Samstag, 21. November 2015

Keine Widerrufsbelehrung bei Vertragsabschluss auf Messestand

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Wird ein Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers abgeschlossen, steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu, auf welches er (formgerecht) hinzuweisen ist. Ein Kunde der beklagten kaufte auf einem Messestand der beklagten anlässlich der „Grünen Woche“ einen Staubsauger. Er wurde von der Beklagten nicht über ein Widerrufsrecht und das Musterwiderrufsformular informiert. Im Nachgang wandte sich der Kunde an den Kläger, der die beklagte abmahnte mit der Behauptung, das Unterlassen verstoße gegen  §§ 312g, 312b, BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB. Die verlangte Abmahnerklärung gab die Beklagte nicht ab.


Der Kläger erhob Klage. Diese wurde vom Landgericht zurückgewiesen.

Das Landgericht musste sich mit der Frage auseinandersetzen, was im Sinne der gesetzlichen Bestimmung ein Geschäftsraum ist, da bei dem Geschäftsabschluss in einem solchen es einer Widerrufsbelehrung nicht bedarf. Es entschied, dass es sich bei dem Messestand um einen beweglichen Geschäftsraum handelt mit der Folge, dass auch eine Widerrufsbelehrung nicht erforderlich war. Dabei stützte sich das Gericht auf die Verbraucherrichtlinie 2011/93/EU, derzufolge bewegliche Geschäftsräume solche sind, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Die ratio legis läge es nahe, den Begriff „für gewöhnlich“ nicht mit „ständig“ gleichzusetzen. Das folgert es aus den Erwägungsgrund der Richtlinie, wonach der Geschäftsräume solche sind, in denen der Unternehmer sein Geschäft ständig oder gewöhnlich ausübt und markt- und Messestände dazu zählen sollen, wenn sie diese Bedingung erfüllen. Weiterhin stellte es auf die Erwägungsgründe für die Richtlinie ab, wonach der Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen möglicherweise psychisch unter Druck gesetzt würde oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt würde. Auch der Verbraucher, der auf einem Wochenmarkt einkaufe, werde daher nicht geschützt.

Der Beklagte würde ständig auf Messen präsent sein. Der Verbraucher wüsste bei der Grünen Messe in Berlin, dass in der Halle, in der der Beklagte seinen Stand hatte, Haustechnik dargeboten würde. Der Verbraucher stünde hier nicht unter Druck; die Halle habe einen gesonderten Zugang und der Verbraucher müsste bewusst dorthin gelangen.


LG Freiburg, Urteil vom 22.10.2015 – 14 O 176/15 -

Montag, 16. November 2015

Einkommensteuerbescheid: Keine Berichtigung nach § 129 AO wegen vermeintlicher „mechanischer“ Fehler des Steuerpflichtigen

Wann darf das Finanzamt (FA) eine Berichtigung eines Steuerbescheides wegen offenbarer Unrichtigkeit bei Erlass des Steuerbescheides ( § 129 AO) vornehmen ? Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte einen  Fall zu entscheiden, bei dem der Steuerpflichtige (Kläger) nach eingehenden rechtlichen Überlegungen der steuerlichen Behandlung sogenannter Stillhaltegeschäfte (die zum Zeitpunkt der Erklärung strittig waren) diesen den privaten Veräußerungsgeschäften unterworfen und gelangte so zu einer Berücksichtigung unter Kennziffer 116 der „Anlage SO“.  Nachdem sich der Kläger zu Nachfragen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen erklärte berücksichtigte das Finanzamt die Angaben wie vom Kläger deklariert. Hätte der Kläger die Eintragung der Stillhaltegeschäfte  im Feld Leistungen vorgenommen, wären die Verlustvorträge, die er verrechnet hat, nicht verrechnet worden.
Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das FA einen nach § 129 AO geänderten Bescheid, in dem die Verlustvorträge nicht mehr berücksichtigt worden. Dagegen wandte sich der Kläger. Sein Einspruch wurde vom FA ebenso zurückgewiesen wie seine Klage zum Finanzgericht. Auf die Revision zum BFH erfolgte eine Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und des Bescheides bezüglich der streitigen Position und Stattgabe der Klage.

Der BFH wies darauf hin, dass offenbare Unrichtigkeiten bei mechanischen versehen Eingabe- oder Übertragungsfehler sind. Unrichtige Tatsachenwürdigungen oder unrichtige Tatsachenwürdigungen schließen aber, so der BFH, eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO aus. Allerdings sei § 129 AO jenseits seines Wortlauts auch anwendbar, wenn das FA offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt; offenbar sind diese, wenn sie sich aus der Steuererklärung selbst, deren Anlagen oder in den Akten befindlichen Unterlagen des Veranlagungsjahres ergeben.

Dies gilt allerdings nach der Entscheidung des BFH dann nicht, wenn es sich nicht um ein Versehen des Steuerpflichtigen handelt, es sei denn, ein solches Versehen würde vom FA als eigenes in den Steuerverwaltungsakt übernommen.

Ein Versehen des Steuerpflichtigen lag nicht vor, da der Zuordnung und Berechnung umfangreiche rechtliche Erwägungen zugrunde lagen. Auch dem FA sei kein Versehen unterlaufen, indem es die Angaben übernahm. Dem Prüfvermerk der Sachbearbeiterin des FA war zu entnehmen, dass diese die Verrechnung erkannte, die der Kläger in einer Anlage zur Einkommensteuererklärung dargelegt hatte. Damit sei nicht auszuschließen, dass die Sachbearbeiterin  einen sachverhalts- oder rechtsfolgenbezogenen Denkfehler unterlegen war. Von daher schied eine Berichtigung nach § 129 AO aus.


BFH, Urteil vom 16.09.2015 – IX R 37/14 -

Haftung des Waschanlagenbetreibers bei Schädigung eines PKW wegen dessen (serienmäßiger) Konstruktion

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Der Kläger fuhr mit seinem PKW in die Waschstraße der Beklagten. Dort kam es zur Schädigung des PKW, bei dem der serienmäßige Spoiler abgerissen wurde. In der Waschstraße der Beklagten erfolgte eine Videoaufzeichnung des Waschvorgangs, die von dem vom Landgericht beauftragten Sachverständigen ausgewertet wurde. Der Sachverständige stellte fest, wie es konkret zum Abriss kam und ferner, dass dieser Abriss konstruktionsbedingt nicht vermeidbar wäre. Zwar wären Vorrichtungen vorhanden um die Anlage unter bestimmten Umständen zu stoppen, um so mechanische Beeinträchtigungen des Fahrzeuges zu verhindern, doch würden diese in Ansehung der Geometrie des klägerischen Fahrzeuges nicht greifen.


Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers war im wesentlichen erfolgreich.

Der Senat verdeutlichte, dass es nicht darauf ankäme, ob man davon ausgehen wolle, dass das Fahrzeug konstruktiv für die Waschstraße oder diese konstruktiv nicht für das Fahrzeug geeignet wäre. Entscheidend wäre, dass Fahrzeuge wie das klägerische und die Waschstraße konstruktiv nicht zusammen passen würden. Da aber die Beklagte aufgrund des Waschanlagen-Vertrages verpflichtet wäre für einen schadensfreien Waschvorgang zu sorgen, ergäbe sich daraus eine Pflichtverletzung der beklagten als Betreiberin der Waschstraße. Ob dies auch geltend würde, wenn es sich bei dem Heckspoiler nicht um eine Serienausstattung handeln würde, könne hier auf sich beruhen.

Der Senat verweist darauf, dass es bei der beklagten läge, gegebenenfalls Fahrzeuge zurückzuweisen, die, wie das klägerische Fahrzeug, für die Waschanlage nicht geeignet wären.


OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.06.2015 – 9 U 29/14 -

Freitag, 13. November 2015

Zeitlicher Rahmen für Winterdienst durch Arbeitgeber als Grundstückseigentümer

Die Räum- und Streupflicht des Arbeitsgebers  kann entgegen gemeindlicher Satzung, die eine Beseitigungspflicht für 7.00 Uhr morgens vorsieht, schließt nicht notwendig eine Pflicht zu vorzeitigem Winterdienst aus. Der Arbeitgeber, der Grundstückseigentümer ist, ist nach Auffassung des OLG Koblenz zur früheren Beseitigung von Schnee und Glättebildung im öffentlichen Bereich verpflichtet, wenn auf Grund des konkreten Arbeitsbeginns bei dem Grundstückseigentümer bereits vor der in der Gemeindesatzung benannten Zeit mit Fußgängerverkehr von Betriebsangehörigen zu rechnen ist. Kommt ein Beschäftigter, dessen Arbeitsbeginn vor 7.00 Uhr liegt, auf Grund Unterlassens der Durchführung notwendiger Schnee- und Eisbeseitigungsmaß0nahmen zu Fall und dadurch zu Schaden, haftet der Arbeitgeber diesem gegenüber nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen (und ist nicht das Arbeitsgericht, sondern das allgemeine Zivilgericht für die Entscheidung zuständig).

Im Falle der Verletzung von Betriebsangehörigen durch Unterlassen der erforderlichen Räum- und Streumaßnahmen kommt dem Arbeitgeber auch nicht das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 SGB VII zugute, da es sich um einen Wegunfall handelt, bei dem der Arbeitgeber unabhängig davon haftet, ob Vorsatz bei ihm vorliegt oder nicht.  

OLG Koblenz, Urteil vom 29.04.2015 – 5 U 1479/14 -

Freitag, 30. Oktober 2015

Asbest als offenbarungspflichtiger Mangel ?

Bild: Harald Weber auf Wikipedia
Die Verkäuferin einer Immobilie wies den Käufer nicht darauf hin, dass  die Dachplatten aus Asbestzement bestehen. Im Kaufvertrag wurde eine Haftung der Verkäuferin wegen Sachmängeln ausgeschlossen, soweit nicht Vorsatz oder Arglist bestünde.

Das OLG Koblenz führte zur Begründung aus, die Verkäuferin habe nicht ungefragt etwas zur Asbesthaltigkeit der Dachplatten erklären müssen. Nur wenn vom Asbest eine konkrete Gesundheitsgefährdung ausgehen würde, hätte eine Offenbarungspflicht bestanden. Nach Angaben eines vom Landgericht beauftragten Sachverständigen ergäben sich hier erst Risiken, wenn das Dach abgebrochen oder saniert würde, wobei dann allerdings darauf erfahrene Dachdeckerbetriebe berufen würden, die die erforderliche Sicherheit gewährleisten könnten.

Wenn allerdings  - was nach Zurückverweisung das Landgericht bei erneuter Beweiserhebung zu prüfen habe -  der Ehemann der Verkäuferin eine Asbestfreiheit erklärt haben sollte und dadurch den Käufer in die Irre geführt hätte, wäre ein Anspruch des Käufers auf Schadensersatz begründet.


OLG Koblenz, Urteil vom 04.03.2015 – 5 U 1216/14 -

Samstag, 24. Oktober 2015

„Kleinunternehmers“ rechtsmissbräuchliche Abmahnung, § 8 Abs. 4 UWG

Wettbewerber können sich wechselseitig abmahnen und auf Unterlassung in Anspruch nehmen, wenn ein wettbewerbswidriges Verhalten nach §§ 3, 7 UWG vorliegt. Allerdings seiht § 8 Abs. 4 UWG ausdrücklich vor, dass ein Missbrauch dieses Rechts auszuschließen ist.


Das Oberlandesgericht hat hier, unter Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung, den Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Beklagten im Hinblick auf fehlerhafte Widerrufsbelehrungen bei dessen Angeboten bei eBay abgewiesen. Der Beklagte wandte Rechtsmissbrauch des Klägers iSv. § 8 Abs. 4 UWG ein, da der Kläger über kein Ladengeschäft und keinen Onlineshop verfügte, lediglich sieben bewertete Verkäufe auf eBay innerhalb von fünf Monaten mit einem Umsatz von unter € 1.800,00  gehabt habe und nach eigener Angabe die Kleingewerberegelung nach § 19 Abs. 1 UStG greifen würde.

Dem folgte das OLG.

Ein Rechtsmissbrauch liege vor, wenn der Antragsteller überwiegend sachfremde Gesichtspunkte verfolge. Dies sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei allerdings auch der Antragsgegner für den Missbrauch darlegungs- und beweisbelastet ist. Vorliegend wurde vom Verfügungsbeklagten die Behauptung aufgestellt, die Indizien sprächen für den Vorrang eines Gebühreninteresses des Antragstellers und seines Prozessbevollmächtigten.

Auch wenn der Verfügungskläger höhere Umsätze auf eBay behauptete als durch die Verwertungen dort ausgewiesen, folgte dem das OLG nicht. Es geht von einer „gewissen Sorglosigkeit“ der Nutzer mit Daten um und nimmt deshalb an, dass ein großer teil der Nutzer von der Bewertungsmöglichkeit Gebrauch mache. Hinzu komme, dass der Verfügungskläger auch der Kleinunternehmerregelung des Umsatzsteuerrechts unterfalle, was bedeute, dass im vorangegangenen Kalenderjahr der Umsatz unter € 17.500,00 lag und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht € 50.000,00 übersteige. Dieser geringen wirtschaftlichen Betätigung stünde eine erhebliche Anzahl von Abmahnungen (15), die vom Verfügungsbeklagten namhaft gemacht worden waren, gegenüber.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015 – I-20 U 187/14 -

Freitag, 23. Oktober 2015

Zweitwohnungssteuer nicht gegen eine GbR festsetzbar

Die Klägerin, der zusammen mit zwei Geschwistern im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) das Eigentum an einer Wohnung im Stadtgebiet von München zusteht, wendet sich gegen einen Bescheid der Stadt München, mit dem sie zur Zweitwohnungssteuer herangezogen wird.

Der VGH führt aus, dass eine Heranziehung der Klägerin zur Zweitwohnungssteuer nicht in Betracht käme, wenn  - wie hier -  die Wohnung im Eigentum einer GbR steht. Denn die Zweitwohnungssteuer unterlägen, wie § 3 Abs. 1 ZwStS zeigt, nur natürliche Personen, da es sich um eine Aufwandssteuer iSv. Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG handelt, bei der die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getroffen werden soll (BVerfG, Urteil vom 06.12.1983 -2 BvR 1275/79 -).  Eine GbR, so weiter der VGH, befriedigt keinen persönlichen Wohnbedarf.

Ex könne auch in der Regel nicht ersatzweise auf einzelne Gesellschafter zurückgegriffen werden. Ein Innehalten im steuerlichen Sinne würde nicht nur eine tatsächliche (zeitweilige) Verfügungsmacht voraussetzen, sondern auch eine rechtlich gesicherte Verfügungsbefugnis. Das eigentumsabhängige Verfügungsrecht stünde der GbR zu; eine Zurechnung zum Gesellschafter käme allenfalls dann in Betracht, wenn dieser eine beherrschende Stellung in der GbR habe oder ihm ein (auch zeitlich befristetes) Nutzungsrecht eingeräumt wird und während dieser Zeit die Wohnung als Zweitwohnung genutzt würde.


BayVGH, Urteil vom 29.07.2015 -  4 B 15.877 -