Häufig sind Personen umgezogen und der Gläubiger muss die neue Anschrift in Erfahrung bringen. Nicht nur haben sich die Schuldner in vielen Fällen nicht umgemeldet, sondern eine Auskunft wird auch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erteilt. Aber auch wenn keine Auskunft erteilt wird, wird in vielen Fällen eine Gebühr für die (Nicht-) Auskunft erhoben. Der Kläger wandte sich gegen eine solche Gebühr und klagte, nachdem sein Widerspruch zurückgewiesen wurde. Seiner Klage wurde vom Verwaltungsgericht (VG) stattgegeben.
Das VG führte aus, der Gebührenbescheid beruhe auf §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 GebGBbg iVm. der VO über die Gebühren für öffentliche Leistungen im Geschäftsbereich des Ministers des Inneren und für Kommunales (kurz: GebOMIK) im Bundesland Brandenburg. Danach würden die gebühren für die schriftliche Erteilung einfacher Melderegisterauskünfte € 10,00 je nachgefragter Person betragen. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt mit der Angabe, die Auskunft könne aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erteilt werden.
Dabei bezog sich das VG auf Nr. 44.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Budnesmeldegestezes (BMGVwV), wobei es bei der Beantwortung einer Anfrage die Möglichkeiten gäbe, dass (a) die Auskunft erteilt wird, (b) die Auskunft abgelehnt wird und (c) eine neutrale Auskunft erteilt würde. Die neutrale Auskunft nach Nr. 44.1.3.3 BMGVwV habe den auch dem Kläger mitgeteilten Inhalt „Eine Auskunft kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht oder derzeit nicht erteilt werden“. Schon nach dem Wortlaut würde danach eine Auskunft nicht erteilt werden, was aber für den Anfall der Gebühr nach Nr. 2.1.1.1 des Gebührentarifs (GebOMIK) für das Entstehen der Gebühr erforderlich wäre.
Es sei im Hinblick auf die eindeutige Fassung des Gebührentatbestandes „Erteilung einer Auskunft“ nicht möglich, diesen auch dann als erfüllt anzusehen, wenn schriftlich mitgeteilt würde, dass eine Auskunft nicht erteilt wird. Eine derartige Auslegung sei mit dem Gebot der Bestimmtheit von Normen aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar. Der Normadressat müsse seine Normbetroffenheit und die Rechtslage aus der eindeutigen Fassung der Rechtsvorschrift erkennen und seine Verhalten danach ausrichten können. Er müsse daher aus der Fassung des Gebührentatbestandes erkennen können, für welche Leistung die Gebühr erhoben wird (VGH Mannheim, Urteil vom 16.08.2018 - 1 S 625/18 -). Nicht entscheidend sei, ob mit der neutralen Auskunft bzw. Bearbeitung Aufwand verursacht worden sei (a.A. VG Hannover, Urteil vom 29.09.2016 - 10 A 1739/16 -).
Nach § 1 Abs. 3 GebOMIK könnten zwar für öffentliche Leistungen, für die keine Tarifstelle vorhanden sei, wenn sie nicht im öffentlichen Interesse liege, eine Gebühr zwischen € 1,00 bis € 500,00 erhoben werden. Dabei handele es sich aber um eine für das Ob und die Höhe im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung. Weder im Gebührenbescheid noch im Widerspruchbescheid sei aber Ermessen ausgeübt worden (was dann auch entsprechend zu begründen wäre), weshalb auf diese Norm nicht abgestellt werden könne.
Der Beklagte habe allerdings im Prozess auf diese Norm hingewiesen, weshalb er möglicherweise im Verfahren nunmehr den angefochtenen Bescheid ändern wollte bzw. durch einen Ermessensentscheid ersetzt wollte. Dies aber hätte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden müssen; es hätte verdeutlicht werden müssen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handele, sondern um eine Änderung des Verwaltungsaktes selbst (BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 48.12). Das sei nicht erfolgt. Anmerkung: Diese Rechtsansicht ist zutreffend, da - sollte eine solche Erklärung im Prozess erfolgen und das Ermessen auch ausgeübt worden sein - der Kläger dann die Möglichkeit hätte, dies zu akzeptieren, die Hauptsache für erledigt erklären könnte und so die Kosten des Verfahrens der Behörde aufzuerlegen wären.
VG Potsdam, Urteil vom
25.11.2021 - 3 K 1596/18 -
Aus den Gründen:
Tenor
Der
Gebührenbescheid des Beklagten vom 21. November 2017 und der
Widerspruchsbescheid des Landrats des Landkreises Uckermark vom 12. April 2018
werden aufgehoben.
Der Beklagte
trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist
hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten
wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in
Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger
wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Gebühr für eine
Melderegisterauskunft.
Im November
2017 bat der Kläger um Auskunft über die Anschrift eines näher benannten
Dritten. Der Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 21. November 2017 mit, dass
eine Auskunft aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht oder derzeit
nicht erteilt werden könne. Mit Bescheid vom selben Tage setzte er für die
einfache Melderegisterauskunft eine Gebühr von 10 € fest. Den hiergegen
erhobenen Widerspruch des Klägers wies er mit Bescheid vom 12. April 2018,
zugestellt am 17. April 2018, zurück.
Mit der am 17.
Mai 2018 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, bei der ihm erteilten
sogenannten neutralen Antwort handele es sich nach allgemeinem Wortverständnis
und Wortsinn nicht um eine Melderegisterauskunft im Sinne des
Gebührentatbestandes. Aus Nrn. 44.1.3 ff. der Verwaltungsvorschriften zum
Bundesmeldegesetz ergebe sich nichts Anderes. Maßgeblich für die Erhebung einer
Gebühr sei allein, ob der einschlägige Gebührentatbestand erfüllt sei oder
nicht. Der Gebührentatbestand des § 1 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 2.1.1.1
GebOMIK „Erteilung einer einfachen Melderegisterauskunft“ sei durch die
neutrale Auskunft nicht erfüllt. Darauf, dass mit der Erteilung einer neutralen
Auskunft jedenfalls nach Auffassung des Beklagten der gleiche
Verwaltungsaufwand verbunden sei wie mit einer inhaltlichen Auskunft, komme es
nicht an. Der Gebührentatbestand sei mit Bedacht so gewählt worden, dass er an
eine Leistung der Verwaltung für den Bürger anknüpfe, nicht aber an die interne
Tätigkeit der Verwaltung.
Der Kläger
beantragt,
den
Gebührenbescheid des Bürgermeisters der Stadt Templin vom 21. No-vember 2017 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landrats des Landkreises Uckermark
vom 12. April 2018 aufzuheben.
Der Beklagte
beantragt,
die Klage
abzuweisen.
Der Auffassung
des Klägers, dass es sich bei der ihm erteilten neutralen Melderegisterauskunft
nicht um eine Auskunft handele, für die demzufolge keine Gebühr zu entrichten
sei, könne nicht gefolgt werden. Der Antwort auf die Bitte um
Melderegisterauskunft des Klägers sei eine entsprechende Recherche im
Melderegister vorangegangen. Damit sei eine gebührenpflichtige Leistung im
Sinne der hier einschlägigen Gebührenordnung erbracht worden. Jedenfalls sei
der Gebührentatbestand des § 1 Abs. 3 GebOMIK erfüllt, der für nicht
ausschließlich im besonderen öffentlichen Interesse liegende öffentliche
Leistungen, für die keine Tarifstelle vorhanden sei, eine Rahmengebühr von
mindestens einem bis höchstens 500 € vorsehe. Hinsichtlich der Gebührenhöhe
habe er sich an der Tarifstelle für eine einfache Meldeauskunft orientiert.
Wegen der
weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze verwiesen. Der Verwaltungsvorgang des Beklagten (ein
Hefter, Bl. 1 - 22) hat vorgelegen und ist zum Gegenstand der
Entscheidungsfindung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
1. Über die
Klage kann im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
2. Die
zulässige Klage ist begründet.
Der
angefochtene Gebührenbescheid des Beklagten vom 21. November 2017 und der dazu
ergangene Widerspruchsbescheid des Landrats des Landkreises Uckermark vom 12. April
2018 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger dadurch in seinen Rechten (vgl.
§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
a) Der
Gebührenbescheid beruht auf §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 GebGBbg i.V.m.
§ 1 Abs. 1 und Nr. 2.1.1.1 des Gebührentarifs der Verordnung
über die Gebühren für öffentliche Leistungen im Geschäftsbereich des Ministers
des Inneren und für Kommunales (Gebührenordnung des Ministers des Inneren und
für Kommunales - GebOMIK) vom 21. Juli 2010 (GVBl II Nr. 46) in der
Fassung der Verordnung vom 1. Juli 2016 (GVBl II Nr. 34).
Nach § 1
Abs. 1 GebOMIK werden für öffentliche Leistungen, die im anliegenden
Gebührentarif genannt sind, die dort genannten Gebühren erhoben. Nach
Nr. 2.1.1.1 des Gebührentarifs beträgt die Gebühr für die schriftliche
Erteilung einfacher Melderegisterauskünfte 10 € je nachgefragter Person. Dieser
Gebührentatbestand ist durch die schriftliche Mitteilung des Beklagten vom 21.
November 2017 nicht erfüllt.
Nach
Nr. 44.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des
Bundesmeldegesetzes (BMGVwV) vom 28. Oktober 2015 (BAnz AT vom 30. Oktober
2015, B 2) gibt es bei der Beantwortung der Anfrage auf Erteilung einer
Melderegisterauskunft die Möglichkeit, dass die Auskunft erteilt wird, dass die
Auskunft abgelehnt wird oder dass eine neutrale Antwort erteilt wird. Die
neutrale Antwort hat nach Nr. 44.1.3.3 BMGVwV den auch dem Kläger
mitgeteilten Inhalt „Eine Auskunft kann aus tatsächlichen oder rechtlichen
Gründen nicht oder derzeit nicht erteilt werden“. Mit der neutralen Antwort wird
schon nach diesem vorgegebenen Wortlaut keine (Melderegister-)Auskunft erteilt,
was aber nach Nr. 2.1.1.1 des Gebührentarifs tatbestandliche Voraussetzung
für die Erhebung der Gebühr für die schriftliche Erteilung einfacher
Melderegisterauskünfte ist.
Die eindeutige
Fassung des Gebührentatbestandes (Erteilung einer Auskunft) lässt es nicht zu,
ihn auch dann als erfüllt anzusehen, wenn im Wege einer neutralen Antwort
mitgeteilt wird, dass eine Auskunft nicht erteilt wird. Dies wäre mit dem aus
dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Gebot der
Bestimmtheit von Normen nicht vereinbar. Danach müssen Rechtsvorschriften so
eindeutig gefasst sein, dass der Normadressat seine Normbetroffenheit und die
Rechtslage erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Im Falle einer
Gebührenerhebung muss der Gebührentatbestand so gefasst sein, dass der
potenzielle Gebührenschuldner erkennen kann, für welche öffentliche Leistung
die Gebühr erhoben wird (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 16. August 2018 - 1 S 625/18
-, juris, Rzn. 43 f.). Mit diesem Bestimmtheitserfordernis ist eine erweiternde
Anwendung des dem Wortsinn nach eindeutigen Gebührentatbestandes, der auf die
Erteilung einer Melderegisterauskunft abstellt, auch auf die Erteilung einer
neutralen Antwort, mit der die Erteilung der Auskunft abgelehnt wird, nicht
mehr vereinbar. Darauf, ob mit der Erteilung der neutralen Antwort ein der
Erteilung der Auskunft bzw. Bearbeitung der Anfrage entsprechender Aufwand
verursacht wird, kommt es mithin nicht an (so aber VG Hannover, Urteil vom 29.
September 2016 - 10 A 1739/16 -, juris, Rzn. 16 ff.).
b) Auf § 1
Abs. 3 GebOMIK kann der angefochtene Bescheid nicht gestützt werden.
Danach kann für öffentliche Leistungen, für die keine Tarifstelle vorhanden ist
und die nicht ausschließlich im besonderen öffentlichen Interesse liegen, eine
Gebühr von mindestens einem und höchstens 500 € erhoben werden. Bei dieser
Vorschrift handelt es sich sowohl hinsichtlich des Ob der Gebührenerhebung
(„kann“) als auch hinsichtlich der konkreten Gebührenbemessung um eine
Ermessensregelung. Ermessen hat der Beklagte jedoch in dem angefochtenen
Bescheid ebenso wenig wie die Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid
ausgeübt, so dass auch bei Heranziehung von § 1 Abs. 3 GebOMIK die
Bescheide aufzuheben wären.
Es kann auch
nicht angenommen werden, dass der Beklagte mit seinem Vorbringen zu § 1
Abs. 3 GebOMIK und zu der Gebührenbemessung den angefochtenen Bescheid
geändert bzw. durch einen Ermessensbescheid ersetzt hat. Dies hat der Beklagte
nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit erklärt. Will die Behörde den
angefochtenen Verwaltungsakt in einem laufenden Verwaltungsprozess ändern oder
auswechseln, so muss sie unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht
nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung
des Verwaltungsakts selbst (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 48.12 -,
juris, Rz. 35; Urteil vom 13. Dezember 2011 - 1 C 14.10 -, juris, Rz. 18).
Daran fehlt es hier.
3. Die
Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die
Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167
VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Ein Grund für
die Zulassung der Berufung (vgl. § 124a Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird gem. § 52 Abs. 1 GKG auf unter 500,00 Euro festgesetzt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen