (bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs) zu erstatten hat, wenn der als Versicherungsfall nach dem SGB VII einzustufende Unfall vom Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde.
In dem dem BGH zur Entscheidung über eine Revision vorliegenden Rechtsstreit hatte die Arbeitgeberin (Beklagte) zwei Personen (die ehemaligen Beklagten zu 3. und 5., tätig als Nachunternehmer) im Rahmen eines ihr erteilten Auftrags zur Dacheindeckung mit der Errichtung des benötigten Gerüsts beauftragt, welches fehlerhaft ohne Fangnetz und Bordbretter erstellt wurde. Der geschädigte Arbeitnehmer (ein Auszubildender der Beklagten) stürzte bei der Ausführung von Dachdeckerarbeiten vom Dach und zog sich schwere Verletzungen zu. Das Oberlandesgericht (OLG) hat unter Abänderung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts (LG) die Klage des UT gegen die Arbeitgeberin (Beklagte) (haftend neben den ehemaligen Beklagten zu 3. und 5.) dem Grunde für gerechtfertigt erklärt. Auf die Revision der Beklagten wurde das Urteil gegen sie aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.
Soweit das OLG als Anspruchsgrundlage § 116 SGB X nannte, verneinte der BGH diesen zutreffend unter Verweis auf § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII, da es sich weder um einen vorsätzlich begangenen Arbeitsunfall noch um einen Wegeunfall handelte.
Damit käme als Rückgriffsanspruch des klagenden UT lediglich nach §§ 110 Abs. 1, § 11 S. 1 SGB VII in Betracht. Die hierzu getroffenen Feststellungen des OLG hielt der BGH für eine Bejahung des Anspruchs nicht für ausreichend.
Die Haftung nach § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII für Personen, deren Haftung wie hier nach §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt sei, gehe bis zur Höhe des zivilrechtlichen Haftungsanspruchs nur auf den UT über, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hätten. Gleiches gelte nach § 111 S. 1 SGB VII, wenn der Arbeitgeber durch ein Organ (z.B. den Geschäftsführer), Abwickler oder Liquidator einer juristischen Person, vertretungsberechtigten Gesellschafter (so bei einer OHG oder dem Komplementär einer KG) oder Liquidatoren einer Personengesellschaft des Handelsrechts oder gesetzliche Vertreter des Unternehmers in Ausführung ihnen zustehender Verrichtungen vorsätzlich oder grob fahrlässig den Versicherungsfall verursacht hätten.
Es würde sich bei §§ 110, 111 SGB VII nicht um einen (wie in § 116 SGB X) übergeleiteten Schadensersatzanspruch, sondern um einen originären selbständigen Anspruch des UT privatrechtlicher Natur handeln. Er fordere Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Unternehmers (Arbeitgebers) oder qua gesetzlicher Zurechnung der in § 111 SGB VII benannten Personen. Offen ließ der BGH in diesem Zusammenhang, ob die (vergleichbar zu der zu § 31 BGB entwickelte Repräsentantenhaftung) Haftungszurechnung auch Personen umfasse, denen der Unternehmer bedeutsame wesensmäßige Funktionen zugewiesen hat und die in Ausführung der ihnen zustehenden Verrichtungen den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführten (bejahend OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.03.2010 - 12 U 91/09 -). Jedenfalls würde § 111 S. 1 SGB VII nicht eine Zurechnung des Verschuldens von Personen begründen, die als Nachunternehmer von der juristischen Person (dem Arbeitgeber des Geschädigten) beauftragt seien.
Ein über § 111 S. 1 SGB VII hinausgehender Rückgriffsanspruch auf Dritte käme im Rahmen der Haftung nach § 110 Abs. 1 SGB VII nicht in Betracht. Der Gesetzgeber habe den Rückgriffsanspruch nach § 110 ff SGB VII besonders ausgestaltet und dabei von einer weitergehenden Zurechnungsnorm abgesehen, weshalb es sich verbiete, eine Zurechnung des Verschuldens sonstiger Personen nach anderen Vorschriften vorzunehmen. Dies begründe sich auch aus dem Regelungszweck der Normen, die präventive und erzieherische Ziele verfolgen würden (BGH, Urteil vom 15.07.2008 - VI ZR 212/07 -) und am besonders zu missbilligendes Verhalten der durch die Haftungsbeschränkung gem. § §§ 104 ff SGB VII Begünstigte selbst oder (bei juristischen Personen) ihrer Organe anknüpfen würden.
Zudem sei auch § 278 BGB im Hinblick auf die Voraussetzung der Verschuldenszurechnung nicht erfüllt. Dies setze ein bereits bestehendes Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner voraus, aus dem sich die Verbindlichkeit ergebe (BGH, Urteil vom 07.03.1972 - VI ZR 158/70 -). Ein derartiges Schuldverhältnis würde aber zwischen dem gesetzlichen Unfallversicherer und dem Unternehmer vor dem Eintritt des Versicherungsfalls nicht bestehen. Die maßgebliche, eigenständige Rechtsbeziehung würde erst durch den Versicherungsfall entstehen.
Zu einer abschließenden Entscheidung gem. § 563 Abs. 3 ZPO sah sich der BGH gehindert. Das OLG müsse prüfen, ob der Beklagte zu 2 (Geschäftsführer der Beklagten zu 1.) in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen den Arbeitsunfall grob fahrlässig verursacht habe. Dies könne in einer verursachenden Handlung oder Unterlassung verursacht habe, ohne dass es sich um eine spezifische Tätigkeit im Rahmen der Vertretungsberechtigung handeln müsste. Entscheidend sei, ob er im Rahmen der Bauleitung (die er nach den Feststellungen des OLG erbracht habe) grob fahrlässig gegenüber dem verletzten Arbeitnehmer bestehende vertragliche Schutzpflichten und Verkehrssicherungspflichten verletzte und hierdurch den Arbeitsunfall verursachte bzw. mitverursachte.
BGH, Urteil vom 09.12.2021
- VII ZR 170/19 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die
Revision der Beklagten zu 1 wird das Teilzwischen- und Teilendurteil des 1.
Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 11. Juli 2019 in der
Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 9. August 2019 im Kostenpunkt und
insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 1 erkannt worden ist.
Die Sache wird
im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Revisionsverfahrens und der Beschwerdeverfahren, an das
Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts
wegen
Tatbestand
Die Klägerin,
ein gesetzlicher Unfallversicherer, nimmt bei den Beklagten Rückgriff aufgrund
eines am 1. Juni 2010 erfolgten Arbeitsunfalls des bei ihr versicherten Zeugen
D.. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind ausschließlich Ansprüche der
Klägerin gegen die Beklagte zu 1.
Die Beklagte zu
1, ein Mitgliedsunternehmen der Klägerin, war damit beauftragt, die
Dacheindeckung auf mehreren Hallen in T. durch Trapezblechplatten zu ersetzen.
Der zuständige Bauleiter der Beklagten zu 1 war der Beklagte zu 2, der zugleich
deren Geschäftsführer ist. Die Beklagte zu 1 beauftragte die Beklagte zu 3 und
diese ihrerseits die Beklagte zu 5 mit der Errichtung des zur Ausführung der
Dachdeckerarbeiten erforderlichen Gerüsts. Das Gerüst wurde ohne Fangnetz und
Bordbretter errichtet.
Der Zeuge D. war
am Unfalltag als Auszubildender zum Dachdeckergesellen bei der Beklagten zu 1
beschäftigt. Er stürzte während der Ausführung der Dachdeckerarbeiten vom Dach,
wobei die Einzelheiten des Unfallhergangs zwischen den Parteien streitig sind.
Die Klägerin erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an und erbrachte in der
Folgezeit Versicherungsleistungen an den Zeugen D., der sich bei dem Unfall
schwere Verletzungen zugezogen hatte.
Das Landgericht
hat die Klage gegen die Beklagten auf Ersatz der infolge des Arbeitsunfalls
erbrachten Aufwendungen und Feststellung der Ersatzpflicht für weitere
Aufwendungen abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat
das Berufungsgericht, soweit für die Revision von Bedeutung, unter Abänderung
des landgerichtlichen Urteils den auf Zahlung gerichteten Klageanspruch gegen
die Beklagte zu 1 - als Gesamtschuldnerin neben den Beklagten zu 3 und 5 - dem
Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Weiter hat es festgestellt, dass die
Beklagte zu 1 - als Gesamtschuldnerin neben den Beklagten zu 3 und 5 -
verpflichtet ist, der Klägerin die Aufwendungen zu ersetzen, die dieser aus
Anlass des Unfalls ihres Versicherten entstanden sind und zukünftig entstehen
werden, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs
ihres Versicherten gegen die Beklagte zu 1, der bestehen würde, wenn die
Beklagte zu 1 nicht nach §§ 104 ff. SGB VII haftungsprivilegiert wäre. Mit
der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte zu 1 ihren Antrag auf
Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision
der Beklagten zu 1 führt zur Aufhebung des Berufungsurteils im tenorierten
Umfang und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das
Berufungsgericht hat, soweit für die Revision von Bedeutung, im Wesentlichen
ausgeführt:
Die Klägerin
habe gegen die Beklagte zu 1 einen auf sie gemäß § 116 Abs. 1
Satz 1 SGB X übergegangenen Anspruch des Zeugen D. auf Ersatz der aus
Anlass des Arbeitsunfalls erbrachten Aufwendungen gemäß § 280 Abs. 1
BGB in Verbindung mit den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung
zugunsten Dritter. Die Beklagte zu 5 habe das Gerüst entgegen den
berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften (hier: § 8 BGV C22
Unfallverhütungsvorschrift "Bauarbeiten") nicht - wie bei einer
Dachneigung von mehr als 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als drei Metern
erforderlich - mit Fangnetzen oder Fanggittern zur Verhinderung eines Absturzes
vom Dach versehen. Das Anbringen eines vierten Querholms habe keinen
hinreichenden Ersatz für das Anbringen eines Fangnetzes oder Fanggitters
dargestellt. Die Beklagte zu 5 habe die ausführenden Bauhandwerker damit nicht
hinreichend gegen das Abstürzen vom Dach gesichert und dadurch ihre
Vertragspflichten verletzt. Die Pflichtverletzung der Beklagten zu 5 müsse sich
die Beklagte zu 1 nach § 278 BGB zurechnen lassen, da sie sich der
Beklagten zu 5 als Erfüllungsgehilfin bei der Erstellung des Gerüsts bedient
habe.
Hinsichtlich
der Beklagten zu 1 sei überdies zu sehen, dass diese der Klägerin nur nach
§ 110 Abs. 1 SGB VII hafte. Nach dieser Vorschrift hafteten Personen,
deren Haftung nach §§ 104 ff. SGB VII beschränkt sei, den
Sozialversicherungsträgern für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen
Aufwendungen nur, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob
fahrlässig herbeigeführt hätten. Die Beklagte zu 1 zähle als Arbeitgeberin des
Zeugen D. zu den nach § 104 Abs. 1 SGB VII privilegierten Personen.
Von einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls sei nicht
auszugehen. Der Beklagten zu 1 sei aber grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, da
sie sich die Erstellung des Gerüsts in seiner tatsächlichen Ausgestaltung gemäß
§ 278 BGB zurechnen lassen müsse, indem sie den Auftrag zur Errichtung des
Gerüsts für die Dacharbeiten an die Beklagte zu 3 und diese wiederum an die
Beklagte zu 5 weitergegeben habe. Der Umstand, dass bei der Errichtung des
Gerüsts nicht nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen worden seien,
sondern von den in § 8 BGV C22 vorgeschriebenen, dem Schutz der
Bauhandwerker vor tödlichen Gefahren dienenden Sicherungsvorkehrungen völlig
abgesehen worden sei, rechtfertige den Schluss auf ein subjektiv gesteigertes
Verschulden, welches zu dem objektiv groben Verstoß gegen elementare
Sicherungspflichten hinzutrete.
II.
Dies hält der
rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin gegen die
Beklagte zu 1 auf Ersatz der infolge des Arbeitsunfalls erbrachten Aufwendungen
nicht bejaht werden.
1.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht kein gemäß § 116
Abs. 1 Satz 1 SGB X auf die Klägerin übergegangener vertraglicher
Anspruch des Zeugen D. gegen die Beklagte zu 1 auf Ersatz der infolge des
Arbeitsunfalls erbrachten Aufwendungen gemäß § 618 Abs. 1, § 280
Abs. 1 BGB.
Ein solcher
Anspruch des Zeugen D. gegen die Beklagte zu 1 scheidet - ebenso wie ein
etwaiger Anspruch aus Delikt - jedenfalls gemäß § 104 Abs. 1
Satz 1 SGB VII aus. Nach dieser Vorschrift sind Unternehmer den
Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in
einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren
Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum
Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur
verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben.
Danach haftet die Beklagte zu 1 gegenüber dem Zeugen D. nicht. Die
Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung des § 104 Abs. 1 Satz 1
SGB VII liegen vor. Der Zeuge D. ist im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit
als Auszubildender für die Beklagte zu 1 vom Dach gestürzt und hat sich
hierdurch schwer verletzt. Der Unfall ist unstreitig als Arbeitsunfall
anerkannt worden. Die Beklagte zu 1 gehört als Unternehmerin und Arbeitgeberin
des Zeugen D. zu dem Personenkreis, zu dessen Gunsten die Haftungsbeschränkung
gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII eingreift. Nach den im
Revisionsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat
die Beklagte zu 1 den Versicherungsfall auch weder vorsätzlich herbeigeführt
noch hat es sich um einen Wegeunfall gehandelt.
2. Ein
Rückgriffsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 aus eigenem Recht gemäß
§ 110 Abs. 1, § 111 Satz 1 SGB VII kann nach den bisherigen
Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls nicht bejaht werden.
a) Nach
§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haften Personen, deren Haftung nach
den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, den Sozialversicherungsträgern
für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen bis zur Höhe
des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs nur dann, wenn sie den Versicherungsfall
vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben. § 111 Satz 1
SGB VII bestimmt weiter, dass die Vertretenen nach Maßgabe des § 110 SGB
VII auch dann haften, wenn ein Mitglied ihres vertretungsberechtigten Organs,
Abwickler oder Liquidatoren juristischer Personen, vertretungsberechtigte
Gesellschafter oder Liquidatoren einer Personengesellschaft des Handelsrechts
oder gesetzliche Vertreter der Unternehmer in Ausführung ihnen zustehender
Verrichtungen den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht
haben.
aa) Bei
dem Rückgriffsanspruch gemäß § 110 Abs. 1, § 111 Satz 1 SGB
VII handelt es sich nicht um einen übergeleiteten Schadensersatzanspruch des
Verletzten, sondern um einen originären, selbständigen Anspruch des Sozialversicherungsträgers,
der privatrechtlicher Natur ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1973 - VI ZR
160/71, VersR 1973, 818, juris Rn. 31 zu der Vorgängerregelung der §§ 640,
641 RVO; vgl. auch BGH, Urteil vom 18. November 2014 - VI ZR 47/13 Rn. 35, BGHZ
203, 224). Der Rückgriffsanspruch setzt voraus, dass der Unternehmer, dessen
Haftung nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII beschränkt ist, den
Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Handelt
es sich bei dem Unternehmer um eine juristische Person, die durch ihre Organe
handelt, ist der Rückgriffsanspruch gegen die juristische Person gegeben, wenn
ein Mitglied ihres vertretungsberechtigten Organs den Versicherungsfall in
Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen vorsätzlich oder grob fahrlässig
verursacht hat. Die Vorschrift des § 111 Satz 1 SGB VII begründet
damit eine Haftung der juristischen Person nach Maßgabe des § 110 SGB VII,
indem dieser das Verschulden ihrer vertretungsberechtigten Organe zugerechnet
wird (vgl. allgemein hierzu z.B. Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand:
September 2020, § 111 Rn. 1, 9; BeckOK Sozialrecht/Stelljes, Stand: 1.
Juni 2021, § 111 SGB VII Rn. 1). Dabei kann im Streitfall offen bleiben,
inwieweit eine juristische Person nach dieser Vorschrift - vergleichbar mit der
zu § 31 BGB entwickelten Repräsentantenhaftung - auch für sonstige
Personen haftet, denen sie bedeutsame wesensmäßige Funktionen zur
eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen hat und die in Ausführung der ihnen
zustehenden Verrichtungen den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob
fahrlässig verursacht haben (dies bejahend z.B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 4.
März 2010 - 12 U 91/09, BeckRS 2011, 23044). Denn jedenfalls findet nach
§ 111 Satz 1 SGB VII eine Zurechnung des Verschuldens von Personen, die
als Nachunternehmer von der juristischen Person beauftragt wurden, nicht statt.
bb)
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt im Rahmen des
Rückgriffsanspruchs gemäß § 110 Abs. 1 SGB VII eine - über § 111
Satz 1 SGB VII hinausgehende - Zurechnung des Verschuldens sonstiger
Personen, die den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht
haben, nach § 278 BGB nicht in Betracht.
Bereits
Wortlaut und Systematik der §§ 110, 111 SGB VII zeigen, dass ein
Rückgriffsanspruch des Sozialversicherungsträgers gegen den Unternehmer nur
bestehen soll, wenn dieser selbst oder durch eine in § 111 Satz 1 SGB
VII genannte, in Ausführung der ihr zustehenden Verrichtungen handelnde,
vertretungsberechtigte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob
fahrlässig herbeigeführt hat. Der Gesetzgeber hat den Rückgriffsanspruch der
Sozialversicherungsträger gemäß §§ 110 ff. SGB VII besonders ausgestaltet
und dabei von einer weitergehenden Zurechnungsnorm abgesehen. Daher verbietet
sich eine über § 111 SGB VII hinausgehende Zurechnung des Verschuldens
sonstiger Personen nach anderen Vorschriften (vgl. im Ergebnis ebenso OLG
Rostock, Urteil vom 18. Mai 2000 - 1 U 168/99, juris Rn. 50 a.E. zu der
Vorgängerregelung der §§ 640, 641 RVO; Marschner, BB 1996, 2090, 2092).
Hierfür spricht letztlich auch der Regelungszweck der Vorschriften, die
präventive und erzieherische Ziele verfolgen (vgl. dazu z.B. BGH, Urteil vom
15. Juli 2008 - VI ZR 212/07 Rn. 31 m.w.N., NJW 2009, 681) und deshalb an ein
besonders zu missbilligendes Verhalten der durch die Haftungsbeschränkung gemäß
§§ 104 ff. SGB VII Begünstigten selbst oder - bei juristischen Personen -
ihrer vertretungsberechtigten Organe anknüpfen.
Darüber hinaus
sind auch die Voraussetzungen der Verschuldenszurechnung gemäß § 278 BGB
nicht erfüllt. Denn eine nach § 278 BGB erfolgende Zurechnung des
Verschuldens einer Person, deren sich der Schuldner zur Erfüllung seiner
Verbindlichkeit bedient, setzt ein bereits bestehendes Schuldverhältnis
zwischen Gläubiger und Schuldner voraus, aus dem sich die Verbindlichkeit
ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1972 - VI ZR 158/70, BGHZ 58, 207, juris
Rn. 14; RG, Urteil vom 9. Mai 1939 - VII 251/38, RGZ 160, 310, 314). Ein
solches Schuldverhältnis zwischen dem gesetzlichen Unfallversicherer und dem
Unternehmer besteht indes vor Eintritt des Versicherungsfalls nicht (vgl.
Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: September 2020, § 111 Rn. 1).
Vielmehr entsteht die hier maßgebliche, eigenständige Rechtsbeziehung zwischen
diesen Personen gemäß §§ 110 ff. SGB VII erst anlässlich des
Versicherungsfalls.
b) Nach
diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht einen Rückgriffsanspruch der Klägerin
gegen die Beklagte zu 1 gemäß § 110 Abs. 1 SGB VII rechtsfehlerhaft
bejaht.
Denn das
Berufungsgericht hat die Haftung der Beklagten zu 1 nach § 110 Abs. 1
SGB VII nicht darauf gestützt, dass der Beklagte zu 2 als ihr gemäß § 35
GmbHG vertretungsberechtigtes Organ den Arbeitsunfall grob fahrlässig im Rahmen
der ihm zustehenden Verrichtungen herbeigeführt hat, § 111 Satz 1 SGB
VII. Es hat den Anspruch vielmehr tragend allein damit begründet, dass es die
als grob fahrlässig eingeordnete Errichtung des Gerüsts ohne Fangnetze oder
Fanggitter durch die als Nach-Nachunternehmerin mit der Ausführung beauftragte
Beklagte zu 5 der Beklagten zu 1 wie eigenes schuldhaftes Handeln nach
§ 278 BGB zugerechnet hat, weil die Beklagte zu 5 als deren
Erfüllungsgehilfin anzusehen sei.
3. Das
Berufungsurteil ist danach aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 1
entschieden worden ist.
Der Senat kann
nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Das
Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob der Beklagte zu 2 als
vertretungsberechtigtes Organ der Beklagten zu 1 in Ausführung der ihm
zustehenden Verrichtungen den Arbeitsunfall grob fahrlässig verursacht hat.
Dabei genügt es, wenn die den Arbeitsunfall verursachende Handlung oder
Unterlassung des Beklagten zu 2 in den ihm zugewiesenen Aufgabenbereich fällt;
nicht erforderlich ist, dass es sich um eine spezifische Tätigkeit im Rahmen
der Vertretungsberechtigung handelt (vgl. KassKomm/Ricke, 115. EL Juli 2021,
SGB VII § 111 Rn. 5 a.E.; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. September 1971 -
VI ZR 122/70, NJW 1972, 334, juris Rn. 18 zu § 31 BGB). Es wird daher entscheidend
darauf ankommen, ob der Beklagte zu 2, der nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts für die Beklagte zu 1 die Bauleitung erbracht hat, im Rahmen
seines Aufgabenbereichs grob fahrlässig gegenüber dem Zeugen D.
bestehende
vertragliche Schutzpflichten und Verkehrssicherungspflichten der Beklagten zu 1
verletzt und hierdurch den Arbeitsunfall (mit-)verursacht hat.
Die Sache ist
daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, die erforderlichen
Feststellungen zu treffen.
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