Landgericht und Oberlandesgericht hatten sich mit einem Reitunfall vom 17.01.2016 zu befassen. Die Klägerin war ihrer Behauptung zufolge mit einem Pony des Rechtsvorgängers der Beklagten verunglückt und machte gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche nach § 833 S. 1 BGB (mithin aus der verschuldensunabhängigen Tierhalterhaftung des Rechtsvorgängers der Beklagten) geltend. Das Landgericht wies die Klage nach Beweisaufnahme wegen Mitverschuldens der Klägerin ab, da das Mitverschulden der Klägerin die Haftung der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger zurücktreten lasse.
Von Grundsatz ging das OLG davon aus, dass grundsätzlich auch der Reiter gegen den Halter eines Pferdes einen Schadensersatzanspruch aus § 833 S. 1 BGB haben könne. Würde aber (wie hier) dem Reiter das Pferd aus Gefälligkeit überlassen, gebiete es die Interessenslage, dem Verletzten gegenüber dem Vorwurf des Mitverschuldens nach § 254 BGB den Entlastungsbeweis entsprechend § 834 BGB aufzuerlegen (so bereits BGH, Urteil vom 09.06.1992 - VI ZR 49/91 -). Der Entlastungsbeweis sei der Klägerin nicht gelungen. Nach der Beweisaufnahme habe das Landgericht in nicht zu beanstandender Würdigung festgestellt, dass der Klägerin dieser Entlastungsbeweis nicht gelungen sei und mithin nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass der Reitunfall auf einer Unachtsamkeit der Klägerin bei der Führung des Ponys beruhe. Ferner habe das Landgericht festgestellt, dass das Pony insgesamt unruhiger sei als andere Tiere und man dies dadurch in den Griff bekäme, dass man das Pferd vor dem Reiten longiere und so seinen Bewegungsdrang befriedigt habe. Auch die Klägerin habe das Longieren vor dem Reiten als Notwendigkeit erkannt, damit dieses sich vor dem Reiten erst einmal austoben könne. Dies aber habe der Rechtsvorgänger der Beklagten der Klägerin verboten. Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin die weitere Arbeit mit dem Pferd ablehnen müssen und sie habe sich bewusst einer Gefahr ausgesetzt, indem sie das Pony gleichwohl (ohne es zuvor zu longieren) ritt. Damit habe die von dem Ponys ausgehende Tiergefahr, die zu dem Unfallgeschehen geführt habe, gegenüber dem Verschulden der Klägerin, das hinsichtlich des unmittelbaren Geschehens gemäß § 834 BGB zu vermuten sei und hinsichtlich der vorgelagerten Verantwortung nachgewiesen sei, nach der entsprechend § 840 Abs. 3 BGB zurückzutreten und keinerlei Bedeutung mehr.
Das OLG stellt mithin nicht darauf ab, ob das vermutete und festgestellte Verschulden so erheblich sei, dass dieses die reine Tiergefahr verdrängen würde, für welche die Beklagte haften würde. Vielmehr bezieht sich das OLG auf die Norm des § 840 Abs. 3 BGB. Diese Norm regelt im Verhältnis von Gesamtschuldnern (Schuldner, die gemeinschaftlich gegenüber einem Dritten aus Delikt haften) den Innenausgleich dahingehend, dass in ihrem Verhältnis derjenige nicht haftet, der alleine nach der Gefährdungshaftungsnorm des § 833 S. 1 BGB dem Dritten gegenüber haftet, wenn dem Dritten gegenüber der weitere Gesamtschuldner aus (nachgewiesenen) Verschulden haftet. Vom OLG wird unter Verweis auf das Urteil des BGH vom 25.10.1994 - VI ZR 107/94 -; so auch OLG Hamm, Urteil vom 08.02.1990 - 6 U 143/89 -, LG Limburg, Urteil vom 29.01.2010 - 3 S 271/08 -) ausgeführt, dass die Norm nicht nur im Verhältnis zum geschädigten Dritten gelte (Anm.: was sie nicht tut; nach dem Wortlaut gilt sie nur im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander) greife, sondern auch dann nach ihrem Sinngehalt, wenn es um den eigenen, von dem Tier mitverursachten Schaden des Tierhalters gehe.
OLG Frankfurt, Beschluss
vom 05.04.2022 - 6 U 95/19 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 7.6.2019 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Limburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils und des Beschlusses vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.760 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin ist Hobbyreiterin. Der verstorbene Andreas Kirchhof war Landwirt und betrieb eine Pferdepension. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines Reitunfalls in Anspruch, der sich am 17.1.2016 ereignete. An diesem Tag ritt die Klägerin die Ponystute Mary.
Die Klägerin behauptet, bei vorangegangenen Ritten habe sie die Stute Mary zur Vorbereitung auf das Reiten jeweils kurz longiert. Dies habe der Beklagten der Klägerin jedoch am Unfalltag ausdrücklich untersagt und damit argumentiert, dass das Longieren seiner Reithalle schade. Er habe die Klägerin deshalb angewiesen, die Stute Mary ohne Longieren in der Halle zu reiten, was diese dann auch getan habe. Wegen des erlittenen Unfalls sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 € angemessen. Sie verlangt ferner den Ersatz von Fahrtkosten (113,40 €), Zuzahlungen (154,25 €) und für den Ausfall für zwölf Stunden Haushaltstätigkeit für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit 1.782 €.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 7.6.2019, auf das gemäߧ 540 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Mit Hinweisbeschluss vom 29.4.2021 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er die Berufung für offensichtlich unbegründet hält. Hierauf hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 6.7.2021 (81. 351 ff. d.A.) reagiert.
Die Klägerin
beantragt,
das
angefochtene Urteil abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an
die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 Prozent über dem
Basiszinssatz liegenden Zinsen hieraus seit dem 17.1.2016 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an
die Klägerin 2.759,50 € nebst 5 Prozent über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen
aus 1.052,57 €seitdem 17.2.2016 und aus 1.706,93 € seit Rechtshängigkeit zu
zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte
verpflichtet ist, der Klägerin sämtlich noch nicht bezifferte materiellen und
immateriellen Schäden aus dem Reitunfall vom 17.1.2016 in der Reithallte in
Braunfels-Tiefenbach zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehe ;
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin an vorgerichtlichen Anwaltskosten 922,25 € nebst 5 Prozent über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen hie raus seit dem 17.2.2016 zu zahlen.
Die Beklagte
beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen.
Der Senat hat hierzu in seinem Hinweisbeschluss vom 29.4.2021 ausgeführt:
,,Das Landgericht hat die Klage, mit der die Klägerin die Beklagte aus Tierhalterhaftung in Folge eines Reitunfalls in Anspruch nimmt, mit Recht nach durchgeführter Beweisaufnahme abgewiesen.
Das Urteil hält den Berufungsangriffen der Klägerin stand.
Der Klägerin stehen gegenüber der Beklagten keine Ansprüche aus der Gefährdungshaftung des Tierhalters gemäß § 833 Satz 1 BGB zu.
Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klägerin den Reitunfall mit verschuldet hat und der Grad des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB die Haftung der Beklagten zurücktreten lässt. Dabei ist das Landgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen, dass grundsätzlich der Halter eines Reitpferdes dem Reiter, der sich beim Sturz vom Pferd verletzt, auch dann nach § 833 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, wenn er dem Verletzten das Pferd aus Gefälligkeit überlassen hat, dass in einem solchen Fall jedoch die Interessenlage gebietet, dem Verletzten gegenüber dem Vorwurf des Mitverschuldens nach § 254 BGB den Entlastungsbeweis entsprechend § 834 BGB aufzuerlegen (BGH, Urteil vom 9.6.1992 - VI ZR 49/91, juris Rn 21). Dieser Entlastungsbeweis ist der Klägerin nicht gelungen. Das Landgericht ist nach Vernehmung der Zeugen Betz, Müller, Dittmann, Harpjes, Rosenkranz, Feist und Neumann im Rahmen einer nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, es könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Reitunfall auf eine Unachtsamkeit der Klägerin bei der Führung des Ponys zurückzuführen ist. Das Landgericht hat festgestellt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass das Pony bekanntermaßen ins gesamt unruhiger sei als andere Tiere. Das habe man dadurch in den Griff bekommen, dass man das Pferd vor dem Reiten longiert und so seinen Bewegungsdrang befriedigt habe. Es sei bekannt gewesen, dass das Pony immer „unter Strom" gestanden habe. Auch die Klägerin habe es für erforderlich gehalten, das Tier zu longieren, damit es sich vor dem Reiten erst einmal austoben kann. Das hatte der verstorbene Herr Kirchhof der Klägerin vor dem Ritt, bei dem sich der Unfall ereignete, verboten. Das Landgericht kommt zutreffend zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die weitere Arbeit mit dem Pferd bei dieser Sachlage hätte ablehnen müssen. Sie hat sich bewusst in Gefahr begeben, indem sie das Pony ritt, ohne es zuvor zu longieren. Das Landgericht ist auch zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die von dem Pferd ausgehende Tiergefahr, die zu dem Unfallgeschehen führte, gegenüber dem Verschulden, das hinsichtlich des unmittelbaren Unfallgeschehens gemäߧ 834 BGB vermutet und hinsichtlich der vorgelagerten Verantwortung nach gewiesen ist, nach der entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 840 Abs. 3 BGB keine Bedeutung mehr zukommt. Diese Vorschrift gilt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur im Verhältnis zu einem geschädigten Dritten, sondern greift zu Lasten eines aus Verschulden haftenden Schädigers nach ihrem Sinngehalt auch dann, wenn es um den eigenen, von dem Tier mitverursachten Schaden des Tierhalters geht (BGH, Urteil vom 25.10.1994 - VI ZR 107/94, juris Rn 14)."
Die Ausführungen der Klägerin in dem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 6.7.2021 rechtfertigen keine andere Beurteilung. Soweit die Klägerin darin ausführt, der Senat habe auf das Rechtsinstitut des Handelns auf eigene Gefahr abgestellt, ist dies unzutreffend. Dementsprechend geht auch der Verweis auf die Erwägungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung VI ZR 225/04 vom 20.12.2005 ins leere. In dieser Entscheidung hat sich der BGH mit der Frage befasst, ob ein voll ständiger Haftungsausschluss auf der Grundlage eines Handelns auf eigene Gefahr in Betracht kommt. Darum geht es im Streitfall jedoch nicht. Wie der Senat in seinem Hinweisbeschluss ausgeführt hat, hat das Landgericht die Klage mit Recht abgewiesen, weil der Klägerin gegenüber dem Vorwurf des Mitverschuldens nach § 254 BGB der ihr obliegende Entlastungsbeweis entsprechend § 834 BGB (BGH, Urteil vom 9.6.1992 - VI ZR 49/91, juris Rn 21) nicht gelungen ist. Voraussetzung für die Notwendigkeit eines solchen Entlastungsbeweises ist es, dass dem Verletzten das Pferd aus Gefälligkeit überlassen wurde. Davon ist das erstinstanzliche Gericht im angefochtenen Urteil ausgegangen, ohne dass diese Feststellung mit der Berufungsbegründung angegriffen worden wäre. Der Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 6.7.2021, der Verstorbene Halter des Ponys Mary habe ihr das Pferd nicht aus Gefälligkeit überlassen, sondern es mit Hilfe von Fotos der Klägerin, das Pferd reitend, gewinnbringend weiterverkaufen wollen, ist neu, im Übrigen aber auch nicht entscheidungserheblich. Der Umstand, dass der verstorbene Halter des Pferdes Fotos von der Klägerin, das Pferd reitend, als Werbemittel für den Weiterverkauf des Pferdes eingesetzt haben mag, was die Beklagte bestreitet, zieht nicht die Tatsache in Zweifel, dass er ihr das Pferd gefälligkeitshalber zum kostenlosen Reiten zur Verfügung gestellt hat.
Soweit die Klägerin in dem Schriftsatz vom 6.7.2021 darauf verweist, sie sei eine unerfahrene Reiterin, die der Vorgabe ihres versierten Reitlehrers, das Pony Mary nicht zu longieren, vertrauen durfte, verfängt auch dieses Argument nicht. Die Klägerin ist eine Hobbyreiterin, die Erfahrung im Umgang mit dem Pony Mary hatte.
Sie wusste, dass man das Pony vor dem Reiten longieren musste, um seinen Bewegungsdrang in den Griff zu bekommen. Der verstorbene Halter des Ponys hat ihr das Longieren am Unfalltag auch nicht etwa deshalb untersagt, weil das Pony an diesem Tag ruhig gewesen sei, sondern weil er Schäden für seine Reithalle befürchtete. Die Klägerin hatte also keinen Anlass anzunehmen, dass das Reiten des Pferdes ohne vorheriges Longieren an diesem Tag ungefährlich sein könnte.
Die
prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf§§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 709
S. 2 ZPO.
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