Sonntag, 17. April 2022

Werbungskosten für häusliche Arbeitszimmer - die häufige Streifrage hier bei einer Stewardess

Der Arbeitnehmer kann unter Umständen Teile seiner Mietkosten für seien Wohnung steuerlich geltend machen, wenn er einen Raum als „häusliches Arbeitszimmer“ verwendet. Aber kann nur derjenige ein häusliches Arbeitszimmer steuerlich geltend machen, für den ein solches auch tatsächlich erforderlich ist (hier bei einer Stewardess) ? Mit dieser Frage hatte sich der BFH auseinanderzusetzen.

Die Klägerin, die zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt wurde, war Stewardess. Im Streitjahr (2012) hatten die Kläger, die Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von 148 qm waren, Aufwendungen für ein in diesem Haus befindliches, 13,5 qm großes Arbeitszimmer als Werbungskosten in Höhe von € 1.250,00 geltend gemacht. Sie hatten vorgetragen im Haus stünde der Klägerin stünde für die von ihr verrichteten Tätigkeiten kein anderer Raum im Haus zur Verfügung. Das beklagte Finanzamt (FA) lehnte die Anerkennung der Kosten für das Arbeitszimmer ab. Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) mit der Begründung abgewiesen, ein solches sei für die Klägerin nicht erforderlich.

Die Revision führte zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung. Der BFH folgte dem FG zur „Erforderlichkeit“ nicht.

§ 9 Abs. 2 iVm. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG stünde dem Abzug von Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer zwar grundsätzlich entgegen. Dies gelte aber nach S. 2 der Norm nicht, so der BFH, wenn für die betriebliche betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stünde, wobei in diesem Fall die abziehbaren Aufwendungen auf den Betrag von € 1.350,00 begrenzt seinen (S. 3 Halbs. 1), wobei diese Beschränkung dann nicht gelte, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bilde (S. 3 Halbs. 2).

Der BFH stellt klar, dass ein häusliches Arbeitszimmer iSv. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG ein Raum sei, der nach seiner Ausstattung zur Erzielung von Einnahmen genutzt würde. Er sei zwar in seiner Lage, Funktion und Ausstattung i die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden, diene aber vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, veraltungstechnischer oder organisatorischen Arbeiten. Typischerweise sei er mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück sei. Entspreche dem ein raum seiner äußeren Erscheinung nach, so müsse er überdies (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden. Würde der Raum gemischt genutzt, also auch privat in einem nicht nur untergeordneten Umfang, scheide eine steuerliche Abziehbarkeit aus (BFH, Beschluss vom 27.02.2015 - GrS 1/14 -).

Die Regelungen in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG seien abschließend. Eine „Erforderlichkeit“ sei kein Merkmal für die Abzugsfähigkeit. Der Gesetzgeber habe eine Typisierung vorgenommen, indem er eine Begrenzung auf die im Gesetz genannten Fallgruppen (kein anderer Arbeitsplatz, Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung) vorgenommen habe. Er habe dabei die Typisierung die Erforderlichkeit für die zwei Fallgruppen im Gesetz aufgenommen, ohne den unbestimmten Rechtsbegriff der Erforderlichkeit ins Gesetz aufzunehmen, weshalb die Erforderlichkeit nicht noch zusätzlich als (ungeschriebenes) Tatbestandmarkmal berücksichtigt werden könne.

Das hat das FG verkannt. Es habe rechtsfehlerhaft die Erforderlich des Arbeitszimmers für die Tätigkeit der Klägerin als maßgebend erklärt.  Es käme allerdings nicht darauf an, ob der Klägerin kein sonstiger Arbeitsplatz (am Küchentisch, im Esszimmer oder einem anderen Raum) für die Erledigung zur Verfügung stand. Von daher könnte das Urteil keinen Bestand haben. Die Zurückverweisung sei geboten, da das FG keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob der Raum, wie klägerseits behauptet, tatsächlich (nahezu) ausschließlich zur Einkunftserzielung genutzt worden sei oder auch eine der einkünfterelevanten Nutzung schädlichen privaten (Mit-) Nutzung.

BFH, Urteil vom 03.04.2019 - VI ZR 46/7 -


Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 4. Mai 2017 - 8 K 329/15 E aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommen-steuer zusammen veranlagte Ehegatten. Die Klägerin ist seit dem Jahr 2008 in Vollzeit als Flugbegleiterin tätig. Sie war zunächst bei der A angestellt, seit dem Jahr 2012 bei B mit Dienstflughafen C. Die Kläger sind Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von 148 qm.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2013) machten die Kläger u.a. Aufwendungen in Höhe von 1.250 € für ein 13,5 qm großes Arbeitszimmer als Werbungskosten der Klägerin geltend. Sie trugen vor, für die in dem Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten stehe der Klägerin kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Aus einer Aufstellung der Reisekosten ergab sich, dass die Klägerin an 66 Tagen zum Flughafen C und zurück gefahren war, sich an 27 Tagen auf Reisen im Inland und an 107 Tagen auf Reisen im Ausland befunden hatte (insgesamt 134 Reisetage).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung der Aufwendungen für das Arbeitszimmer fest.

Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die im Anschluss erhobene Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 277 veröffentlichten Gründen ab.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragen,

das FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 26. Juni 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2015 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 1.250 € berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat den Werbungskostenabzug zu Unrecht mit der seiner Ansicht nach im Hinblick auf den zeitlichen Nutzungsumfang fehlenden "Erforderlichkeit" eines Arbeitszimmers abgelehnt.

1. Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt (Satz 3 Halbsatz 1). Die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2).

a) Häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt wird. Ein häusliches Arbeitszimmer ist seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten. Ein solcher Raum ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist. Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, muss er --wie ausgeführt-- überdies (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden.

Aufwendungen für gemischt genutzte Räume, die in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden sind und die sowohl zur Erzielung von Einkünften als auch in mehr als nur untergeordnetem Umfang zu privaten Zwecken genutzt werden, sind hingegen insgesamt auch nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht abziehbar (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 68; BFH-Urteile vom 16. Februar 2016 IX R 23/12, Rz 12; jeweils vom 17. Februar 2016 X R 32/11, BFHE 253, 148, BStBl II 2016, 708, und X R 1/13).

b) § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bestimmt dabei abschließend, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abziehbar sind. Weitere Voraussetzungen hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer regelt das Gesetz nicht. Die Erforderlichkeit ist kein Merkmal des Abzugstatbestands (BFH-Urteil vom 8. März 2017 IX R 52/14, Rz 13, m.w.N.). Der Gesetzgeber typisiert in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG die Abzugsvoraussetzungen für ein häusliches Arbeitszimmer, indem er die Abzugsmöglichkeit auf die zwei im Gesetz genannten Fallgruppen (kein anderer Arbeitsplatz, Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung) begrenzt. Der Steuerpflichtige ist in den vom Gesetz genannten Fallgruppen auf einen häuslichen Arbeitsplatz angewiesen, weshalb das Gesetz typisierend davon ausgeht, dass die Aufwendungen hierfür (nahezu) ausschließlich betrieblich/beruflich veranlasst sind, obwohl auch in diesen Fällen eine private Nutzung des Raums nicht überprüft und damit nicht ausgeschlossen werden kann (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 61; vgl. auch Urban, Deutsche Steuer-Zeitung 2016, 747, 748 f.). Den in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG angesprochenen Fallgruppen liegt daher die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in diesen Fällen erforderlich sind (vgl. Heger, Der Betrieb 2016, 249, 250).

Das Gesetz verwendet aber den Begriff der Erforderlichkeit oder Notwendigkeit nicht. Vielmehr typisiert es mit den beiden genannten Fallgruppen die Erforderlichkeit der beruflichen oder betrieblichen Nutzung des Arbeitszimmers, ohne den Begriff der Erforderlichkeit in Gestalt eines unbestimmten Rechtsbegriffs zu einem Tatbestandsmerkmal zu erheben (Senatsurteil vom 27. September 1996 VI R 47/96, BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68, unter 2.b). Ein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit für die beiden Fälle, in denen die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer überhaupt nur abzugsfähig sind, folgt daher weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung (BFH-Urteil vom 8. März 2017 IX R 52/14, Rz 14). Denn mit den beiden in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG geregelten Fallgruppen sollen gerade Streitigkeiten über die Notwendigkeit eines Arbeitszimmers vermieden werden (BTDrucks 13/1686, S. 16, BRDrucks 171/2/95, S. 36).

2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Denn es hat rechtsfehlerhaft die Erforderlichkeit des Arbeitszimmers für die Tätigkeit der Klägerin als maßgebend erachtet. Darauf, dass die Klägerin die Arbeiten, für die ihr kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand, am Küchentisch, im Esszimmer oder in einem anderen Raum hätte erledigen können, kommt es nicht an. Sein Urteil kann deshalb keinen Bestand haben.

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat zwar den Umfang der Arbeiten festgestellt, für die der Klägerin kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Es hat aber Feststellungen unterlassen, ob der Raum im Streitjahr tatsächlich --wie von den Klägern behauptet-- (nahezu) ausschließlich zur Einkünfteerzielung verwendet wurde oder aber neben der einkünfterelevanten Nutzung eine schädliche private (Mit-)Nutzung vorlag. Derartige Feststellungen obliegen dem FG als Tatsachengericht und sind zur Entscheidung des Falls erforderlich (s. Senatsurteil vom 15. Dezember 2016 VI R 86/13, BFHE 256, 150, BStBl II 2017, 941, und BFH-Urteil vom 8. März 2017 IX R 52/14, Rz 16).

Kommt das FG unter Beachtung der Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast zu dem Ergebnis, dass etwaige sonstige private Tätigkeiten der Klägerin oder des Klägers in dem streitigen Raum im Verhältnis zur steuerrelevanten Nutzung des Arbeitszimmers als untergeordnet einzustufen sind und der Raum ausschließlich oder zumindest nahezu ausschließlich zur Erzielung von steuerbaren Einnahmen genutzt worden ist, sind die Aufwendungen für das streitige Zimmer als häusliches Arbeitszimmer zu berücksichtigen.

Gelangt das FG hingegen zu der Erkenntnis, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Nutzung des Arbeitszimmers auf andere private Tätigkeiten (z.B. Erledigung privater Korrespondenz, Aufbewahrung privater Unterlagen) entfällt, scheidet nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265 ein Abzug der Aufwendungen mangels Vorliegen eines häuslichen Arbeitszimmers sowie wegen gemischter Nutzung der Arbeitsmittel aus.

3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.


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