Der Arbeitnehmer kann unter Umständen Teile seiner Mietkosten für seien Wohnung steuerlich geltend machen, wenn er einen Raum als „häusliches Arbeitszimmer“ verwendet. Aber kann nur derjenige ein häusliches Arbeitszimmer steuerlich geltend machen, für den ein solches auch tatsächlich erforderlich ist (hier bei einer Stewardess) ? Mit dieser Frage hatte sich der BFH auseinanderzusetzen.
Die Klägerin, die zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt wurde, war Stewardess. Im Streitjahr (2012) hatten die Kläger, die Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von 148 qm waren, Aufwendungen für ein in diesem Haus befindliches, 13,5 qm großes Arbeitszimmer als Werbungskosten in Höhe von € 1.250,00 geltend gemacht. Sie hatten vorgetragen im Haus stünde der Klägerin stünde für die von ihr verrichteten Tätigkeiten kein anderer Raum im Haus zur Verfügung. Das beklagte Finanzamt (FA) lehnte die Anerkennung der Kosten für das Arbeitszimmer ab. Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) mit der Begründung abgewiesen, ein solches sei für die Klägerin nicht erforderlich.
Die Revision führte zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung. Der BFH folgte dem FG zur „Erforderlichkeit“ nicht.
§ 9 Abs. 2 iVm. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG stünde dem Abzug von Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer zwar grundsätzlich entgegen. Dies gelte aber nach S. 2 der Norm nicht, so der BFH, wenn für die betriebliche betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stünde, wobei in diesem Fall die abziehbaren Aufwendungen auf den Betrag von € 1.350,00 begrenzt seinen (S. 3 Halbs. 1), wobei diese Beschränkung dann nicht gelte, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bilde (S. 3 Halbs. 2).
Der BFH stellt klar, dass ein häusliches Arbeitszimmer iSv. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG ein Raum sei, der nach seiner Ausstattung zur Erzielung von Einnahmen genutzt würde. Er sei zwar in seiner Lage, Funktion und Ausstattung i die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden, diene aber vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, veraltungstechnischer oder organisatorischen Arbeiten. Typischerweise sei er mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück sei. Entspreche dem ein raum seiner äußeren Erscheinung nach, so müsse er überdies (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden. Würde der Raum gemischt genutzt, also auch privat in einem nicht nur untergeordneten Umfang, scheide eine steuerliche Abziehbarkeit aus (BFH, Beschluss vom 27.02.2015 - GrS 1/14 -).
Die Regelungen in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG seien abschließend. Eine „Erforderlichkeit“ sei kein Merkmal für die Abzugsfähigkeit. Der Gesetzgeber habe eine Typisierung vorgenommen, indem er eine Begrenzung auf die im Gesetz genannten Fallgruppen (kein anderer Arbeitsplatz, Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung) vorgenommen habe. Er habe dabei die Typisierung die Erforderlichkeit für die zwei Fallgruppen im Gesetz aufgenommen, ohne den unbestimmten Rechtsbegriff der Erforderlichkeit ins Gesetz aufzunehmen, weshalb die Erforderlichkeit nicht noch zusätzlich als (ungeschriebenes) Tatbestandmarkmal berücksichtigt werden könne.
Das hat das FG verkannt. Es habe rechtsfehlerhaft die Erforderlich des Arbeitszimmers für die Tätigkeit der Klägerin als maßgebend erklärt. Es käme allerdings nicht darauf an, ob der Klägerin kein sonstiger Arbeitsplatz (am Küchentisch, im Esszimmer oder einem anderen Raum) für die Erledigung zur Verfügung stand. Von daher könnte das Urteil keinen Bestand haben. Die Zurückverweisung sei geboten, da das FG keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob der Raum, wie klägerseits behauptet, tatsächlich (nahezu) ausschließlich zur Einkunftserzielung genutzt worden sei oder auch eine der einkünfterelevanten Nutzung schädlichen privaten (Mit-) Nutzung.
BFH, Urteil vom 03.04.2019
- VI ZR 46/7 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die
Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 4. Mai
2017 - 8 K 329/15 E aufgehoben.
Die Sache wird
an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
Diesem wird die
Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und
Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommen-steuer zusammen veranlagte
Ehegatten. Die Klägerin ist seit dem Jahr 2008 in Vollzeit als Flugbegleiterin
tätig. Sie war zunächst bei der A angestellt, seit dem Jahr 2012 bei B mit
Dienstflughafen C. Die Kläger sind Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einer
Wohnfläche von 148 qm.
In ihrer
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2013) machten die Kläger u.a.
Aufwendungen in Höhe von 1.250 € für ein 13,5 qm großes Arbeitszimmer
als Werbungskosten der Klägerin geltend. Sie trugen vor, für die in dem
Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten stehe der Klägerin kein anderer
Arbeitsplatz zur Verfügung. Aus einer Aufstellung der Reisekosten ergab sich,
dass die Klägerin an 66 Tagen zum Flughafen C und zurück gefahren war, sich an
27 Tagen auf Reisen im Inland und an 107 Tagen auf Reisen im Ausland befunden
hatte (insgesamt 134 Reisetage).
Der Beklagte
und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer ohne
Berücksichtigung der Aufwendungen für das Arbeitszimmer fest.
Der Einspruch
blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die im Anschluss erhobene Klage
aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 277 veröffentlichten
Gründen ab.
Mit ihrer
Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen,
das FG-Urteil
aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 26. Juni 2014 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2015 dahingehend zu
ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit
weitere Werbungskosten in Höhe von 1.250 € berücksichtigt werden.
Das FA
beantragt,
die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision
der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat den Werbungskostenabzug zu Unrecht
mit der seiner Ansicht nach im Hinblick auf den zeitlichen Nutzungsumfang
fehlenden "Erforderlichkeit" eines Arbeitszimmers abgelehnt.
1. Nach
§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b
Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann ein Steuerpflichtiger
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten
abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn für die
betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung
steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 €
begrenzt (Satz 3 Halbsatz 1). Die Beschränkung der Höhe nach gilt
nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und
beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2).
a)
Häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b
EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen
dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von
Einkünften genutzt wird. Ein häusliches Arbeitszimmer ist seiner Lage, Funktion
und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden
und dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher,
verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten. Ein solcher Raum ist
typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig
das zentrale Möbelstück ist. Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch
seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, muss er --wie
ausgeführt-- überdies (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften
genutzt werden.
Aufwendungen
für gemischt genutzte Räume, die in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen
eingebunden sind und die sowohl zur Erzielung von Einkünften als auch in mehr
als nur untergeordnetem Umfang zu privaten Zwecken genutzt werden, sind
hingegen insgesamt auch nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG
nicht abziehbar (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom
27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265,
Rz 68; BFH-Urteile vom 16. Februar 2016 IX R 23/12,
Rz 12; jeweils vom 17. Februar 2016 X R 32/11, BFHE 253,
148, BStBl II 2016, 708, und X R 1/13).
b)
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bestimmt dabei abschließend,
unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Aufwendungen für ein
häusliches Arbeitszimmer abziehbar sind. Weitere Voraussetzungen hinsichtlich
der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer regelt
das Gesetz nicht. Die Erforderlichkeit ist kein Merkmal des Abzugstatbestands
(BFH-Urteil vom 8. März 2017 IX R 52/14, Rz 13, m.w.N.).
Der Gesetzgeber typisiert in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG
die Abzugsvoraussetzungen für ein häusliches Arbeitszimmer, indem er die
Abzugsmöglichkeit auf die zwei im Gesetz genannten Fallgruppen (kein anderer
Arbeitsplatz, Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen
Betätigung) begrenzt. Der Steuerpflichtige ist in den vom Gesetz genannten
Fallgruppen auf einen häuslichen Arbeitsplatz angewiesen, weshalb das Gesetz
typisierend davon ausgeht, dass die Aufwendungen hierfür (nahezu)
ausschließlich betrieblich/beruflich veranlasst sind, obwohl auch in diesen
Fällen eine private Nutzung des Raums nicht überprüft und damit nicht
ausgeschlossen werden kann (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 251,
408, BStBl II 2016, 265, Rz 61; vgl. auch Urban, Deutsche Steuer-Zeitung
2016, 747, 748 f.). Den in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b
Sätze 2 und 3 EStG angesprochenen Fallgruppen liegt daher die
gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass die Aufwendungen für ein häusliches
Arbeitszimmer in diesen Fällen erforderlich sind (vgl. Heger, Der Betrieb 2016,
249, 250).
Das Gesetz
verwendet aber den Begriff der Erforderlichkeit oder Notwendigkeit nicht.
Vielmehr typisiert es mit den beiden genannten Fallgruppen die Erforderlichkeit
der beruflichen oder betrieblichen Nutzung des Arbeitszimmers, ohne den Begriff
der Erforderlichkeit in Gestalt eines unbestimmten Rechtsbegriffs zu einem
Tatbestandsmerkmal zu erheben (Senatsurteil vom 27. September 1996
VI R 47/96, BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68, unter 2.b). Ein
zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit für die
beiden Fälle, in denen die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer
überhaupt nur abzugsfähig sind, folgt daher weder aus dem Gesetzeswortlaut noch
aus der Gesetzesbegründung (BFH-Urteil vom 8. März 2017
IX R 52/14, Rz 14). Denn mit den beiden in § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 6b EStG geregelten Fallgruppen sollen gerade
Streitigkeiten über die Notwendigkeit eines Arbeitszimmers vermieden werden
(BTDrucks 13/1686, S. 16, BRDrucks 171/2/95, S. 36).
2. Das
FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Denn es hat rechtsfehlerhaft die
Erforderlichkeit des Arbeitszimmers für die Tätigkeit der Klägerin als
maßgebend erachtet. Darauf, dass die Klägerin die Arbeiten, für die ihr kein
anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand, am Küchentisch, im Esszimmer oder in
einem anderen Raum hätte erledigen können, kommt es nicht an. Sein Urteil kann
deshalb keinen Bestand haben.
Die Sache ist
nicht spruchreif. Das FG hat zwar den Umfang der Arbeiten festgestellt, für die
der Klägerin kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Es hat aber
Feststellungen unterlassen, ob der Raum im Streitjahr tatsächlich --wie von den
Klägern behauptet-- (nahezu) ausschließlich zur Einkünfteerzielung verwendet
wurde oder aber neben der einkünfterelevanten Nutzung eine schädliche private
(Mit-)Nutzung vorlag. Derartige Feststellungen obliegen dem FG als
Tatsachengericht und sind zur Entscheidung des Falls erforderlich (s.
Senatsurteil vom 15. Dezember 2016 VI R 86/13, BFHE 256, 150, BStBl
II 2017, 941, und BFH-Urteil vom 8. März 2017 IX R 52/14,
Rz 16).
Kommt das FG
unter Beachtung der Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast zu dem Ergebnis,
dass etwaige sonstige private Tätigkeiten der Klägerin oder des Klägers in dem
streitigen Raum im Verhältnis zur steuerrelevanten Nutzung des Arbeitszimmers
als untergeordnet einzustufen sind und der Raum ausschließlich oder zumindest
nahezu ausschließlich zur Erzielung von steuerbaren Einnahmen genutzt worden
ist, sind die Aufwendungen für das streitige Zimmer als häusliches
Arbeitszimmer zu berücksichtigen.
Gelangt das FG
hingegen zu der Erkenntnis, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Nutzung des
Arbeitszimmers auf andere private Tätigkeiten (z.B. Erledigung privater
Korrespondenz, Aufbewahrung privater Unterlagen) entfällt, scheidet nach den
Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 251, 408, BStBl
II 2016, 265 ein Abzug der Aufwendungen mangels Vorliegen eines häuslichen
Arbeitszimmers sowie wegen gemischter Nutzung der Arbeitsmittel aus.
3. Die
Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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